Sozialgericht Aurich
v. 07.07.2011, Az.: S 8 KR 162/07
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 07.07.2011
- Aktenzeichen
- S 8 KR 162/07
- Entscheidungsform
- Teilurteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45155
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage auf Herausgabe von Kundenunterlagen und -daten wird abgewiesen.
Tatbestand:
Die klagende Krankenkasse nimmt den beklagten Augenoptiker im Wege der Stufenklage auf Herausgabe von Kundenunterlagen zwecks Prüfung der sachlichen Richtigkeit der Abrechnung (1. Stufe) und entsprechend dem Ergebnis der Prüfung auf die Erstattung überzahlter Rechnungsbeträge (2. Stufe) in Anspruch.
Der Beklagte nahm im streitbefangenen Abrechnungszeitraum von 2001 bis 2003 an der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit Sehhilfen teil.
Die Klägerin hat am 29.12.2007 Klage auf Auskunft und auf Erstattung überzahlter Rechnungsbeträge erhoben. Mit Schriftsatz vom 02.05.2008 hat sie mitgeteilt, dass die Klage nicht nur im eigenen Namen erhoben werde, sondern im Wege der Prozessstandschaft für alle dem VdAK/AEV angeschlossenen Ersatzkassen. Dabei handele es sich um die H., die I., die J., die K., die L., die M., die N. und O.. Sie - die Klägerin - sei von diesen Kassen mit der Prüfung der Abrechnung von Optikern betreffend die Jahre 2001 bis 2003 beauftragt worden. Dieser Prüfauftrag umfasse aus Praktikabilitätsgründen neben den nach eigenem Ermessen durchzuführenden Ermittlungen auch die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung bestehender Auskunfts- und Leistungsansprüche. In diesem Zusammenhang überreicht die Klägerin Ermächtigungs- und Abtretungserklärungen verschiedener Ersatzkassen.
Die Klägerin trägt vor, sie habe bei der Überprüfung von Abrechnungen der Jahre 2001 bis 2003 in zahlreichen Fällen, so auch im Falle des Beklagten, erhebliche Auffälligkeiten festgestellt. Der Vertrag zwischen dem P. und den Q. sowie dem R. vom 30.06.1994 (im Folgenden: Versorgungsvertrag) sehe vor, dass die Kassen ihren Versicherten Berechtigungsscheine ausstellten, über welche die Augenoptiker bestimmte Leistungen ohne vertragsärztliche Verordnung abrechnen könnten. Bei den Überprüfungen sei festgestellt worden, dass einige Optiker einen weit überdurchschnittlichen Anteil der Leistungen über Berechtigungsscheine abgerechnet hätten. Es seien zahlreiche Auffälligkeiten festgestellt worden, die es nahe legten, dass zum Nachteil der Krankenkassen Leistungen in unzulässiger Weise abgerechnet worden seien. Dabei handele es sich z. B. um die Abrechnung von Sehhilfen, auf die aufgrund bereits erfolgter Versorgung kein Anspruch bestanden habe, die Abrechnung hochwertiger Dreistärkengläser, die tatsächlich nicht abgegeben worden seien, und die Abrechnung von Tönungen ohne die erforderliche vertragsärztliche Verordnung. Die S. habe bei dem Beklagten Falschabrechnungen festgestellt, die durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen bestätigt worden seien.
Welche konkreten Abrechnungen des Beklagten mit den Ersatzkassen in welcher Weise fehlerhaft gewesen seien, könne erst nach Einsichtnahme in die entsprechenden Kundenunterlagen und einem Abgleich der darin enthaltenen Angaben mit den Berechtigungsscheinen festgestellt werden. Der Prüfungs- und Auskunftsanspruch der Krankenkasse ergebe sich aus dem Versorgungsvertrag, der eine Abrechnung auf der Grundlage von Berechtigungsscheinen zulasse und damit eine Überprüfungsmöglichkeit der Krankenkasse voraussetze. Das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) regele hinsichtlich der vertragsärztlichen Leistungserbringung umfassende Prüfungs- und Kontrollrechte der Krankenkassen. Soweit Sehhilfen ohne vertragsärztliche Verordnung auf der Grundlage von Berechtigungsscheinen abgegeben würden, bestehe eine Regelungslücke, die durch Einräumung von Prüfungs- und Auskunftsansprüchen der Krankenkassen geschlossen werden müsse. Schließlich sei der Beklagte auch nach Vertrauensgrundsätzen (§ 242 BGB) verpflichtet, ihr - der Klägerin - Einsicht in die Unterlagen zu gewähren. Davon, dass die betreffenden Unterlagen bei dem Beklagten zur Einsichtnahme zur Verfügung stünden, könne schon aufgrund der Dokumentationspflichten ausgegangen werden, denen Optiker nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) unterworfen seien. Entsprechende Dokumentationspflichten seien auch in den “Arbeitsrichtlinien für das Optikerhandwerk” niedergelegt. Im Übrigen dürfte ein Optikerbetrieb ohne Kundenkartei als betriebswirtschaftliche Einheit kaum arbeitsfähig sein.
