Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.02.2017, Az.: 3 A 146/16

Erkrankung; Frau; Herat; Kinderehe; Krankheit; Mädchen; Tumor; Zwangsheirat

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.02.2017
Aktenzeichen
3 A 146/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54182
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die humanitären Bedingungen in Afghanistan können im Einzelfall ein Abschiebungsverbot für Familien mit minderjährigen Kindern begründen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung der Gewährung internationalen Schutzes und der Feststellung von Abschiebungsverboten durch die Beklagte.

Die Kläger sind afghanische Staatsangehörige paschtunischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Bis auf den im Februar 2016 in Deutschland geborenen Kläger zu 8. wurden alle Kläger in der afghanische Stadt Herat geboren, wo sie auch vor ihrer Ausreise lebten. Die weiteren Kinder der Kläger zu 1. und 2. sind mittlerweile zwischen drei und 15 Jahren alt. Im November 2015 verließen die Kläger Afghanistan und reisten am 8. Januar 2016 in das Gebiet der beklagten Bundesrepublik Deutschland ein.

Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 26. August 2016 gab die Klägerin zu 2. an, dass ihre Eltern verstorben seien, in Afghanistan aber noch drei Schwestern und ihre Großfamilie leben würden. Sie sei Analphabetin und Hausfrau gewesen. Der Kläger zu 1. habe ein Haus in dem Dorf Alwand geerbt gehabt, das später mit Granaten beschossen worden sei. Der Weise des Dorfes sei gekommen, um sie zu beschützen. Sie seien wohlhabend gewesen.

Der Kläger zu 1. gab in seiner Anhörung an, dass sein Vater verstorben und seine Mutter auf der Flucht sei. Weitere Familienangehörige in Afghanistan habe er nicht. Er sei Analphabet und Bauunternehmer gewesen. Vor 18 Jahren habe er ein Grundstück in zwölf Kilometer Entfernung von Herat geerbt, das mit Getreide und Obst bewirtschaftet worden sei. Sein Vater sei dort getötet worden. Dann hätten sein Cousin und sein Schwager das Feld bewirtschaftet, bis vor sechs Jahren der Cousin getötet worden sei. Eine Bande wolle das Grundstück haben. Dieses werde jetzt von anderen, ihm unbekannten Männern bewirtschaftet. Er selbst sei nie bedroht worden. Im Jahr 2011 habe es ein Sprengstoffattentat auf sein Haus gegeben. Männer hätten Granaten auf sein Grundstück geworfen. Dann sei zunächst der Weise des Dorfes gekommen und dann noch 20 bis 30 Bewohner. Die Angreifer habe niemand sehen können. Er sei dann nach Herat gezogen. Dort sei sein Sohn im Jahr 2013 gefragt worden, wer sein Vater sei und wo er lebe. Seine Familie habe sich dann viel bei der Schwiegermutter aufgehalten.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 2. September 2016, dem Kläger am 7. September 2016 zugestellt, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte die Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am 9. September 2016 Klage erhoben.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2017 haben die Kläger ergänzend mitgeteilt, dass die Klägerin zu 2. schwanger sei. Der Kläger zu 5. sei zwischenzeitlich am Darm operiert worden. In Afghanistan hätten sie keine Verwandten mehr. Zudem legten die Kläger einen vorläufigen Arztbrief bzw. Entlassungsbericht des L. Kinderkrankenhauses in M. vom 24. November 2016 betreffend den Kläger zu 5. vor, in dem unter anderem ausgeführt wird, dass ein (inflammatorischer myofibroblastärer) Tumor des Darmes entfernt worden sei. Als Empfehlung wurde darin unter anderem ausgesprochen, den Kläger zu 5. an die kinderonkologische Sprechstunde des Uniklinikums N. anzubinden. Zudem würden in regelmäßigen Abständen Kontrollen durchgeführt werden sollen, um ein mögliches Rezidiv frühzeitig zu erkennen. Die Einhaltung der regelmäßigen sonographischen Abdomenuntersuchungen sei dringend erforderlich. Weiter wird darin ausgeführt, dass aufgrund der ständig notwendigen Nachsorgeuntersuchungen, die im Heimatland nicht gewährleistet würden können, ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland empfohlen sei. Kardiologisch wurde zudem eine mittelgradige valvuläre Pulmonalstenose diagnostiziert. Insoweit wird in den ärztlichen Unterlagen weiter ausgeführt, dass regelmäßige kinderkardiologische Kontrollen erforderlich seien. Auch wurde eine hochgradige Stenose eines Teils des Dünndarms befundet, mit prästenotischer Dilatation, Wandverdickung und zentraler Verkalkung und dem Verdacht einer Darmtuberkulose.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. September 2016, zugestellt am 7. September 2016, zu verpflichten, den Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG zuzuerkennen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Klägern den subsidiären Schutz zuzuerkennen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Abwesenheit der Beklagten bzw. eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden sind.

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Im Hauptantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG (dazu 1.) und dem Hilfsantrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 AsylG (dazu 2.) ist die Klage unbegründet. Soweit darüber hinaus hilfsweise auch begehrt wird, die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote festzustellen, ist die Klage begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kläger haben einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (dazu 3.), so dass die Beklagte insoweit wie tenoriert zu verpflichten war, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Aufgrund des Anspruchs der Kläger ist auch die Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Ausreisefrist sowie die Bestimmung der Dauer des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes rechtswidrig und aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG.

Gem. § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a)) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (b)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Der Kläger zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung zwar im Ergebnis ausgeführt, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen eines Streits um Grundstücke getötet werden würde. Damit macht er aber bereits keinen Verfolgungsgrund im Sinne der § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b AsylG geltend und ein solcher ist auch sonst, auch für die übrigen Kläger, nicht ersichtlich.

2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die hilfsweise beantragte Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m.§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, weil sie keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht haben, dass ihnen im Herkunftsland ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c AsylG genannten Akteur droht. Prognosemaßstab für den Schaden ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34).

Das Gericht ist bereits nicht davon überzeugt, dass die Kläger auf ihrem Grundstück gezielt mit Granaten wegen eines Streits um Grundstücke angegriffen worden sind und ihnen im Falle der Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde (dazu a)). Bei einer Rückkehr der Kläger in ihre Heimatregion wäre ihre körperliche Unversehrtheit auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit infolge eines bewaffneten Konflikts bedroht (dazu b)).

a) Aufgrund der Angaben der Kläger zu 1. und 2. in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass sich das Geschehen so wie von ihnen dargestellt zugetragen hat. Darüber hinaus würde das Gericht selbst wenn ihr Grundstück von einer oder mehreren Granaten getroffen worden wäre nicht zu der Überzeugung gelangen, dass ihnen bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden in Form einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AsylG drohen würde.

Die Angaben der Kläger zu 1. und 2. in der mündlichen Verhandlung zu dem Streit um die Grundstücke sowie zu dem Granatenangriff und der damit verbundenen drohenden Verfolgung bei einer Rückkehr waren nicht schlüssig und widersprachen auch in Teilen den früheren Angaben in ihren Anhörungen durch das Bundesamt.

Das Gericht ist bereits nicht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1. in einen über Jahrzehnte bestehenden, zum Teil gewaltsamen Streit mit bestimmten Personen um Grundstücke seines Großvaters bzw. Vaters involviert ist, woraus seine eigene Gefährdung resultieren solle. Insoweit erschließt sich bereits nicht, weshalb er selbst niemals von einer der Personen, die die Grundstücke haben wollen würden, angesprochen worden wäre, zumal er nach dem Tod seines Cousins für die Grundstücke verantwortlich geworden sein bzw. er das Grundstück von seinem Vater bei dessen Tod geerbt haben will. Dies gilt umso mehr, als der Kläger zu 1. nach seinen eigenen Angaben bereit sei, die Grundstücke nicht mehr für sich und seine Familie zu beanspruchen bzw. bereits nach dem Tod seines Cousins sogar auf die Grundstücke verzichtet haben will. Der Kläger zu 1. konnte in der mündlichen Verhandlung auch nicht nachvollziehbar darstellen, wer die Personen sein sollen, die das Grundstück haben wollen würden und auch nicht schildern, was konkret mit ihnen in den Jahren „viel besprochen“ worden sei. Der Kläger zu 1. vermochte letztlich auch keinen Zusammenhang zwischen den von ihm behaupteten Tötungen seines Vaters bzw. seines Cousins und dem angeblichen Streit um das Grundstück herzustellen. Zudem waren die Angaben des Klägers zu 1. auch teilweise widersprüchlich. In der Anhörung durch das Bundesamt hatte der Kläger etwa noch angegeben, dass das streitgegenständliche Grundstück von fremden Männern bewirtschaftet werde. In der mündlichen Verhandlung führte er hingegen aus, dass zuletzt ein Vorarbeiter für sie das Grundstück versorgt habe.

