Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.09.2003, Az.: 13 K 288/99

Abgrenzung der verschleierten Schenkung gegen eine Darlehensgewährung bei Erwerb eines Wohnhauses von nahen Angehörigen ; Darlehensvertrag zwischen nahen Angehörigen im Fremdvergleich; Angemessenheit der vertraglichen Regelungen als Kriterium für den Fremdvergleich ; Entstehung von Anschaffungskosten als Voraussetzung für die Gewährung von Eigenheimzulage

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.09.2003
Aktenzeichen
13 K 288/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 24942
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0905.13K288.99.0A

Fundstellen

  • DStR 2004, X Heft 14 (amtl. Leitsatz)
  • DStRE 2004, 518-520 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2004, 635-637
  • GStB 2004, 164-165
  • KÖSDI 2004, 14198 (Kurzinformation)
  • NotBZ 2004, V Heft 7 (Kurzinformation)
  • ZfIR 2004, 484-487 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger ein Wohngebäude entgeltlich von seiner Mutter erwirbt und diese ihm den gezahlten Kaufpreis darlehenshalber zur Verfügung stellt, beinhaltet keinen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten.

  2. 2.

    Hält der Darlehensvertrag im Übrigen dem sog. Fremdvergleich stand, so ist ein Missbrauch auch dann nicht gegeben, wenn das Darlehen innerhalb der statistischen Lebenserwartung der Mutter nur anteilig getilgt wird und der Darlehensnehmer den Darlehensgeber beerbt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Eigenheimzulage.

2

Der Kläger bewohnte mit seiner Familie und seiner Mutter (geb. am 20. Juni 1928) ein seiner Mutter gehörendes Wohngebäude in W. Mit Kaufvertrag vom xx. Juli 1998 veräußerte die Mutter das Grundstück an den Kläger. Der Kaufpreis wurde mit DM 200.000 vereinbart. Der Kläger räumte der Mutter ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsrecht an dem Wohnbereich im Erdgeschoss ein. Bewertungsrechtlich handelt es sich bei dem Gebäude um ein Einfamilienhaus.

3

Am xx. Juli 1998 überwies der Kläger den Kaufpreis an die Mutter. Die Mutter legte den Kaufpreis als Termingeld zu einem Zinssatz von 2,8 % p.a. an. Fällig war das Termingeld am 26. Oktober 1998.

4

Der Kläger finanzierte den Kaufpreis durch einen bis zum 26. Oktober 1998 gewährten Zwischenkredit der Kreissparkasse N über DM 200.000. Als Sicherheit wurde die Termingeldeinlage der Mutter verpfändet.

5

Am 26. Oktober 1998 schlossen der Kläger als Darlehensnehmer und die Mutter als Darlehensgeberin einen Darlehensvertrag über DM 200.000. Das Darlehen war mit 4 % p.a. zu verzinsen. Zins- und Tilgung waren monatlich entsprechend einem anliegenden Zins- und Tilgungsplan zu leisten. Die monatliche Rate betrug DM 1.000. Die Laufzeit endete am 26. Mai 2026. Der Darlehensgeber war nach dem Vertrag berechtigt, eine angemessene Sicherheitsleistung zu verlangen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse Sicherheiten erforderlich erscheinen lassen würden.

6

Die Mutter des Klägers überwies am 26. Oktober 1998 die DM 200.000 auf das Zwischenfinanzierungskonto des Klägers. Damit wurde der Bankkredit abgelöst. Der Kläger richtete einen Dauerauftragüber monatlich DM 1.000 ein.

7

Nach einem Erbvertrag vom xx.xx 1990 ist der Kläger Alleinerbe der Mutter. Die Mutter hat das Recht, aus wichtigem Grund (z.B. Auszug oder Tod des Klägers) die Schlusserbeneinsetzung zuändern.

8

Der Kläger beantragte

Eigenheimzulage ab 1998.

9

Mit Bescheid vom xx.xx 1998 lehnte der Beklagte die Festsetzung der Eigenheimzulage ab. Mit am xx.xx 1998 eingegangenem Schreiben legte der Kläger Einspruch ein. Als wirtschaftlichen Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages zwischen der Mutter und dem Kläger wurde angegeben, dass die Mutter bei einer erneuten Geldanlage weniger als 2,8 % Zinsen erhalten hätte. Durch die Darlehensgewährung an den Sohn habe sie 4 % Zinsen erhalten. Der Kläger wiederum hätte bei einer langfristigen Fremdfinanzierung durch eine Bank jährliche Zinsen von mehr als 6 % bezahlen müssen.

