Finanzgericht Niedersachsen
v. 19.09.1997, Az.: III 350/97
Anfall von Grunderwerbssteuer für die Übertragung eines Grundstücks; Verfassungsmäßigkeit der Grunderwerbssteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.09.1997
- Aktenzeichen
- III 350/97
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 1997, 16004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0919.III350.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
- Art. 14 Abs. 1 GG
- Art. 3 Abs. 1 GG
Fundstelle
- DStRE 1998, 179-181 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
GrESt-Freibetrag nicht verfassungsgeboten,
Grunderwerbsteuer
Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
...
am 19. September 1997
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die S. A. und Dr. P. A. in Gesellschaft bürgerlichen Rechts - im folgenden: GbR - erwarb durch notariellen Grundstückskaufvertrag vom 17. Januar 1997 ein in H. belegenes bebautes Grundstück - im folgenden: Kaufgrundstück - zu einem Kaufpreis von 615.000 DM.
Das beklagte Finanzamt - FA - setzte gegen die GbR durch Bescheid vom 6. Februar 1997 Grunderwerbsteuer von 21.525 DM fest. Die Gesellschafter der GbR erhoben dagegen Einspruch und verwiesen darauf, daß das Kaufgrundstück für ihre eigenen Wohnzwecke erworben wurden sei. Sie machten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - zur Vermögen- und Erbschaftsteuer (vom 23. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 und 2 BvR 552/91 - BStBl II 1995 S. 655 und S. 671) geltend, daß ihrer Auffassung nach die Erhebung der Grunderwerbsteuer verfassungswidrig sei. Das Eigenheim als Teil des notwendigen Lebensführungsvermögens unterliege einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Die Grunderwerbsteuererhebung verstosse sowohl gegen die verfassungsrechtlich fixierte Besteuerungsobergrenze als auch gegen das Gebot einer belastungsfreien Zone. Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 23. Juli 1997 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der das Einspruchsvorbringen wiederholt und vertieft wird.
Die Kl. beantragt sinngemäß,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. Februar 1997 und den Einspruchsbescheid vom 22. Juli 1997 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es tritt dem Klagevorbringen entgegen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die beim FA geführte Grunderwerbsteuerakte (...) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.
1.
Der hier fragliche Grundstückskaufvertrag unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz vom 17. Dezember 1982 (BGBl I S. 1777) in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2049) - GrEStG - der Grunderwerbsteuer. Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide bestehen nicht.
2.
Die mit der Klage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das GrEStG teilt der Senat nicht. Hierbei geht der Senat davon aus, daß grunderwerbsteuerrechtlich einer GbR bei einem von ihr erworbenen Grundstück - wie hier - personenbezogene Eigenschaften ihrer Gesellschafter zugerechnet werden können (vgl. nur BFH-Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63 BStBl II 1969 S. 400; Boruttau/Egly/Sigloch, Kommentar zum GrEStG, 13. Auflage 1992 § 5 Rz. 44 m.w.N.). Dies entspricht dem Wesen des letztlich personenrechtlichen Verhältnisses zwischen den Gesellschaftern einer Gesamthandsgemeinschaft. Eine solche personenbezogene Eigenschaft ist im Streitfall der Umstand, daß die Gesellschafter der Kl. Eheleute sind und sich mithin auf den Schutz des Art. 6 GG berufen können. Die GbR kann sich ihrerseits (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) auf den Schutz des Art. 14 GG berufen.
a)
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist durch die hier fragliche Grunderwerbsteuerpflicht nicht berührt. Der Senat kann hierbei von weiteren Ermittlungen zu der Frage, ob die Gesellschafter der Kl. bezüglich des Kaufgrundstücks einen Anspruch auf Eigenheimzulage nach Maßgabe des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Januar 1996 (BGBl I S. 1139), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2049), haben, absehen. Sollte den Gesellschaftern der Kl. bei gegebener Nutzung des erworbenen Hausgrundstücks zu eigenen Wohnzwecken (§ 4 EigZulG) ein solcher Anspruch zustehen, so wäre bei der betragsmäßigen Überschreitung der hier fraglichen Grunderwerbsteuer durch die auszuzahlende Eigenheimzulage bereits aus diesem Grunde tatbestandlich kein Eingriff in Eigentumsrechte i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG gegeben. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG wäre jedoch aus den nachfolgenden Gründen auch dann nicht berührt, wenn den Gesellschaftern der Kl. kein Anspruch auf Eigenheimzulage zustehen sollte: ...
