Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.09.2003, Az.: 1 K 10521/00

Benutzung eines Gebäudes sowohl zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als auch zur Selbstnutzung; Veranschlagung von Werbungskosten; Voraussetzungen der gesonderten Zuordnung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.09.2003
Aktenzeichen
1 K 10521/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 17232
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0916.1K10521.00.0A

Fundstellen

  • DStR 2003, XIV Heft 51-52 (Kurzinformation)
  • DStRE 2004, 13-14 (Volltext mit amtl. LS)
  • ImmoStR 2004, 84

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Dient ein Gebäude sowohl dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als auch der Selbstnutzung und werden die Darlehensmittel lediglich teilweise zur Tilgung des Kaufpreises jenes Gebäudeteiles verwandt, das der Einkünfteerzielung dient, so sind die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig im Verhältnis der Einkunftszwecken dienenden Gebäudeteile zur Gesamtfläche als Werbungskosten abziehbar.

  2. 2.

    In vollem Umfang sind die Schuldzinsen zu berücksichtigen, wenn der Stpfl. den einheitlichen Kaufpreis auf die jeweils eigenständige Wirtschaftsgut bildenden Gebäudeteile aufteilt und ein Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt einem bestimmten, der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zuordnet.

  3. 3.

    Stimmen Darlehenssumme und Anschaffungskosten betragsmäßig nicht überein, scheidet eine gesonderte Zuordnung aus. Diese erfordert die Deckungsgleichheit von Teilanschaffungskosten und Darlehen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gebäudes aufgenommene Darlehen separat den fremdvermieteten und privat genutzten Flächen zugeordnet werden können, wenn die Darlehenssummen nicht mit den jeweiligen Flächenanteilen übereinstimmen.

2

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Beide sind Ärzte und erzielen Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

3

Mit notariellem Kaufvertrag vom 29. Juni 1990 erwarb der Ehemann das Wohn- und Praxisgebäude G, Mstraße, zum Kaufpreis von 449.000,00 DM. In § 1 des Kaufvertrages wird bezüglich des Kaufpreises weiter ausgeführt: "Hiervon entfallen auf den gewerblich genutzten Anteil 40 %, mithin 179.600,00 DM, und auf den privat genutzten Anteil der weitergehende Betrag von 269.400,00 DM." Diese Kaufpreisaufteilung entspricht in etwa dem Flächenverhältnis von Wohn- zu Praxisräumen von 60:40. Die Praxisräume vermietete der Kläger sodann an seine Ehefrau.

4

Im Zusammenhang mit dem Gebäudeerwerb nahm der Kläger drei Darlehen bei der E-bank auf, und zwar das Darlehen 322 169 570 über 206.000,00 DM, das Darlehen 322 169 571 über 200.000,00 DM und das Darlehen 322 169 572 über 43.000,00 DM. Dabei ordnete er die Darlehen mit der Endziffern 571 und 572 ausschließlich dem privat genutzten Gebäudeteil und das Darlehen mit der Endziffer 570 überwiegend der Praxis zu.

5

Die Darlehen mit den Endziffern 571 und 572 wurden bis August 1990 bzw. Februar 1991 vollständig getilgt, das Darlehen mit der Endziffer 570 im Mai 1991 auf einen Betrag von 125.000,00 DM zurückgeführt. Im Jahre 1991 zahlte der Kläger Darlehenszinsen in Höhe von 10.079,00 DM auf das Darlehen mit der Endziffer 570 und 363,00 DM auf das Darlehen mit der Endziffer 572, im Jahre 1992 Zinsen in Höhe von 9.179,00 DM auf das verbliebene Darlehen.

6

Der Kläger machte die Darlehenszinsen für das Darlehen 322 169 570 in den Veranlagungszeiträumen 1991 und 1992 bei seinen Vermietungseinkünften jeweils in voller Höhe als Werbungskosten geltend.

7

Der Beklagte veranlagte die Kläger zur Einkommensteuer 1991 und 1992 zunächst im wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In der Zeit vom 2. - 13. März 1995 fand bei den Klägern eine Außenprüfung statt. Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, dass eine getrennte Zuordnung der Darlehen auf die verschiedenen Nutzungsbereiche des Gebäudes nicht möglich sei. Die Darlehenszinsen könnten nur entsprechend dem Anteil der vermieteten Gebäudeflächen an der Gesamtfläche, mithin zu 40 %, als Werbungskosten berücksichtigt werden. Für das Jahr 1991 könnten deshalb nur 4.177,- und für das Jahr 1992 3.671,00 DM in Abzug gebracht werden.

8

Dementsprechend änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 7. Juni 1995 die Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992.

9

Für das Jahr 1993 erfolgte zunächst wiederum eine erklärungsgemäße Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach Vorlage einer Zinsbescheinigung nahm der Beklagte entsprechend den Vorjahren eine Kürzung der Darlehenszinsen von 11.018,00 DM um 60 % vor und erließ unter dem Datum des 9. Dezember 1996 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1993. Die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide 1991 - 1993 blieben ohne Erfolg.