10

Mit Einspruchsbescheid vom xx.xx 1999 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Es liege ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO vor. Im Darlehensvertrag fehle eine Vereinbarung für den Todesfall. Dies sei ein Indiz dafür, dass die Zahlung von monatlich DM 1.000 nicht an der Darlehenshöhe, sondern an dem monatlichen Geldbedarf der Mutter orientiert worden sei. Angesichts des Alters der Mutter sei mit einer Rückzahlung in nennenswerter Höhe zu Lebzeiten der Mutter nicht zu rechnen. Im Jahr 2008 - die Mutter sei dann 80 Jahre alt - sei noch eine Darlehensschuld von DM 150.000 offen. Mit dem Tod würde die Darlehensrückzahlung in Höhe des Erbteils vollständig entfallen. In der Gesamtbetrachtung von Kaufvertrag und Darlehensvertrag würden sich die beiden Verträge wirtschaftlich neutralisieren. Der Darlehensvertrag halte auch dem Fremdvergleich nicht stand. Es müsse eine deutliche Abgrenzung von Unterhaltsgewährung oder verschleierter Schenkung möglich sein. Es sei keine Vereinbarung über die Absicherung des Darlehens getroffen worden.

11

Mit am xx.xx 1999 eingegangener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

12

Ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten liege nicht vor. Die Mutter habe das Grundstück dem Sohn nicht geschenkt. Denn der Kläger habe zunächst Schulden bei der Bank gehabt und nun aufgrund des Darlehensvertrages bei der Mutter. Der Kaufvertrag und der Darlehensvertrag dürften nicht ohne weiteres als einheitliches Vertragswerk betrachtet werden. Es sei ein Kaufpreis für das Grundstück vereinbart und bezahlt worden. Eine Vereinbarung über einen Rückfluss haben nicht bestanden. Die Mutter habe nach eigenem Ermessen über das Kapital verfügt.

13

Das Darlehen sei auch steuerlich anzuerkennen. Es erfülle den Fremdvergleich, weil Grundstückfinanzierungen mit Laufzeiten von bis zu 30 Jahren keine Seltenheit seien. Der Hinweis auf das Alter der Mutter sei unbeachtlich, da kein Darlehensgeber verpflichtet sei, seine Forderungen so zu gestalten, dass er das Kapital zu Lebzeiten zurückerhalte. Die Rückzahlung erfolge in monatlichen Raten. Die Mutter habe einen Anspruch auf Sicherheiten erhalten. Diese Art der Forderungssicherung möge ungewöhnlich sein, sie könne bei der Beurteilung der Gesamtumstände aber nicht ausschlaggebend wirken.

14

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Finanzamt zur Festsetzung der Eigenheimzulage ab 1998 in Höhe von DM 7.000 pro Jahr zu verpflichten,

  2. 2.

    für den Fall des Unterliegens des Klägers die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte verweist auf den Einspruchsbescheid. Ausschlaggebend sei - neben der fehlenden Besicherung -, dass mit einer vollständigen Rückzahlung des Darlehens zu Lebzeiten der Mutter nicht zu rechnen sei und dass im Ergebnis nicht die Gewährung eines Darlehens sondern die Versorgung der Veräußerin gewollt sei. Die Höhe des vereinbarten Kaufpreises orientiere sich daran, was mindestens erforderlich sei, um die Eigenheimzulage in voller Höhe zu erhalten (DM 200.000 bei etwa hälftiger Eigennutzung), während die Tilgungsraten auf den Lebensbedarf der Mutter zugeschnitten seien. Deshalb habe der gewählte Weg nur dazu gedient, dem Kläger die Gewährung der Eigenheimzulage zu ermöglichen. Beachtliche nichtsteuerliche Gründe seien nicht ersichtlich.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die dem Gericht vorgelegten Steuerakten unter der Steuernummer xx/xxx/xxxxx, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und die Niederschrift vom 5. September 2003 verwiesen.

Gründe

18

Die Klage ist begründet.

19

I.