Unter dem Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz reicht damit zwar erheblich weiter als das zivilrechtliche Eigentum und erstreckt sich auch auf nicht dingliche Vermögenswerte Rechtspositionen. Er bleibt aber an Rechtspositionen gebunden. Kein Eigentum i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG ist daher das Vermögen, das selber kein Recht, sondern den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person darstellt (BVerfG-Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - NJW 1997 S. 1975, m.w.N.). Daraus folgt nach Auffassung des 1. Senats des BVerfG (a.a.O.), daß Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt. Denn diese sind nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts zu erfüllen, sondern werden aus dem fluktuierenden Vermögen bestritten. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, daß sie eine erdrosselnde Wirkung haben. Von den vorstehenden Rechtsgrundsätzen geht - wie der BVerfG-Beschluß vom 8. April 1997, a.a.O., ausdrücklich feststellt - auch der zur Vermögensteuer ergangene Beschluß des 2. Senats des BVerfG (vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - a.a.O.) aus.
Nach den vorstehenden Maßstäben ist im Streitfall keine eigentumsrechtliche Position der Kl. betroffen, weil die hier fragliche Grunderwerbsteuerpflicht - lediglich - das Vermögen der Kl. belastet. Anhaltspunkte für einen "Substanzeingriff" (vgl. Leisner, NJW 1995 S. 2591/2592 f. m.w.N.) oder eine erdrosselnde Wirkung der hier fraglichen Grunderwerbsteuer sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Ohne Erfolg bleibt auch der Hinweis auf den Vermögensteuerbeschluß des 2. Senats des BVerfG vom 22. Juni 1995 (- 2 BvL 37/91 -, a.a.O., S. 662), wonach der Steuergesetzgeber in bestimmten Grenzen das vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmte Vermögen nicht durch weitere Besteuerung mindern dürfe. Diese Aussage des BVerfG betrifft ausschließlich die Besteuerung von Vermögenserträgen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, daß in gleicher weise auch bereits der Erwerb vermögenswerter Rechtspositionen - insbesondere der Erwerb von Grundstücken - eine Mäßigung des steuerlichen Zugriffs im Sinne eines allgemeinen Grundfreibetrags bei der Grunderwerbsteuer verlangt. Es verbleibt insoweit vielmehr bei dem Grundsatz, daß die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG - auch in der Auslegung, die das BVerfG in seinem Vermögensteuerbeschluß vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) diesem Grundrecht gegeben hat - nicht vor der Besteuerung des Erwerbs von Eigentum schützt (Papier in: Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum GG, Loseblatt-Ausgabe, Art. 14 Rz. 43; Eschenbach, DStZ 1997, S. 413, jew. m.w.N.). Das muß auch für den Erwerb solcher Güter gelten, die ein Steuerpflichtiger im Sinne eines persönlichen Gebrauchsvermögens zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmt.
