Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 06.02.2017, Az.: 3 A 126/16

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
06.02.2017
Aktenzeichen
3 A 126/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53851
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für die Annahme einer gruppengerichteten Verfolgung von Angehörigen der ethnischen Gruppe der Hazara fehlt es jedenfalls an der hierfür erforderlichen Verfolgungsdichte.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seiner Anerkennung als Flüchtling und Asylberechtigter sowie der Feststellung von Abschiebungsverboten durch die Beklagte.

Der im Jahr 1990 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, nach eigenen Angaben in Ghazni geboren, hazarischer Volkszugehörigkeit und schiitischer Religionszugehörigkeit.

Im Jahr 2010 zogen der Kläger und seine Familie vom Iran aus nach Herat in Afghanistan.  Nach zwei Jahren zogen sie dann von dort aus nach Kabul, wo der Kläger bis zu seiner Ausreise am 17. August 2015 lebte und ein Schneidergeschäft betrieb. Am 13. Oktober 2015 reiste er über Griechenland sowie Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21. Juli 2016 einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung am 9. August 2016 erklärte der Kläger ausweislich des - auch von ihm nach Rückübersetzung unterzeichneten Anhörungsprotokolls -, dass er die letzten Jahre vor seiner Ausreise zusammen mit seinen Eltern und seinen beiden Brüdern in Kabul gelebt habe. Seine beiden Schwestern seien verheiratet. Mittlerweile seien seine Eltern und ein Bruder zurück nach Ghazni gezogen, dort hätten sie ein eigenes Haus und Landwirtschaft. Sein anderer Bruder sei in den Iran gegangen. In Afghanistan halte sich auch seine Großfamilie auf. Die Schule habe er bis zur achten Klasse besucht und bei einer deutschen Hilfsorganisation Schneider gelernt. In Kabul habe er bis einen Monat vor seiner Ausreise eine eigene Schneiderei gehabt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse seien gut gewesen. Als Hazara werde man in Afghanistan diskriminiert und es drohe einem die Tötung. Sein Vater sei vor mehr als 20 Jahren Sekretär bei E. im Iran gewesen. Bevor sie nach Kabul gezogen seien, sei dreimal auf Autos, in denen er gesessen habe geschossen worden, weil sie Hazara seien. Dies sei vor ca. vier Jahren vor allem auf Fahrten von Herat nach Kabul und auf dem Weg nach Ghazni passiert. Er wisse nicht, ob die Angriffe aufgrund seiner Volkszugehörigkeit geschehen seien. Bei einer Schlägerei in einem Park in Kabul sei ein Freund von Unbekannten verletzt worden. Sonst habe es keine weiteren Vorfälle gegeben. Als er Afghanistan verlassen habe, seien seine Eltern zurück in ihre Heimatstadt Ghazni gezogen, wo sein Vater weiter Landwirtschaft betrieben habe. Sein Vater sei verschwunden. Seit seine Eltern nach Ghazni zurück seien, habe er keinen Kontakt mehr zu ihnen gehabt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 17. August 2016, am 19. August 2016 versandt, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 25. August 2016 Klage erhoben. Seine Klage begründet er mit der Sicherheits- und der humanitären Lage in Afghanistan. Zudem habe der Dolmetscher habe ausweislich des Protokolls von der Anhörung beim Bundesamt nicht alles richtig übersetzt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 17. August 2016, zugestellt am 19. August 2016,

1. die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 AsylVfG zuzuerkennen,

2. den Kläger als asylberechtigt im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG anzuerkennen

3. festzustellen, dass die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus vorliegen,

4. festzustellen, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Abwesenheit der Beklagten bzw. eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden sind.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG oder Anerkennung als Asylberechtigter (dazu 1.) noch subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG (dazu 2.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) ebenfalls nicht (dazu 3.). Auch die Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Ausreisefrist ist rechtlich ebenso wenig zu beanstanden, wie die Dauer des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes (dazu 4.).

1. Die von dem Kläger dargelegten Umstände vermögen keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG) oder Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG) zu begründen.

Gem. § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gem. § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Die nach Nr. 2 zu berücksichtigenden Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen; die einzelnen Eingriffshandlungen müssen für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Nr. 1 entspricht (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 7; Urt. vom 21.09.2015 - 9 LB 20/14 -, juris Rn. 28; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 34). Dabei greift zugunsten eines Betroffenen eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (Nds. OVG, Urt. v. 23.11.2015 - 9 LB 106/15 -, n.v., S. 8 m.w.N.; Urt. v. 21.09.2015 - 9 LB 20/14 -, juris Rn. 30 m.w.N.), ohne dass hierdurch jedoch der Wahrscheinlichkeitsmaßstab geändert würde (BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11/09 -, juris Rn. 14 f.; Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 19 f., 22 f.). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt, beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal einer ernsthaften Schädigung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 21). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 23).

Eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Verfolgungsmaßnahme den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 -, juris Rn.12) - wie politische Überzeugung, religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale - treffen soll; ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der (objektiv) erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, Beschl. vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 –, BVerfGE 80, 315-353, Rn. 44; BVerwG, Urt. vom 23. Juli 1991 – 9 C 154/90 –, juris Rn. 13). Schließlich muss die zugefügte Rechtsverletzung von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als - ausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das Maß muss der humanitären Intention entnommen werden, die das Asylrecht trägt, demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, Beschl. vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 –, juris Rn. 45). Diese ausweglose Lage muss für den Betroffenen landesweit bestehen, d.h. er kann auch in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden (inländische Fluchtalternative) (BVerfG, Beschl. vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 –, juris Rn. 61).

a) Hinsichtlich des Vortrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass - jeweils mehr als drei Jahre vor seiner Ausreise aus Afghanistan - auf einer Fahrt von Herat nach Kabul, auf der Fahrt zurück und auf der Fahrt in einen Vergnügungspark in Paghman jeweils ihr Fahrzeug beschossen worden sei, ist das Gericht bereits nicht davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt tatsächlich so, wie von dem Kläger dargestellt zugetragen hat. Die Schilderung dieser Ereignisse durch den Kläger wurde auch auf Nachfragen hin nicht anschaulich oder nachvollziehbar. Der Kläger schilderte hinsichtlich der angeblichen Schüsse auf den Fahrten von bzw. nach Herat keinerlei Details. Letztlich verblieb es bei der Angabe, dass jeweils in Richtung ihres Fahrzeugs geschossen worden sei. Wann und wo dies gewesen sei, konnte der Kläger bereits bei seiner Anhörung durch das Bundesamt nicht konkret beantworten. Insoweit der Kläger angibt, dass der Dolmetscher bei seiner Anhörung nicht richtig übersetzt habe, folgen hieraus, auch angesichts der Unterschrift des Klägers auf dem Anhörungsprotokoll nach der Rückübersetzung keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger die Schüsse auf die Fahrzeuge so wie protokolliert geschildert hat. Der knappe und wenig aufschlussreiche Vortrag des Klägers lässt sich auch nicht mit seiner Persönlichkeit erklären. Dinge wie seine Arbeit, seine Schulzeit und die Rückkehr von Iran nach Afghanistan vermochte er durchaus im Zusammenhang und jedenfalls anschaulicher und nachvollziehbarer zu erläutern. Hinsichtlich des weiteren Vorfalls in dem Vergnügungspark in Paghman vermochte der Kläger zwar, auf Nachfrage weitere Angaben zu machen, so dass drei Leute seinen Onkel beschimpft hätten, sie dann diskutiert hätten und als sie weggefahren seien, ihnen hinterhergeschossen und ein Mensch getötet worden sei. Auch diese Schilderung der Situation blieb jedoch detailarm, knapp und wenig anschaulich. Randgeschehen oder Emotionen wurden nicht erwähnt. Keine Rolle spielt hierbei für das Gericht - wie vom Kläger gerügt - eine Einschätzung der Glaubhaftigkeit seines Vortrages vor dem Bundesamt durch den dortigen Entscheider, weil das Gericht insoweit eine eigene Beurteilung vornimmt.