Eine Verjährung sei nicht eingetreten, da für deren Beginn auf die Kenntnis der den Anspruch auf Auskunft begründenden Umstände abzustellen sei. Erste Verdachtsmomente seien ihr - der Klägerin - erst im Jahr 2005 bekannt geworden. Danach sei zunächst eine umfangreiche Aufklärung des Sachverhalts erforderlich gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. Auskunft zu erteilen über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 Leistungen über Berechtigungsscheine sowie auf Grund vertragsärztlicher Verordnungen für Versicherte der dem T. angeschlossenen Ersatzkassen abgerechnet hat, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Karteikarten und Lieferscheine,
2. der Klägerin die überzahlten Rechnungsbeträge, deren Gesamthöhe nach Erfüllung des Klageantrages zu 1) beziffert werden wird, zu erstatten,
hilfsweise,
Schriftsatznachlass zu gewähren zu der Frage, inwieweit sozialdatenschutzrechtliche Belange dem Herausgabeverlangen entgegen stehen könnten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erhebt hinsichtlich der Jahre 2001 und 2002 die Einrede der Verjährung. Es gelte für den geltend gemachten Rückforderungsanspruch und den Herausgabeanspruch die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren. Auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der Krankenkasse könne für den Beginn der Verjährung nicht abgestellt werden. Es könne nicht darauf ankommen, ob und wann die Krankenkasse die Abrechnung überprüfe, da sich Leistungserbringer ansonsten auch noch nach vielen Jahren Regressansprüchen der Leistungsträger ausgesetzt sehen würden.
Der geltend gemachte Herausgabeanspruch bestehe nicht, weil der Klägerin sämtliche Abrechnungsunterlagen vorlägen. Ferner hätten ihr im Rahmen des Strafverfahrens bereits die Abrechnungsdaten in Form einer Datenbank zur Verfügung gestanden und es sei auf dieser Grundlage gutachterlich eine Schadenssumme ermittelt worden. Zur Vorlage der geforderten Unterlagen sei er - der Beklagte - im Übrigen weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet. Der Gesetzgeber habe den organisatorischen Einheiten der Krankenkassen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen nach § 197a SGB V gerade keine Sonderbefugnisse oder polizeiähnliche Befugnisse eingeräumt. Zudem seien Optikerbetriebe noch nicht einmal verpflichtet, eine Kundenkartei anzulegen und zu führen. Vor diesem Hintergrund gehe der Auskunfts- und Herausgabeanspruch ins Leere. Der diesbezügliche Antrag sei auch nicht hinreichend bestimmt. Ferner entbehrten die Behauptungen der Klägerin über angebliche Falschabrechnungen jeglicher Grundlage. Da die Krankenkasse ihren Versicherten die Leistungen mit der Ausstellung der Berechtigungsscheine genehmigt hätten und die Versicherten mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der abgegebenen Sehhilfe bestätigt hätten, seien Abrechnungsmanipulationen ausgeschlossen. Zudem habe die Klägerin die Möglichkeit, die angeblichen Unregelmäßigkeiten durch Befragung ihrer Versicherten zu den tatsächlich erbrachten Leistungen zu klären. Auch könne sie die Ermittlungsakten einsehen. Einer Einsichtnahme in die Kundenkartei bedürfe es daher nicht.
