Sozialgericht Aurich
Urt. v. 07.06.2011, Az.: S 12 P 34/09

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
07.06.2011
Aktenzeichen
S 12 P 34/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45114
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2009 wird aufgehoben.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 703,50 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Kostenerstattungsbescheid der Beklagten.

Die Klägerin betreibt eine Einrichtung der stationären Pflege in K.. Im Rahmen einer Prüfung zur Qualitätskontrolle vom 15.05.2008 nach § 114 SGB XI in der bis zum 30.06.2008 geltenden Fassung wurden Mängel in der Einrichtung der Klägerin festgestellt. Es erging hierzu ein Maßnahmenbescheid der Beklagten vom 10.07.2008 gemäß § 115 Abs. 2 SGB XI a.F.

Am 25.09.2008 erfolgte eine weitere Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen [MDK]. Diese Prüfung wurde ausweislich des Verwaltungsvorganges des MDK als Wiederholungsprüfung vermerkt. Im Anschluss wurde ein Bericht erstellt. In der Überschrift wird aufgeführt: "Prüfbericht, Qualitätsprüfung gemäß § 112 ff. SGB XI".

Unter Ziffer 1 des Berichtes lautet es: "Die Qualitätsprüfung wurde am 25.09.2008 in der Zeit von 09.00 Uhr bis 15.00 Uhr im Auftrag der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen in Niedersachsen durchgeführt. (…) Es handelt sich um eine Wiederholungsprüfung, die Art der Prüfung wurde den Teilnehmern mitgeteilt. Ziel der Prüfung war die Feststellung, ob die im Bescheid der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen mit Schreiben vom 10.07.2008 benannten unmittelbaren Verbesserungspotenziale im Bereich der Ergebnisqualität fachgerecht, systematisch, fristgerecht und nachhaltig umgesetzt wurden."

Im Anschluss an diese Prüfung gaben die Beklagten der Klägerin mit Bescheid vom 31.10.2008 eine Maßnahme zum sachgerechten Umgang mit Dekubituspatienten auf.

Mit Schreiben vom 11.12.2008 wurden der Klägerin durch den MDK 21,47 Gutachterstunden des MDK für die Wiederholungsprüfung vom 25.09.2008 in Rechnung gestellt. Der Stundensatz belaufe sich auf 116,88 €. Insgesamt wurden 2.509,09 € gefordert. Die Klägerin wandte hiergegen ein, der MDK könne die Kosten einer Widerholungsprüfung nicht beanspruchen.

Daraufhin erteilten die Beklagten am 31.08.2009 einen Kostenbescheid. Hierin wurden der Klägerin Kosten der Prüfung vom 25.09.2008 in Höhe von 703,50 € gemäß § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI aufgegeben. Diese Summe ergäbe sich zum einen aus einem Anteil des MDK in Höhe von 579,00 €. Hier wurden 300 Minuten zu einem Minutensatz von 1,93 € angesetzt. Weiter wurde ein Verwaltungsanteil in Höhe von 124,50 € abgerechnet. Hier wurden 150 Minuten zu einem Minutensatz von 0,83 € angesetzt.

Hiergegen hat die Klägerin am 28.09.2009 Klage erhoben und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, der Kostenbescheid könne nicht auf § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI n.F. gestützt werden. Bereits der Wortlaut dieser Norm spreche dafür, dass die Kosten einer Wiederholungsprüfung den Pflegeeinrichtungen nur dann auferlegt werden könnten, wenn eine vorangegangene Prüfung nach neuem Recht erfolgt sei.

