Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 01.02.2017, Az.: 6 C 65/16

Master; Steuerberater; weiterbildender Studiengang; weiterführender Studiengang

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
01.02.2017
Aktenzeichen
6 C 65/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53825
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Gleichwertig im Sinne von § 18 Abs. 8 Satz 1 NHG ist ein Abschluss nur, wenn er (mindestens) ein Studium abschließt. Eine allein durch eine Berufsausbildung und anschließende Berufspraxis ermöglichte und sodann durch eine isolierte Prüfung erworbene Qualifikation (hier: zum Steuerberater) reicht insoweit nicht aus.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt ihre Zulassung zum weiterbildenden Masterstudiengang „Tax Law - Steuerrecht LL.M.“ bei der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2016/2017.

Sie schloss eine Ausbildung zur Bürokauffrau ab, bildete sich zur Staatlich Geprüften Betriebsfachwirtin für Steuern, Rechnungslegung und Controlling sowie zur Bilanzbuchhalterin IHK weiter. Am 10. März 2004 legte sie erfolgreich die Steuerberaterprüfung ab und ist seit dem Jahr 2004 als Steuerberaterin tätig. Ein (Hochschul-) Studium schloss die Antragstellerin nicht ab.

Am 1. Mai 2016 beantragte die Antragstellerin ihre Zulassung zum eingangs genannten Studiengang bei der Antragsgegnerin. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12. Oktober 2016 ab. Zur Begründung führte sie an, die Ordnung über Zugang und Zulassung zu den berufsspezifischen fakultätsübergreifenden weiterbildenden Masterstudiengängen der Leuphana Universität Lüneburg in der einschlägigen Fassung sowie die besonderen Zugangsvoraussetzungen für den Studiengang Tax Law erforderten den vorangegangenen Abschluss eines bestimmten Hochschulstudiums. Ein solcher Abschluss sei nicht nachgewiesen worden.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 14. November 2016 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie führt aus, nach § 18 Abs. 8 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (nachfolgend: NHG) habe die Zugangsberechtigung zu einem weiterbildenden Studiengang, wer einen Bachelorabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss besitze. Ein gleichwertiger Abschluss müsse dabei nicht der Abschluss eines Studiums sein. Die Norm sei weit auszulegen, da sie nicht ausdrücklich einen „akademischen“ Abschluss verlange. Hätte der Gesetzgeber aber gewollt, dass als gleichwertige Abschlüsse lediglich Studienabschlüsse anerkannt werden, hätte er dies ausdrücklich geregelt. Sähe man dies anders, wäre § 18 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 NHG ohne Anwendungsbereich. § 18 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 NHG müsse gerade Personen mit einem Ausbildungsberuf und entsprechender Berufserfahrung betreffen. Das Tatbestandsmerkmal „gleichwertiger Abschluss“ solle bewusst offen gehalten werden, eine Eingrenzung des Bewerberkreises sei über Kapazitäten und Mindestnoten möglich. § 4 der Zulassungsordnung der Antragsgegnerin verstoße in zweierlei Hinsicht gegen § 18 Abs. 8 Nr. 2 NHG. Zum einen lasse § 4 der Zulassungsordnung eine Ablehnung aufgrund Fehlens einer besonderen Eignung sowohl in den Fällen des § 18 Abs. 8 Nr. 1 als auch des § 18 Abs. 1 Nr. 2 NHG zu. Eine Ablehnung solle jedoch an verschiedene Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft sein. Wenn die Zugangsvoraussetzungen auf landesrechtlicher Ebene als erfüllt anzusehen seien, könne ein Zulassungsanspruch nicht aufgrund einer universitären Zulassungsordnung versagt werden. Insoweit werde auch das Transparenzgebot verletzt, da für Studienplatzbewerber nicht ersichtlich sei, welche Voraussetzungen sie erfüllen müssten, um einen Studienplatz zu erhalten. Zum anderen verstoße § 4 der Zulassungsordnung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber differenziere zwischen den Zugangsvoraussetzungen Bachelorabschluss und besonderer Eignung einerseits und gleichwertigem Abschluss mit berufspraktischer Erfahrung andererseits. Diese Differenzierung fehle in § 4 der Zulassungsordnung. Obwohl sie unterschiedlich seien, würden beide Sachverhalte gleich behandelt. Ein sachlicher Grund hierfür sei nicht ersichtlich. Dass ihre – der Antragstellerin – Qualifikation einem Bachelorabschluss (mindestens) gleichwertig sei, ergebe sich aus dem Deutschen Qualifikationsrahmen. Dort sei in Stufe 6 ein Bachelorabschluss ebenso aufgeführt wie die Qualifikation als Bilanzbuchhalter. Die Qualifikation als Steuerberater sei sogar in Stufe 7 des Deutschen Qualifikationsrahmens einzuordnen. Die Entbehrlichkeit eines Studienabschlusses bestätige auch der Umstand, dass die Universität Göttingen einen berufsbegleitenden Masterstudiengang an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät anbiete, der auch Personen ohne akademischen Abschluss offenstehe.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Bescheid und führt hierzu aus, aus der Systematik des § 18 NHG ergebe sich, dass ein gleichwertiger Abschluss im Sinne des § 18 Abs. 8 NHG nur ein abgeschlossenes Studium sein könne. § 18 Abs. 4 NHG regele, unter welchen Voraussetzungen eine Qualifikation in einem Ausbildungsberuf den Zugang zu einem grundständigen Studium eröffne. § 18 Abs. 8 NHG regele die Voraussetzungen für die Weiterführung eines grundständigen Studiums und setze damit den Abschluss eines solchen zwingend voraus. Die Steuerberaterprüfung schließe aber kein Studium ab. Zur Steuerberaterprüfung könne vielmehr auch zugelassen werden, wer – ohne ein Studium abgeschlossen zu haben – über einen bestimmten Erfahrungszeitraum an beruflicher Praxis im steuerlichen Bereich verfüge. Der Deutsche Qualifikationsrahmen gebiete keine abweichende Einschätzung. Er sei lediglich ein Orientierungsinstrument und rechtlich unverbindlich. Das Niedersächsische Hochschulgesetz sehe auch weder die Möglichkeit einer Eingangsprüfung anstelle eines Bachelorabschlusses noch die Möglichkeit bestimmter Ausnahmen vom Bachelorabschluss vor. Aus diesem Grunde dürfe die von der Antragstellerin angesprochene entsprechende Regelung in der Zugangsordnung der Universität Göttingen nicht mit dem Niedersächsischen Hochschulgesetz vereinbar sein.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragstellerin von der Antragsgegnerin ihre vorläufige Zulassung zum „Tax Law - Steuerrecht LL.M.“ zum Wintersemester 2016/2017 begehrt, hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen notwendig erscheint. Voraussetzung dafür ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, die Antragstellerin vermag einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft zu machen. Der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Zulassung zum streitgegenständlichen Studiengang.

