Sozialgericht Aurich
Urt. v. 20.04.2011, Az.: S 32 R 414/06

Nachträgliche Aufnahme von Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeiten für die Kindererziehung bis zum Ablauf des 10. Lebensjahres im Rentenkonto; Nachträgliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Rentenkonto eines verstorbenen Klägers; Glaubhaftmachung der überwiegenden Erziehung der Kindes durch den verstorbenen Vater; Zurechnung der Kindererziehungszeiten in Fällen der so genannten gemeinsamen Erziehung

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
20.04.2011
Aktenzeichen
S 32 R 414/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 43405
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGAURIC:2011:0420.S32R414.06.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeiten für die Kindererziehung bezüglich der jetzigen Klägerin für die Zeit von Geburt der Klägerin im Jahre 1976 bis zum Ablauf ihres 10. Lebensjahres im Rentenkonto des vormaligen Klägers aufzunehmen.

Die Klage wurde durch den Vater der jetzigen Klägerin, der am G. geboren wurde, am 21.12.2006 erhoben. Er ist am H. während des Laufes des Gerichtsverfahrens verstorben. Die jetzige Klägerin ist seine am I. geborene Tochter und Rechtsnachfolgerin. Sie ist zugleich dasjenige Kind, bezüglich dessen die Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Rentenkonto des ursprünglichen Klägers begehrt wird.

Am 28.08.2006 stellte der vormalige Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten / Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung bezog der vormalige Kläger von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Diese Rente war mit Rentenbescheid vom 06.01.1997 für die Zeit ab dem 01.07.1996 bewilligt worden. Der Berechnung dieser Rente waren keine Kindererziehungszeiten zugrunde gelegt. Die Kindererziehungszeiten und die Berücksichtigungszeiten bezüglich der jetzigen Klägerin waren in das Rentenkonto der Mutter der Klägerin aufgenommen. Sie hatte am 15.03.1990 die Aufnahme der Zeiten in ihr Rentenkonto beantragt. Sie verstarb am 22.04.2006 ohne eine Rente zu beziehen.

Der vormalige Kläger war bis 1989 als selbständiger Landwirt tätig. Er bewirtschaftete einen eigenen Hof. Dieser Hof hatte in der Zeit von 1976 bis 1986 eine Größe von ca. 80 Milchkühen und zusätzlich etwa 20 Stück Jungvieh. Angebaut wurde Mais und Gras zur Fütterung dieser Tiere. Der Hof wurde von der Mutter der Klägerin wie auch dem vormaligen Kläger bewirtschaftet. Hinzu kam ein angestellter junger Mann als Knecht und in der Erntezeit weitere Aushilfskräfte für kurze Zeit. In der Zeit von 1991 bis 1996 war der vormalige Kläger abhängig im Baugewerbe beschäftigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der vormalige Kläger, ihr Vater, sie in der Zeit von ihrer Geburt bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres überwiegend erzogen habe. Sie sei ein so genanntes "Vaterkind" gewesen. Sie habe die allermeiste Zeit mit dem vormaligen Kläger gemeinsam verbracht. So sei sie unter anderem häufig auf dem Trecker des vormaligen Klägers mitgefahren und der vormalige Kläger habe sich intensiv um ihre Schulaufgaben gekümmert.

Die Klägerin beantragt:

den Bescheid der Beklagten vom 02.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeiten für die Kindererziehung bezüglich der Klägerin für die Zeit von Geburt der Klägerin bis zum Ablauf des 10. Jahres nach Geburt der Klägerin anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine überwiegende Erziehung der Klägerin durch den vormaligen Kläger nicht glaubhaft gemacht wurde. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeuginnen hätten keine vertieften Kenntnisse von den Lebensumständen der Klägerin gehabt, da sie nur zeitweise auf dem Hof der Eltern der Klägerin anwesend gewesen seien. Alleiniges "Mitfahren auf dem Trecker" stelle keine Erziehung durch den vormaligen Kläger dar.