Selbst wenn man den Vortrag des Klägers hinsichtlich der Angriffe auf den Fahrten von bzw. nach Herat als zutreffend unterstellt, wäre das Gericht bereits nicht davon überzeugt, dass die Angriffe wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgt wären. Somit würde es jedenfalls bereits an einem Verfolgungsgrund im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG und im Hinblick auf Art. 16a Abs. 1 GG an einer politischen Verfolgung fehlen. Der Kläger gibt insoweit zwar pauschal an, dass auf sie geschossen worden sei, weil sie der Volksgruppe der Hazara angehören. Hinsichtlich der Schüsse auf dem Weg von bzw. nach Herat konnte der Kläger allerdings keinen konkreten Zusammenhang mit seiner Volkszugehörigkeit herstellen. In seiner Anhörung durch das Bundesamt hat er letztlich eingeräumt, dass er nicht wisse, weshalb auf sie geschossen worden sei. Allein der Umstand seiner Volkszugehörigkeit würde für sich nicht zu der Überzeugung des Gerichts führen, dass die Angriffe auch deshalb erfolgt wären. Vielmehr wäre mindestens gleichermaßen wahrscheinlich, dass es sich bei ihnen um rein kriminelle Akte, etwa aus wirtschaftlichen Interessen handelte. Auch nach dem Norwegian Country of Origin Information Centre könnte die hohe Anzahl von betroffenen Hazara auf den gefährlichen Straßen Afghanistans auch auf andere Umstände als ihre Ethnie zurückzuführen sein, etwa darauf, dass sie überdurchschnittlich viel herumreisen und dabei Straßen nutzen würden; darüber hinaus würde ein großer Anteil von Hazara in Stadtzentren leben und in höheren Positionen tätig sein, weshalb sie auch mehr Geld verdienen würden (vgl. Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 19). Auch dies spricht für dafür, dass die Angriffe auf den Kläger und seine Familienangehörigen aus kriminellen Interessen erfolgt sein könnten.

Letztlich würde aber auch bereits deshalb keine Gefahr einer Wiederholung solcher Angriffe auf gefährlichen Fernstraßen in Afghanistan mehr bestehen, weil er seit Jahren nicht mehr in Herat lebt und daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan und nach Kabul, wo er auch die letzten drei Jahre gelebt hat und sich weitere Familienangehörige befinden, keine Reisen mehr, etwa in die Region Kabul - sei es um einen Vergnügungspark zu besuchen oder um an medizinische Versorgung zu gelangen - erforderlich wären. Soweit nach seinen Angaben mehr als drei Jahre vor seiner Ausreise auch ein Angriff in einem Vergnügungspark in Paghman bzw. in dessen Umgebung erfolgt sei, wäre es dem Kläger zumutbar, weitere Ausflüge dorthin zu unterlassen. In Kabul ist es nach seinen Angaben in den drei Jahren bis zu seiner Ausreise nicht zu vergleichbaren Vorfällen gekommen. Eine auf einer Vorverfolgung beruhende Vermutung der Wiederholung einer Verfolgung wäre damit widerlegt.

b) Soweit der Kläger auch berichtet hat, dass er und seine Freunde in einem Park in Kabul belästigt worden seien, und einem von ihnen an den Hintern gefasst worden sei, führt dies - sein Vortrag insoweit als zutreffend unterstellt - nicht dazu, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder Art. 16a Abs. 1 GG droht und daher seine Furcht vor Verfolgung begründet wäre.

Der von ihm geschilderte Vorfall weist keine solche Intensität einer Rechtgutsbeeinträchtigung auf, die eine (Vor-)Verfolgungshandlung im Sinne des §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG oder des Art. 16a Abs. 1 GG begründen könnte. Nichts anderes folgt daraus, dass sich im weiteren Verlauf des Vorfalls ein Freund des Klägers den sie Provozierenden am Kragen gepackt und daraufhin eine Prügelei stattgefunden hatte, bei dem ein Freund verletzt wurde, der Kläger selbst aber weggelaufen ist. Die Vermutung einer Wiederholung eines ähnlichen Vorfalls wäre zudem bereits deshalb wiederlegt, weil dies der einzige vom Kläger geschilderte Vorfall in seiner dreijährigen Aufenthaltszeit in Kabul ist.

c) Eine Gefahr eigener Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines Grundes des § 3b AsylG verfolgt werden, den der Kläger mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG als eher zufällig anzusehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.01.1991 - 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 -, juris Rn. 36 zum Asylrecht; BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11/08 -, juris Rn. 13; Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15/05 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Beschl. v. 28.11.2014 - 8 LA 150/14 -, juris Rn. 13; offen gelassen ob die Grundsätze des BVerfG auch für den Flüchtlingsschutz gelten BVerwG, Beschl. v. 24.02.2015 - 1 B 31/14 -, juris Rn. 5). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung durch Dritte setzt voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsguts-beeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden, sich somit jeder Angehörige der Gruppe sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.01.1991 - 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 -, juris Rn. 38 zum Asylrecht). Es muss eine die Regelvermutung der Verfolgung rechtfertigende Verfolgungsdichte hinsichtlich der Gruppe vorliegen, was der Fall ist, wenn die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter besteht, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11/08 -, juris Rn. 13; Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15/05 -, juris Rn. 20). Die Verfolgungshandlungen müssen - sofern kein (staatliches) Verfolgungsprogramm vorliegt - im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15/05 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Beschl. v. 28.11.2014 - 8 LA 150/14 -, juris Rn. 13). Ob die Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung in einem bestimmten Herkunftsstaat vorliegen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden, wobei alle gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen zur Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden müssen, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (BVerwG, Urt. v. 01.02.2007 - 1 C 24/06 -, juris Rn. 8). Dabei reicht es aus, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11/08 -, juris Rn. 19), sofern zahlenmäßige Feststellungen möglich sind (BVerwG, Beschl. v. 24.02.2015 - 1 B 31/14 -, juris Rn. 10). Sofern solche Verfolgungen regional oder lokal begrenzt sind, können die verfolgungsfreien Räume eine inländische Fluchtalternative darstellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.01.1991 - 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 -, juris Rn. 39 zum Asylrecht; BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11/08 -, juris Rn. 23; Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15/05 -, juris Rn. 20). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine staatliche Verfolgung oder eine solche durch private Akteure handelt (BVerwG, Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15/05 -, juris Rn. 21; OVG Hamburg, Urt. v. 22.04.2010 - 4 Bf 220/03.A -, juris Rn. 62).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sowie der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel gelangt das Gericht nicht zu der Überzeugung, dass Hazara einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfende gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind (so auch Bay. VGH, Beschl. v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; VG Augsburg, Urt. v. 07.11.2016 - Au 5 K 16.31853 -, juris Rn. 33; VG Würzburg, Urt. v. 28.10.2016 - W 1 K 16.31834 -, juris Rn. 19). Die hierfür erforderliche Verfolgungsdichte ist nicht gegeben.

Angehörige der Hazara stellen ungefähr 10 % der Bevölkerung sowie der Armee- sowie Polizeiangehörigen und sind vor allem in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, v. 21.01.2016, Stand: 05.10.2016, S. 163 f.; vgl. auch zu weiteren Distrikten ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 17). In Bamiyan besteht die Bevölkerung zu 67 % aus Hazara (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Aktuelle Situation der Volksgruppe der Hazara v. 27.06.2016, S. 2). Die meisten Hazara in Kabul leben in dem überbevölkerten Gebiet Dasht-e Barchi (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 87 f. Fn. 492). Auch bei den Angehörigen der vorwiegend schiitischen (vgl. auch ACCORD, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit F. und G. v. 04.05.2016, S. 7) Gruppe der Hazara ist - wie auch sonst in Afghanistan - ethnische Zugehörigkeit und Religion oftmals untrennbar miteinander verbunden (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 59). Hazara sind tendenziell optisch als ihrer Volksgruppe zugehörig zu erkennen, auch wenn es Ausnahmen gibt (ACCORD, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit F. und G. v. 04.05.2016, S. 7).