Weiter sei die Rechnung selbst auch nicht nachvollziehbar. Zunächst seien durch den MDK 21,47 Gutachterstunden zu einem Stundensatz von 116,88 € in Rechnung gestellt worden. Nunmehr stellten die Beklagten 300 Minuten zu je 1,93 € für dieselbe Prüfung in Rechnung. Hieraus ergäbe sich, dass am 25.09.2008 keine Wiederholungsprüfung im Sinne des § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI n.F. erfolgt sei, sondern eine Regelprüfung gemäß § 114 Abs. 2 SGB XI n.F., deren Kosten nicht von der Pflegeeinrichtung zu tragen seien. Eine Prüfung, die über den Prüfumfang der Einhaltung von Auflagen hinausgehe, sei als Regelprüfung anzusehen. Ferner sei der Rechnung nicht die Ermittlung des Kostenumfanges zu entnehmen. Eine Pauschalierung sei nicht zulässig, da kein Gebührentatbestand bestehe. Die Kostenermittlung habe daher in Anlehnung an das Zivilrecht nach den tatsächlich anfallenden Kosten zu erfolgen. Darüber hinaus ergebe sich aus einer Pressemitteilung des MDK, dass in den pauschalen Kostenberechnungen auch etwa Overhead- und Sekretariatskosten eingestellt seien. Solche Kosten dürften nicht als Kosten für eine Prüfung an die Pflegeeinrichtungen weitergegeben werden. Eine Erläuterung der aufgestellten Kosten bzw. des zu Grunde gelegten zeitlichen Aufwandes sei nicht enthalten.

Letztlich biete § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI keine Grundlage dafür, die Verwaltungskosten der Verwaltungsträger auf die Pflegeeinrichtung zu übertragen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2009 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Bei der Prüfung vom 25.09.2008 habe es sich um eine Wiederholungsprüfung durch den MDK gehandelt. Die Art der Prüfung sei von dem Mitarbeitern des MDK mitgeteilt worden. Die Kosten hierfür seien gemäß § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI der Klägerin auferlegt worden. Dass die vorherige Regel- oder Anlassprüfung nach altem Recht erfolgt sei, sei unerheblich, da § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI sofort nach seinem Inkrafttreten anzuwenden sei.

Die Kosten des MDK seien im Rahmen einer Vollkostenkalkulation ermittelt worden. Hierin enthalten seien Personalkosten, Kosten für Vor- und Nacharbeiten, Fahrkosten, Statistikerstellungen und Fixkosten. Der Wortlaut des § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI stehe dem nicht entgegen. Die Medizinischen Dienste hätten sich auf gemeinsame Kostenerstattungssätze für Wiederholungsprüfungen geeinigt. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ergebe sich ein gerundeter Stundenbetrag von 116 € und ein Minutensatz von 1,93 €. Die Rechnungssumme ergebe sich aus dem hieraus nach Minuten errechneten Anteil des MDK (1,93 € x 300 Min. = 579,00 €) und einem weiteren Verwaltungsanteil. Der Verwaltungsanteil berechne sich im vorliegenden Fall bei einer Prüfzeit von 300 Minuten nach der Hälfte der MDK-Prüfzeit (150 Min) multipliziert mit einem Minutensatz für Verwaltungskosten von 0,83 €. Dieser sei berechnet nach einem durchschnittlichen Verwaltungssatz von 400 € für 8 Stunden. Hieraus ergäbe sich ein Verwaltungsanteil von 124,50 € (150 Minuten x 0,83 €). Insgesamt errechneten sich daraus Kosten in Höhe von 703,50 € (579,00 € + 124,50 €). Nach dieser Berechnung sei kein Pauschalbetrag abgerechnet worden, sondern die tatsächlich angefallenen Kosten. Bei den Wiederholungsprüfungen handele es sich um ein Mengengeschäft. Zur Vermeindung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes sei eine Pauschalisierung erforderlich. Das Recht der Pflegeversicherung sei ein abgeschlossenes Rechtsgebiet. Hier gelte die Theorie der wesentlichen Bedingung. Wenn die Auslagen auf verschiedenen Ursachen beruhten, sei es ausreichend, dass die Wiederholungsprüfung wesentliche Mitursache sei. Ohne Wiederholungsprüfung wären den Verbänden die abgerechneten Kosten nicht entstanden.