Die Antragsgegnerin hat den Antrag der Antragstellerin zu Recht mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe kein Studium abgeschlossen. Dabei kann dahinstehen, ob die Zugangsvoraussetzungen gemäß § 4 der Ordnung über Zugang und Zulassung zu den fakultätsübergreifenden weiterbildenden Masterstudiengängen der Leuphana Universität Lüneburg in der fünften Änderungsfassung vom 18. November 2015 (Leuphana Gazette 2016, S. 9) wirksam sind. Denn ein abgeschlossenes Studium ist bereits gemäß § 18 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes in der hier maßgeblichen Änderungsfassung vom 20. Dezember 2016 (GVBl., S. 308, nachfolgend: NHG) Zugangsvoraussetzung zu einem weiterbildenden Studiengang (so auch Rogalla, in: Epping, NHG, 2016, § 18, Rn. 48, 49).

Bei dem streitgegenständlichen Studiengang handelt es sich – dies wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt – um einen weiterbildenden Studiengang (§ 18 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 NHG), nicht um einen konsekutiven Masterstudiengang (§ 18 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 NHG). Beide Arten von Studiengängen stellen nach § 18 Abs. 8 Satz 1 NHG weiterführende Studiengänge dar.

Zugang zu weiterführenden Studiengängen hat nach dem Willen des Gesetzgebers seit jeher nur, wer ein vorangegangenes Studium abgeschlossen hat. Nach § 18 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes in der Fassung vom 24. Juni 2002 (GVBl., S. 286, nachfolgend: NHG 2002) hatte die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Studiengängen und Masterstudiengängen, wer hierzu besonders geeignet war. Der Wortlaut der Norm setzte nicht voraus, dass ein vorangegangenes Studium (ebenfalls) Zugangsvoraussetzung war. Die Aufnahme dieser weiteren Voraussetzung in den Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 3 NHG 2002 war allerdings entbehrlich, da die Gesetzessystematik keinen Zweifel daran ließ, dass es des Abschlusses eines vorangegangenen Studiums bedurfte: § 18 Abs. 1 Satz 1 NHG 2002 legte fest, dass zum Studium berechtigt war, wer eine Hochschulzugangsberechtigung innehatte. In § 18 Abs. 1 Satz 2 NHG 2002 wurde sodann geregelt, wer Inhaber der erforderlichen Hochschulzugangsberechtigung war. Durch die Regelung der Zugangsberechtigung zu einem weiterführenden Studiengang im Anschluss hieran und noch im selben Absatz des § 18 NHG 2002 wurde deutlich, dass § 18 Abs. 1 Satz 3 NHG 2002 das Weiterführen zuvor abgeschlossener Studiengänge meinte. Unterstrichen wird dieser Umstand durch § 18 Abs. 1 Satz 4 NHG 2002, in dem es heißt „Vertieft der Masterstudiengang das [Hervorhebung durch die Kammer] vorherige Studium in derselben Richtung, […].“ Durch die Verwendung des bestimmten anstelle eines unbestimmten Artikels macht der Gesetzgeber deutlich, dass er davon ausgeht, dass der Zugang zu einem weiterführenden Studiengang den Abschluss eines vorherigen Studiums voraussetzt.