H., eine auch in Afghanistan tätige Anthropologin, die sich mit dem Volk der Hazara beschäftigt, teilt im August 2016 auf Anfrage von ACCORD mit, dass die Provinzen Bamiyan und Daikundi größtenteils sicher seien; gefährlich seien allerdings (etwa berufsbedingte oder medizinisch veranlasste) Reisen aus diesen Gebieten in größere Städte (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 9 f.). Auch in der Provinz Wardak gebe es zwei Distrikte mit Hazara Mehrheiten, die zu großen Teilen sicher seien; in der Provinz Ghazni seien Hazara dagegen - bis auf wenige sichere Distrikte - sehr gefährdet (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 10). Am stärksten gefährdet seien männliche Hazara (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 14). Im Jahresbericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan (UNAMA) für das Jahr 2015 wird ausgeführt, dass es einen starken Anstieg bei Entführungen und Tötungen von Hazara gegeben habe (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 2). Nach dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe Afghanistan: Update, Die Aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2016 (S. 22) halte auch im Jahr 2016 die Zunahme von Übergriffen, Entführungen und Ermordungen Angehöriger der Hazara an; Hazara würden sich zudem mit sozialer Diskriminierung konfrontiert sehen und häufig Opfer von Erpressung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung und -arbeit sowie psychischen Übergriffen werden (vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 87, S. 59 Fn. 327, 328). Hinsichtlich der Provinz Uruzgan geht die Schweizerische Flüchtlingshilfe davon aus, dass die Taliban die Hazara vermehrt unter Druck setzen, sich ihnen anzuschließen oder sie zu unterstützen, insbesondere in den Gebieten Palan und Shashpar (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 13). Kämpfe seien dort von dem ethnischen Konflikt zwischen Hazara und Paschtunen beeinflusst (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 13).

In dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2016 wird davon ausgegangen, dass sich die Lage der ca. 3.000.000 Hazara in Afghanistan (die 90 % der schiitischen Bevölkerung dort ausmachen) grundsätzlich verbessert hat, auch wenn sie in der öffentlichen Verwaltung weiterhin unterrepräsentiert sind, was aber auch noch eine Nachwirkung vergangener Zeiten sein könnte (S. 9). Auch die UNHCR geht in ihren Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (S. 87, 59) davon aus, dass die Hazara seit dem Ende des Taliban Regimes im Jahr 2001 erhebliche politische und wirtschaftliche Fortschritte gemacht hätten, zumal die Anzahl der schiitischen Parlamentsmitglieder in etwa dem Anteil der Schiiten in der Bevölkerung entspreche. Im Oktober 2015 berichtete das US-Außenministerium, dass die Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten deutlich abgenommen habe und aus Kabul sowie aus größeren Randgebieten keine Vorfälle mehr gemeldet worden seien, wenn es auch zu nicht offizieller Diskriminierung und schlechterer Behandlung gekommen sei (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 59 Fn. 326). In Herat seien große Teile der Bevölkerung Schiiten und sowohl schiitische als auch sunnitische Führer würden von einem weitgehend harmonischen Zusammenleben berichten (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 59 Fn. 326). Nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 21. Januar 2016 mit Stand 5. Oktober 2016 (S. 163) haben sich die Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert und würden den Weg in unterschiedliche Sektoren der afghanischen Wirtschaft einschlagen, die besonders gut bezahlt würden, auch Frauen. Nach den Angaben einer anonymen Quelle seien sie entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung keiner gezielten Diskriminierung ausgesetzt (Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, v. 21.01.2016, Stand: 05.10.2016, S. 164). In den Anmerkungen der UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern von Dezember 2016 (S. 5 f.) wird berichtet, dass Hazara-Familien aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Binnenflüchtlinge in der vergleichsweise ruhigen Provinz Bamiyan (vgl. auch ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 12 f.) aufgenommen wurden, nachdem im Herbst 2016 Dörfer von Hazara im Rahmen der Taliban-Aufstände gegen regierungsnahe Kräfte angegriffen worden sind. Daneben sei die Vertreibung auch in Richtung der Provinz Balkh und Mazar-e Scharif erfolgt.

Anfang des Jahres 2015 wurden Dutzende männliche Angehörige der Hazara von ISIS-Kämpfern entführt (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 87 f. Fn. 492). Im Februar 2015 wurden 55 Hazara im Distrikt Kajran, Provinz Daykundi entführt (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 4) auf der Fernstraße zwischen Kabul und Kandahar 31; vier von Ihnen wurden enthauptet, die weiteren später wieder freigelassen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, Stand: September 2016; vgl. auch ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 2, 3). Im August 2015 wurden drei Männer im Distrikt Nawur entführt und getötet, im September 13 in der Provinz Balkh erschossen und im November sieben Angehörige der Hazara, unter ihnen auch Frauen sowie ein Kind entführt und enthauptet, was zu Protesten in Kabul und weiteren Städten führte (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 87 f. Fn. 492; vgl. auch ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 3, 4, 6). Dem folgten weitere Entführungen in den Provinzen Ghazni und Farah (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, Stand: September 2016). Im November 2015 wurden 24 Hazara nach einem Streit mit den Taliban um Schafe entführt (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 5). Nach dem Jahresbericht der UNAMA wurden 2015 insgesamt 146 Hazara bei 20 Vorfällen in ethnisch gemischten Gebieten in den Provinzen Ghazni, Balkh, Sar-e Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jawzjan und Ghor getötet (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 2). Von 146 entführten Hazara seien 118 wieder freigelassen worden; 15 seien getötet worden oder in Geiselhaft verstorben (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 2). Im März 2016 wurden in der Provinz Sar-e Pul 11 und im Juni 17 Hazara entführt; letztere wurden nach wenigen Tagen wieder freigelassen (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 6 f.). Auch in der Provinz Kundus gab es Entführungen von Hazara (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 7). Am 6. Juli 2016 töteten Taliban 22 Polizisten, die Angehörige der Hazara waren (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 15 f.). Bei einem Angriff auf eine Kundgebung im Kabul am 23. Juli 2016, zu dem sich der IS bekannte (Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 25), starben 80 Personen (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, v. 12/2016, S. 6; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 8). Da es Gerüchte gebe, dass weitere Anschläge geplant seien, hält H. Kabul für unsicher für Hazara (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 10). Nach dem Norwegian Country of Origin Information Centre, könnten diese Vorfälle - anders als die Attacke im Juli 2016 - auch auf andere Umstände als die Ethnie oder Religion zurückzuführen sein (Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 18 f.). Weiterhin komme es in der Provinz Bamiyan zu gezielten Angriffen auf Hazara durch regierungsfeindliche Kräfte entlang der Hauptverkehrsstraßen; unsicher sind insoweit die Route von Kabul über die Provinz Parwan sowie die Straße über Maidan Wardak (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, v. 12/2016, S. 6; vgl. auch ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 11 „Todesstraße“). Nach dem Norwegian Country of Origin Information Centre könnte die hohe Anzahl von betroffenen Hazara auf den gefährlichen Straßen aber - wie bereits ausgeführt - auch auf andere Umstände als ihre Ethnie zurückzuführen sein (Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 19).

Mittlerweile kommt es zu Verhandlungen zwischen Gruppen der Hazara und Taliban, durch die bereits einige Angelegenheiten geklärt werden konnten; in Ghazni haben die Taliban und die Hazaras einen Nichtangriffspakt geschlossen, auf der Grundlage, dass den Taliban erlaubt wurde, bestimmte Straßen durch die Gebiete der Hazara zu nutzen (Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 18 f., vgl. auch S. 20 f.). Der IS, der hauptsächlich in der Provinz Nangarhar operiert (Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 23) hat im Juli 2016 in Kabul zwar gezielt Hazara angegriffen, die Kapazitäten für weitere Angriffe gegen Hazara in von Nangarhar entfernten Gebieten, dürften aber eher gering sein (Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 25 f.). Eine Rekrutierung von Hazara durch die Taliban findet nur in Ausnahmefällen statt (ACCORD, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit F. und G. v. 04.05.2016, S. 22).

Nach alledem ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass jeder Angehörige der ethnischen Gruppe der Hazara ständig und aktuell einer Gefährdung von Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt ist.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m.§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, weil er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm im Herkunftsland ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c AsylG genannten Akteur droht. Prognosemaßstab für den Schaden ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34).

Das Gericht ist - wie bereits ausgeführt - bereits nicht davon überzeugt, dass sich die Schüsse auf die Fahrzeuge, in denen sich der Kläger befunden haben will, so wie von ihm geschildert stattgefunden haben. Jedenfalls wäre eine Wiederholung nicht beachtlich wahrscheinlich. Auch hinsichtlich des vom Kläger behaupteten Vorfalls in dem Park in Kabul, wenn dieser überhaupt als erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG angesehen werden könnte, wäre - wie ebenfalls bereits ausgeführt - eine Wiederholung nicht beachtlich wahrscheinlich.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter infolge einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Für eine solche Annahme müssen stichhaltige Gründe vorliegen (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, n.v.; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, damit in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 13, 16; Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn.16). Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob er auf internen Schutz in einer anderen Region des Landes verwiesen werden kann (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 14, 19, 32), vgl. § 3 e AsylG.

Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG liegt jedenfalls vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen (und das Zusatzprotokoll II vom 8. Juni 1977 - zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>) anzuwenden haben), nicht hingegen bereits bei Fällen innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und anderen ähnlichen Handlungen (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, juris Rn. 23). Aber auch etwa Bürgerkriege und Guerilla-Kämpfe können einen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellen, wenn sie ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, juris Rn. 23). Für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts kann es hinsichtlich des Organisationsgrades bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, juris Rn. 23).

Vorliegend kann dahinstehen, ob in der Region Kabul ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG herrscht, weil jedenfalls dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit das Leben des Klägers oder seine Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt bedroht sind (so auch VG Berlin, Urt. v. 14.10.2015 - 9 K 478.14 A -, juris Rn. 36 für die Provinz Parwan). In der Region von Kabul geht nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 17) bzw. Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt.

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben, wie etwa einer berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, n.v.). Wenn solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände fehlen, kann eine entsprechende Individualisierung ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies setzt aber ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt voraus (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Permanente Gefährdungen der Bevölkerung und schwere Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts reichen für sich allein nicht aus (BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, juris Rn. 24; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies gilt auch bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen der afghanischen Armee und aufständischen Gruppen, die auch die Zivilbevölkerung durch Massenentführungen, Vertreibungen, Kämpfe in bewohnten Gebieten oder Angriffe auf Dörfer im Mitleidenschaft ziehen (Nds. OVG, Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.). Für die Bestimmung der Gefahrendichte hat eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau) und daneben auch eine wertende Gesamtbetrachtung jedenfalls auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage zu erfolgen (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Das Risiko einer Zivilperson von 1:800 (bezogen auf ein Jahr) verletzt oder getötet zu werden ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ihr drohenden Schadens entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.).

Der Kläger gehört zwar der Volksgruppe der Hazara an, jedoch handelt es sich hierbei nicht um einen solchen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand, der eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr für den Kläger begründet und in der Region Kabul ist auch nicht praktisch jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes mit Stand September 2016 (S. 4 unter Verweis auf den UNAMA-Bericht von Juli 2016 über den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt) hat es in Afghanistan im ersten Halbjahr 2016 mit 1.601 getöteten und 3.565 verletzten Zivilisten einen leichten Anstieg von 4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gegeben, mit der Folge der höchsten Zahl seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2009. Ende 2015 hatte die Anzahl der zivilen Opfer mit 11.002 einen neuen Höchststand erreicht (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S.6). 70 % der Opfer werden den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen zugerechnet, was insoweit einen Rückgang um 3 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeute (Amnesty Report 2016 Afghanistan, S. 1, 2), auch wenn die Opferzahl insgesamt um 4 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 6). Im ersten Halbjahr 2016 hat die Verantwortlichkeit regierungsfeindlicher Gruppen für zivile Opfer 60 % (966 Tote und 2.116 Verletzte) betragen, was eine Zunahme um 11 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte August 2016 konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in den Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v 19.09.2016). 68,1 % der landesweiten Vorfälle konzentrierten sich auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016), im vierten Quartal noch 66 %; die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle erhöhte sich gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr um 9 %, in den Monaten Januar bis Oktober um 22 % (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Im Herbst 2016 übten die Taliban ohne anhaltenden Erfolg Druck auf die Provinzhauptstädte Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz aus (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Auch Anfang Januar 2017 griffen die Taliban erneut Helmand an (Neue Züricher Zeitung, Online-Ausgabe v. 02.01.2017). Die Sicherheitskräfte gehen weiterhin gegen die Taliban und IS-Kämpfer vor (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.09.2016). Die Bevölkerungszentren und Hauptverkehrsstraßen in Afghanistan werden von den afghanischen Sicherheitskräften (ANDSF), abgesehen von kurzzeitigen Störungen durch die regierungsfeindlichen Kräfte, kontrolliert, wenn die ANDSF auch Defizite unter anderem in der Führung, strategischer und taktischer Planungsfähigkeit, Aufklärung und technischer Ausstattung aufweist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 6). So behält die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, die Provinzhauptstädte, fast alle Distriktszentren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38; vgl. für Kabul auch Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.) und die größeren Provinzzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 3). Die Provinzhauptstädte konnten auch im vierten Quartal gesichert werden, wenn es auch zu intensiven bewaffneten Zusammenstößen gekommen ist (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen, bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38), bedürfen aber der Unterstützung durch internationale Sicherheitskräfte, die auch erfolgt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 4). Eine Koalition von 40 Staaten leistet weiterhin Ausbildung, Beratung und Unterstützung; auch die USA sind weiterhin mit einer Anti-Terror-Mission in Afghanistan präsent (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 6; vgl. etwa n-tv.de, IS-Anführer stirbt bei US-Drohnenangriff v. 19.11.2016). Auch Deutschland hat den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verlängert (www.handelsblatt.com, Regierung verlängert Afghanistan Einsatz v. 15.12.2016). 13.000 internationale Soldaten werden in Afghanistan stationiert bleiben (Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 30.09.2016, S. 6). Die Truppenstärke der afghanischen Nationalarmee (ANA) betrug Mitte des Jahres 2015 etwa 157.000 (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 05.10.2016, S. 137). Der US-Präsident hat mehr Unterstützung für die Sicherheit Afghanistans angekündigt (www.zeit.de, Trump will Afghanistan stärker unterstützen v. 03.12.2016). Anfang des Jahres 2017 entsandten die Vereinigten Staaten von Amerika rund 300 Marinesoldaten in die Provinz Helmand, um die einheimischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen die Taliban auszubilden (www.faz.net, Amerika schickt Marinesoldaten nach Afghanistan, v. 07.01.2017). Nach einem Bericht des amerikanischen Pentagons haben die afghanischen Streitkräfte - wenn auch unbeständige - Fortschritte gemacht; sie konnten mehrere große Taliban-Angriffe abwehren und verlorenes Territorium rasch wieder zurückgewinnen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Die afghanischen Sicherheitskräfte führten zahlreiche Militäroperationen durch und konnten auch die Schlüsselbereiche des Distrikts Ghormach von den Taliban wieder zurück erobern; mit einer groß angelegten Militäroperation soll die Provinz Kundus von Aufständischen befreit werden (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). In den Provinzen Nangarhar und Kunar wurden Operationen gegen den „Islamischen Staat in der Provinz Khorasan“ (ISIL-KP) durchgeführt (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). In den Monaten November, Dezember 2016 und Januar 2017 gab es in Nangarhar 81 Militäroperationen, bei denen 251 Aufständische getötet und 184 gefangen genommen wurden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Mitte Januar zerstörten Sicherheitskräfte eine Bombenwerkstatt der Taliban in Balkh (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Ende Januar 2017 wurden in zahlreichen Provinzen Anti-Terror-Operationen gegen die Taliban und den IS durchgeführt (deutsch.rt.com, Top-Funktionär der Taliban in Afghanistan getötet, v. 28.01.2017).