Letztlich habe eine erneute Überprüfung der Kosten durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Niedersachsen ergeben, dass hier die Kosten noch höher lägen als diejenigen des Bundesdurchschnittes.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Verfahrensakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Klage hat in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Kostenbescheid der Beklagten ist § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI in der Fassung des Gesetzes vom 28.05.2008 mit Wirkung vom 01.07.2008. Hiernach können die Landesverbände der Pflegekassen auf Kosten der Pflegeeinrichtung im Zusammenhang mit einer zuvor durchgeführten Regel- oder Anlassprüfung eine Wiederholungsprüfung veranlassen, um zu überprüfen, ob die festgestellten Qualitätsmängel durch die nach § 115 Abs. 2 SGB XI angeordneten Maßnahmen beseitigt worden sind.

Es kann dabei für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob der angefochtene Bescheid bereits deshalb rechtswidrig ist, weil die zuvor durchgeführte Prüfung vom 15.05.2008 vor Inkrafttreten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.05.2008 erfolgt war und daher im Hinblick auf § 114 Abs. 2 Satz 1 SGB XI n.F. zunächst eine erneute Regelprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Es kann weiter dahinstehen, ob der gemäß § 115 Abs. 2 SGB XI ergangene Maßnahmenbescheid vom 10.07.2008 rechtmäßig ist. Denn jedenfalls ist der angefochtene Bescheid nicht von der Rechtsgrundlage des § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI n.F. gedeckt.

Dabei ist die Kammer nicht der Auffassung, dass § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI verfassungswidrig ist (so Bachem in PflR 2009, S. 169). Die genannte Rechtsgrundlage ist eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage, um die Kosten einer Wiederholungsprüfung durch Bescheid festzusetzen (so auch Bassen in: Udsching, SGB XI, § 114 Rn. 11).

Gemäß § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI können der Pflegeeinrichtung jedoch lediglich die konkret angefallenen Kosten der Wiederholungsprüfung auferlegt werden. Dies ergibt sich aus einer Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm. Nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt ist die Geltendmachung von Pauschalen oder Durchschnittswerten (so auch SG Darmstadt, U.v. 24.01.2011 - S 18 P 25/10 -, zit. nach Juris).

Nach dem Sinn und Zweck der Norm sollen die Pflegeeinrichtungen an den Kosten der von ihr durch vorhandene Mängel verursachten Wiederholungsprüfungen beteiligt werden (sog. Veranlassungsprinzip). Es soll eine Gleichstellung mit § 114 Abs. 5 Satz 3 SGB XI erfolgen, nach dem auf Antrag und auf Kosten der Pflegeeinrichtungen Wiederholungsprüfungen durchgeführt werden können (vgl. Gutzler in Hauke/Wilde, Sozialgesetzbuch XI, K § 114 Rz. 15, 37. EL 2/11). Dies folgt aus der Gesetzesbegründung zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (BT-Drucks. 16/8525, S. 103):

"Die Änderung in Satz 2 steht im Zusammenhang mit der ergänzenden Regelung in Satz 3, mit der eine Anregung des Bundesrates aufgegriffen wird.

Neu geregelt wird in Satz 2, dass die Pflegeeinrichtungen die Kosten für eine von den Landesverbänden der Pflegekassen veranlasste Wiederholungsprüfung zu tragen haben. Dies ist aus Gründen der Gleichbehandlung mit der im nachfolgenden Satz 3 eingeführten Wiederholungsprüfung auf Antrag der Pflegeeinrichtung erforderlich. Pflegeeinrichtungen, in denen Wiederholungsprüfungen von den Landesverbänden der Pflegekassen aufgrund gravierender Qualitätsmängel veranlasst werden, sollen finanziell nicht besser gestellt werden als Pflegeeinrichtungen, die in eigener Initiative eine Wiederholungsprüfung beantragen, um den Nachweis zu erbringen, dass möglicherweise auch weniger gravierende Mängel zeitnah behoben worden sind. Die Kostenlast bei den Einrichtungen anzusiedeln ist auch geboten, da die Ursache für die Wiederholungsprüfung in der nicht qualitätsgerechten Erbringung der Leistung liegt. In beiden Fällen werden die Ergebnisse der Wiederholungsprüfung der Öffentlichkeit mitgeteilt (§ 115 Abs. 1a) und wirken sich somit positiv für die Einrichtungen aus."