Die Prozessstandschaft sei unzulässig, da es an dem erforderlichen schutzwürdigen Interesse ebenso fehle wie an der erforderlichen Offenlegung bei Klageerhebung.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Klägerin sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Aurich über das gegen den Beklagten geführte Ermittlungsverfahren (Az. U.) beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Beiakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, hinsichtlich des Herausgabebegehrens allerdings unbegründet.
Die Klägerin kann ihr Begehren auf Herausgabe von Kundenunterlagen und -daten und auf Erstattung evt. überzahlter Rechnungsbeträge im Wege der auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm. § 254 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässigen Stufenklage verfolgen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 28.02.2007, Az. B 3 KR 12/06 R). Über die erste Stufe der Klage (Herausgabe) war daher zunächst durch Teilurteil zu entscheiden.
Die Klägerin ist auch zur Prozessführung befugt, soweit sie Herausgabeansprüche anderer Ersatzkassen verfolgt. Die insoweit vorliegende gewillkürte Prozessstandschaft setzt voraus, dass der Kläger durch den Rechtsinhaber ermächtigt ist, das dem Dritten zustehende Recht im eigenen Namen geltend zu machen, und dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung hat (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 07.06.2001, Az. I ZR 49/99 mwN.). Die Klägerin trägt vor, dass sie am 26.07.2007 von den übrigen Mitgliedskassen des T. u. a. dazu ermächtigt worden sei, Auskunfts- und Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit den Abrechnungen von Augenoptikern in dem Zeitraum von 2001 bis 2003 im eigenen Namen im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen. Entsprechende schriftliche Bestätigungen der meisten beteiligten Ersatzkassen hat die Klägerin vorgelegt. Am Vorliegen einer wirksamen Ermächtigung hat das Gericht vor diesem Hintergrund keinen Zweifel, zumal sich die hier gewählte Vorgehensweise mit den Regelungen in der vorgelegten Kooperationsvereinbarung über die Wahrnehmung der Aufgaben bei der Bekämpfung von Abrechnungsmanipulation deckt. Darin ist die Beauftragung einer einzelnen Ersatzkasse mit einer umfassenden Bearbeitung des Falls vorgesehen.
Auch ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung liegt vor. Die von den übrigen Ersatzkassen mit der umfassenden Wahrnehmung der sich aus § 197a SGB V ergebenden Aufgaben beauftragte Klägerin profitiert hinsichtlich ihrer eigenen Ansprüche vom Ausgang des Rechtsstreits. Dieses reicht zur Annahme eines eigenen schutzwürdigen Interesses an der Geltendmachung fremden Rechts im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft aus (BGH aaO.). Im Übrigen hat die Klägerin in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass ein konzentriertes Vorgehen der Krankenkassen in Fällen der vorliegenden Art dem Zusammenarbeitsgebot des § 197a Abs. 3 SGB V entspricht und schutzwürdige Belange des Leistungserbringers einem solchen Vorgehen nicht entgegen stehen, da dieser den Herausgabeanspruch nur gegenüber einer einzigen Krankenkasse erfüllen muss.
Für die Zulässigkeit der Prozessstandschaft reicht es aus, dass die Klägerin diese bis zur mündlichen Verhandlung offen gelegt hat. Davon zu unterscheiden ist die an dieser Stelle nicht zu beantwortende Frage, ob der Klageerhebung am 29.12.2007 auch für die übrigen Ersatzkassen verjährungsunterbrechende Wirkung zukommt, obwohl die Prozessstandschaft in der Klageschrift nicht offen gelegt worden ist und sie auch weder offenkundig noch dem Beklagten bekannt gewesen sein dürfte.
In der Sache steht der Klägerin der geltend gemachte Herausgabeanspruch nicht zu. Bei den Kundenunterlagen, deren Vorlage die Klägerin begehrt, handelt es sich um Sozialdaten i. S. des § 67 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Danach sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- und geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben, § 67 Abs. 1 S. 2 SGB X. Diese stehe nach § 35 Abs. 4 SGB I Sozialdaten gleich. Die streitbefangenen Unterlagen enthalten damit sowohl Sozialdaten in Form personenbezogener Angaben über die Versicherten als auch Sozialdaten in Form von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Beklagten. Für das hierauf gerichtete Herausgabeverlangen der Klägerin fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.