Auch an dem von dem Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung ausführlich geschilderten gezielten Granatenangriff hat das Gericht durchgreifende Zweifel. Zum einen ist bereits das vom Kläger geschilderte Motiv, der Streit um Grundstücke, - wie bereits ausgeführt - nicht glaubhaft. Zum anderen wäre auch nicht nachvollziehbar, weshalb der von den Klägern zu 1. und 2. behauptete Granatenangriff mit dem angeblichen Streit um Grundstücke in Verbindung stehen sollte und andere Personen daher bei ihrer Rückkehr Gewalt gegenüber dem Kläger zu 1. anwenden sollten; er wäre ja nach eigenen Angaben zu einem freiwilligen Verzicht auf das Grundstück bereit bzw. er habe ja bereits verzichtet. Soweit der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage ausführte, dass die Personen es sich ja bereits vorgenommen gehabt hätten, ihn zu töten und er die Verantwortung für die Grundstücke trage, vermag dies ein drohendes - letztlich grund- und anlassloses - gewaltsames Vorgehen gegen ihn nicht nachvollziehbar und zur Überzeugung des Gerichts zu erklären. Einen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Granatenangriff und dem Streit um die Grundstücke konnte auch der Kläger zu 1. nicht schlüssig darlegen. Insoweit verwies er letztlich darauf, dass dieser doch „selbstverständlich“ sei. Auch bezüglich des Granatenangriffs zeigten sich zudem Widersprüche im Vortrag des Klägers zu 1. So hatte er gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass der Granatenangriff 2011 gewesen und sein Cousin im Jahr 2009 getötet worden sei. In der mündlichen Verhandlung gab er demgegenüber an, dass der Angriff im Jahr 2015 gewesen und der Cousin 2011 getötet worden sei. Angesprochen auf den Widerspruch erklärte der Kläger letztlich lediglich, dass er sich mit Daten nicht so auskennen würde. Auch das weitere Geschehen nach dem vermeintlichen Granatenangriff wurde in der mündlichen Verhandlung anders als bislang dargestellt. So führte der Kläger zu 1. vor Gericht aus, dass sie direkt nach dem Angriff nach Herat gegangen seien, wo sie sich ca. eineinhalb Jahre aufgehalten hätten. Auf Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt von einem mehr als dreijährigen Aufenthalt in Herat gesprochen habe und dass drei Jahre lang dort nichts passiert sei, gab er an, dass nur seine Familie dort drei Jahre gewesen sei, nicht er. Er sei bereits nach Pakistan geflüchtet gewesen. Diese Erklärung steht dann allerdings wieder in Widerspruch dazu, dass der Granatenangriff im Jahr 2015 gewesen sein soll. Ebenso widersprüchlich ist die Angabe des Klägers zu 1. vor dem Bundesamt, dass er seine Familie zu seiner Schwiegermutter gebracht habe, bei der sie sich die größte Zeit aufgehalten hätten, während die Klägerin zu 2. angegeben hatte, dass ihre Eltern verstorben seien. Die Entführung seines Bruders schilderte der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung im zeitlichen Zusammenhang zu ihrem Aufenthalt in Herat, dagegen vor dem Bundesamt zeitlich kurz nach der Ermordung seines Vaters. Auch hatte der Kläger zu 1. in der Anhörung durch das Bundesamt noch angegeben, keine weiteren Verwandten in Afghanistan zu haben. In der mündlichen Verhandlung sprach er dann von seinen fünf Brüdern und gab an, eine große Verwandtschaft in Afghanistan zu haben.

Nach alledem steht auch - trotz der detailreichen Schilderung des Ablaufs des Granatenangriffs durch den Kläger zu 1. - nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger überhaupt mit Granaten angegriffen worden sind.

b) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte infolge einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Für eine solche Annahme müssen stichhaltige Gründe vorliegen (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, n.v.; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, damit in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 13, 16; Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn.16). Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob er auf internen Schutz in einer anderen Region des Landes verwiesen werden kann (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 14, 19, 32), vgl. § 3 e AsylG.

Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG liegt jedenfalls vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen (und das Zusatzprotokoll II vom 8. Juni 1977 - zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>) anzuwenden haben), nicht hingegen bereits bei Fällen innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und anderen ähnlichen Handlungen (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, juris Rn. 23). Aber auch etwa Bürgerkriege und Guerilla-Kämpfe können einen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellen, wenn sie ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, juris Rn. 23). Für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts kann es hinsichtlich des Organisationsgrades bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, juris Rn. 23).

Vorliegend kann dahinstehen, ob in der Heimatprovinz der Klägers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG herrscht, weil jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sein Leben oder seine Unversehrtheit in der Provinz Herat infolge willkürlicher Gewalt bedroht sind. In der Region Herat geht nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person der Kläger so verdichtet, dass sie für diese eine erhebliche individuelle Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 17) bzw. Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt.

