Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.09.1997, Az.: VII 339/97
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ; Mit dinglichem Nutzungsrecht belastete Wohnung; Dem Eigentümer vom Nutzungsberechtigten unentgeltlich überlassene Wohnung; Herstellungskosten für die Erweiterung seines Einfamilienhauses
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.09.1997
- Aktenzeichen
- VII 339/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 16189
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0916.VII339.97.0A
Rechtsgrundlage
- § 10 e Abs. 1, 2 EStG
Fundstellen
- DStRE 1998, 83-84 (Volltext mit amtl. LS)
- SteuerBriefe 1998, 579
Verfahrensgegenstand
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S.d. § 10 e Abs. 1 EStG auch bei einer mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten und dem Eigentümer vom Nutzungsberechtigten unentgeltlichüberlassenen Wohnung.
Einkommensteuer 1995
In dem Rechtsstreit hat
der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 16. September 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Geschäftsführer
ehrenamtliche Richterin ... Fernmeldesekretärin
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 5. Februar 1997 und des Einspruchsbescheids vom 21. Mai 1997 wird die Einkommensteuer von 4.336 DM auf 224 DM herabgesetzt.
Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger (Kl.) die Grundförderung gemäß § 10 e EStG zu gewähren ist.
Die Eltern des Kl. übertrugen dem Kl. aufgrund notariellen Vertrags vom 10. April 1995 ihr in G. gelegenes Grundstück. Flurstück ... der Flur ... zur Größe von rd. 5.200 qm. Das Grundstück war mit einem Einfamilienhaus und Nebengebäuden bebaut. Für die Eltern wurde gemäß § 2 des vorgenannten Vertrags ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an demübertragenen Grundbesitz bewilligt. Dieser wurde auch eingetragen. Zugleich überließen die Eltern des Kl. gemäß § 1059 Satz 2 BGB dem Kl. die Ausübung des Nießbrauchs an einer bestimmten Teilfläche des übertragenen Grundstücks und an dem "darauf zukünftig vorhandenen Gebäude".
Der Kl. errichtete auf der vorgenannten Teilfläche einen Anbau an dem vorhandenen übertragenen Wohngebäude in der Weise, daß zusammen mit dem Altgebäude ein erweitertes Einfamilienhaus entstand. Der Senat verweist zur Anschauung auf die eingereichten Bauskizzen. Der Kl. bewohnt mit seiner Familie seither das Dachgeschoß des Einfamilienhauses nebst einem Teil des Erdgeschosses, seine Eltern das Erdgeschoß im übrigen.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr machte der Kl. einen Abzugsbetrag von 11.799 DM (6 % von 196.640 DM Herstellungskosten) gemäß § 10 e Abs. 1 EStG und Schuldzinsen und Geldbeschaffungskosten vor Bezug in Höhe von 8.715 DM gemäß § 10 e Abs. 6 EStG geltend. Nach den Angaben des Kl. war der An- bzw. Umbau zum 30. Oktober 1995 fertiggestellt und der Kl. mit seiner Familie am 30. Dezember 1995 in das Haus eingezogen.
Das beklagte Finanzamt (FA) gewährte die geltend gemachte Vergünstigung nicht, weil der Kl. das Gebäude nicht aufgrund seines Eigentums nutze, da seine Eltern sich den Nießbrauch am gesamten Grundstück vorbehalten hätten. Die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs ändere daran nichts, da sie nur schuldrechtlich wirke.
Hiergegen wenden sich die Kläger nach erfolglosem Einspruch. Sie meinen sinngemäß im wesentlichen, sämtliche Voraussetzungen gemäß § 10 e EStG lägen vor. Sie hätten den Anbau auf eigene Kosten hergestellt. Der Kl. sei bürgerlich-rechtlicher Eigentümer. Aus der Vereinbarung mit den Eltern ergebe sich klar, daß das Nießbrauchsrecht der Eltern sich nicht auf den Anbau erstrecke.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den angefochtenen Bescheid in der Weise zu ändern, daß die Vergünstigung gemäß § 10 e Abs. 1, 6 EStG in Höhe von 20.514 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Dem Kl. sind Herstellungskosten für die Erweiterung seines Einfamilienhauses entstanden, die unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 10 e Abs. 1, 2 EStG begünstigt sind. Daß eine Erweiterung im Sinne des § 10 e Abs. 2 EStG vorliegt, darüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit. Das dem Kl. übertragene Einfamilienhaus ist auch nach der Erweiterung ein Einfamilienhaus geblieben. Die Annahme eines Zweifamilienhauses scheitert daran, daß keine zwei abgeschlossenen Wohnungen vorhanden sind.
Die Vergünstigung gemäß § 10 e Abs. 1, 2 EStG setzt weiter voraus, daß eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Erweiterung an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung gegeben ist. Der Kl. nutzt das Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken, denn er wohnt darin zusammen mit seiner Familie. Allerdings wohnen in dem Einfamilienhaus auch die Eltern des Kl. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken jedoch auch vor, wenn Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen werden. Die Eltern nutzen bestimmte Räume in dem Einfamilienhaus unentgeltlich, denn sie zahlen dem Kl. dafür kein Entgelt.
In der Rechtsprechung und in der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, daß eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht gegeben sei, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung nicht aufgrund seines Eigentums nutze (Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 1995 4 K 1653/94, EFG 1995, 1016, Herrmann/Heuer, Kommentar zum EStG,§ 10 e Anm. 99, Schmidt, Kommentar zum EStG, 15. Aufl.,§ 10 e Rdn. 14). Keine Eigennutzung liege dementsprechend vor, wenn eine Wohnung mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastet ist und sie dem Eigentümer vom Nutzungsberechtigten ganz oder teilweise zur unentgeltlichen Nutzung überlassen werde. Auf diese Rechtsauffassung beruft, sich das FA. Der erkennende Senat teilt sie indes nicht. Für diese Rechtsauffassung spricht weder der Gesetzeswortlaut noch der Sinn und Zweck der Förderung gemäß § 10 e EStG. Das Nutzen der eigenen Wohnung zu "eigenen Wohnzwecken" ist als tatsächlicher Vorgang zu verstehen. Der Steuerpflichtige, der in seiner eigenen Wohnung wohnt, nutzt sie dementsprechend "zu eigenen Wohnzwecken". Soweit er die Kosten für die Herstellung der Wohnung bzw. für die Erweiterung seiner Wohnung getragen hat, soll er gemäß § 10 e EStG begünstigt werden.
Der Kl. hat die Herstellungskosten für die Erweiterung des Einfamilienhauses getragen. Er wohnt in dem Einfamilienhaus, er nutzt überwiegend insbesondere die durch die Erweiterung entstandenen Räume. Soweit die Eltern Räume aufgrund der Erweiterung nutzen, ist dies, wie oben ausgeführt, unerheblich. Der Senat sieht deshalb keinen Grund, dem Kl. die geltend gemachte Vergünstigung gemäß § 10 e Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 EStG zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die weitere Nebenentscheidung auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat läßt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.