Dennoch lassen sich auch in Kabul Anschläge mit Toten und Verletzten nicht gänzlich vermeiden, so gab es in der ersten Jahreshälfte 2016 elf Vorfälle mit 107 Toten (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 3, 4). Zwischen Mitte Mai und Mitte August 2016 kam es zu zwei High-Profile Angriffen in Kabul (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Mitte September kam es zu jeweils einem Anschlag auf Polizeiangehörige in Kabul und Kapisa und einem Angriff in einem Krankenhaus in Kandahar (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 19.09.2016). Im November 2016 starben in Kabul bei einem Selbstmordanschlag vor einem Fahrzeug afghanischer Sicherheitskräfte vier Menschen (Zeit-Online v. 16.11.2016) und bei einem Anschlag auf eine Moschee wurden 27 Menschen getötet (www.tagesspiegel.de, „IS bekennt sich zu Anschlag auf eine Moschee in Kabul v. 21.11.2016). Bei einem Anschlag auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Scharif starben acht Menschen (www.tagesspiegel.de, Acht Tote bei Taliban-Angriff auf deutsches Konsulat v. 11.11.2016). Im Herbst 2016 wurden Berichten zufolge in Baghlan Dörfer der Hazara im Rahmen der Taliban-Aufstände gegen regierungsnahe Kräfte angegriffen, was auch zu Vertreibungen der Hazara nach Bamyan, Balkh und Mazar-e Scharif führte (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  6). In Kunduz und Kabul starben im Dezember Aufständische deren Sprengstoff vorzeitig explodierte (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 12.12.2016 und 19.12.2016). Zudem wurden in Kunar ein Kommandant der Grenzpolizei und sein Leibwächter bei einem Bombenanschlag getötet und in Badakshan ein Mädchen bei einem Überfall auf einen Bus, in Zabul starben zwei Kinder bei einer Explosion und in Kandahar wurden fünf Mitarbeiterinnen des Flughafens auf dem Weg zur Arbeit von Unbekannten erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 19.12.2016). In Nangarhar und Jalalabad konnte die Polizei hingegen im Dezember Anschläge verhindern (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 12.12.2016 und 19.12.2016). Ende Dezember starb ein Mann bei einem Bombenanschlag in Kandahar (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Auch kam es zu Anschlägen auf Parlamentarier (www.spiegel.de, Anschlag auf Parlamentarier - Sohn verletzt v. 28.12.2016; Waiblinger Kreiszeitung, dpa, Elf Tote bei Überfall auf Parlamentarier in Kabul v. 22.12.2016). Im Dezember 2016 starben in Paktika zwei Frauen durch eine Straßenbombe, wurde in Herat ein Geistlicher erschossen und richteten die Taliban in Parwan vier Zivilisten als Spione hin (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 12.12.2016). Im vierten Quartal 2016 kam es bis Mitte November zu zwei High-Profile-Angriffen, zum einen auf das Verteidigungsministerium in Kabul, zum anderen auf den Bagram (US-)Militärflugplatz in der Provinz Parwan (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Anfang Januar 2017 wurden bei zwei Bombenanschlägen vor dem Parlament in Kabul mehr als 20 Personen getötet worden (www.morgenpost.de, Bis zu 50 Tote bei drei Anschlägen in Afghanistan, v. 10.01.2017), bei einer weiteren Bombenexplosion gab es keine Verletzten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). In Logar explodierte eine Bombe und in Nangarhar wurden bei einem Bombenanschlag 8 Menschen verletzt sowie ein Arzt niedergeschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). In Kunduz wurden ein Vertreter der Sikhs  und der Hindus erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Anfang Januar 2017 griffen Taliban in der Provinz Badakhshan einen Sicherheitskonvoi an (www.trt.net.tr, Taliban-Terror in Afghanistan v. 04.01.2017) und beschossen einen Bundeswehrhubschrauber (www.spiegel.de, Hubschrauber der Bundeswehr beschossen, v. 05.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). In Faryab erschlugen Taliban einen Mann, in Logar wurde ein Anschlag auf einen Distriktspolizeichef verübt, in Ghazni wurde ein Mitarbeiter der Schulbehörde erschossen und in Helmand eine Polizistin; in Baghlan wurden Minenarbeiter getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Weitere Bombenanschläge gab es in Jalalabad, Parwan und in Faryab (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Bei einer Explosion im Haus des Gouverneurs der Provinz Kandahar starben 11 Menschen (www.morgenpost.de, Bis zu 50 Tote bei drei Anschlägen in Afghanistan, v. 10.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017), bei einem Anschlag auf ein Gästehaus der Sicherheitskräfte in Lashkar Gah (Helmand) starben sechs Personen (de.sputniknews.com, Afghanistan: Selbstmord-Anschlag auf Militärobjekt - Tote und Verletzte, v. 10.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). In Herat wurde ein Mitarbeiter eines Telekommunikationsunternehmens von den Taliban getötet und in Ferat zwei Frauen durch eine Explosion einer Bombe am Straßenrand (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). Mitte Januar wurden in Nangarhar durch einen am Straßenrand versteckten Sprengsatz mehrere Zivilpersonen getötet (www.zeit.de, Sieben Zivilisten sterben durch Sprengsatz in Ost-Afghanistan, v. 15.01.2017), im Distrikt Kot wurde ein Polizist und elf Studenten getötet sowie 65 Häuser von IS-Kämpfern in Brand gesetzt und in Baghlan ein Regierungsmitarbeiter bei einem Anschlag verletzt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). Bei einem Häuserkampf zwischen den Taliban und US-Truppen in der Provinz Kundus starben 33 Zivilpersonen (www.handelsblatt.de, 33 Zivilisten bei Gefecht mit Taliban getötet, v. 12.01.2017). Am 16. Januar 2017 setzten IS-Kämpfer in Kot (Nangarhar) weitere 20 Häuser in Brand (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Weiter starben in Kabul zwei Polizisten bei einem Bombenanschlag und in Farah zwei Kinder (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Ende Januar 2017 griffen Taliban das Polizeihauptquartier und das Bezirkszentrum von Sangin in der Provinz Helmand an (www.handelsblatt.de, Taliban stürmen berüchtigtes Bezirkszentrum, v. 30.01.2017).

Anschlagsziele sind in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen, dennoch kommt es (auch) zu zivilen Opfern (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 4), wenn auch die Taliban in der Erklärung zur Frühlingsoffensive 2015 angegeben haben, solche reduzieren zu wollen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 39 Fn. 209). Im Jahr 2015 wurden 1.335 Zivilpersonen durch gezielte Tötungen bzw. Tötungsversuche verletzt oder getötet (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 38). Zwischen Februar und Mai 2016 gingen die gezielten Tötungen um 37 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurück (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). In der Erklärung der Taliban vom 12. April 2016 zum Ausruf der jährlichen Offensive sprachen sie anders als in vergangenen Jahren keine expliziten Drohungen mehr gegen zivile Regierungsbeamte aus (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). Die Taliban haben ihre Taktik auf großangelegte Angriffe insbesondere in städtischen Gebieten umgestellt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  3). Am 22. September 2016 vereinbarte die afghanische Regierung mit der Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami ein Friedensabkommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Unterzeichnetes Friedensabkommen mit Gulbuddin Hekmatyar Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 05.10.2016). Die Sicherheitslage hat sich aus Sicht des UNHCR seit April 2016 weiter rapide verschlechtert (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  3). In Einzelfällen kommt es auch zu Bedrohungen von Regierungs- und Behördenmitarbeiter, Menschenrechtsanwälten, Mitarbeitern ausländischer Organisationen und Journalisten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 5). Auch Würdenträger, Stammesälteste und Religionsgelehrte sind Ziel von Anschlägen der gewaltbereiten Opposition (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 7). Der Reporter ohne Grenzen e.V. geht in 2016 von drei in Afghanistan getöteten Journalisten aus (www.reporter-ohne-grenzen.de, Barometer der Pressefreiheit, Stand: 29.12.2016), der Direktor des Nai Media Instituts von 14 (www.tagesschau.de, Blutiges Jahr für Journalisten, v. 09.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017 (420 Angriffe auf Journalisten); Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017 (101 Vorfälle)). Auch Übergriffe der Polizei auf Journalisten wurden gemeldet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). 13 % aller Anschläge gegen Zivilpersonen richten sich gegen Zivilisten, die für die afghanische Regierung oder internationale Organisation arbeiten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). Die Zahl der Mordanschläge ist im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte August 2016 um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr zurück gegangen, wenngleich sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle um 4,7 % erhöht haben (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Im vierten Quartal 2016 wurden 183 Mordanschläge registriert, was einen Rückgang von 32 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 zum Ausdruck bringt; auch die Zahl der Entführungen hat mit 99 gegenüber dem Vorjahr (109) abgenommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Anfang Januar entführten Taliban in Kandahar 10 Arbeiter (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017) und Mitte Januar wurden im Osten Afghanistans durch mutmaßliche Anhänger des Islamischen Staates 13 Lehrer einer Religionsschule entführt (www.salzburg.com, IS verschleppt 13 Lehrer im Osten Afghanistans, v. 15.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). Ende Dezember 2016 wurden mehrere Entführer in Herat zum Tode verurteilt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Mitte Januar 2017 wurden in Kundus ein Richter des Militärgerichts und in Parwan ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums entführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Auch kommt es immer wieder zu Exekutionen durch nicht-staatliche Akteure, vor allem auch durch Aufständische, die sich auf traditionelles Recht berufen und die Vollstreckung der Todesstrafe mit dem Islam legitimieren, für ein aus ihrer Sicht fehlerhaftes Verhalten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). So richteten Taliban am 19. Dezember 2016 eine Frau hin, weil sie nach dem Weggang ihres Mannes in den Iran einen anderen Mann geheiratet hatte und sich ihr früherer Ehemann an die Taliban gewandt hatte (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 19.19.2016). Anfang des Jahres 2017 wurden sechs Männer in Ghazni durch die Taliban für Diebstahl bzw. Ehebruch mit Peitschenhieben bestraft (www.spiegel.de, 39 Peitschenhiebe - Taliban bestrafen mehrere Männer v. 03.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Auch gibt es Berichte über Gefängnisse von Aufständischen in der Provinz Kunduz (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017).