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben, wie etwa einer berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, n.v.). Wenn solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände fehlen, kann eine entsprechende Individualisierung ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.; Nds. OVG Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies setzt aber ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt voraus (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Permanente Gefährdungen der Bevölkerung und schwere Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts reichen für sich allein nicht aus (BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, juris Rn. 24; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies gilt auch bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen der afghanischen Armee und aufständischen Gruppen, die auch die Zivilbevölkerung durch Massenentführungen, Vertreibungen, Kämpfe in bewohnten Gebieten oder Angriffe auf Dörfer im Mitleidenschaft ziehen (Nds. OVG, Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.). Für die Bestimmung der Gefahrendichte hat eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau) und daneben auch eine wertende Gesamtbetrachtung jedenfalls auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage zu erfolgen (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Nds. OVG, Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Das Risiko einer Zivilperson von 1:800 (bezogen auf ein Jahr) verletzt oder getötet zu werden ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ihr drohenden Schadens entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). In diesem Fall vermag sich auch eine wertende Gesamtbetrachtung regelmäßig im Ergebnis nicht auszuwirken (Bay. VGH, Beschl. v. 17.01.2017 - 13a ZB 16.30182 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Bei den Klägern liegen keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vor und in der Region Herat ist auch nicht praktisch jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit für Zivilperson dort verletzt oder getötet zu werden ist nicht so hoch, dass jeder Zivilperson aus Herat subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes mit Stand September 2016 (S. 4 unter Verweis auf den UNAMA-Bericht von Juli 2016 über den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt) hat es in Afghanistan im ersten Halbjahr 2016 mit 1.601 getöteten und 3.565 verletzten Zivilisten einen Anstieg von 4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gegeben, mit der Folge der höchsten Zahl seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2009. Ende 2015 hatte die Anzahl der zivilen Opfer mit 11.002 einen neuen Höchststand erreicht (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S.6). 70 % der Opfer werden den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen zugerechnet, was insoweit einen Rückgang um 3 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet (Amnesty Report 2016 Afghanistan, S. 1, 2), auch wenn die Opferzahl insgesamt um 4 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 6). Im ersten Halbjahr 2016 hat die Verantwortlichkeit regierungsfeindlicher Gruppen für zivile Opfer 60 % (966 Tote und 2.116 Verletzte) betragen, was eine Zunahme um 11 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte August 2016 konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in den Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v 19.09.2016). 68,1 % der landesweiten Vorfälle konzentrierten sich auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016), im vierten Quartal noch 66 %; die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle erhöhte sich gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr um 9 %, in den Monaten Januar bis Oktober um 22 % (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Im Herbst 2016 übten die Taliban ohne anhaltenden Erfolg Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz aus (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Auch Anfang Januar 2017 griffen die Taliban erneut Helmand an (Neue Züricher Zeitung, Online-Ausgabe v. 02.01.2017). Die Sicherheitskräfte gehen weiterhin gegen die Taliban und IS-Kämpfer vor (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.09.2016). Die Bevölkerungszentren und Hauptverkehrsstraßen in Afghanistan werden von den afghanischen Sicherheitskräften (ANDSF), abgesehen von kurzzeitigen Störungen durch die regierungsfeindlichen Kräfte, kontrolliert, wenn die ANDSF auch Defizite unter anderem in der Führung, strategischer und taktischer Planungsfähigkeit, Aufklärung und technischer Ausstattung aufweisen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 6). So behält die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, die Provinzhauptstädte, fast alle Distriktszentren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38; vgl. für Kabul auch Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.) und die größeren Provinzzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 3). Die Provinzhauptstädte konnten auch im vierten Quartal gesichert werden, wenn es auch zu intensiven bewaffneten Zusammenstößen gekommen ist (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Hier leben ca. zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 14). Allerdings standen bis Mitte November 2016 lediglich 233 von 407 Distrikten unter Kontrolle oder Einfluss der Regierung, mithin 15 % weniger als im Jahr 2015; die Aufständischen üben in 41 Distrikten in 15 Provinzen (insbesondere in Helmand, Uruzgan, Kandahar und Zabul) die Kontrolle oder ihren Einfluss aus, die übrigen sind umkämpft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Von den ca. 32 Millionen Einwohnern Afghanistans leben ca. 20,4 Millionen in Gebieten unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss und 2,5 Millionen in von Aufständischen beeinflussten Gebieten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38), bedürfen aber der Unterstützung durch internationale Sicherheitskräfte, die auch erfolgt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 4). Eine Koalition von 40 Staaten leistet weiterhin Ausbildung, Beratung und Unterstützung; auch die USA sind weiterhin mit einer Anti-Terror-Mission in Afghanistan präsent (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 6; vgl. etwa n-tv.de, IS-Anführer stirbt bei US-Drohnenangriff v. 19.11.2016). Auch Deutschland hat den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verlängert (www.handelsblatt.com, Regierung verlängert Afghanistan Einsatz v. 15.12.2016). 13.000 internationale Soldaten werden in Afghanistan stationiert bleiben (Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 30.09.2016, S. 6), allein 8.400 Soldaten der US-Streitkräfte (vgl. www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Die Truppenstärke der afghanischen Nationalarmee (ANA) betrug Mitte des Jahres 2015 etwa 157.000 (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 05.10.2016, S. 137), die der afghanischen Sicherheitskräfte Anfang des Jahres 2017 insgesamt 316.000 (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Von Januar bis November 2016 wurden 6.785 Soldaten und Polizisten getötet sowie 11.777 verletzt, mithin 35 % mehr als im Vorjahr (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Der US-Präsident hat mehr Unterstützung für die Sicherheit Afghanistans angekündigt (www.zeit.de, Trump will Afghanistan stärker unterstützen v. 03.12.2016). Anfang des Jahres 2017 entsandten die Vereinigten Staaten von Amerika rund 300 Marinesoldaten in die Provinz Helmand, um die einheimischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen die Taliban auszubilden (www.faz.net, Amerika schickt Marinesoldaten nach Afghanistan, v. 07.01.2017). Nach einem Bericht des amerikanischen Pentagons haben die afghanischen Streitkräfte - wenn auch unbeständige - Fortschritte gemacht; sie konnten mehrere große Taliban-Angriffe abwehren und verlorenes Territorium rasch wieder zurückgewinnen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Alle acht Angriffe der Taliban auf Städte sind gescheitert (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Die afghanischen Sicherheitskräfte führten zahlreiche Militäroperationen durch und konnten auch die Schlüsselbereiche des Distrikts Ghormach von den Taliban wieder zurück erobern; mit einer groß angelegten Militäroperation soll die Provinz Kunduz von Aufständischen befreit werden (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). In den Provinzen Nangarhar und Kunar wurden Operationen gegen den „Islamischen Staat in der Provinz Khorasan“ (ISIL-KP) durchgeführt (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). In den Monaten November, Dezember 2016 und Januar 2017 gab es in Nangarhar 81 Militäroperationen, bei denen 251 Aufständische getötet und 184 gefangen genommen wurden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017).

Anfang Januar wurde bei einem Sondereinsatz des afghanischen Geheimdienstes ein führender Al-Kaida Kommandeur getötet (orf.at, Führender Al-Kaida-Kommandeut in Afghanistan getötet, v. 19.02.2017). Mitte Januar 2017 zerstörten Sicherheitskräfte eine Bombenwerkstatt der Taliban in Balkh (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Ende Januar wurden in zahlreichen Provinzen Anti-Terror-Operationen gegen die Taliban und den IS durchgeführt (deutsch.rt.com, Top-Funktionär der Taliban in Afghanistan getötet, v. 28.01.2017; www.zeit.de, Afghanischer Polizist tötet acht Kollegen, v. 03.02.2017).

Dennoch lassen sich auch in Kabul Anschläge mit Toten und Verletzten nicht gänzlich vermeiden, so gab es in der ersten Jahreshälfte 2016 elf Vorfälle mit 107 Toten (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 3, 4). Zwischen Mitte Mai und Mitte August 2016 kam es zu zwei High-Profile Angriffen in Kabul (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Mitte September kam es zu jeweils einem Anschlag auf Polizeiangehörige in Kabul und Kapisa und einem Angriff in einem Krankenhaus in Kandahar (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 19.09.2016). Im November 2016 wurden bei einem Anschlag auf eine Moschee in Kabul 27 Menschen getötet (www.tagesspiegel.de, „IS bekennt sich zu Anschlag auf eine Moschee in Kabul v. 21.11.2016). Bei einem Anschlag auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Scharif starben acht Menschen (www.tagesspiegel.de, Acht Tote bei Taliban-Angriff auf deutsches Konsulat v. 11.11.2016). Bei einem Selbstmordanschlag vor einem Fahrzeug afghanischer Sicherheitskräfte am 16. November 2016 in Kabul starben vier Menschen (Zeit-Online v. 16.11.2016) und bei einem Bombenanschlag auf das deutsche Generalkonsulat in Kabul sechs Menschen (Berliner Morgenpost v. 11.11.2016). In Kunduz und Kabul starben im Dezember Aufständische deren Sprengstoff vorzeitig explodierte (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 12.12.2016 und 19.12.2016). Zudem wurden in Kunar ein Kommandant der Grenzpolizei und sein Leibwächter bei einem Bombenanschlag getötet und in Badakshan ein Mädchen bei einem Überfall auf einen Bus, in Zabul starben zwei Kinder bei einer Explosion und in Kandahar wurden fünf Mitarbeiterinnen des Flughafens auf dem Weg zur Arbeit von Unbekannten erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 19.12.2016). In Nangarhar und Jalalabad konnte die Polizei hingegen im Dezember Anschläge verhindern (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 12.12.2016 und 19.12.2016). Ende Dezember starb ein Mann bei einem Bombenanschlag in Kandahar (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Auch kam es zu Anschlägen auf Parlamentarier (www.spiegel.de, Anschlag auf Parlamentarier - Sohn verletzt v. 28.12.2016; Waiblinger Kreiszeitung, dpa, Elf Tote bei Überfall auf Parlamentarier in Kabul v. 22.12.2016). Im Dezember 2016 starben in Paktika zwei Frauen durch eine Straßenbombe, wurde in Herat ein Geistlicher erschossen und richteten die Taliban in Parwan vier Zivilisten als Spione hin (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 12.12.2016). Im vierten Quartal 2016 kam es bis Mitte November zu zwei High-Profile-Angriffen, zum einen auf das Verteidigungsministerium in Kabul, zum anderen auf den Bagram (US-)Militärflugplatz in der Provinz Parwan (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Insgesamt seien nach einem Bericht der UN in Afghanistan im Jahr 2016 1.963 Menschen bei Selbstmordanschlägen verletzt oder getötet worden, mithin 7 % mehr als im Jahr 2015; in Kabul habe es einen Anstieg um 75 % gegeben, mit 1.514 verletzten oder getöteten Zivilpersonen bei 16 Anschlägen (www.handelsblatt.de, Mindestens 22 Tote bei Anschlag vor Gericht in Kabul, v. 07.02.2017). Insgesamt wurden im Jahr 2016 durch die UNAMA 11.418 verletzte und getötete Zivilpersonen gezählt, mithin 384 mehr als im Jahr 2015 (Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S. 11). Die Zahl der von der UNAMA gezählten getöteten oder verletzten Kinder ist um 24 % auf 3.512 gestiegen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017).