Gegenstand der Entscheidungsfindung waren die Gerichtsakten, die von der Beklagten übereichten Verwaltungsvorgänge und der Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2011, dort insbesondere der Inhalt der Darstellungen der Klägerin selbst wie auch der Inhalt der Zeugenaussagen. Zum genauen Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die jetzige Klägerin konnte den Rechtsstreit des vormaligen Klägers weiterführen. Gesetzliche Hinderungsgründe bezüglich der Fortführung des Rechtsstreits durch die Klägerin als Gesamtsrechtsnachfolgerin liegen nicht vor.

II.

Ein Anspruch des vormaligen Klägers auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung bezüglich der jetzigen Klägerin in seinem Rentenkonto besteht nicht. Der vormalige Kläger hat nach Überzeugung der Kammer die jetzige Klägerin in ihren ersten 10. Lebensjahren nicht überwiegend erzogen im Sinne des Rentenrechts.

Nach § 56 Abs 2 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch - gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind Erziehungszeiten demjenigen Elternteil zuzuordnen, der das Kind erzogen hat. Der Dauer der Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind endet gemäß § 249 Abs 1 SGB VI zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

a.)

Eine Zuordnung der Kindererziehungszeiten zum Vater, dem vormaligen Kläger, gemäß § 249 Abs 6 SGB VI scheidet deshalb aus, weil die Mutter der Klägerin erst nach dem 01.01.1986 gestorben ist.

b.)

Eine Zuordnung der Kindererziehungszeiten zum Vater der Klägerin, dem vormaligen Kläger, gemäß § 56 Abs 2 Satz 3 SGB VI scheidet deswegen aus, weil die Eltern der Klägerin keine übereinstimmende Erklärung in diesem Sinne abgegeben haben.

c.)

Die Zurechnung der Kindererziehungszeiten in Fällen der so genannten gemeinsamen Erziehung beurteilt sich nach objektiven Maßstäben unter Maßgabe der Zuwendung zum Kind in der Zeit der Kindererziehung. (BSG vom 16.12.1997 Az.: 4 RA 60/97; BSG vom 31.08.2000 Az.: B 4 RA 28/00 R). Wenn sich überwiegende Erziehungsanteile eines Elternteils nicht im erforderlichen Beweisgrad feststellen lassen, sondern die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben in etwa gleichgewichtig sind, wird die Kindererziehungszeit gemäß § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zugeordnet (BSG vom 16.12.1997 Az.: 4 RA 60/97; vgl. BSG vom 28.02.1991 Az.: 4 RA 76/90).

Nach § 57 SGB VI sind Berücksichtigungszeiten für die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendeten 10. Lebensjahr nach gleichen Wertungen wie bei den Erziehungszeiten im Rahmen des § 56 SGB VI anzusetzen. Erziehung ist die Gesamtheit des tatsächlichen Verhaltens der Eltern, das nach ihrem Verständnis und ihren Vorstellungen dazu bestimmt und darauf gerichtet ist, die körperliche, geistige, sittliche und charakterliche Entwicklung des Kindes zu beeinflussen (BSG vom 28.02.1991 Az.: 4 RA 76/90, Schuler-Harms in jurisPK SGB VI 1. Auflage 2008 § 56 Rn 24).

Nach einer Ansicht ist wesentliches Kriterium bezüglich der Bestimmung einer überwiegenden Erziehung eines Kindes durch einen Elternteil die Verteilung der Erwerbstätigkeit. Wer den geringen Anteil der Erwerbsarbeit unternommen hat, der hat nach dieser Ansicht den höheren Anteil der "Erziehungsarbeit" übernommen (vgl. Hirsch in Reinhardt Sozialgesetzbuch VI 2. Auflage 2010 § 56 Rn 13 aE, vgl. Löns in Kreikebohm SGB VI Kommentar 3. Auflage 2008 § 56 Rn 11).