10

Nach Auffassung der Kläger ist eine getrennte Zuordnung der Darlehen möglich, weil bereits im Kaufvertrag eine Aufteilung der Kaufpreisschuld auf den vermieteten und den eigengenutzten Gebäudeteil vorgenommen worden sei. Die Darlehenssummen entsprächen deshalb nicht exakt den Kaufpreisanteilen für die Gebäudeteile, weil die Darlehensverträge vor Abschluss des Kaufvertrages und zu einem Zeitpunkt unterzeichnet worden seien, als der Verkäufer noch eine höhere Kaufpreisforderung gestellt haben. Die Kläger stammten aus den neuen Bundesländern und seien sich zunächst nicht bewusst gewesen, dass man durch Verhandlungen den Kaufpreis drücken könne. Sie hätten deshalb erst ganz zum Schluss nachverhandelt und eine Herabsetzung des Kaufpreises erreicht. Diese persönliche Situation gelte es bei der Frage der Anerkennung der Darlehenszinsen zu berücksichtigen.

11

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1991 vom 7. Juni 1995 in der Gestalt vom 31. Oktober 2000, des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 7. Juni 1995, des Einkommensteuerbescheides 1993 vom 9. Dezember 1996 in der Gestalt vom 31. Oktober 2000 sowie des Einspruchsbescheides vom 14. August 2000 weitere Werbungskosten in Höhe von 5.902,00 DM (1991), 5.508,00 DM (1992) und 6.554,00 DM (1993) anzuerkennen.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Auch nach der neueren Rechtsprechung des BFH setze die gesonderte Zuordnung eines Darlehens zu einem Gebäudeteil voraus, dass der Darlehensbetrag mit den Teilanschaffungskosten korrespondiere.

14

Der Beklagte hat mit Datum vom 31. Oktober 2000 während des Klageverfahrens die Einkommensteuerbescheide 1991 und 1993 geändert und höhere Kinderfreibeträge berücksichtigt. Die Änderungsbescheide waren nicht mit einem Hinweis auf § 68 FGO versehen. Mit Schriftsatz vom 8. März 2001 haben die Kläger beantragt, die geänderten Bescheide zum Gegenstand des Klageverfahrens zu machen.

Gründe

15

Die Klage ist unbegründet.

16

1.

Es steht der Zulässigkeit der Klage für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1993 nicht entgegen, dass die Kläger erst mit Schriftsatz vom 8. März 2001 den Antrag nach § 68 a.F. FGO gestellt haben, die mit Datum vom 31. Oktober 2002 geänderten Einkommensteuerbescheide 1991 und 1993 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Zwar wird nach dieser Rechtsnorm ein nach Klageerhebung ergangener geänderter Steuerbescheid nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn gem. § 68 S. 2 a.F. innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides ein entsprechender Antrag gestellt wird. Auf diese Rechtsfolge ist jedoch nach Satz 3 in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen, was hier unterblieben ist. Im Falle unterbliebener Belehrung kann der Antrag nach § 68 a.F. FGO nach § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO binnen Jahresfrist gestellt werden; diese Frist ist im Streitfall gewahrt worden.

17

2.

Die Darlehenszinsen können über den vom Beklagten berücksichtigten Umfang hinaus nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

18

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften - hier aus Vermietung und Verpachtung - verwendet worden ist.

19

Dient ein Gebäude nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der Selbstnutzung und werden die Darlehensmittel lediglich teilweise zur Tilgung des Kaufpreises jenes Gebäudeteiles, das der Einkünfteerzielung dient, verwandt, so sind die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig im Verhältnis der Einkunftszwecken dienenden Gebäudefläche zur Gesamtfläche als Werbungskosten abziehbar. In vollem Umfang sind sie hingegen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige den einheitlichen Kaufpreis auf die jeweils eigenständige Wirtschaftgüter bildenden Gebäudeteile aufteilt und ein Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt einem bestimmten, der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zuordnet, indem er mit den als Darlehen empfangenen Mitteln tatsächlich die Aufwendungen begleicht, die der Anschaffung dieses Gebäudeteils konkret zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 40/01, NV 2003, 23).

20

Im Streitfall scheitert die gesonderte Zuordnung des Darlehens 322 169 570 zu den Anschaffungskosten für die Praxisräume daran, dass Darlehenssumme und Anschaffungskosten betragsmäßig nicht übereinstimmen. Da die Darlehenssumme von 206.000,- die Anschaffungskosten von 179.600,00 DM übersteigt, muss das Darlehen auch der Finanzierung des zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteiles gedient haben. Damit fehlt es an der von der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 40/01, NV 2002, 23) geforderten eindeutigen Zuordnungsentscheidung, die sich durch Deckungsgleichheit von Teilanschaffungskosten und Darlehensbetrag ausdrückt. Die Kläger hätten deshalb, nachdem sie im Wege von Nachverhandlungen den Kaufpreis gemindert haben, die Darlehenssumme des Darlehens 322 169 570 an den aktuellen Teilkaufpreis anpassen müssen.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

22

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage, ob nach der neueren Rechtsprechung des BFH zur Zuordnung der Schuldzinsen bei Darlehen für die Anschaffung teilweise vermieteter und teilweise selbstgenutzter Gebäude die Zuordnungsentscheidung die Deckungsgleichheit von Teilanschaffungskosten und Darlehensbetrag voraussetzt.