In der Zentralregion Afghanistans, die neben Kabul (Einwohnerzahl ca. 4,3 Millionen, jeweils nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 46 ff.) die Provinzen Parwan (Einwohnerzahl ca. 65.000), Kapisa (Einwohnerzahl ca. 440.000), Logar (Einwohnerzahl ca. 390.000), Panjshir (Einwohnerzahl ca. 150.000) und Wardak (Einwohnerzahl ca. 595.000) umfasst (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 49; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 12) und in der insgesamt ca. 5,8 Millionen Einwohner leben, wurden im Zeitraum Januar bis Juni 2016 1113 Zivilpersonen verletzt oder getötet (UNAMA, Afghanistan Midyear Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, vom 27.07.2016, S. 12). Hieraus ergibt sich ein Verhältnis von 1:5211 bzw. für das Jahr von 1:2606. Bei einer Verdreifachung der Anzahl der von der UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65) ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit für eine Zivilperson, binnen eines Jahres verletzt oder getötet zu werden von 1:868.

Im Distrikt Kabul wurden im Zeitraum von Januar bis Ende August 2015 217 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, in der Provinz Kabul 352, bei einer Bevölkerungszahl der Provinz von über 4,3 Millionen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 05.10.2016, S. 50). Teilweise wird auch die Bevölkerungszahl allein für die Stadt Kabul auf mehr als sieben Millionen Menschen geschätzt (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris, S. 16). Die allgemeine Gewalt in Kabul befindet sich auf dem Niveau des Jahres 2014 (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 05.10.2016, S. 50), bei den hochrangigen Angriffen (gegen Gebäude der Regierung oder internationaler Institutionen) hat es mit 28 jedoch gegenüber dem Jahr 2014 eine Steigerung um 27 % gegeben. Zwar verbessern sich die Sicherheitskräfte und ihre Fähigkeiten fortwährend, weitere Angriffe insbesondere auf Regierungsangehörige und internationale Organisationen sind aber nicht auszuschließen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 47), was sich gerade - wie oben bereits dargestellt - auch in dem Zeitraum November 2016 bis Anfang Januar 2017 gezeigt hat. Dennoch steht Kabul grundsätzlich unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.).

Nach alledem ist es angesichts der Bevölkerungszahl auf der einen und den Verletzten und getöteten Zivilpersonen auf der anderen Seite für eine Zivilperson in Kabul nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden (vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 17.08.2016 - 13a ZB 16.30090 -, juris Rn. 10; OVG NRW, Beschl. v. 08.06.2016 - 13 A 1222/16.A -, juris Rn. 10; Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.; Beschl. v. 13.04.2015 - 9 LA 58/13 -, n.v.). Die Mehrzahl der Binnenflüchtlinge zieht es dementsprechend gerade auch nach Kabul (vgl. etwa Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 48) bzw. in die Zentralregion Afghanistans (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.09.2016, S. 12).

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG (dazu a)) oder § 60 Abs. 7 AufenthG (dazu b)).

a) § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung aus-gesetzt zu werden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 12 m.w.N.). Insoweit sind die Verhältnisse im Abschiebungszielstaat landesweit in den Blick zu nehmen (Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen - vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils m.w.N.). Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten allerdings nicht, Unterschiede in der medizinischen Versorgung oder soziale und wirtschaftliche Unterschiede durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen, da die Konventionsstaaten hierdurch übermäßig belastet würden (EGMR, Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 N./Vereinigtes Königreich -, NVwZ 2008, 1334 ff. [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05], Rn. 44). Eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK hat der EGMR etwa dann angenommen, wenn sie unter anderem geplant war, ohne Unterbrechung über mehrere Stunden erfolgte und körperliche Verletzungen oder ein erhebliches körperliches oder seelisches Leiden bewirkte (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 09.07.2015 - 32325/13, Mafalani ./. Croatia - HUDOC Rn. 69 m.w.N.). Von einer erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ist der EGMR ausgegangen, wenn sie bei dem Opfer Gefühle der Angst, seelischer Qualen und der Unterlegenheit hervorruft, wenn sie das Opfer in dessen oder in den Augen anderer entwürdigt und demütigt, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist, ferner, wenn die Behandlung den körperlichen oder moralischen Widerstand des Opfers bricht oder dieses dazu veranlasst, gegen seinen Willen oder Gewissen zu handeln sowie dann, wenn die Behandlung einen Mangel an Respekt offenbart oder die menschliche Würde herabmindert (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EMGR, Urt. v. 03.09.2015 - 10161/13, M. und M. ./. Croatia - HUDOC Rn. 132). Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 26).

Grundsätzlich schützt Art. 3 EMRK vor den dort genannten Behandlungsweisen durch vorsätzlich vorgenommene Maßnahmen der öffentlichen Gewalt des Empfangsstaates oder nichtstaatlicher Organisationen in diesem Staat, sofern die Behörden außerstande sind, dem Betroffenen einen angemessenen Schutz zu gewähren; wegen der grundlegenden Bedeutung des Art. 3 EMRK wendet der EGMR ihn wegen des absoluten Charakters des Schutzes aber auch dann an, wenn die Gefahr einer verbotenen Behandlung im Abschiebungszielstaat von Faktoren herrührt, die weder unmittelbar noch mittelbar die Verantwortung der staatlichen Behörden dieses Staates auslöst (EGMR (Große Kammer), Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 N./Vereinigtes Königreich -, NVwZ 2008, 1334 [1335] [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05]; EGMR, Urt. v. 02.05.1997 - 146/1996/767/964 -, NVwZ 1998, 161 [162]). In der Rechtsprechung des EGMR gilt die ohnehin für Art. 3 EMRK bestehende hohe Schwelle in diesem Fall (keine Verantwortung des Staates) insbesonders (vgl. EGMR, Urt. v. 13. 10. 2011 - 10611/09 (Husseini/Schweden) -, NJOZ, 2012, 952 [954]). Im Rahmen des durch das AsylG und das AufenthG vermittelten Abschiebungsschutzes wird der vom EGMR insoweit über die Anwendung des Art. 3 EMRK auch ohne Verantwortung des Staates bzw. ohne Handeln eines bestimmten Akteurs angenommene Schutz bereits - jedenfalls für Krankheiten - ausreichend durch § 60 Abs. 7 AufenthG vermittelt, zumal im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind. Dies gilt hingegen nicht bei den allgemeinen Lebensbedingungen, da dort - jedenfalls soweit diese als allgemeine Gefahr zu werten sind - wegen § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Abs. 7 und Abs. 5 unterschiedliche Maßstäbe gelten (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; BVerwG, Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Urt. v. 28.07.2014 - 9 LB 2/13 -, juris Rn. 45).

aa) Ein Abschiebungsverbot aufgrund einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK) infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK nur in Fällen ganz extremer allgemeiner Gewalt in Betracht, wenn eine tatsächliche Gefahr einer Fehlbehandlung infolge des bloßen Umstands der Anwesenheit im Zielstaat besteht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 14 m.w.N.; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v. unter Verweis auf EGMR, Urteile vom 09.04.2013 - 70073/10 und 44539/11, H. and B./United Kingdom - HUDOC Rn. 91 f.; vom 04.06.2015 - 59166/12, J.K. u.a./Sweden - HUDOC Rn. 53). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst anzusehen, dass eine Abschiebung dorthin ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 für Kabul folgend; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; jeweils unter Verweis auf EGMR, Urteile vom 20.7.2010 - 23505/09, N./Sweden - HUDOC Rn. 52; vom 13.10.2011 - 10611/09, Husseini/Sweden - HUDOC Rn. 84; vom 9.4.2013, a.a.O., Rn. 91 f.; vom 12.01.2016 - 25077/06, A.W.Q. and D.H./The Netherlands - HUDOC Rn. 71; - 8161/07, S.D.M. and others/The Netherlands - HUDOC Rn. 79; - 8161/07, S.D.M. and others/The Netherlands - HUDOC Rn. 74; - 39575/06, S.S./The Netherlands - HUDOC Rn. 66; - 46856/07, M.R.A. and others/The Netherlands - HUDOC Rn. 112; - 13442/08, A.G.R./The Netherlands - HU-DOC Rn. 59; vom 05.07.2016 - 29094/09, A.M./The Netherlands - HUDOC Rn. 87). Dem folgt das Gericht - und unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen -, insbesondere auch für die Region Kabul. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnismittel ergeben sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Gefahrenlage im Jahr 2016 und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in einer für ein Abschiebungsverbot relevanten Weise nachhaltig verändert hätte (so auch Bay. VGH, Beschl. v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 -, juris Rn. 7 f.).

bb) Aber auch die allgemeine humanitäre Lage in Afghanistan begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.