Anfang Januar 2017 wurden bei zwei Bombenanschlägen vor dem Parlament in Kabul mehr als 20 Personen getötet worden (www.morgenpost.de, Bis zu 50 Tote bei drei Anschlägen in Afghanistan, v. 10.01.2017), bei einer weiteren Bombenexplosion gab es keine Verletzten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). In Logar explodierte eine Bombe und in Nangarhar wurden bei einem Bombenanschlag acht Menschen verletzt sowie ein Arzt niedergeschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). In Kunduz wurden ein Vertreter der Sikhs und der Hindus erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Anfang Januar 2017 griffen Taliban in der Provinz Badakhshan einen Sicherheitskonvoi an (www.trt.net.tr, Taliban-Terror in Afghanistan v. 04.01.2017) und beschossen einen Bundeswehrhubschrauber (www.spiegel.de, Hubschrauber der Bundeswehr beschossen, v. 05.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). In Faryab erschlugen Taliban einen Mann, in Logar wurde ein Anschlag auf einen Distriktspolizeichef verübt, in Ghazni wurde ein Mitarbeiter der Schulbehörde erschossen und in Helmand eine Polizistin; in Baghlan wurden Minenarbeiter getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Weitere Bombenanschläge gab es in Jalalabad, Parwan und in Faryab (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Bei einer Explosion im Haus des Governeurs der Provinz Kandahar starben 11 Menschen (www.morgenpost.de, Bis zu 50 Tote bei drei Anschlägen in Afghanistan, v. 10.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017), bei einem Anschlag auf ein Gästehaus der Sicherheitskräfte in Lashkar Gah (Helmand) starben sechs Personen (de.sputniknews.com, Afghanistan: Selbstmord-Anschlag auf Militärobjekt - Tote und Verletzte, v. 10.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). In Herat wurde ein Mitarbeiter eines Telekommunikationsunternehmens von den Taliban getötet und in Ferat zwei Frauen durch eine Explosion einer Bombe am Straßenrand (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). Mitte Januar wurden in Nangarhar durch einen am Straßenrand versteckten Sprengsatz mehrere Zivilpersonen getötet (www.zeit.de, Sieben Zivilisten sterben durch Sprengsatz in Ost-Afghanistan, v. 15.01.2017), im Distrikt Kot wurde ein Polizist und elf Studenten getötet sowie 65 Häuser von IS-Kämpfern in Brand gesetzt und in Baghlan ein Regierungsmitarbeiter bei einem Anschlag verletzt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). Bei einem Häuserkampf zwischen den Taliban und US-Truppen in der Provinz Kunduz starben 33 Zivilpersonen (www.handelsblatt.de, 33 Zivilisten bei Gefecht mit Taliban getötet, v. 12.01.2017). Am 16. Januar 2017 setzten IS-Kämpfer in Kot (Nangarhar) weitere 20 Häuser in Brand (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Weiter starben in Kabul zwei Polizisten bei einem Bombenanschlag und in Farah zwei Kinder (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Ende Januar 2017 griffen Taliban das Polizeihauptquartier und das Bezirkszentrum von Sangin in der Provinz Helmand an (www.handelsblatt.de, Taliban stürmen berüchtigtes Bezirkszentrum, v. 30.01.2017), in Lashkar Gah starb ein Zivilist bei einem Raketenangriff und in Zabul starben bei einem Bombenanschlag 30 Militärangehörige (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). In Ghazni explodierte eine Bombe, tötete einen Zivilisten und verletzte zwei weitere Personen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 30.01.2017). In Helmand wurde eine Klinik in Brand gesteckt und in Kandahar kam es zu einem Zwischenfall an der Grenze zu Pakistan (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 30.01.2017). In Logar wurde ein 19-jähriger von den Taliban enthauptet und in Zabul starben zwei Kinder bei der Explosion eines Blindgängers (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 30.01.2017). Am 1. Februar meldete Khaama Press einen Raketenangriff der Taliban auf die Verkehrsbehörde in Lashkar Gah und Angriffe auf Sicherheitsposten in Sangin (www.khaarma.com, Taliban attack Lashkar Gah with rockets following Abdullah’s visit). Die US-Streitkräfte flogen daraufhin eine Serie von Luftangriffen auf die Taliban in Helmand (www.handelsblatt.de, USA verstärken Luftangriffe auf Taliban v. 01.02.2017). Dabei soll es auch zu Opfern unter der Zivilbevölkerung gekommen sein (www.taz.de, Haben US-Soldaten Zivilisten getötet?, v. 10.02.2017). Im Distrikt Rodat in der Provinz Nangarhar liefern sich Einwohner Kämpfe mit dem IS und in Khost City starben fünf Polizisten sowie drei Schüler bei Bombenanschlägen; der Gouverneur von Kunar überlebte einen Angriff der Taliban (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Anfang Februar 2017 tötete ein Polizist im Norden Afghanistans acht Kollegen (www.zeit.de, Afghanischer Polizist tätet acht Kollegen, v. 03.02.2017). Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul wurden 22 Zivilpersonen getötet und 41 verletzt (www.handelsblatt.com, Mindestens 22 Tote bei Anschlag vor Gericht in Kabul, v. 07.02.2017) und in der Provinz Dschausdschan wurden sechs Mitarbeiter des Roten Kreuzes erschossen, zwei entführt (www.n-tv.de, Sechs Tote bei Überfall in Afghanistan IS soll Rot-Kreuz-Mitarbeiter ermordet haben, v. 08.02.2017). Bei einem Autobombenanschlag in Lashkar Gah sind mehr als 20 Soldaten verletzt oder getötet worden (www.orf.at, Tote und Verletzte bei Attentat in Afghanistan, v. 11.02.2017). Mitte Februar griffen Taliban in der Provinz Faryab das Dorf Gorsad an (www.merkur.de, Afghanistan: Zehn Tote bei Gefechten mit Taliban, v. 15.02.2017). In der Provinz Nangarhar starben bei einem Angriff auf einen Armeeposten im Bezirk Deh Bala 18 Soldaten und 40 IS-Kämpfer (www.n-tv.de, Gefechte im Osten Afghanistans IS-Kämpfer töten 18 Soldaten, v. 17.02.2017). Am 24. Februar 2017 wurden neun Mitglieder der Lokalpolizei, ein Kommandeur und seine Frau getötet, als sie eine Moschee verließen bzw. zum Anschlagsort hineilten (www.handelsblatt.com, Mindestens 13 Tote bei Angriffen von Extremisten, v. 25.02.2017).

