Sozialgericht Aurich
Urt. v. 23.06.2011, Az.: S 15 AS 91/09

Anspruch auf Übernahme von Heizkosten nach dem SGB II als Zuschuss; Hilfebedürftigkeit trotz vorhandenen Grundbesitz; Verwertbarkeit von Vermögen

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
23.06.2011
Aktenzeichen
S 15 AS 91/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 43399
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGAURIC:2011:0623.S15AS91.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LSG Niedersachsen-Bremen - AZ: L 13 AS 225/11

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid des Beklagten vom 23.04.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2008 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Die Bescheide des Beklagten vom 23.05.2008 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 29.12.2008 sowie vom 17.12.2008 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 21.01.2009 und vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2009 werden abgeändert.

  3. 3.

    Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für die Leistungszeiträume 01.02. - 31.07.2008 und 01.02. - 31.07.2009 darlehensweise erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie die für die Heizperiode 2008/2009 darlehensweise erbrachten Heizkosten in Höhe von 765,- Euro als Zuschuss zu bewilligen.

  4. 4.

    Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten und dem Land Niedersachsen die Kosten des Sachverständigengutachtens des Gutachterausschusses des GLL zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die darlehensweise bewilligten Leistungen für den Zeitraum 01.02. bis 31.07.2008 und 01.02. bis 31.07.2009 sowie die ebenfalls darlehensweise bewilligten Heizkosten in Höhe von 765,- Euro als Zuschuss zu bewilligen sind.

Die Kläger standen bereits im Zeitraum 2005 bis Januar 2007 bei dem Beklagten im SGB II-Leistungsbezug. Während dieser Zeit wurden die Leistungen als Zuschuss bewilligt. Nachdem der Kläger zu 1) für ein Jahr eine Beschäftigung gefunden hatte, beantragten die Kläger am 01.02.2008 erneut Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten.

Der Kläger zu 1) war zum Zeitpunkt der erneuten Antragstellung Eigentümer eines Hausgrundstücks in K. (L.). Das Grundstück ist 6.227 qm groß und mit einem Haus bebaut. Ferner verfügte er über ein weiteres unmittelbar angrenzendes Grundstück von 2.056 qm, das unbebaut ist. Die beiden Grundstücke wurden dem Kläger zu 1) durch Übertragungsvertrag vom 05.10.1993 (Urkunden-Rolle M. des Notars N.) von seinem Vater O. (geb. P.) gegen Einräumung eines Wohnrechts zu seinen Gunsten und zu Gunsten seiner Lebensgefährtin Q. (geb. R.) sowie eines Nutzungsrechts an einem Teil der Fläche übertragen. Die Wohnungsrechte wurden im Grundbuch eingetragen.

In dem Übertragungsvertrag wird in § 8 ferner ausgeführt: "Sollte die Lebensgefährtin des Vaters vor dem Vater versterben oder aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen die Betreuung und Pflege des Vaters nicht mehr durchführen, ist der Sohn verpflichtet, zusammen mit seiner Ehefrau, den Vater in dessen Wohnung zu betreuen und mit Essen und Trinken sowie mit allem was zum täglichen Leben gehört zu versehen. Im Falle der Gebrechlichkeit und Krankheit des Vaters hat der Sohn dafür zu sorgen, dass der Vater so gepflegt wird, wie es sein Gesundheitszustand erfordert. Bei Erkrankung des Vaters hat der Sohn auch für die Herbeirufung des Arztes und Beschaffung der notwendigen Medikamente Sorge zu tragen."

Das Haus verfügt über zwei Wohneinheiten: Die eine Wohnung wird von den Klägern bewohnt und hat eine Wohnfläche von 111,2 qm, die zweite Wohnung wird aufgrund des Wohnrechtes vom Vater des Klägers und seiner Lebensgefährtin bewohnt und hat (incl. der Küche im Wirtschaftsteil des Gebäudes) eine Wohnfläche von 145,5 qm.

Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger auf Erbringung von SGB II-Leistungen als Zuschuss mit Bescheid vom 23.04.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, allein die unmittelbar zum Haus gehörige Grundstücksfläche sei mit einer Größe von 1.387 qm nicht mehr angemessen und damit kein Schonvermögen. Das aus dem Wohn- und Wirtschaftsgebäude und diesem Grundflächenanteil bestehende Vermögen habe einen Wert von 100.000,- Euro und schließe die Hilfebedürftigkeit der Kläger aus.

Nachdem die Kläger auf Verlangen des Beklagten eine Sicherungshypothek im Grundbuch eintragen ließen, bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 23.05.2008 für den Zeitraum 01.02. bis 31.07.2008 darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die Kläger legten gegen beide Bescheide Widerspruch ein und trugen vor, eine Vermögensverwertung komme lediglich für einen Teil der Grundfläche in Betracht, nicht aber für die Grund- und Gebäudefläche insgesamt. Angesichts eines insoweit zu berücksichtigenden Quadratmeterpreises von 0,50 Euro würden damit aber die ihnen zustehenden Freibeträge nicht überschritten.

Der Beklagte wies die Widersprüche mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 29.12.2008 als unbegründet zurück und führte aus, ländlich gelegene Hausgrundstücke seien nur bis zu einer Größe von 800 qm als angemessen anzusehen. Die Überschreitung dieser Grenze führe dazu, dass das Hausgrundstück insgesamt zu verwerten sei. Dabei sei ein Wert von ca. 100.000,- Euro anzunehmen. Angesichts eines Bausparguthabens in Höhe von 2.283,17 Euro sowie der weiteren Sparbucheinlagen (3,66 Euro) sei selbst dann, wenn man das Wohnrecht mit ca. 40.000,- Euro in Abzug bringe, von einem verwertbaren Vermögen in Höhe von 63.314,83 Euro auszugehen. Der Freibetrag in Höhe von 14.100,- Euro (Kläger zu 1: 39 Jahre mal 150 Euro, Klägerin zu 2: 40 Jahre mal 150 Euro sowie 3 mal 750 Euro Anschaffungsfreibetrag) werde damit deutlich überschritten.

Am 13.11.2008 beantragte der Kläger zu 1) bei dem Beklagten eine Brennstoffbeihilfe für die Heizperiode 2008/2009. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 17.12.2008 darlehensweise 765,- Euro. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers, der sich lediglich gegen die darlehensweise Bewilligung richtete, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2009 als unbegründet zurück.

Mit Weiterbewilligungsantrag vom 08.01.2009 beantragten die Kläger die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 01.02.2009. Der Beklagte bewilligte ihnen mit Bescheid vom 28.01.2009 SGB II-Leistungen für den Zeitraum 1.2. - 31.7.2009 darlehensweise. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2009 als unbegründet zurück.

Die Kläger haben gegen sämtliche Bescheide Klagen erhoben, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden wurden. Sie sind der Auffassung, es komme allenfalls die Verwertung eines Teils der Grundfläche in Betracht. Der dafür zu erzielende Ertrag liege deutlich unterhalb des Vermögensfreibetrages.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23.05.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2008 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 23.04.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2008 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 17.12.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2009 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für die Leistungszeiträume 01.02. bis 31.07.2008 und 01.02. bis 31.07.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss zu bewilligen sowie die bewilligten Heizkosten in Höhe von 765,- Euro ebenfalls als Zuschuss zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei aufgrund des bei ihm vorhandenen Vermögens nicht hilfebedürftig. Das Hausgrundstück sei nicht von angemessener Größe und damit kein Schonvermögen. Die Verwertbarkeit werde auch nicht durch die eingetragenen Rechte beeinträchtigt. Auch mit diesen Rechten sei das Hausgrundstück veräußerbar, die Veräußerung sei auch zumutbar.

Im weiteren Verlauf hat der Kläger mit Vertrag vom 21.07.2008 (Nr. S. Notar T., U.) und Vertrag vom 02.09.2008 (Nr. V. des Notars W. in U.). den wesentlichen Teil der Grundfläche für 3.500,- Euro an seinen Vater O. (geb. P.) verkauft.