Folgerungen aus dem Vermögensteuer-Beschluß des BVerfG vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) für den grunderwerbsteuerrechtlichen Zugriff auf den Grundstückserwerb lassen sich im übrigen auch deshalb nicht ziehen, weil das der persönlichen Lebensgestaltung dienende Vermögen nicht - im Sinne einer objektbezogenen Betrachtung - auf bestimmte Wirtschaftsgüter und insbesondere nicht auf Grundstücke verengt werden kann. Das selbstgenutzte Einfamilienhaus ist zwar - unter Beachtung der "erreichten ökonomischen und kulturellen Standards" (BVerfG-Beschluß vom 22. Juni 1995, a.a.O., S. 662) - ein wesentlicher Baustein persönlicher Freiheit und wirtschaftlicher Sicherheit. Die Auswahl der der persönlichen Lebensführung dienenden Wirtschaftsgüter ist jedoch Gegenstand und Ausdruck persönlicher Freiheit, Eine grunderwerbsteuerrechtliche Privilegierung des Erwerbs von Grundstücken, die Bestandteil eines persönlichen Gebrauchsvermögens sind, würde diese grundrechtliche Freiheit beschädigen, weil der nicht in Grundstücken bestehende Erwerb von Gebrauchsvermögen steuerlich (z.B. durch Umsatzsteuer) anderweitig belastet bleibt. Das BVerfG hat daher in seinem Vermögensteuerbeschluß vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) auch lediglich gefordert, die ökonomische Grundlage individueller Freiheit typisierend - im Sinne einer Orientierung an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser - zu bemessen. Im übrigen wäre eine besondere Privilegierung des Erwerbs von dem persönlichen Gebrauchsvermögen zuzuordnenden Grundstücken durch Gewährung eines spezifisch grunderwerbsteuerrechtlichen "Freibetrags" auch verfassungsrechtlich nur schwerlich mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebot der Gleichheit der Lastenzuteilung zu vereinbaren. Es muß vielmehr berücksichtigt werden, daß das zum 1. Januar 1983 in Kraft getretene GrEStG auf einer grundlegenden Neuorientierung dieser Rechtsmaterie beruhte, wobei die im Vergleich zum früheren Recht erfolgte Absenkung des Steuersatzes auf 2 v.H. durch einen bewußten Kahlschlag der nach dem bis dahin geltenden vormaligen Recht gewahrten vielzähligen Befreiungen und Vergünstigungen herbeigeführt wurde (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Kommentar zum GrEStG, 13. Auflage 1992, Vorbemerkung Rz. 104 ff., 107 ff., m.w.N. zur Entstehungsgeschichte des GrEStG 1983). Die durch das Jahressteuergesetz 1997 erfolgte Anhebung des Steuersatzes auf nunmehr 3,5 v.H. hat an dieser Ausrichtung des GrEStG im Grundsätzlichen nichts geändert.
Weitergehende Folgerungen zugunsten des klägerischen Standpunktes ergeben sich auch nicht aus dem zur Erbschaftsteuer ergangenen BVerfG-Beschluß vom 22. Juni 1995 (- 2 BvR 552/91 -, a.a.O.). Diese Entscheidung betrifft ausschließlich die kraft der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) grundrechtsgebotene Mäßigung des erbschaftsteuerlichen Zugriffs auf einen durch Erbfall anfallenden Vermögenszuwachs, Verfassungsrechtliche Maßgaben zur "Erwerbsphase" desjenigen Eigentumsbestands, der später von Todes wegen auf Dritte übertragen wird, ergeben sich aus diesem Beschluß nicht. Im übrigen ist der verfassungsrechtlichen Mäßigung des grunderwerbsteuerlichen Zugriffs auf den Übergang von Grundstücken von Todes wegen oder Schenkungen unter Lebenden durch § 3 Nr. 2 GrEStG (dazu auch BVerfG-Beschluß vom 15. Mai 1984 - 1 BvR 464/81 u.a. - BStBl II 1984 S. 608) Rechnung getragen.
b)
Für einen Verstoß gegen Art. 6 GG ist ebenfalls nichts ersichtlich. Soweit das BVerfG in seinen Beschlüssen vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) der vermögensteuerlichen Belastung von Ehe- und Familiengut sowie dem erbschaftsteuerlichen Zugriff bei Familienangehörigen unter Hinweis auf Art. 6 GG besondere Grenzen setzt, können diese Erwägungen auf die Grunderwerbsteuer nicht übertragen werden. Für einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG ist nichts erkennbar oder vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die hier aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) haben.