Aus dieser ausdrücklichen Anlehnung an das Veranlassungsprinzip folgt, dass nur diejenigen Kosten auferlegt werden können, die von der Pflegeeinrichtung konkret veranlasst worden sind. Denn für die Kostenauferlegung ist maßgeblich, ob ein Veranlassungszusammenhang für die konkret abgerechneten Kosten herzustellen ist. Eine Regelung dahingehend, dass im Sinne einer Kostengrundentscheidung die Kostenlast bestimmt werden sollte, kann der Norm und der Gesetzesbegründung so nicht entnommen werden. Denn eine gesetzliche Regelung bzw. eine mit gesetzlicher Ermächtigung ergangene Verordnung besteht nicht. Damit aber liegen Regelungen über die zulässige Höhe der anzusetzenden Kosten nicht vor.

Hieraus folgt wiederum, dass die gesetzliche Grundlage lediglich ausreichend ist, tatsächlich angefallene (veranlasste) Kosten der Wiederholungsprüfung abzurechnen. Dies ist nicht der Fall für Kosten, die auch ohne eine Wiederholungsprüfung anfallen würden, wie dies etwa für den Bereich der Verwaltungskosten der Fall ist. Einen Nachweis dafür, dass Verwaltungskosten ohne eine Wiederholungsprüfung nicht angefallen wären, haben die Beklagten nicht erbracht. Indem sie eine Pauschale angesetzt haben, die sich im vorliegenden Fall aus dem hälftigen Prüfungsaufwand des MDK berechnet (150 Minuten), ist nicht einmal behauptet worden, dass überhaupt zusätzliche Kosten angefallen sind.

Ebenso verhält es sich mit dem auf den MDK entfallenden Kostenanteil in Höhe von 579,00 €. Diese Kosten ergeben sich nach Mitteilung der Beklagten aus einer bundesweiten Verständigung der Medizinischen Dienste vom 17./18. September 2008. Diese wiederum basieren auf bundesweiten Durchschnittswerten. Aufgrund einer solchen Kalkulation sei ein Tageskostensatz in Höhe von 899,60 € für eine Pflegefachkraft errechnet worden. Ausgehend von einer 38,5-Stunden-Woche ergibt sich ein Stundensatz von 116,83 €. Durch den Ansatz dieser sich aus einer Verständigung der Medizinischen Dienste ergebenen Stundensätze sind auch für diesen Teil der in Ansatz gebrachten Kosten die durch die Klägerin konkret veranlassten Kosten weder von den Beklagten behauptet noch nachgewiesen worden. Die Medizinischen Dienste haben sich mit der genannten Vereinbarung quasi eine eigene Gebührenordnung gegeben, für deren Anwendung die Rechtsgrundlage des § 114 Abs. 5 Satz 2 SGB XI jedoch nicht ausreichend ist.

Der angefochtene Kostenbescheid war hiernach insgesamt aufzuheben. Die Beklagten haben nicht substantiiert dargelegt, welche tatsächlichen Aufwendungen durch die Wiederholungsprüfung vom 25.09.2008 angefallen sind. Die Kammer war daher außerstande zu ermitteln, ob der Kostenbescheid zumindest teilweise rechtmäßig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154, 159 Satz 2 VwGO. Das Urteil ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht mit der Berufung anzugreifen. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Der Beschluss über den Streitwert ergeht nach § 52 Abs. 3 GKG.