Das Gericht hat ein Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte bei der Behörde für Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften (GLL), X., eingeholt. Danach habe das Objekt unter Berücksichtigung des Wohnrechts zum Stichtag 01.02.2008 einen Wert von 90.000,- Euro und zum Stichtag 01.02.2009 einen Wert von 91.000,- Euro und sei trotz der Wohnungsrechte veräußerbar. Der Verwertungszeitraum sei allerdings länger als bei marktgängigen Objekten und liege zwischen 6 und 12 Monaten.

Das Gericht hat ferner die Verwaltungsakten des Beklagten (Y.) beigezogen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, inhaltlich ist sie auch begründet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Kläger trotz des vorhandenen Grundbesitzes hilfebedürftig und haben damit einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss. Zwar handelt es sich bei dem Hausgrundstück um Vermögen, das grundsätzlich verwertbar ist, da es kein Schonvermögen darstellt. Die Verwertung ist indes aufgrund der daraus resultierenden besonderen Härte nicht zumutbar.

Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten Personen, die u.a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II).

Der Begriff Vermögen wird in Gesetz selbst nicht definiert und ist nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 15/1516, S. 53) in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG zum Recht der Arbeitslosenhilfe zu bestimmen (vgl. etwa BSG, U. v. 02.07.2009 -B 14 AS 33/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 25; U. v. 15.04.2008 -B 14/7b AS 52/06 R, NDV-RD 2008, 120). Danach ist Vermögen der Bestand an Sachen und Rechten in Geld oder Geldeswert, der dem Hilfebedürftigen oder einem sonstigen Einstandspflichtigen gehört (BSG, U. v. 11.02.1976 - 7 RAr 159/74, BSGE 41,187; U. v. 20.06.1978 - 7 RAr 47/77, BSGE 46, 271; U. v. 12.05.1993 - 7 RAr 56/92, BSGE 72, 248). Jedenfalls alle nach zivilrechtlichen Grundsätzen im Eigentum der jeweiligen Person stehenden Sachen (Mobilien und Immobilien) sowie Forderungen, Anwartschaften und sonstige Rechte, deren Inhaber der Betroffene ist, fallen unter den Vermögensbegriff. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Antragstellung nach § 37 SGB II (BSG, U. vom 07.05.2009 - B 14 AS 4/08 R).

Das im Eigentum des Klägers zu 1) stehende Hausgrundstück "C." in Z. ist grundsätzlich nicht von der Berücksichtigung als Vermögen ausgeschlossen.

Als Vermögen ist u. a. nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Bei dem Begriff der angemessenen Größe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BSG, U. v. 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R; U. v. 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R). Maßstab für die Ausfüllung des Begriffs der Angemessenheit sind die Grundsätze des bis zum 31.12.2001 gültigen zweiten Wohnungsbaugesetzes, nach dessen § 39 Abs. 1 Eigenheime mit einer Größe von 130 qm und Eigentumswohnungen mit einer Größe von 120 qm im Rahmen des öffentlichen Wohnungsbaurechts förderungsfähig und nach der ständigen Rechtsprechung des BSG damit vor der Verwertung geschütztes, sogenanntes Schonvermögen darstellen (BSG a.a.O.). Dabei geht das Gericht von einer Belegung mit 4 Personen aus und nimmt für jede Person mehr oder weniger Zuschläge oder Abzüge von 20 qm vor (vgl. BSG, U. v. 29.03.2007 - B 7b AS 12/06, in: NZS 2008, 100 [BSG 29.03.2007 - B 7b AS 12/06 R]). Welche Rolle die Grundstücksgröße bei der Frage der Angemessenheit spielt und ob insoweit ebenfalls feste Grenzwerte anzunehmen sind, ist vom Bundessozialgericht bislang nicht abschließend entschieden worden (vgl. U. v. 15.04.2008 -B 14/7b AS 34/06 R). Die Kammer brauchte sich mit dieser Rechtsfrage vorliegend nicht zu befassen, da bereits die Wohnfläche mit insgesamt ca. 256 qm, verteilt auf zwei Wohnungen, den Rahmen der Angemessenheit deutlich überschreitet. Das streitgegenständliche Grundstück ist daher nicht als Schonvermögen generell vor der Verwertung geschützt.