Nach der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet. Vielmehr muss der Einzelne solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind; diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 65, 1, 43f [BVerfG 15.12.1983 - 1 BvR 209/83] mwN.). Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch - im SGB X wie im SGB V - belegt, dass der Gesetzgeber dem Sozialdatenschutz gerade in der gesetzlichen Krankenversicherung hohe Bedeutung beimisst. Den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend sind die bereichsspezifischen Normen im Ergebnis als "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" ausgestaltet worden (Urteil des BSG vom 10.12.2008 zur Weitergabe von Patientendaten durch Leistungserbringer, Az. B 6 KA 37/07 R, Rn. 17ff).
Nach § 35 Abs. 1 S. 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ist nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig (§ 35 Abs. 2 SGB I). Dabei stehen - wie bereits ausgeführt - Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Sozialdaten gleich (§ 35 Abs. 4 SGB I).
Bei der von der Klägerin begehrten Herausgabe von Unterlagen handelt es sich um das Erheben von Daten. Nach der Legaldefinition des § 67 Abs. 5 SGB X ist Erheben das Beschaffen von Daten über den Betroffenen. Es handelt sich hierbei um die Vorphase der Verarbeitung und Nutzung (vgl. von Wulffen, SGB X, § 67 Rn. 23). Dieses bedeutet, dass ein Fall des Übermittelns von Sozialdaten (§ 67 Abs. 6 Nr. 3 SGB X) nicht vorliegt. Übermitteln als eine Form der Verarbeitung von Sozialdaten ist nach der gesetzlichen Definition das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Sozialdaten an einen Dritten. Die Klägerin ist nicht "Dritter" i. S. dieser Vorschrift. Dritter ist nach § 67 Abs. 10 S. 2 SGB X jede Person oder Stelle außerhalb der verantwortlichen Stelle. Die Klägerin ist "verantwortliche Stelle", da sie Sozialdaten für sich selbst erhebt, verarbeitet oder nutzt (vgl. § 67 Abs. 9 S. 1 SGB X). Ein Übermitteln würde damit nur dann vorliegen, wenn die Klägerin bei ihr bereits gespeicherte Daten an einen Dritten weitergeben würde.
Nach § 67a Abs. 2 S. 1 SGB X sind Sozialdaten beim Betroffenen zu erheben. Ohne seine Mitwirkung dürfen sie bei anderen als den in § 35 SGB I bzw. in § 69 Abs. 2 SGB X genannten Stellen oder Personen, mithin auch bei Optikern, nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt (§ 67a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Buchst. a) SGB X). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Sozialdatenschutz allein den Regelungen des Sozialgesetzbuchs unterliegt (BT-Drucks 12/5187, 36). Eine Vorschrift, die den Optikern die Übermittlung von Kundenunterlagen an die Krankenkasse ausdrücklich vorschreibt, ist nicht ersichtlich. Nach § 284 Abs 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V sind die Krankenkassen zwar befugt, Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung zu erheben, soweit dies für die Abrechnung mit den Leistungser-bringern, einschließlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnung, erforderlich ist. Bei wem die Sozialdaten erhoben werden dürfen, bestimmt die Vorschrift allerdings nicht. § 302 Abs. 1 SGB V zählt aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend auf, welche Angaben Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel den Krankenkassen zu übermitteln haben. Dazu gehören u. a. Angaben über die erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis, den Tag der Leistungserbringung, die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit der Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund, nicht aber die Vorlage der Kundendatei. § 303 Abs. 1 SGB V ermächtigt die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen, mit den Leistungserbringern zu vereinbaren, dass der Umfang der zu übermittelnden Abrechnungsbelege eingeschränkt oder bei der Abrechnung von Leistungen von einzelnen Angaben ganz oder teilweise abgesehen werden kann. Eine gesetzliche Ermächtigung, den Umfang der vorzulegenden Belege demgegenüber auszuweiten und etwa bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung die Vorlage der Kundendatei vorzusehen, ist nicht ergangen. Eine diesbezügliche vertragliche Regelung ohne gesetzliche Ermächtigung wäre auch deswegen nicht zulässig, weil die bereichsspezifischen Regelungen des SGB V und SGB X als abschließend zu verstehen sind (vgl. BSG aaO., Rn. 34). Vor diesem Hintergrund scheidet die von Klägerseite begehrte ergänzende Auslegung des Versorgungsvertrags von vorneherein aus. Selbst wenn von den Vorschriften des SGB V und SGB X abweichende vertragliche Regelungen im Bereich des Sozialgeheimnisses zulässig wären, ist anzumerken, dass die Einräumung eines Zugriffsrechts der Krankenkassen auf die Kundendatei des Optikers einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung bedurft hätte, zumal sich die Optiker in § 8 des Versorgungsvertrages zur Geheimhaltung personenbezogener Daten entsprechend den Vorschriften des SGB X verpflichtet haben.
