Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.09.2003, Az.: 13 V 357/03

Aussetzung der Vollziehung eines Einkommen- und Gewerbesteuerbescheides; Bildung einer Ansparabschreibung bei künftiger Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens; Voraussetzungen und Zielsetzung eines Finanzierungszusammenhanges bei Bildung einer Ansparabschreibung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
09.09.2003
Aktenzeichen
13 V 357/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 12820
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0909.13V357.03.0A

Fundstellen

  • BBK 2004, 153
  • BBK 2004, 105
  • EFG 2003, 1767-1768
  • StuB 2004, 132

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Zweck der Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG verlangt in zeitlicher Hinsicht, dass die Rücklage die ihr zugedachte Funktion der Finanzierungserleichterung erfüllen kann. Zwischen der Bildung der Rücklage und der Investition muss daher ein "Finanzierungszusammenhang" bestehen.

  2. 2.

    Ein Finanzierungszusammenhang setzt voraus, dass der Stpfl. die Investition innerhalb des 2-Jahres-Zeitraumes des § 7g Abs. 4 EStG noch vornehmen kann. Diese Voraussetzung ist dann nicht mehr erfüllt, wenn die Rücklage zu einem Zeitpunkt gebildet wird, in dem der 2jährige Investitionszeitraum bereits abgelaufen ist.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Bildung einer Rücklage nach § 7g Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 20.000,00 DM im Streitjahr 1998 und in Höhe von 90.000,00 DM im Streitjahr 1999 zulässig war.

2

Der Antragsgegner hatte zunächst die Veranlagung für die Streitjahre erklärungsgemäß festgesetzt. In der Folgezeit stellte sich jedoch heraus, dass der Antragsteller (ASt.) Provisionseinnahmen nicht erklärt hatte. Am 11.01.2002 reichte der ASt. nachträglich Bilanzen für die Jahre 1998 und 1999 ein, in denen die genannten Rücklagen nach § 7g EStG ausgewiesen waren. Es handelte sich hierbei um geplante Investitionen für Büroeinrichtung, EDV-Einrichtung, Grafikarbeitsplätze und Pkw. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rücklagenentwicklung im Einspruchsbescheid vom 24.06.2003 verwiesen. Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, dass die Bildung einer derartigen Rücklage nach Ablauf des zweijährigen Investitionszeitraumes nicht mehr zulässig sei und erhöhte den Gewinn für die Streitjahre um 20.000,00 DM bzw. 90.000,00 DM.

3

Gegen die entsprechenden Änderungsbescheide hat der ASt. Einspruch eingelegt und gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt. Über den Einspruch hat das FA bisher nicht entschieden. Die AdV lehnte das FA ab. Daraufhin suchte der ASt mit Schriftsatz vom 15.07.2003 um gerichtliche AdV nach. Zur Begründung verwies der ASt. auf ein beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängiges - ähnlich gelagertes - Verfahren. Aus diesem Grunde bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

4

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 31.03.2003 sowie des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 31.03.2003 und des Gewerbesteuermessbescheides 1999 vom 31.03.2003 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung in Höhe von 21.817 bzw. 1.234,26 von der Vollziehung auszusetzen.

5

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

6

Das FA verweist darauf, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht bestünden. Der BFH habe in einem gleich gelagerten Sachverhalt eine Rücklagenbildung nach § 7g EStG nach Ablauf des zweijährigen Investitionszeitraumes mangels eines Finanzierungszusammenhangs nicht mehr für zulässig erachtet.

Gründe

7

Der Antrag ist unbegründet.

8

1.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

9

a)

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

10

Gemäß § 7g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Die Rücklage durfte in den Streitjahren 1998 und 1999 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Sie ist gemäß § 7g Abs. 4 EStG in Höhe von 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufzulösen, sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen vorgenommen werden dürfen.

11

Der Tatbestand des § 7g Abs. 3 EStG stellt auf die künftige Anschaffung ab. Die Rücklage hat den Zweck, die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch zu verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden. Mit Hilfe der Rücklage, die zu einer Steuerstundung führt, sollen Mittel angespart werden können, um dem Unternehmen die Finanzierung der Investition zu erleichtern (BTDrucks 12/4487, S. 33). Die Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG bewirkt die Vorverlagerung des Abschreibungspotentials und fördert die Innenfinanzierung einer Investition, indem der Kreditbedarf verringert wird. Der durch die Vorverlagerung des Aufwands entstehende Steuerstundungseffekt erhöht die Liquidität und den finanziellen Spielraum des Steuerpflichtigen. Während der Steuerstundung können die liquiden Mittel produktiv verwendet oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden. Spätestens am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres ist die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g Abs. 4 Satz 2 EStG).

12

Dieser Zweck der Rücklage verlangt in zeitlicher Hinsicht, dass die Rücklage die ihr zugedachte Funktion der Finanzierungserleichterung erfüllen kann. Zwischen der Bildung der Rücklage und der Investition muss ein "Finanzierungszusammenhang" bestehen (BFH- Urteil v. 14.08.2001 - XI R 18/01, BFH/NV 2002, 1207). Ein solcher Finanzierungszusammenhang setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Investition innerhalb des Zweijahreszeitraumes des § 7g Abs.4 EStG noch vornehmen kann. Diese Voraussetzung ist aber jedenfalls dann nicht mehr erfüllt, wenn die Rücklage zu einem Zeitpunkt gebildet wird, in dem der zweijährige Investitionszeitraum bereits abgelaufen ist (so auch FG München v. 06.02.2001 - 13 K 3283/98, EFG 2001, 735 mit Anm. Hoffmann). Im Streitfall ist die Rücklage im Jahr 2002 für 1998 und 1999 für Wirtschaftsgüter getroffen worden, die spätestens im Jahr 2000 (Rücklagenbildung in 1998) bzw. 2001 (Rücklagenbildung in 1999) hätten angeschafft werden müssen. Tatsächlich sind derartige Anschaffungen jedoch nicht getätigt worden.

13

b)

Ebensowenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie der Antragsteller substantiiert vorgetragen.

14

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).