Der Vater der Klägerin, der vormalige Kläger, bewirtschaftete in den Jahren 1976 bis 1986, die hier entscheidungserheblich sind, in überwiegendem Maße den landwirtschaftlichen Hof der Eltern. Die Mutter der Klägerin arbeitete nach übereinstimmender Darstellung der Klägerin selbst und der Zeuginnen nur "mit". Sie kümmerte sich im Rahmen der Erwerbstätigkeit, also des landwirtschaftlichen Betriebes, um das Melken der Kühe und das Füttern der Kälber. Das Melken wurde auch vom Vater der Klägerin mit übernommen und die gesamte Ackerwirtschaft bewältigt. Die Mutter der Klägerin führte vor allem den Haushalt.

Jedoch stellt sich nach Auffassung der erkennenden Kammer ein Zurückgreifen alleine auf das Kriterium der Verteilung der Erwerbsfähigkeit in diesem Falle eines landwirtschaftlichen Betriebs als nicht sachgerecht dar. Ein Abstellen alleine auf die Erwerbstätigkeit der Elternteile kann im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit in der Landwirtschaft keine klaren Erkenntnisse bezüglich der Verteilung der Erziehung bieten. Bei einer Landwirtschaft, die auf einem mittelgroßen bäuerlichen Betrieb von der Familie bewältigt wird, besteht zwingend eine laufende Vermischung / Parallelität von Erwerbsarbeit und so genannter Erziehungsarbeit. Dies gilt sowohl bezüglich des Vaters als auch der Mutter der Klägerin.

Daher muss es alleine entscheidend darauf ankommen, wer von den Eltern der Klägerin die Erziehung im Sinne der obigen Definition überwiegend übernommen hat.

Zur Überzeugungsgewinnung des Gerichts ist nach § 249 Abs 5 SGB VI zumindest für die Zeit bis zum 01.01.1986 eine Glaubhaftmachung ausreichend.

Bei der Bewertung ist zunächst zeitlich zu differenzieren. Nach übereinstimmender Darstellung der Klägerin wie auch der Zeuginnen besteht eine überwiegende Erziehung der Klägerin durch den Vater der Klägerin, den vormaligen Kläger, jedenfalls in deren 1. Lebensjahr nicht. Die Klägerin kann sich schon aufgrund ihres Lebensalters an diesen Zeitraum nicht erinnern. Die Tante der Klägerin, die als Zeugin vernommen wurde, hatte keine besondere Erinnerung daran, dass der Vater der Klägerin sich um sie im Säuglingsalter im besonderen Maße gekümmert hätte. In Anbetracht der Tatsache, dass ein solches intensives Kümmern des Vaters um einen Säugling im Jahre 1976 durch einen selbständigen Landwirt sehr ungewöhnlich gewesen wäre, geht die Kammer davon aus, dass die Zeugin sich jedenfalls an eine solche damals ungewöhnliche Erziehungsweise erinnert hätte. Die Tante der Klägerin hat im übrigen auf Nachfrage besonders dargestellt, dass die Mutter die Klägerin abends ins Bett gebracht habe und nicht der Vater. Die weitere vernommene Zeugin, die Cousine der Klägerin, konnte ebenfalls zum ersten Jahr nach der Geburt der Klägerin keine genauen Angaben machen. Nach Darstellung der Zeugin sei die Klägerin erst ab dem Zeitpunkt, als sie laufen konnte, also nach Vollendung des 1. Lebensjahres mit ihrem Vater, dem vormaligen Kläger, auf dem Hof unterwegs gewesen.

Ein Stillen der Klägerin, bzw. eine Bereitung des Frühstücks oder Abendbrotes für die Klägerin durch den vormaligen Kläger scheidet im 1. Lebensjahr der Klägerin zwangsläufig aus.