Anschlagsziele sind in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen, dennoch kommt es (auch) zu Opfern unter der Zivilbevölkerung (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 4), wenn auch die Taliban in der Erklärung zur Frühlingsoffensive 2015 angegeben haben, solche reduzieren zu wollen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 39 Fn. 209). Im Jahr 2015 wurden 1.335 Zivilpersonen durch gezielte Tötungen bzw. Tötungsversuche verletzt oder getötet (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 38). Zwischen Februar und Mai 2016 gingen die gezielten Tötungen um 37 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurück (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). In der Erklärung der Taliban vom 12. April 2016 zum Ausruf der jährlichen Offensive sprachen sie anders als in vergangenen Jahren keine expliziten Drohungen mehr gegen zivile Regierungsbeamte aus (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). Die Taliban haben ihre Taktik auf großangelegte Angriffe insbesondere in städtischen Gebieten umgestellt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  3). Am 22. September 2016 vereinbarte die afghanische Regierung mit der Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami ein Friedensabkommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Unterzeichnetes Friedensabkommen mit Gulbuddin Hekmatyar Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 05.10.2016; vgl. auch www.taz.de, „Schlächter von Kabul“ findet Frieden, v. 05.02.2017). Die Sicherheitslage hat sich aus Sicht des UNHCR seit April 2016 weiter rapide verschlechtert (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  3). Die Zahl der Mordanschläge ist im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte August 2016 um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr zurück gegangen, wenngleich sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle um 4,7 % erhöht haben (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Im vierten Quartal 2016 wurden 183 Mordanschläge registriert, was einen Rückgang von 32 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 zum Ausdruck bringt; auch die Zahl der Entführungen hat mit 99 gegenüber dem Vorjahr (109) abgenommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Anfang Januar 2017 entführten Taliban in Kandahar 10 Arbeiter (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017) und Mitte Januar wurden im Osten Afghanistans durch mutmaßliche Anhänger des Islamischen Staates 13 Lehrer einer Religionsschule entführt (www.salzburg.com, IS verschleppt 13 Lehrer im Osten Afghanistans, v. 15.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). Ende Dezember 2016 wurden mehrere Entführer in Herat zum Tode verurteilt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Mitte Januar 2017 wurden in Kunduz ein Richter des Militärgerichts und in Parwan ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums entführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Ein entführter Straßenarbeiter wurde Anfang Februar 2017 in Nimroz getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Zwei Ärzte wurden in Badghis entführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Mitte Februar entführten Taliban 52 Bauern, um Lösegeld zu erpressen (www.merkur.de, Afghanistan: Zehn Tote bei Gefechten mit Taliban, v. 15.02.2017). Auch kommt es immer wieder zu Exekutionen durch nicht-staatliche Akteure, vor allem auch durch Aufständische, die sich auf traditionelles Recht berufen und die Vollstreckung der Todesstrafe mit dem Islam legitimieren, für ein aus ihrer Sicht fehlerhaftes Verhalten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). So richteten Taliban am 19. Dezember 2016 eine Frau hin, weil sie nach dem Weggang ihres Mannes in den Iran einen anderen Mann geheiratet hatte und sich ihr früherer Ehemann an die Taliban gewandt hatte (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 19.19.2016). Anfang des Jahres 2017 wurden sechs Männer in Ghazni durch die Taliban für Diebstahl bzw. Ehebruch mit Peitschenhieben bestraft (www.spiegel.de, 39 Peitschenhiebe - Taliban bestrafen mehrere Männer v. 03.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Auch gibt es Berichte über Gefängnisse von Aufständischen in der Provinz Kunduz (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Im Februar 2017 wurden im Osten Afghanistans ein junges Paar wegen einer außerehelichen Beziehung getötet (www.zeit.de, Wütende Menge tötet junges Paar in Afghanistan wegen außerehelicher Beziehung, v. 12.02.2017).

In der westlichen Region Afghanistans, zu der neben der Provinz Herat (Einwohnerzahl: ca. 1.890.202, jeweils nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016) Farah (Einwohnerzahl: ca. 507.405), Badghis (Einwohnerzahl: ca. 459.958) und Ghor (Einwohnerzahl: ca. 690.296) zählen (UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S.  2; UNHCR, Anfragebeantwortung v. 12.05.2016, S. 8) wurden im Jahr 2016 von der UNAMA 836 verletzte oder getötete Menschen gezählt (Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S.  21). Im Hinblick auf die Einwohnerzahl von ca. 3,5 Millionen ergibt sich daraus ein Verhältnis von 1:4187. Bei einer Verdreifachung der Anzahl der durch die UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65) ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 1:1396. Anhaltspunkte dafür, dass innerhalb der Region gerade in der Provinz oder der Stadt Herat ein unverhältnismäßig hoher Anteil an verletzten oder getöteten Zivilpersonen zu verzeichnen wäre, aus dem eine besonders hohe Gefährdung von Zivilpersonen im Sinne einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit resultieren könnte, sind nicht gegeben. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2015 wurden 447 Sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016, S. 112). Anhaltspunkte für eine nachhaltige Verschlechterung der Sicherheitslage sind nicht gegeben, wenn auch etwa im August 2016 zwölf Touristen von den Taliban beschossen wurden (www.zeit.de, Taliban greifen deutsche Reisende an, v. 04.08.2016) und Anfang Januar eine Bombe vor einer Moschee explodierte (en.abna24.com, 7 killed, wounded in Shiite mosque blast in Herat, Afghanistan, v. 02.01.2017), drei Angehörige der afghanischen Armee bzw. Polizei entführt wurden (www.khaama.com, Afghan army and police officers kidnapped by Taliban in Herat, v. 01.01.2017) sowie zwei Arbeiter eines Telekommunikationsunternehmens von den Taliban angegriffen wurden (www.pajhwok.com, Afghan Telecom worker killed in Herat gun attack, v. 10.01.2017). Nachdem die Provinz Herat von der Khaama Press im Januar 2015 als relativ friedliche Provinz und im September 2015 als relativ volatil (so auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheitssituation in Herat, v. 25.08.2015, S. 5) bezeichnet wurde (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016), geht die Khaama Press und auch die Schweizer Flüchtlingshilfe nunmehr wieder von einer der relativ sicheren Provinzen Afghanistans aus (www.khaama.com, Afghan army and police officers kidnapped by Taliban in Herat, v. 01.01.2017; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016). Die Schweizer Flüchtlingshilfe geht von 13 Entführungen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 aus und beschreibt - neben dem oben genannten Vorfall von August 2016 - die Tötung von fünf Angehörigen der afghanischen Streitkräfte, ebenfalls im August 2016 (Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016). In der Provinz Herat ist es einem Frauenkollektiv etwa auch möglich, Safran anzubauen und bis nach Deutschland zu vertreiben (ze.tt, Wie Afghaninnen mit der Safran-Ernte den Opium-Anbau bekämpfen, v. 30.12.2016).

Nach alledem ist es angesichts der Bevölkerungszahl auf der einen und den Verletzten und getöteten Zivilpersonen auf der anderen Seite für eine Zivilperson in Herat nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden.

3. Eine Abschiebung der Kläger wäre unter Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl.1952 II S. 685) allerdings (derzeit) unzulässig, so dass die Beklagte - wie von den Klägern hilfsweise beantragt - verpflichtet ist, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen.

§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung aus-gesetzt zu werden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 12 m.w.N.). Insoweit sind die Verhältnisse im Abschiebungszielstaat landesweit in den Blick zu nehmen (Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen - vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils m.w.N.). Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten allerdings nicht, Unterschiede in der medizinischen Versorgung oder soziale und wirtschaftliche Unterschiede durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen, da die Konventionsstaaten hierdurch übermäßig belastet würden (EGMR, Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 N./Vereinigtes Königreich -, NVwZ 2008, 1334 ff. [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05], Rn. 44). Eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK hat der EGMR etwa dann angenommen, wenn sie unter anderem geplant war, ohne Unterbrechung über mehrere Stunden erfolgte und körperliche Verletzungen oder ein erhebliches körperliches oder seelisches Leiden bewirkte (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 09.07.2015 - 32325/13, Mafalani ./. Croatia - HUDOC Rn. 69 m.w.N.). Von einer erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ist der EGMR ausgegangen, wenn sie bei dem Opfer Gefühle der Angst, seelischer Qualen und der Unterlegenheit hervorruft, wenn sie das Opfer in dessen oder in den Augen anderer entwürdigt und demütigt, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist, ferner, wenn die Behandlung den körperlichen oder moralischen Widerstand des Opfers bricht oder dieses dazu veranlasst, gegen seinen Willen oder Gewissen zu handeln sowie dann, wenn die Behandlung einen Mangel an Respekt offenbart oder die menschliche Würde herabmindert (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EMGR, Urt. v. 03.09.2015 - 10161/13, M. und M. ./. Croatia - HUDOC Rn. 132). Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 26). Grundsätzlich ist bei der Prüfung des Abschiebungsverbotes auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen, ausgehend vom dem Ort, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 26 m.w.N.; für Afghanistan verneint EGMR, Urt. v. 13.10.2011 - 10611/09 (Husseini/Schweden) - NJOZ 2012, 952 [953] Rn. 84; Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.).