Diese Voraussetzung wurde durch die nachfolgenden Gesetzesänderungen aufrechterhalten. Zwar erfuhr der Wortlaut der Regelung zur Zugangsberechtigung zu einem weiterführenden Studiengang durch das Gesetz vom 21. November 2006 (GVBl., S. 538; nachfolgend: NHG 2006) eine erhebliche Änderung. Die (Kern-) Regelung wurde in § 18 Abs. 7 Satz 1 NHG 2006 verschoben und lautete: „Die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Studiengängen und Masterstudiengängen setzt einen Bachelorabschluss oder gleichwertigen Abschluss und eine besondere Eignung voraus.“ Durch die nunmehrige Nennung des Bachelorabschlusses und des gleichwertigen Abschlusses beabsichtigte der Gesetzgeber indes nicht, die Zugangsvoraussetzungen inhaltlich zu modifizieren. Der ursprüngliche Wortlaut des Gesetzesentwurfes zum NHG 2006 (vgl. LT-Drs. 15/2670, S. 10) lautete hinsichtlich des § 18 Abs. 7 Satz 1 – im Vergleich zu § 18 Abs. 1 Satz 3 NHG 2002 nur unwesentlich verändert – noch: „Die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Studiengängen und Masterstudiengängen setzt eine besondere Eignung voraus.“ Die letztlich Gesetz gewordene, im Wortlaut um die Forderung nach einem Bachelorabschluss oder gleichwertigen Abschluss erweiterte Formulierung des § 18 Abs. 7 Satz 1 NHG 2006 kam erst durch Empfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur zustande (vgl. LT-Drs. 15/3281, S. 20). Sie war lediglich der systematischen Umstrukturierung des § 18 – konkret der Verschiebung der Regelung zur Zugangsberechtigung zu weiterführenden Studiengängen von Abs. 1 Satz 3 der Norm in einen eigenständigen Abs. 7 – geschuldet und sollte gerade den Eindruck vermeiden, der Zugang zu einem weiterführenden Studiengang setze allein eine besondere Eignung, nicht aber zwingend ein vorangegangenes Studium voraus.

Auch die nachfolgenden Änderungen der Regelung ließen das Erfordernis eines vorangegangenen Studiums unberührt. Durch Gesetz vom 10. Juni 2010 (GVBl., S. 242) wurde § 18 Abs. 7 Satz 1 NHG 2006 zu § 18 Abs. 8 Satz 1; eine inhaltliche Änderung erfolgte nicht. Die zuletzt vorgenommene Änderung zum nunmehrigen Gesetzeswortlaut durch Gesetz vom 15. Dezember 2015 (GVBl., S. 384) griff zwar wiederum erheblich in den Wortlaut der Norm ein und erleichterte auch – dies war das wesentliche Ziel der Gesetzesänderung (vgl. LT-Drs 17/3949, S. 18 f.) – den Zugang zu konsekutiven Masterstudiengängen durch den grundsätzlichen Verzicht auf das Erfordernis einer besonderen Eignung. Sie führte aber nicht zu einer inhaltlich anderen Besetzung des schon in der Vorgängernorm vorhandenen unbestimmten Rechtsbegriffes des „gleichwertigen Abschlusses“.

Auch die Kultusministerkonferenz geht davon aus, dass einem Masterstudiengang – sowohl einem konsekutiven als auch einem weiterbildenden – der Abschluss eines Studiums vorausgeht (vgl. These 5 in: „10 Thesen zur Bachelor- und Masterstruktur in Deutschland“, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.06.2003). Sie sieht zwar die Möglichkeit, für künstlerische und weiterbildende Studiengänge anstelle eines ersten berufsqualifizierenden Studienabschlusses durch eine entsprechende Regelung in den Landeshochschulgesetzen „nur“ eine Eingangsprüfung fordern zu können (vgl. „Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen“, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i.d.F. vom 04.02.2010). Von dieser Möglichkeit hat der niedersächsische Landesgesetzgeber indes keinen Gebrauch gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.