Die Argumentation der Klägerin bezüglich der überwiegenden Erziehung durch den vormaligen Kläger beruht vor allem darauf, dass er sich während seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit um sie gekümmert habe. Aufgrund der Darstellungen der Zeuginnen scheidet diese Argumentation für das 1. Lebensjahr der Klägerin aus. Sie war zu dieser Zeit nicht bei ihrem Vater.

Andere Anhaltspunkte für ein überwiegendes Erziehen der Klägerin im 1. Lebensjahr durch ihren Vater wurden nicht aufgezeigt. Somit kann das Gericht für das 1. Lebensjahr keine Glaubhaftmachung der überwiegenden Erziehung durch den Vater erkennen.

Für die Zeit ab dem 2. Lebensjahr bis zur Vollendung des 10. Lebensjahr, also für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Sinne des § 57 SGB VI stellt sich die Sachlage nach Beurteilung der Kammer ebenfalls nicht so dar, dass eine überwiegende Erziehung der Klägerin durch ihren Vater glaubhaft gemacht wäre.

Der von der Klägerin besonderer hervorgehobener Aspekt der Betreuung bei den Hausaufgaben durch ihren Vater kann zunächst alleine für die Zeit ab der Einschulung der Klägerin von Bedeutung sein. Diese hat im Jahre 1983 stattgefunden. Sowohl von der Klägerin als auch von den Zeuginnen wurde diesbezüglich übereinstimmend dargelegt, dass die Klägerin keine besonderen Probleme während ihrer Schulzeit gehabt hat. Vielmehr sei die Klägerin eine gute Schülerin gewesen. Vor diesem Hintergrund schon kann die Betreuung bei Hausaufgaben der Klägerin wie auch im Rahmen schulischer Probleme nach Auffassung der Kammer keinen besonders großen Umfang erreicht haben. Dies entspricht auch der Darstellung der Zeuginnen, dass die Hausaufgabenbetreuung im Rahmen der Teezeit stattgefunden habe. Diese Teezeit dauerte täglich nachmittags je nach Arbeitsverhältnissen eine halbe Stunde ca. ab 14 Uhr. Ein großer zeitlicher Umfang lag nicht vor.

Die von der Klägerin vorgetragene Bereitung des Frühstücks durch ihren Vater begründet keine überwiegende Erziehung. Zum einen hat die Mutter der Klägerin die Hauptmahlzeit mittags wie wohl auch die anderen Mahlzeiten außer dem Frühstück (Dies waren zweites Frühstück, Tee, Vesper und Abendbrot.) regelmäßig vorbereitet, so dass bei Abstellen auf die Bereitung der Mahlzeiten ein eindeutiges Überwiegen des Anteils der Mutter der Klägerin vorliegt. Zum anderen kann nach Auffassung der Kammer für die Beurteilung einer Erziehung der Klägerin nicht tragend auf die Bereitung der Mahlzeiten für die Klägerin und die gesamte Familie abgestellt werden. Hierbei handelt es sich nicht um ein entschiedenes Kriterium. Dies gilt sowohl bezüglich des Vaters als auch bezüglich der Mutter.

Die von der Klägerin wie auch ihrer Tante beschriebene abendliche gemeinsam verbrachte Zeit von Klägerin und ihrem Vater (auf dem Schoß sitzen für eine halbe Stunde) ist nach Auffassung der Kammer kein Indiz für eine überwiegende Erziehung durch den Vater. Sicherlich stellt eine gemeinschaftliche halbe Stunde jeden Abend eine Zeit des Kümmerns des Vaters um sein Kind dar. Jedoch führt dieses Kriterium nicht zu einer überwiegenden Erziehung durch den Vater, sondern stellt nur die normalen Verhältnisse auch bei Erziehung durch die Mutter dar. Ein fürsorglicher Vater nutzt in der Regel zumindest diese Zeit nach Bewältigung der täglichen Arbeit zur Betreuung seines Kindes.