Grundsätzlich schützt Art. 3 EMRK vor den dort genannten Behandlungsweisen durch vorsätzlich vorgenommene Maßnahmen der öffentlichen Gewalt des Empfangsstaates oder nichtstaatlicher Organisationen in diesem Staat, sofern die Behörden außerstande sind, dem Betroffenen einen angemessenen Schutz zu gewähren; wegen der grundlegenden Bedeutung des Art. 3 EMRK wendet der EGMR ihn wegen des absoluten Charakters des Schutzes aber auch dann an, wenn die Gefahr einer verbotenen Behandlung im Abschiebungszielstaat von Faktoren herrührt, die weder unmittelbar noch mittelbar die Verantwortung der staatlichen Behörden dieses Staates auslöst (EGMR (Große Kammer), Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 N./Vereinigtes Königreich -, NVwZ 2008, 1334 [1335] [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05]; EGMR, Urt. v. 02.05.1997 - 146/1996/767/964 -, NVwZ 1998, 161 [162]). In der Rechtsprechung des EGMR gilt die ohnehin für Art. 3 EMRK bestehende hohe Schwelle in diesem Fall (keine Verantwortung des Staates) insbesonders (vgl. EGMR, Urt. v. 13. 10. 2011 - 10611/09 (Husseini/Schweden) -, NJOZ, 2012, 952 [954]).

Im vorliegenden konkreten Einzelfall begründet, unter Berücksichtigung der Erkrankung des minderjährigen Klägers zu 5., die allgemeine humanitäre Lage in Afghanistan, insbesondere die medizinische Versorgungslage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Insoweit sprechen besondere humanitäre Gründe zwingend (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 23, 25 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.; Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v. m.w.N.) gegen eine Abschiebung nach Afghanistan, weil die Kläger in Afghanistan landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris) Gefahr liefen, aufgrund der dortigen allgemeinen Lebensbedingungen einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

aa) Zwar haben sozialwirtschaftliche und humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat weder notwendig noch einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Frage, ob eine Person Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, weil Art. 3 EMRK hauptsächlich dem Schutz bürgerlicher und politischer Rechte dient (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch bei der Beurteilung, ob hinsichtlich der Rückkehr einer Familie mit Kindern ein Abschiebeverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG besteht.  Allerdings ist - auch unter Berücksichtigung von Art 6 GG - die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen (Bay. VGH, Urt. v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 21; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2017 - Au 5 K 16.31988 -, juris Rn. 23 m.w.N.; VG Oldenburg, Urt. v. 20.04.2016 - 3 A 1975/14 -, n.v.). Der Schutz für Asylbewerber nach Art. 3 EMRK ist umso wichtiger, wenn die Betroffenen Kinder sind, weil sie besondere Bedürfnisse haben und extrem verwundbar sind; das gilt auch, wenn die Kinder als Asylbewerber von ihren Eltern begleitet sind (EGMR (Große Kammer), Urt. v. 04.11.2014 - 29217/12 (Tarakhel /Schweiz), NVwZ 2015, 127 Rn. 119). Bei minderjährigen Kindern ist zudem auch zu berücksichtigen, dass Kinder grundsätzlich verletzlicher und ihre Bewältigungsmechanismen noch unentwickelter sind (UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 10). Kinder neigen zudem mehr dazu, feindselige Situationen als verstörend zu empfinden, Drohungen Glauben zu schenken und von ungewohnten Umständen emotional beeinträchtigt zu werden (UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 10). Sie reagieren auch stärker auf Handlungen, die gegen nahe Verwandte gerichtet sind (UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 10). Was für einen Erwachsenen unbequem ist, kann für ein Kind eine ungebührende Härte darstellen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 98; UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 25). Der UNHCR geht mittlerweile auch nicht mehr - wie noch in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24. März 2011 (S. 15) - davon aus, dass neben alleinstehenden Männern auch Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 28). Ein alleinstehender arbeitsfähiger junger Mann ohne Berufsqualifikation wird zwar durch Aushilfsjobs sein Existenzminimum sichern, nicht jedoch in jedem Fall die Ernährung einer Familie in ausreichendem Maße gewährleisten können  (vgl. Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 9).

Kinder können im jeweiligen Fall der Gefahr der Rekrutierung, des Kinderhandels, der Entführung, Zwangskinderarbeit, Kinderheirat, Kinderprostitution und Kinderpornographie sowie der systematischen Verweigerung von Bildung ausgesetzt sein (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 75). Die Situation der Kinder hat sich, vor allem für männliche Kinder und hinsichtlich der Bildungschancen, zwar in den vergangenen Jahren verbessert (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 12). Nach inoffiziellen Abmachungen zwischen dem afghanischen Staat und den Taliban, akzeptieren letztere seit 2014 prinzipiell auch Mädchenschulen bis zur sechsten Klasse (www.taz.de, Kurioses aus Afghanistan Die Taliban entdecken ihre grüne Ader, v. 26.02.2017). Jedoch kommt es weiterhin zu körperlichen Übergriffen auf Kinder und Züchtigungen im familiären Umfeld, in der Schule oder durch die Polizei, insbesondere in ländlichen Gebieten und zu Zwangsverheiratungen, die weit verbreitet sind (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 12); hier spielt auch eine Rolle, aus welcher sozialen Schicht das Kind stammt (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 81). Weiter kommt es zu Aussetzungen und genereller Vernachlässigung (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 77). 50 % der Mädchen wurden unter 16 Jahren verheiratet und 60 bis 80 % aller Ehen kommen in Afghanistan aus Zwang zustande (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 15; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 70 Fn. 391, 392: 15 % der Mädchen werden im Alter von 15 Jahren verheiratet, 46 % zwischen 16 und 18 Jahren), teilweise auch im Alter von neun bis elf Jahren (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 71 Fn. 398). Kinderheiraten erfolgen regelmäßig aus wirtschaftlichen Erwägungen, um Überlebensmöglichkeiten für die Kinder und die Familien zu schaffen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 71). Zudem besteht die Gefahr von Rekrutierungen von Kindern und Jugendlichen, auch aus einem sexuellen Interesse heraus; seit dem Jahr 2015 ist die Rekrutierung Minderjähriger unter Strafe gestellt, eine polizeiliche Aufklärung findet jedoch nicht statt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 12 f.). Bis März 2016 hat es zwar deutliche Fortschritte gegeben, jedoch kommen Fälle von Rekrutierungen Minderjähriger weiterhin vor (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 52 f.). In 80 % der von der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission registrierten Fälle sexueller Übergriffe waren die Opfer jugendliche Mädchen unter 18 Jahren (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 77 Fn. 430). Kinder vermögen regelmäßig keinen staatlichen Schutz vor sexuellen Übergriffen zu erlangen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 78). Die Anzahl der eine Schule besuchenden Mädchen liegt weiterhin unter der der Jungen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 78). Kinderarbeit ist Afghanistan zwar verboten, im Jahr 2014 haben dennoch 51,8 % der Kinder gearbeitet (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13); auch existieren Formen der Schuldknechtschaft (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 76). Ob ein Kind von Zwangsarbeit bedroht ist, hängt auch von seiner sozialen Schicht ab (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 80). Sowohl die regierungsnahen als auch die regierungsfeindlichen Kräfte entführen Kinder, teilweise verbunden mit Hinrichtungen oder Vergewaltigungen, als Bestrafung der Familien bzw. als Vergeltungsakte (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 80). Über eine Millionen Kinder leiden an akuter Unterernährung (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 19). Ca. 10 % der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag; zu den am wenigsten geschützten Gruppen in Afghanistan gehören Straßenkinder (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13), deren Zahl teilweise auf 6 Millionen geschätzt wird (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 77 Fn. 425). Im Jahr 2015 sind mindestens 1.427 Kinder in bewaffneten Konflikten getötet worden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13).