Der Beklagte hat zu Unrecht die Eigenheimzulage versagt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Eigenheimzulage in Höhe von jährlich DM 7.000.

20

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist nur die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer Im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung begünstigt. Ebenso wie bei der früheren Regelung des § 10 e EStG wird nur der entgeltliche Erwerb gefördert (BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 53/91, BStBl II 1993, 346 - zu § 10 e EStG; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 9. September 2001 3 K 102/2001, EFG 2002, 1500).

21

Wird ein Wohnhaus von nahen Angehörigen erworben, liegen Anschaffungskosten nur vor, wenn es sich weder um eine verschleierte Schenkung noch um einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten handelt und auch die Grundsätze der Verträge zwischen nahen Angehörigen eingehalten sind (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998 X R 139/95, BFH/NV 1999, 780; Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Dezember 1999 6 K 1200/98, juris).

22

1.

Die Grundsätze der Verträge zwischen nahen Angehörigen stehen weder einer steuerlichen Anerkennung des Kaufvertrages noch des Darlehensvertrages entgegen.

23

Verträge unter Angehörigen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann zugrunde zu legen, wenn sie zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich) (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BStBl II 2000, 224; BFH-Urteil vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BStBl II 1998, 106; BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BStBl II 1997, 196; BFH-Urteil vom 28. März 1995 IX R 47/93, BStBl II 1996, 69). Maßgeblich für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Dabei kann einzelnen Beweisanzeichen je nach Lage des Falles im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vomÜblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Allerdings sind an den Nachweis, dass es sich um ein ernsthaftes Vertragsverhältnis handelt, um so strengere Anforderungen zu stellen, je mehr die Umstände auf eine private Veranlassung hindeuten (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BStBl II 1998, 106; BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BStBl II 1997, 196).

24

a)

Hinsichtlich des Kaufvertrages zwischen dem Kläger und seiner Mutter hat der Beklagte keine Einwendungen vorgebracht. Auch aus den Akten sind keine Anhaltspunkte für eine fehlende Fremdüblichkeit des Vertrages zu erkennen.

25

b)

Auch der Darlehensvertrag hält hinsichtlich der Gestaltung und Durchführung einem Fremdvergleich stand. Grundsätzlich müssen Darlehensverträge unter nahen Angehörigen Vereinbarungenüber Laufzeit, Art und Weise der Rückzahlung sowie Höhe und Zahlungszeitpunkt der Zinsen enthalten; bei langfristigen Darlehen muss der Rückzahlungsanspruch ausreichend gesichert sein (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998 X R 139/95, BFH/NV 1999, 780). Wird das Darlehen zwischen volljährigen, voneinander wirtschaftlich unabhängigen Verwandten vereinbart und "dem Anlass nach wie von einem Fremden" gewährt, ist es unschädlich, wenn es unter im einzelnen anderen Bedingungen als unter Fremden überlassen wird, soweit es sich nicht um eine verschleierte Schenkung oder um einen Missbrauch von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten handelt (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BStBl II 1991, 838; BFH-Urteil vom 29. Juni 1992 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460).

26

aa)

Der Darlehensvertrag enthält hinsichtlich der Sicherheiten anstelle einer vereinbarten Sicherheit nur einen Anspruch des Darlehensgebers auf Einräumung angemessener Sicherheiten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers dies als erforderlich erscheinen lassen. Insoweit bestehen Zweifel, ob ein fremder Dritter eine solche Vereinbarung abgeschlossen hätte. Die Rechtsprechung hat stets betont, dass langfristige Ausleihungen, zu denen Kredite mit einer Laufzeit von über 4 Jahren gehören, auch bei günstigen Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers im Zeitpunkt der Kreditgewährung grundsätzlich eine werthaltige und verkehrsübliche Besicherung benötigen (BFH-Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 50/97, BStBl II 2000, 393; BFH-Urteil vom 29. Juni 1993 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460; BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 134/86, BStBl II 1991, 882). Indes wurde das Darlehen zwischen volljährigen und wirtschaftlich voneinander unabhängigen Personen abgeschlossen. Der Anlass für die Darlehensgewährung bestand in der Anschaffung des Wohnhauses. In einem solchen Fall ist die Bestellung von Sicherheiten von geringerer Bedeutung. Entscheidender ist, ob die vereinbarten Zinsen und Tilgungsleistungen vertragsgemäß gezahlt werden (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BStBl II 1991, 838). Hinzu kommt, dass der Mutter ein schuldrechtlicher Anspruch auf Sicherheitenbestellung eingeräumt worden war, der zwar nicht als hinreichend fremdüblich beurteilt werden kann, der aber einen zumindest eingeschränkten Schutz bei einer Verschlechterung der Vermögenslage des Klägers bot (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 134/86, BStBl II 1991, 882).