Sozialwirtschaftliche und humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat haben weder notwendig noch einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Frage, ob eine Person Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, weil Art. 3 EMRK hauptsächlich dem Schutz bürgerlicher und politischer Rechte dient (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.). Eine erhebliche Beeinträchtigung der (humanitären) Lage des Betroffenen im Herkunftsland - ein-schließlich seiner Lebenserwartung - im Falle seiner Rückkehr ist für einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK nicht ausreichend, sofern nicht in ganz außergewöhnlichen Fällen ausnahmsweise besondere humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung im Konventionsstaat sprechen (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 23, 25 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.; Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v. m.w.N.). Die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen setzt ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraus (Bay. VGH, Beschl. vom 30. September 2015 - 13a ZB 15.30063 -, juris Rn. 5), das nur unter strengen Voraussetzungen erreicht wird (OVG NRW, Beschl. v. 13.05.2015 - 14 B 525/15.A -, juris Rn. 15, 13 (monatelange Obdachlosigkeit ohne Zugang zu jeder Versorgung). Ein anderer Maßstab kommt allerdings (und nur) dann in Betracht, wenn die im Zielstaat bestehenden schlechten humanitären Bedingungen nicht maßgebend auf fehlende staatliche Ressourcen für eine staatliche Fürsorge zurückzuführen sind, sondern auf direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen der dortigen Konfliktparteien (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.). Grundsätzlich ist bei der Prüfung des Abschiebungsverbotes auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen, ausgehend vom dem Ort, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 26 m.w.N.; für Afghanistan verneint EGMR, Urt. v. 13.10.2011 - 10611/09 (Husseini/Schweden) - NJOZ 2012, 952 [953] Rn. 84; Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten strengen Maßstäbe sind unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel keine ernstlichen Gründe dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Afghanistan landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris) Gefahr liefe, aufgrund der dortigen allgemeinen Lebensbedingungen einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden und die einer Abschiebung nach Afghanistan ausnahmsweise entgegenstehen würden.

Afghanistan ist trotz der internationalen Unterstützung und erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung eines der ärmsten Länder der Welt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.09.2016, S. 24) und das ärmste Land der Region (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, mit einem eklatanten Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). 30 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 6,3 % sind von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen und 9,1 % der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 13), wobei in letzterem eine Verbesserung zu sehen ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Die Arbeitslosenquote betrug im Oktober 2015 40 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22), teilweise wird sie auf bis zu 50 % geschätzt (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Die Analphabetenquote ist hoch und die Anzahl der Fachkräfte gering (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24). Auch der Abzug der internationalen Streitkräfte hat sich negativ auf die Nachfrage und damit die Wirtschaft ausgewirkt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahr 2015 0,8 %, in 2016 voraussichtlich 1,2 % und für 2017 werden im besten Fall 1,7 % erwartet (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  5). Rückkehrer sehen sich, wie alle Afghanen, mit unzureichenden wirtschaftlichen Perspektiven und geringen Arbeitsmarktchancen konfrontiert, insbesondere wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 5). Viele von ihnen zieht es daher nach Kabul, wo die Einwohnerzahl zwischen den Jahren 2005 und 2015 um 10 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 27, 28). Naturkatastrophen und extreme Natureinflüsse im Norden tragen zur schlechten Versorgung der Bevölkerung bei (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Im Süden und Osten gelten nahezu ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24). Nach Berechnungen der Vereinten Nationen sind in Afghanistan insgesamt eine Millionen Kinder unterernährt (deutsch.rt.com, Vereinte Nationen: Afghanistan auf dem Weg in eine humanitäre Katastrophe, v. 24.01.2017). Im Winter 2016 / 2017 starben allein in einer Provinz im Norden Afghanistans 27 Kinder unter fünf Jahren aufgrund der Wetterbedingungen (www.zeit.de, 27 Kinder sterben wegen strengen Winterwetters in Afghanistan, v. 26.01.2017). Die humanitäre Situation ist weiterhin als schwierig anzusehen, insbesondere stellt neben der Versorgung von Hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 6). Die Anzahl der konflikt-induzierten Binnenflüchtlinge betrug im Jahr 2016 zwischen 1,1 und 1,2 Million (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Die pakistanische Regierung hat den dort aufhältigen Afghanischen Flüchtlingen eine Frist zur Rückkehr bis März 2017 gesetzt; im Jahr 2016 sind mehr als 600.000 Personen zurückgekehrt, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte und über Nangarhar (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 1, 2). Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 2). Die UN will weitere finanzielle Hilfe leisten (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 3). Aus Deutschland reisten im Jahr 2016 mit 3.200 Personen zehnmal mehr Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück, als im Vorjahr (www.spiegel.de, Rund 55.000 Asylbewerber verlassen Deutschland freiwillig v. 28.12.2016). Für das Jahr 2017 erwartet die internationale humanitäre Gemeinschaft 450.000 neu in die Flucht getriebene Menschen im Inland und die UNHCR 650.000 Rückkehrer aus den umliegenden Ländern (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  4). Die Rückkehrer siedeln sich vor allem in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan an (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 24). Viele Binnenvertriebene haben familiäre Verbindungen nach Kabul (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Die Aufnahmekapazität Kabuls ist aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringungsmöglichkeiten sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, sowie im Dienstleistungsbereich äußerst eingeschränkt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Auch in Herat hält sich eine große Zahl von Binnenvertriebenen auf, die sich mit einer erheblichen politischen Opposition und allgemeinen Ressentiments konfrontiert sehen (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8).