Gerade auch für Frauen und Mädchen wird Afghanistan als ein sehr gefährliches Land betrachtet (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 65). Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist weit verbreitet und bleibt üblicherweise straflos (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 66). Den Behörden fehlt der Wille zur Umsetzung zwischenzeitlich bestehender Gesetze zum Schutz von Frauen und Kindern (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 67). Besonders gefährdet sind Frauen und Mädchen in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 68). Für Frauen hat sich die Situation seit dem Ende der Taliban-Herrschaft zwar erheblich verbessert, eine Verteidigung ihrer Rechte ist jedoch nur eingeschränkt möglich (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13 ff.). Die Diskriminierung von Frauen ist tief verwurzelt (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 66). Zwar findet eine politische Partizipation statt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 14). Frauen im öffentlichen Leben und in öffentlichen Ämtern werden jedoch bedroht, eingeschüchtert und gewaltsam angegriffen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 45 f.). Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet, vor allem innerhalb der Familienstrukturen, aber auch im beruflichen Umfeld etwa innerhalb des Sicherheitssektors (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 14 f.). Trotz Fortschritten treffen Armut und Analphabetismus Frauen besonders (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 17). Im Jahr 2014 waren 16,05 % der Frauen erwerbstätig (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2) bzw. übten im Jahr 2015 15,8 % der Frauen entweder Arbeit aus oder suchten Arbeit (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 28). Im Rahmen des paschtunischen Ehrenkodex („Paschtunwali“) werden Frauen als Objekt der Streitbeilegung missbraucht (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 15). Schutz können Frauen in größeren Städten in Frauenhäusern finden, die jedoch nicht über ausreichend Plätze verfügen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 18); ein Leben außerhalb ist im Anschluss allerdings regelmäßig nicht mehr möglich (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 15). Ein Leben für ledige Frauen ist außerhalb eines Familienverbandes kaum möglich (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 16). Auch in städtischen Gebieten sind alleinstehende Frauen regelmäßig nicht in der Lage, ein Leben ohne unangemessene Härte zu führen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 98). Das Gesundheitsministerium verzeichnete von März 2014 bis Juni 2015 mehr als 9.000 Fälle von versuchtem Selbstmord (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 18). Geschlechtsspezifische Gewalt gehört zu den häufigsten Gründen für Selbstmord und Selbstverbrennung bei Frauen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 68 Fn. 380). Staatlicher Schutz ist für Frauen insoweit nicht zu erlangen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 69; BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 28).

bb) Afghanistan ist trotz der internationalen Unterstützung und erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung eines der ärmsten Länder der Welt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.09.2016, S. 24) und das ärmste Land der Region (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, mit einem eklatanten Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). 30 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 6,3 % sind von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen und 9,1 % der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 13), wobei in letzterem eine Verbesserung zu sehen ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Die Arbeitslosenquote betrug im Oktober 2015 40 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22), teilweise wird sie auf bis zu 50 % geschätzt (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Eine staatliche finanzielle Unterstützung findet bei Arbeitslosigkeit nicht statt; freie Stellen können über das Internet recherchiert werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Landwirtschaft ist mit 60 bis 70 %, je nach Region, der größte Beschäftigungsfaktor (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Darüber hinaus findet eine Beschäftigung vor allem in Familien- und Kleinbetrieben (Einzelhandel) und im Bauwesen statt, gefolgt vom öffentlichen Sektor und dem industriellen (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Grundsätzlich haben Menschen, die in Afghanistan gearbeitet haben, Zugang zu Rentenzahlungen (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 3). Die Quote der Analphabeten ist hoch und die Anzahl der Fachkräfte gering (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24). Qualifiziertes, vor allem höherqualifiziertes, Personal wird jedoch gesucht (vgl. Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 6 f.). Auch der Abzug der internationalen Streitkräfte hat sich negativ auf die Nachfrage und damit die Wirtschaft ausgewirkt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahr 2015 0,8 %, in 2016 voraussichtlich 1,2 % und für 2017 werden im besten Fall 1,7 % erwartet (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  5). Rückkehrer sehen sich, wie alle Afghanen, mit unzureichenden wirtschaftlichen Perspektiven und geringen Arbeitsmarktchancen konfrontiert, insbesondere wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 5). Viele von ihnen zieht es daher nach Kabul, wo die Einwohnerzahl zwischen den Jahren 2005 und 2015 um 10 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 27, 28). Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt in Afghanistan 80 bis 120 USD (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Naturkatastrophen und extreme Natureinflüsse im Norden tragen zur schlechten Versorgung der Bevölkerung bei (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Im Süden und Osten gelten nahezu ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24). Nach Berechnungen der Vereinten Nationen sind in Afghanistan insgesamt eine Millionen Kinder unterernährt (deutsch.rt.com, Vereinte Nationen: Afghanistan auf dem Weg in eine humanitäre Katastrophe, v. 24.01.2017). Im Winter 2016 / 2017 starben allein in einer Provinz im Norden Afghanistans 27 Kinder unter fünf Jahren aufgrund der Wetterbedingungen (www.zeit.de, 27 Kinder sterben wegen strengen Winterwetters in Afghanistan, v. 26.01.2017). Die humanitäre Situation ist weiterhin als schwierig anzusehen, insbesondere stellt neben der Versorgung von Hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 6). Die Anzahl der konflikt-induzierten Binnenflüchtlinge betrug im Jahr 2016 zwischen 1,1 und 1,2 Million (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Die pakistanische Regierung hat den dort aufhältigen afghanischen Flüchtlingen eine Frist zur Rückkehr bis März 2017 gesetzt; im Jahr 2016 sind mehr als 600.000 Personen zurückgekehrt, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte und über Nangarhar (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 1, 2). Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 2). Die UN will weitere finanzielle Hilfe leisten (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 3). Aus Deutschland reisten im Jahr 2016 mit 3.200 Personen zehnmal mehr Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück, als im Vorjahr (www.spiegel.de, Rund 55.000 Asylbewerber verlassen Deutschland freiwillig v. 28.12.2016), die Zahl der Familien stieg von 22 auf 356 (www.faz.net, IOM warnt vor Abschiebungen nach Afghanistan, v. 22.02.2017). Mit Stand September 2016 waren insgesamt 246.954 afghanische Staatsangehörige in Deutschland aufhältig, davon 12.539 ausreisepflichtig (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode, v. 16.11.2016, Frage Nr. 40, Nr. 6). Für das Jahr 2017 erwartet die internationale humanitäre Gemeinschaft 450.000 neu in die Flucht getriebene Menschen im Inland und die UNHCR 650.000 Rückkehrer aus den umliegenden Ländern (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  4). Die Rückkehrer siedeln sich vor allem in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan an (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 24). Viele Binnenvertriebene haben familiäre Verbindungen nach Kabul (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Die Aufnahmekapazität Kabuls ist aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringungsmöglichkeiten sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, sowie im Dienstleistungsbereich äußerst eingeschränkt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Auch in Herat hält sich eine große Zahl von Binnenvertriebenen auf, die sich mit einer erheblichen politischen Opposition und allgemeinen Ressentiments konfrontiert sehen (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Nach dem IOM entscheide sich die größte Zahl der Rückkehrer für Herat, einige die vorher im Iran gelebt hätten wohl auch, um wieder nach dorthin zurückzukehren (www.faz.net, IOM warnt vor Abschiebungen nach Afghanistan, v. 22.02.2017). Das Rote Kreuz hat im Februar 2017 seine Arbeit ausgesetzt, nachdem sechs Mitarbeiter erschossen worden sind (www.tagesschau.de, Rotes Kreuz setzt Arbeit in Afghanistan aus, v. 09.02.2017).