Die weitere von Klägerin wie Zeuginnen bekundete Begleitung des Vaters durch die Klägerin auf dem Hof, zu der Zeit, ab der sie laufen konnte, lässt ebenfalls nicht auf überwiegende Erziehung schließen. Die Klägerin und ihre Cousine wie auch der weitere Halbbruder der Klägerin mögen den Vater der Klägerin tagtäglich bei seinen landwirtschaftlichen Verrichtungen beleitet haben. Hierbei lag jedoch der Schwerpunkt der Tätigkeit des Vaters zwingend auf den Arbeitsverrichtungen. Aus diesem Grund kann es sich nach Auffassung der Kammer nicht um Zeiten besonderer Erziehung der Klägerin - wie auch der anderen Kinder - handeln. Die Kinder sind nach Auffassung der Kammer sozusagen "mitgelaufen" und haben auf dem Hof der Eltern der Klägerin gespielt. Eine besondere Erziehung durch den Vater in diesen Zeiten ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Vielmehr handelt es sich um normale Abläufe im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes. Insbesondere hat die Cousine der Klägerin als Zeugin dargelegt, dass die Kinder deswegen meistens bei dem Vater der Klägerin waren, da die Mutter der Klägerin die uninteressanteren Arbeiten zu verrichten hatte. Dies zeigt, dass Vater wie auch Mutter in der Zeit, in der sich die Kinder in der Nähe aufhielten, vorrangig die anderen Tätigkeiten und keine Erziehung ausgeübt haben.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Definition der Erziehung in rentenrechtlichem Sinne (s.o.) erfordert, dass ein zielgerichtetes Verhalten des erziehenden Elternteiles besteht, kann ein alleiniges Begleiten des Elternteils bei seinen Tätigkeiten keine Erziehungstätigkeit dieses Elternteils sein. Dies ergibt sich auch daraus, dass besonders das Hauptaugenmerk des arbeitenden Vaters nicht auf die Kindererziehung gerichtet sein kann, sondern auf seine täglichen Verrichtungen. Dies vor allem aufgrund dessen, dass der Vater der Klägerin nach Bekunden der Zeuginnen ein sehr korrekter und ordnungsliebender Mensch gewesen ist. Er legte immer Wert auf die korrekte Durchführung der Arbeit.

Gleichermaßen stellen die gelegentlichen Fahrten des Vaters der Klägerin mit dem Pkw mit der Klägerin kein überwiegendes Erziehen der Klägerin dar. Sicherlich stellen sich solche "Chauffeurstätigkeiten" ein Kümmern des Vaters um seine Tochter dar. Jedoch haben diese Tätigkeiten ausweislich des Vortrages nicht sehr häufig stattgefunden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin weder ernsthaften Probleme in der Schule noch gesundheitlicher Art hatte, waren besondere Fahrten nicht allzu häufig erforderlich. Eine besondere zielgerichtete Erziehung durch Fahren des Pkw mit der Klägerin besteht im übrigen auch nicht.

Auch die von der Klägerin dargelegte Anteilnahme ihres Vaters an ihrer schulischen Laufbahn - Teilnahme an Elternsprechtagen oder ähnliches - führt nicht zu der Annahme, dass die Klägerin überwiegend durch ihren Vater erzogen wurde. Dies vor allem deswegen, weil keine intensive Betreuung neben der Schule wegen schulischer Probleme erforderlich gewesen ist. Eine einmalige Intervention bei einer Lehrerin der Klägerin stellt keine überwiegende Erziehung dar.

Nach dem Eindruck der Kammer stellt sich das Geschehen auf dem Hof der Eltern der Klägerin nicht als ungewöhnlich dar. Der Vater ging überwiegend den landwirtschaftlichen Verrichtungen nach, wobei er sowohl von seiner Tochter, der Klägerin, als auch von weiteren Kindern begleitet wurde. Besondere Erziehungstätigkeiten parallel zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltete der Vater der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wie auch nach Befragung der Klägerin nicht.