Staatliche Maßnahmen zur Integration oder Neuansiedlung haben bereits positive Ergebnisse gezeigt, sind allerdings auch weiter erforderlich (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Die Regierung hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt und plant unter anderem durch ein Stimulus-Paket Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Afghanistan befindet sich in einem langwierigen Wiederaufbauprozess (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Die internationale Gemeinschaft unterstützt die afghanische Regierung maßgeblich dabei, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Mehr als 95 % des afghanischen Budgets stammen auch im Jahre 2016 von der internationalen Staatengemeinschaft (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 2). Die internationale Gemeinschaft wird auch ihr ziviles Engagement fortsetzten und Deutschland wird den Wiederaufbau im Jahr 2017 mit 430 Millionen Euro unterstützen (www.bundesregierung.de, Deutsche Soldaten weiter in Afghanistan v. 16.11.2016). Zum Jahresende 2014 hat das Jahrzehnt der Transformation (2015‐2024) begonnen, in dem Afghanistan sich mit weiterhin umfangreicher internationaler Unterstützung zu einem voll funktionsfähigen und fiskalisch lebensfähigen Staat im Dienst seiner Bürgerinnen und Bürger entwickeln soll, wofür Afghanistan verstärkte eigene Anstrengungen zugesagt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Im Mai 2016 startete das Projekt „Casa 1000“, mit dem eine Stromleitung von Tajikistan auch nach Afghanistan errichtet und ab 2019 dem Energiemangel begegnet werden soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Auch soll Afghanistan eine Flugfrachtverbindung nach Indien erhalten (www.aerotelegraph.com, Afghanistan bekommt Frachtverbindung nach Indien, v. 06.01.2017). Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen in Afghanistan weicht stark voneinander ab, für alleinstehende Personen bewegte es sich bis zum Jahr 2007 lediglich im Bereich zwischen 10 und 15 %; das Armutsrisiko stieg bei einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und lag bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 % (OVG Münster, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 48). Nachdem im Jahr 2011 nur 7,5 % der Bevölkerung über eine adäquate Wasserversorgung verfügten, haben im Jahr 2016 46 % Zugang zu Trinkwasser (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen bereits Fortschritte gemacht, die allerdings nach wie vor nicht alle Landesteile erreichen und außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 5). Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, so werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult; der Anteil der Mädchen beträgt mittlerweile 37,5 %, nachdem sie unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 12). Auch die medizinische Versorgung hat sich seit 2005 erheblich verbessert, was auch zu einem deutlichen Anstieg der Lebenserwartung geführt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24, 25). Dennoch besteht landesweit eine unzureichende Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung und Fachpersonal, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). 36 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden kommt es zu schlechten Gesundheitszuständen von Frauen und Kindern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Aufgrund der Fortschritte in der medizinischen Versorgung hat sich allerdings etwa die Müttersterblichkeit von 1,6 % auf 0,324 % gesenkt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). An dieser Reduzierung kommen allerdings zwischenzeitlich Zweifel auf (www.tt.com, Müttersterblichkeit in Afghanistan laut Bericht deutlich höher als angegeben, v. 31.01.2017). Eine gute medizinische Versorgung auch komplizierterer Krankheiten bieten das French Medical Institute und das Deutsche Diagnostische Zentrum (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Eine Behandlung psychischer Erkrankungen findet nur unzureichend statt; in Kabul, Jalalabad, Herat und Mazar-e Sharif gibt es entsprechende Einrichtungen mit meist wenigen Betten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23 f.). Rückkehrer aus Deutschland werden in Kabul vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von Mitarbeitern der Internationalen Organisation für Migration, von der gemeinnützigen humanitären Organisation für psychosoziale Betreuung und der Bundespolizei vor Ort in Empfang genommen und versorgt (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Als Reintegrationshilfen können bis zu 700,00 Euro beantragt werden (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Weiter ist auch geplant, den Rückkehrern Anschlussflüge zum gewünschten Zielort innerhalb Afghanistans anzubieten und ein Informationsbüro als Beratungsstelle einzurichten (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erkenntnisse hat das Gericht nach alledem keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger als ein arbeitsfähiger junger Mann bei einer Rückkehr in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, in Kabul seinen Lebensunterhalt zusichern (vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 08.06.2016 - 13 A 1222/16.A -, juris Rn. 10; Nds. OVG, Urt. v. 20.07.2015 - 9 LB 320/14 -, juris S. 8; OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 46; Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 197). Auch die UNHCR geht in ihren Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft unter bestimmten Umständen in urbanen und semi-urbanen Umgebungen leben können, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter staatlicher Kontrolle stehen (S. 99). Der Kläger hat acht Jahre lang eine Schule besucht ist gesund, gehört als Hazara einer in Kabul vertretenen Volksgruppe an, spricht mit Dari eine der offiziellen Landessprachen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 9), hat zuletzt über mehrere Jahre eine Schneiderei wirtschaftlich erfolgreich betrieben und verfügt sowohl über nahe Verwandte in Kabul als auch eine Großfamilie in Afghanistan. Soweit er in der mündlichen Verhandlung versuchte, die Verbindung zu seiner Großfamilie dadurch zu relativieren, dass er keinen Kontakt mehr zu ihnen habe, weil sie alles angeheiratete Familienmitglieder seien und er nicht wüsste wo sie sind, glaubt das Gericht ihm nicht. Zum einen sind seine Ausführungen nicht schlüssig und sie passen auch nicht zu seinen weiteren Berichten in der mündlichen Verhandlung, wie sich seine Großfamilie bei seiner Krankheit um ihn gekümmert habe. So hatte er etwa angegeben, dass seine Familie ihm bei seiner Erkrankung etwas Gutes tun habe wollen, ihn daher mit nach Kabul genommen habe, damit er dort etwas erlebe und sie ihn mit 30 Personen zu einem Vergnügungspark begleitet hätten. Soweit der Kläger weiter in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass er nicht wisse, wo seine Mutter, sein Vater und ein Bruder seien, ist das Gericht ebenfalls nicht davon überzeugt, dass dies den Tatsachen entspricht. Abweichend von seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit geschildert, dass seine Eltern mit einem Bruder nach Ghazni gefahren seien, um um die Hand einer Ehefrau für ihn anzuhalten, sie auf dem Weg dorthin verschwunden seien und er sowie ein weiterer Bruder dann zunächst von einem Onkel zu sich genommen worden seien. In der Anhörung durch das Bundesamt hatte er dagegen berichtet, dass seine Eltern von Kabul aus nach Ghazni gegangen seien, als er Kabul verlassen habe. Weder inhaltlich noch zeitlich decken sich die beiden Schilderungen. Insoweit der Kläger angibt, dass der Dolmetscher bei seiner Anhörung nicht richtig übersetzt habe, folgen hieraus, auch angesichts der Unterschrift des Klägers auf dem Anhörungsprotokoll nach der Rückübersetzung keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger die Trennung von seinen Eltern so wie protokolliert geschildert hat. Den Aufenthalt bei seinem Onkel und auch weshalb dieser sie weggeschickt habe, konnte der Kläger nicht näher darstellen. Zudem wäre auch vor allem in größeren Städten Afghanistans, wie etwa auch Kabul, eine Aufnahme auch außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes sowie die Chancen realistisch (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Das Gericht geht nach alledem davon aus, dass der Kläger in Kabul jedenfalls in ausreichendem Maße sein Existenzminimum sichern können wird.

b) Auch droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, die gem. § 60 Abs. 7 AufenthG, im Sinne einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten Gefährdungssituation (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 22), ein Abschiebungsverbot begründen würde. Eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG muss - ausgehend vom Zielort der Abschiebung - landesweit bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 22, 23; Nds. OVG, Beschluss vom 04. Februar 2005 - 11 LA 17/05 -, juris Rn. 4).

aa) Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der dortigen Lebensbedingungen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Betroffene angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG grundsätzlich nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung) und damit auch die Beurteilung des demokratisch legitimierten Gesetz-gebers zu beachten (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 37, 40; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 22; OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 27). Bei solchen allgemeinen Gefahren ist daher Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung erst dann zu gewähren, wenn der Betroffene mit der Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, wobei sich die Gefahr bereits alsbald nach seiner Rückkehr realisieren muss (BVerwG, Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 19, 20; OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 28; Hess. VGH, Urt. v. 04.09.2014 - 8 A 2434/11.A -, juris Rn. 41; Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.; Urt. v. 28.07.2014 - 9 LB 2/13 -, juris Rn. 45). Die im Abschiebezielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage können nur ausnahmsweise dann ein Abschiebungsverbot begründen, wenn der Betroffene bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, wobei die drohenden Gefahren allerdings nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein müssen, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 20  „sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“). Hierbei handelt es sich um einen gegenüber (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m.) Art. 3 EMRK strengeren (Nds. OVG, Urt. v. 28.07.2014 - 9 LB 2/13 -, juris Rn. 45) und gegenüber dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; BVerwG, Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 20). Dies ist derzeit bei jungen gesunden alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul in der Regel auch dann nicht der Fall, wenn der Rückkehrer nicht besonders qualifiziert ist und weder über nennenswertes Vermögen noch über Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte, die in Kabul leben, verfügt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 23, m.w.N.; Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v., m.w.N.; zu Afghanistan vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 30.07.2015 - 13a ZB 15.30031 -, juris Rn. 10; so im Ergebnis auch Bay. VGH, Beschl. v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600, juris Rn. 4).

Für den Kläger besteht aufgrund der Lebensbedingungen in Afghanistan - wie bereits ausgeführt -  keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib - im Sinne von schwersten Gesundheitsbeeinträchtigungen -, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG alsbald nach seiner Rückkehr. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Kläger in seiner Heimatregion wieder wie bisher beruflich tätig sein und seinen Lebensunterhalt sichern können wird, zumal er auf familiäre Unterstützung zurückgreifen kann.

4. Nach alledem ist auch die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden, insbesondere entspricht sie den Anforderungen des § 34 AsylG.

Ermessensfehler (vgl. zum eingeräumten Ermessen VG Lüneburg, Urt. v. 12.07.2016 - 5 A 63/16 -, juris Rn. 30) bei der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gem. § 11 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG durch die Beklagte sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.