27

bb)

Die übrigen Vereinbarungen über die Laufzeit, über die Art und Weise der Tilgung sowie über die Höhe und die Zahlungszeitpunkte für die Zinsen sind fremdüblich. Die Vereinbarung einer Zinshöhe von 4 % p.a. liegt zwar unterhalb des durchschnittlichen Zinsniveaus im Oktober 1998, das bei 5,49 % p.a. für Hypothekarkredite für Wohngrundstücke auf 10 Jahre lag (bei einer Streubreite von 5,22 % bis 6,12 % p.a., vgl. Neue Juristische Wochenschrift 2000, S. 1395). Die Zinshöhe wurde aber von dem Kläger nachvollziehbar mit den gegenläufigen wirtschaftlichen Interessen beider Parteien erklärt. Die Vereinbarungen sind auch tatsächlich durchgeführt worden, insbesondere hat der Kläger nachgewiesen, dass er die vereinbarten monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen erbringt.

28

cc)

Im Rahmen der Gesamtbetrachtung reicht die unzureichende Bestellung von Sicherheiten nicht aus, um den Rückschluss auf eine nicht ernstliche schuldrechtliche Vereinbarung zuzulassen. Ausschlaggebend für diese Beurteilung ist, dass sämtliche übrigen Kriterien, die für den Fremdvergleich von Bedeutung sind (Vereinbarungen über Laufzeit, Tilgung, Zinsen) hinsichtlich Gestaltung und tatsächlicher Durchführung nicht zu beanstanden sind. Nicht jede Abweichung vomÜblichen schließt die steuerliche Anerkennung notwendigerweise aus. Eine unzureichende Detailregelung führt für sich alleine genommen nicht dazu, dass das Vertragsverhältnis insgesamt steuerlich nicht anerkannt wird, wenn sich aus den übrigen Umständen ergibt, dass das Schuldverhältnis eine ernstliche Vereinbarung darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BStBl II 1998, 573).

29

2.

Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft gemäß § 41 Abs. 2 AO sind nicht gegeben. Die Parteien wollten sowohl die rechtlichen Konsequenzen des Kaufvertrages als auch die des Darlehensvertrages.

30

3.

Es liegt auch weder eine verschleierte Schenkung noch ein Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO vor.

31

a)

Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 3794, BStBl I 2002, 4, 13) kann durch Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Rechtsfolge des Missbrauchs ist nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO, dass der Steueranspruch bzw. hier der Zulagenanspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Nach der Rechtsprechung ist ein Gestaltungsmissbrauch gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nichtsteuerlicher Art nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 16. Januar 1996 IX R 13/92, BStBl II 1996, 214; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BStBl II 2000, 224; BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 IX R 32/98, BStBl II 2002, 674). Das Bestreben Steuern zu sparen, führt für sich genommen nicht zu einer unangemessenen Gestaltung (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29. November 1982 GrS 1/81, BStBl II 1983, 272). Auch Angehörigen steht es grundsätzlich frei, ihre Rechtsverhältnisse steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BStBl II 1992, 541; BFH-Urteil vom 26. März 1996 IX R 51/92, BStBl II 1996, 443; BFH-Urteil vom 11. März 2003 IX R 55/01, BStBl II 2003, 627).

32

b)

Für die Beurteilung der Angemessenheit der rechtlichen Gestaltung ist zunächst die Ermittlung des wirtschaftlich erstrebten Ziels erforderlich (vgl. Clausen, Der Betrieb 2003, S. 1589 (1590 f.)). Im wirtschaftlichen Ergebnis zahlt der Kläger den Kaufpreis für das Wohnhaus in monatlichen Raten. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann aus den Gesamtumständen nicht hergeleitet werden, dass das wirtschaftlich erstrebte Ziel eine unentgeltliche Übertragung des Wohnhauses war. Insbesondere liegt keine verschleierte Schenkung oder eine verdeckte Unterhaltsgewährung vor (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1991 IX R 142/90, BStBl II 1992, 397; BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BStBl II 1991, 838).