Die von der Klägerin vorgebrachten Indizien dafür, dass ihre Mutter sie nicht erzogen bzw. nur in geringeren Umfang erzogen habe, konnten die Kammer ebenfalls nicht überzeugen, dass der Vater die überwiegende Erziehung übernommen hatte.

Die Zeuginnen haben glaubhaft und nachvollziehbar kundgetan, dass die Mutter der Klägerin sich zumindest in den frühen Lebensjahren der Klägerin sich einen Tag pro Woche bzw. alle 14 Tage um ihre eigene Mutter kümmerte. Zu diesen Zeiten konnte sie sich nicht um die Klägerin kümmern. Der geringe zeitliche Umfang der abweichenden Tätigkeiten der Mutter kann jedoch einen erkennbar geringeren Umfang ihrer Erziehungstätigkeit nicht begründen.

Die Tatsache, dass die Klägerin vorträgt, dass sie sich nach Erinnerung bei kritischen Situationen speziell zu ihrem Vater "geflüchtet" ist, kann ebenfalls keine andere Bewertung rechtfertigen. Da Vater und Mutter im gleichen Schlafzimmer im gleichen Bett nächtigten stellte eine "Flucht" zum Vater zugleich zwingend auch eine Zufluchtnahme bei der Mutter dar.

Auf dem Hof der Eltern der Klägerin befand sich jedenfalls bis zum Jahre 1982 als weiteres Familienmitglied eine behinderte alte Tante der Klägerin. Diese Tante war jedoch nach übereinstimmender Auskunft der Zeuginnen nicht pflegebedürftig im dem Sinne, dass sie einer rund um die Uhr Betreuung bedurfte. Man musste ihr nur gelegentlich zur Hand gehen, was durch die Mutter der Klägerin übernommen wurde. Diese "Pflege" der alten Tante erreichte jedoch nicht einen Umfang, der eine Erziehung der Klägerin ausschloss oder verringerte.

Auch die Tatsache, dass sich die Mutter der Klägerin auch um ihren Halbbruder kümmerte, kann einen im Vergleich zum Vater der Klägerin geringeren Umfang der Erziehung nicht begründen.

Vor diesem Hintergrund der Beweiswürdigung ist der Einwand der Beklagten, dass die Zeuginnen keinen umfassenden Einblick in die Lebensverhältnisse auf dem Hof des vormaligen Klägers gehabt hätten, nicht mehr zu bewerten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren unterlegen.

IV.

Das Rechtsmittel der Berufung ist zulässig. Ein bezifferbarer Wert des Klagegegenstandes, der eine Einschränkung der Berufung nach § 144 Abs 1 SGG bedingt, ist für das Gericht nicht erkennbar. Da dem Begehren der Klägerin keine bezifferbare Leistung im Sinne des § 144 Abs 1 SGG zugrunde liegt, ist für dem Berufungsstreitwert der so genannte Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro anzusetzen, so dass die Berufung zulässig ist. Gegenstand der Klage war nicht das Begehren einer Rentenzahlung an den vormaligen Kläger oder die jetzige Klägerin, sondern alleine die Zuordnung bestimmter Zeiten zum Rentenkonto. Die daraus evtl. entstehenden Nachzahlungsverpflichtungen der Beklagten könnten zwar nach Auskunft des Beklagtenvertreters wohl nur einen Wert von ca. 500,00 Euro insgesamt erreichen, aber diese Frage wäre erst Gegenstand eines anderen Verfahrens. Im übrigen würden bei Abstellen auf die Jahre 2 bis 10 nach Geburt der Klägerin nur Berücksichtigungszeiten aufgrund von Kindererziehung in Streit stehen, die eventuell gar keine Erhöhung der Rentenzahlung bedeuteten.

Nippen