Staatliche Maßnahmen zur Integration oder Neuansiedlung haben allerdings bereits positive Ergebnisse gezeigt, sind allerdings auch weiter erforderlich (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Die Regierung hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt und plant unter anderem durch ein Stimulus-Paket Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Afghanistan befindet sich in einem langwierigen Wiederaufbauprozess (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Die internationale Gemeinschaft unterstützt die afghanische Regierung maßgeblich dabei, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Mehr als 95 % des afghanischen Budgets stammen auch im Jahre 2016 von der internationalen Staatengemeinschaft (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 2). Die internationale Gemeinschaft wird auch ihr ziviles Engagement fortsetzen und Deutschland wird den Wiederaufbau im Jahr 2017 mit 430 Millionen Euro unterstützen (www.bundesregierung.de, Deutsche Soldaten weiter in Afghanistan v. 16.11.2016). Zum Jahresende 2014 hat das Jahrzehnt der Transformation (2015‐2024) begonnen, in dem Afghanistan sich mit weiterhin umfangreicher internationaler Unterstützung zu einem voll funktionsfähigen und fiskalisch lebensfähigen Staat im Dienst seiner Bürgerinnen und Bürger entwickeln soll, wofür Afghanistan verstärkte eigene Anstrengungen zugesagt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Im Mai 2016 startete das Projekt „Casa 1000“, mit dem eine Stromleitung von Tajikistan auch nach Afghanistan errichtet und ab 2019 dem Energiemangel begegnet werden soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Auch soll Afghanistan eine Flugfrachtverbindung nach Indien erhalten (www.aerotelegraph.com, Afghanistan bekommt Frachtverbindung nach Indien, v. 06.01.2017). Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen in Afghanistan weicht stark voneinander ab, für alleinstehende Personen bewegte es sich bis zum Jahr 2007 lediglich im Bereich zwischen 10 und 15 %; das Armutsrisiko stieg bei einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und lag bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 % (OVG Münster, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 48). Nachdem im Jahr 2011 nur 7,5 % der Bevölkerung über eine adäquate Wasserversorgung verfügten, haben im Jahr 2016 46 % Zugang zu Trinkwasser (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen bereits Fortschritte gemacht, die allerdings nach wie vor nicht alle Landesteile erreichen und außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 5). Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, so werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult; der Anteil der Mädchen beträgt mittlerweile 37,5 %, nachdem sie unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 12). Das Bildungswesen ist kostenfrei (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 3). Auch die medizinische Versorgung hat sich seit 2005 erheblich verbessert, was auch zu einem deutlichen Anstieg der Lebenserwartung geführt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24, 25). Dennoch besteht landesweit eine unzureichende Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung und Fachpersonal, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). 36 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden kommt es zu schlechten Gesundheitszuständen von Frauen und Kindern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Aufgrund der Fortschritte in der medizinischen Versorgung hat sich allerdings etwa die Müttersterblichkeit von 1,6 % auf 0,324 % gesenkt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). An dieser Reduzierung kommen allerdings zwischenzeitlich Zweifel auf (www.tt.com, Müttersterblichkeit in Afghanistan laut Bericht deutlich höher als angegeben, v. 31.01.2017). Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Private Krankhäuser gibt es in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Scharif, Herat und Kandahar (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Chirurgische Eingriffe etwa oder spezielle Untersuchungen (wie etwa Computer Tomographie) werden nur an ausgewählten Orten geboten (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1 8).  Eine gute medizinische Versorgung auch komplizierterer Krankheiten bieten das French Medical Institute und das Deutsche Diagnostische Zentrum (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Medikamente sind auf allen Märkten zu erwerben (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Eine Behandlung psychischer Erkrankungen findet nur unzureichend statt; in Kabul, Jalalabad, Herat und Mazar-e Sharif gibt es entsprechende Einrichtungen mit meist wenigen Betten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23 f.). Sie brauchen eine starke familiäre Unterstützung (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Rückkehrer aus Deutschland werden in Kabul vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von Mitarbeitern der Internationalen Organisation für Migration, von der gemeinnützigen humanitären Organisation für psychosoziale Betreuung und der Bundespolizei vor Ort in Empfang genommen und versorgt (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Als Reintegrationshilfen können bis zu 700 Euro beantragt werden (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Das Rückkehrförderprogramm REAG/GARP sieht neben der Übernahme der Rückreisekosten eine Reisebeihilfe von 200 Euro und zusätzlich Startgeld in Höhe von 500 Euro je Person über zwölf Jahren vor (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Das Rückkehr- und Integrationsprojekt ERIN sieht einen Service bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen sowie berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei der Existenzgründung vor (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Im Falle der freiwilligen Rückkehr ist eine Integrationshilfe von bis zu 2.000 Euro vorgesehen, bei einer Rückführung bis zu 700 Euro (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Weiter ist auch geplant, den Rückkehrern Anschlussflüge zum gewünschten Zielort innerhalb Afghanistans anzubieten und ein Informationsbüro als Beratungsstelle einzurichten (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Rückkehrer können bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2).

cc) Unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der vorgenannten humanitären Umstände in Afghanistan, insbesondere auch der schwierigen Lage von Kindern würde angesichts der Erkrankung des Klägers zu 5. und der damit verbundenen weiter erforderlichen medizinischen Kontrollen bzw. ggf. Eingriffen eine Abschiebung des Familienverbandes der Kläger, und damit auch des Klägers zu 5., aufgrund der in Afghanistan für sie zu erwartenden Lebensbedingungen, insbesondere der schwierigen medizinischen Versorgungssituation und den daraus resultierenden Gefährdungen zu einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen Behandlung der Kläger führen. Das Gericht hat vorliegend zwar keine Zweifel daran, dass der Kläger zu 1. grundsätzlich in der Lage wäre, seine Familie, wie auch bisher, (wirtschaftlich) in mehr als ausreichendem Maße zu versorgen (vgl. hierzu auch Bay. VGH, Beschl. v. 11.01.2017 - 13a ZB 16.30878 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 04.08.2015 - 13a ZB 15.30032 -, juris Rn. 8; Urt. v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 15; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2017 - Au 5 K 16.31988 -, juris Rn. 24 (ungelernter Mann); VG München, Urt. v. 23.11.2016 - M 23 K 16.31629 -, juris (Alter, fehlender Familienverband); VG Augsburg, Urt. v. 21.10.2016 - Au 5 K 16.31801 -, juris (ungelernter Mann) sowie - Au 5 K 16.31745 -, juris (Mann mit Ausbildung); VG Oldenburg, Urt. v. 20.04.2016 - 3 A 1975/14 -, n.v. (Mann ohne Berufserfahrung); VG München, Gerichtsbescheid v. 05.11.2015 - M 9 K 14.30977 -, juris; VG Augsburg, Urt. v. 18.10.2016 - Au 3 K 16.30949 -, juris). Das Gericht hat aufgrund der vorbeschriebenen humanitäre Bedingungen in Afghanistan jedoch durchgreifende Zweifel daran, dass der Kläger zu 5. die für ihn derzeit ständig notwendige medizinische (insbesondere kinderonkologische und kinderkardiologische) Versorgung, insbesondere auch zur frühzeitigen Erkennung eines möglichen Rezidivs, in Afghanistan erlangen könnte bzw. der Kläger zu 1. etwaige hierfür erforderliche hohe finanzielle Mittel zu erwirtschaften in der Lage wäre. Von der weiteren Erforderlichkeit der ärztlichen Versorgung ist das Gericht bereits aufgrund der von den Klägern eingereichten medizinischen Unterlagen überzeugt, die dies auch ausdrücklich darlegen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Kostenquote entspricht dem Obsiegen der Kläger lediglich in einem Hilfsantrag und berücksichtigt zugleich, dass die Kläger ihr Klageziel, das Verbleibendürfen in der Bundesrepublik Deutschland, letztlich dennoch weitgehend erreicht haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.