33

aa)

Der Darlehensvertrag lässt sich hinreichend von einer verschleierten Schenkung abgrenzen. In den Fällen der verschleierten Schenkungen ist es ungewiss, ob die eigentlich vereinbarte Rückzahlung des Darlehensbetrags tatsächlich in der Zukunft stattfinden wird, oder ob die Vertragsparteien auf eine Rückzahlung verzichten werden. Dagegen ist im vorliegenden Fall nicht ungewiss, dass eine Rückzahlung nach Maßgabe der Darlehensvereinbarungen erfolgt, da die Tilgungen unstreitig monatlich gezahlt werden. Ungewiss ist die Lebenszeit des Darlehensgebers und ob und in welchem Ausmaß die Tilgung des Darlehens innerhalb der Lebenszeit erfolgen wird.

34

Der BFH hat entschieden, dass eine verschleierte Schenkung vorliegen kann, wenn die Rückzahlung des Darlehens erst nach Ablauf der statistischen Lebenserwartung der Darlehensgeberin erfolgen soll (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1991 IX R 142/90, BStBl II 1992, 297; BFH-Urteil vom 29. Juni 1993 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460). Der BFH hat aber auch entschieden, dass von einer fehlenden wirtschaftlichen Belastung nicht ausgegangen werden könne, wenn eine 64 Jahre alte Mutter ihrem Sohn den Kaufpreis für ein Haus ohne Bestimmung eines Tilgungszeitpunktes stundet und der Sohn gesetzlicher Erbe ist (BFH-Urteil vom 26. November 1996 IX R 51/94, BFH/NV 1997, 404). In dem von dem BFH im Jahr 1996 entschiedenen Fall war zwar nicht gewiss, ob die Rückzahlung des Darlehens tatsächlich jemals innerhalb der Lebenszeit der Mutter erfolgen würde. Entscheidend war aber, dass es nicht allein in der Macht des Darlehensschuldners stand, eine wirtschaftliche Belastung auszuschließen. So liegt es auch im vorliegenden Fall. Die Parteien des Darlehensvertrages haben es nicht in der Hand, welcher Anteil des Darlehens während der Lebenszeit der Mutter getilgt werden wird. Bis zum 80. Lebensjahr der Mutter im Jahr 2008 werden es DM 47.112 sein. Der Förderhöchstbetrag für die Eigenheimzulage wird im Jahr 2016 im 87. Lebensjahr der Mutter erreicht sein.

35

Zwar ist der Kläger ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erbvertrags vom 1. Mai 1990 der Alleinerbe, so dass im Todeszeitpunkt die Darlehensforderung und -verbindlichkeit durch Konfusion erlöschen wird (Palandt-Heinrichs, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 62. Auflage, Überbl v § 362 Rz. 4). Dies rechtfertigt es nach Ansicht des Senats aber nicht, den Darlehensvertrag ganz oder teilweise als verschleierte Schenkung anzusehen. Dies würde die tatsächlich vorhandene wirtschaftliche Belastung durch die monatlichen Tilgungsleistungen außer Betracht lassen und Eigenheimzulage verwehren, obwohl eine wirtschaftliche Belastung des Klägers nach der Vertragsgestaltung gewollt ist und auch monatlich eintritt. Mit dem Tod der Mutter verwirklicht sich vielmehr das allgemeine Lebensrisiko, dass grundsätzlich bei allen langfristigen Dauerschuldverhältnissen gegeben ist. Auch bei Verträgen zwischen jüngeren nahen Angehörigen kann durch den plötzlichen Tod des Darlehensgebers Konfusion eintreten, ohne dass dieses Risiko bei der Beurteilung der steuerlichen Anerkennung eine Rolle spielt. Es kann daher erst dann von einer verschleierten Schenkung und damit von einer erstrebten Unentgeltlichkeit der Grundstücksübertragung ausgegangen werden, wenn nach der Lebenswahrscheinlichkeit eine nennenswerte wirtschaftliche Belastung des "Darlehensnehmers" durch die zeitliche Streckung der Rückzahlung ausgeschlossen werden kann. Dies ist angesichts der erheblichen Beträge, die nach dem Tilgungsplan innerhalb der statistischen Lebenserwartung der Mutter zu leisten sind, hier nicht gegeben.