Der Gesetzgeber hat den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen in § 197a SGB V keine weitergehenden Rechte eingeräumt, insbesondere - worauf die Beklagtenseite zutreffend hinweist - keine polizeiähnlichen Befugnisse. § 197a Abs. 1 S. 2 SGB X sieht lediglich vor, dass die organisatorischen Einheiten zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen Kontrollbefugnisse nach § 67 Abs. 3 SGB X wahrnehmen. Dieses bedeutet, dass die innerhalb der jeweiligen Organisation vorhandenen personenbezogenen Daten zum Zwecke des § 197a Abs. 1 SGB V verwendet werden dürfen. Das Recht zur Datenerhebung bei Dritten ist damit nicht verbunden.
Schließlich ergibt sich auch aus den Vorschriften der §§ 97ff SGB X (Zusammenarbeit der Leistungsträger mit Dritten) keine Verpflichtung des Beklagten zur Vorlage von Kundenunterlagen. In Betracht kommt insoweit allein § 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X, der allerdings lediglich die Erteilung von Auskünften, nicht aber die Vorlage von Unterlagen vorsieht (vgl. BSG-Urteil vom 23.07.2002 zum Recht der Krankenkassen auf Einsichtnahme in Patientenunterlagen, Az. B 3 KR 64/01 R, Rn. 19).
Entgegen der Auffassung der Klägerseite liegt keine planwidrige Regelungslücke vor, weil die Abgabe von Sehhilfen ohne vertragsärztliche Verordnung allein aufgrund sog. Berechtigungsscheine "systemwidrig" wäre. Denn das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung schließt nach der Rspr. des BSG (Urteil vom 16.04.1998, Az. B 3 KR 9/97 R mwN.) den Leistungsanspruch des Versicherten auf ein Hilfsmittel nicht aus, der Arztvorbehalt des § 15 Abs 1 Satz 2 SGB V gilt insoweit nicht. Eine Analogie zu "Prüfungs- und Auskunftsrechten" gegenüber anderen Leistungserbringern kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht, wobei gesetzliche Regelungen über die Vorlage von Patienten- oder Kundenunterlagen bei den Krankenkassen ohnehin nicht ersichtlich sind.
Zwar können nach § 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) SGB X bei den Leistungserbringern Sozialdaten auch dann ohne Mitwirkung des Betroffenen erhoben werden, wenn die Aufgaben der Krankenkassen nach dem Sozialgesetzbuch ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen (§ 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b Buchst. aa) oder die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b Buchst. bb). Ein Anspruch der Krankenkassen, die für erforderlich gehaltenen Unterlagen vom Adressaten der Erhebung zu erhalten, lässt sich aus dieser Vorschrift allerdings nicht ableiten (BSG-Urteil vom 23.07.2002, Az. B 3 KR 64/01 R, Rn. 19).
Die Befugnis zur Datenerhebung und zur Datenübermittlung ist nach der Rspr. des BSG (aaO., Rn. 20) streng zu unterscheiden. Die gesetzliche Ermächtigung der Krankenkassen zur Datenerhebung besagt - so das BSG - lediglich, dass sich die Krankenkassen die Daten über den Versicherten beschaffen dürfen. Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Personen oder Stellen, bei denen die Daten angefordert werden, ihrerseits auch zur Übermittlung befugt oder gar verpflichtet sind. So werden in den §§ 284 bis 293 SGB V (Zehntes Kapitel, 1. Abschnitt) die Informationsgrundlagen, insbesondere die Datenerhebungsbefugnisse der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen geregelt, während in den §§ 294 bis 303 SGB V (Zehntes Kapitel, 2. Abschnitt) spiegelbildlich die entsprechenden Pflichten der Leistungserbringer zur Datenübermittlung bestimmt werden. Auch das SGB X regelt im Zweiten Kapitel (§§ 67 bis 85a) die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Übermittlung von Sozialdaten durch Leistungsträger wie die Krankenkassen zulässig ist, während die Auskunftspflichten Dritter gegenüber den Leistungsträgern Gegenstand des Dritten Kapitels des SGB X (§§ 86 bis 119) sind.
Da nach alledem der Herausgabeanspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht, können die weiteren aufgeworfenen Fragen tatsächlich und rechtlicher Art offen bleiben. Dieses gilt insbesondere für die Frage, ob die entsprechend anzuwendende vierjährige Verjährungsfrist der §§ 45 Abs. 1 SGB I, 113 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG-Urteile vom 28.09.2006, Az. B 3 KR 20/05 R, und vom 28.02.2007, Az. B 3 KR 12/06 R) bereits abgelaufen ist.
Das Gericht hat im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot des § 106 Abs. 2 SGG keinen Anlass gesehen, der Klägerseite Schriftsatznachlass zu den angesprochenen Fragen des Sozialdatenschutzes zu geben. Nach § 128 Abs. 2 SGG, der den wesentlichen Inhalt des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs wiedergibt, darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. In der mündlichen Verhandlung sind keine neuen Tatsachen zu Tage getreten, zu denen rechtliches Gehör hätte gewährt werden müssen. Auch die erörterten Rechtsfragen waren den Beteiligten geläufig und bereits Gegenstand der im vorbereitenden Verfahren ausgetauschten Schriftsätze. Insbesondere haben die Beteiligten ihre Rechtsauffassungen zu den Rechtsgrundlagen für das geltend gemachte Herausgabeverlangen ausführlich dargestellt und dabei auch sozialdatenschutzrechtliche Fragen angesprochen. Bereits in ihrer Klageerwiderung vom 14.02.2008 (S. 3/4) hat die Prozessbevollmächtigte des Beklagten geltend gemacht, dass sich eine rechtliche Verpflichtung zur Herausgabe u. a. nicht aus dem Sozialgesetzbuch ergebe. Besondere Befugnisse zum Zugriff auf fremde Daten enthielten weder § 197a SGB V noch § 67c Abs. 3 SGB X. Auch § 276 Abs. 2 S. 1 SGB V sei insoweit nicht einschlägig. Hierauf haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 02.05.2008 erwidert, dass sich ihr Auskunftsanspruch in Analogie zu den im SGB V vorgesehenen Prüfungs- und Auskunftsrechten der Krankenkassen gegenüber anderen Leistungserbringern ergebe. Ferner ist darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem Vorgehen der Klägerin um die Wahrnehmung ihres gesetzlichen Auftrags nach § 197a SGB V handele. Mit Schriftsatz vom 21.07.2008 hat der Beklagte wiederum geltend gemacht, dass sich dem Sozialgesetzbuch gerade kein Recht der Klägerin auf Einsichtnahme oder Herausgabe entnehmen lasse. Weiter ist ausgeführt worden, dass § 197a SGB V den Krankenkassen keine Sonderbefugnisse oder gar polizeiähnliche Befugnisse einräume. In ihrem Schriftsatz vom 15.06.2009 (S. 4) ist die Beklagtenseite erneut auf diesen Aspekt eingegangen. Ein Rechtsanspruch auf Herausgabe sei nicht ersichtlich. Es stelle sich auch die Frage nach dem Datenschutz, der insbesondere durch Einblicke in die Kundendatei verletzt sein könnte. Hierzu hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 25.06.2009 (S. 6) unter Hinweis auf §§ 67c Abs. 1 u. 3, 67d Abs. 1, 69 Abs. 1 Ziff. 1 2. Alt. SGB X sowie § 197a SGB V die Auffassung vertreten, dass datenschutzrechtliche Belange einer Einsichtnahme in die Kundendatei nicht entgegen stünden. Schließlich hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die sozialdatenschutzrechtlichen Gesichtspunkte sowie die einschlägigen BSG-Entscheidungen hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten, § 197a Abs. 1 S. 1 SGG iVm. § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Auch eine Festsetzung der Streitwerts erfolgt erst, wenn eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht (§ 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).