36

Hinzu kommt, dass die Mutter nach dem Erbvertrag berechtigt ist, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, z.B. Auszug des Klägers, die Schlusserbeneinsetzung zu ändern. In einem solchen Fall würde sich im Zeitpunkt des Todes der Mutter für den Kläger überhaupt nichtsändern, weil er die Tilgungsleistungen an den Erben erbringen müsste.

37

bb)

Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt der monatlich gezahlte Betrag von DM 1.000 keine verdeckten Unterhaltsleistungen des Klägers an seine Mutter dar. Hiergegen spricht bereits, dass die Mutter nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine Altersrente von ca. 750 erhält. Zudem ergibt sich aus dem Zeitablauf, dass der Grund für die Überweisung des monatlichen Betrags der steuerlich anzuerkennende Darlehensvertrag war. Den Steuerpflichtigen steht es frei, ihre Beziehungen auf eine vertragliche Grundlage zu stellen. Eine vertragliche Regelung ist nicht schon deshalb unangemessen, weil der Betrag auch auf einer familienrechtlichen Grundlage gezahlt werden könnte (BFH-Urteil vom 11. März 2003 IX R 55/01, BStBl II 2003, 627).

38

cc)

Gemessen an dem erstrebten wirtschaftlichen Ziel des Kaufs des Wohnhauses mittels monatlicher Ratenzahlung ist die gewählte zivilrechtliche Gestaltung angemessen im Sinne des § 42 AO. Nach der Rechtsprechung ist eine zivilrechtliche Gestaltung insbesondere dann unangemessen, wenn sie verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels als unpassend nicht wählen würden. Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Gestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig oder gekünstelt (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 IV R 3/00, BStBl II 2001, 520; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Juli 2001 I R 48/97, BFH/NV 2001, 1636).

39

Um das wirtschaftliche Ziel der Parteien zu erreichen, waren die zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge zwar nicht der rechtlich einfachste Weg, aber noch angemessen. Der rechtlich einfachste Weg wäre die Vereinbarung einer Stundung des Kaufpreises und die Vereinbarung von monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen im Kaufvertrag gewesen. Der Kläger hat demgegenüber den Kaufpreis zunächst zwischenfinanziert und erst nach drei Monaten den Darlehensvertrag mit seiner Mutter abgeschlossen hat. Dies hat aber keinen Einfluss darauf, dass die gewollte Ratenzahlung mit den zivilrechtlich dafür vorgesehenen Kauf- und Darlehensverträgen verwirklicht worden ist. Die zivilrechtliche Gestaltung führt insbesondere nicht zur wirtschaftlichen Neutralisierung gegenläufiger Rechtsgeschäfte. Sie stellt kein "vorprogrammiertes Rückholverfahren", kein bloßes "Hin und Her" dar (BFH-Urteil vom 8. Mai 2003 IV R 54/01, Der Betrieb 2003, S. 1716).

40

4.

Dem Kläger sind danach Anschaffungskosten in Höhe von DM 200.000 entstanden (§ 8 Satz 1 EigZulG). Die übrigen Voraussetzungen der Eigenheimzulage sind gegeben. Insbesondere hat der Kläger kein Zweifamilienhaus erworben, da die beiden Wohnbereiche baulich nicht voneinander getrennt sind. Dementsprechend ist das Haus als Einfamilienhaus bewertet worden. Die unentgeltliche Überlassung des unteren Wohnbereichs an die Mutter führt nicht zur Kürzung der Bemessungsgrundlage, da § 4 Satz 2 EigZulG die inhaltliche Aussage des früheren § 10e Abs. 1 Satz 3 EStG in das Eigenheimzulagengesetzübernommen hat (Wacker, Kommentar zum Eigenheimzulagengesetz, § 4 Rz. 21). Der Fördergrundbetrag beträgt nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG DM 2.500. Die Kinderzulage für drei Kinder beträgt nach§ 9 Abs. 5 Satz 1 EigZulG DM 4.500.

41

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

42

III.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).