Der Vermögensgegenstand ist grundsätzlich auch verwertbar.

Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können, das BSG stellt insoweit auf die Möglichkeit des "Versilberns" ab (vgl. U. v. 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R; U. v. 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R). Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Gemäß § 12 Abs. 4 SGB II ist das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen, für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen gestellt wird.

Tatsächlich nicht verwertbar sind dagegen Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden ist, wobei maßgebend für die Prognose im Regelfall der 6-monatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist (vgl. BSG a. a. O.). Für diesen Bewilligungszeitraum muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Ist in diesem 6-Monats-Zeitraum eine wie auch immer geartete Verwertung möglich, sind die Leistungen gemäß § 9 Abs. 4 i. V. m. 23 Abs. 5 SGB II als Darlehen zu gewähren.

Gem. § 9 Abs. 4 SGB II ist auch derjenige hilfebedürftig, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen (§ 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II). Daraus lässt sich entnehmen, dass Vermögen, das nicht sofort, aber irgendwann während des sechsmonatigen Bewilligungszeitraums zu "Versilbern" ist, zu einer darlehensweisen Leistungsbewilligung führt. Ist die Verwertung dagegen auch innerhalb dieses sechsmonatigen Zeitraums nicht zu realisieren, ist die Leistung als Zuschuss zu bewilligen, da in absehbarer Zeit kein für den Lebensunterhalt verfügbarer Betrag zur Verfügung stehen wird.

Die Verwertung wird vorliegend insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, dass zugunsten des Vaters des Klägers und seiner Lebensgefährtin ein Wohnungsrecht gemäß § 193 BGB bewilligt und im Grundbuch eingetragen wurde.

Der vom Gericht beauftragte Gutachterausschuss für Grundstückswerte bei der GLL X. hat dazu ausgeführt, dass das Objekt auch mit den Wohnungsrechten veräußerbar sei, da sich die Wohnungsrechte nur auf die Wohnräume im Erdgeschoss bezögen und die Wohnung im Dachgeschoss frei nutzbar sei. Auf ergänzende Anfrage des Gerichts hat der Gutachterausschuss weiterhin ausgeführt, dass der Vermarktungszeitraum bei einem Zweifamilienhaus, welches mit einem Wohnungsrecht über eine Wohnung belastet ist, auf 6 bis 12 Monate geschätzt werde, während der übliche Vermarktungszeitraum bei einer Standardimmobilie ca. 3 bis 6 Monate betrage. Diese Zahlen beruhten auf einer Einschätzung der als Makler tätigen Mitglieder des Gutachterausschusses. Tatsächlich seien die Wohnobjekte in den letzten 4 Jahren lediglich bei 0,27 % der Verkaufsfälle mit einem Wohnungsrecht belastet gewesen.

Die Kammer folgt grundsätzlich dieser Einschätzung des Gutachterausschusses. Da derartige Objekte nur für eine ganz spezielle Käuferschicht interessant sein dürften, geht die Kammer des Weiteren davon aus, dass es sich bei dem genannten Zeitfenster um einen Mindestzeitraum handelt, die Verwertungsdauer jedenfalls nicht geringer einzuschätzen ist.

Aufgrund dieses Ergebnisses des Sachverständigengutachtens sind den Klägern die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum 01.02. bis 31.07.2008 als Zuschuss und nicht lediglich als Darlehen zu erbringen, da das Vermögen in Form des Hausgrundstücks "C." in Z. nicht in absehbarer Zeit verwertbar ist. Ausgehend von einer Antragstellung am 01.02.2008 war nach diesen Feststellungen jedenfalls bis zum 31.07.2008 eine Verwertung durch Verkauf nicht möglich.

Für die sich anschließenden Leistungszeiträume schließt das Hausgrundstück "C." in Z. die Hilfebedürftigkeit nicht aus, da die Verwertung dieses Vermögensgegenstandes für den Kläger zu 1) und seinen Vater eine besondere Härte bedeuten würde.

Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II). Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BSG, U. v. 08.02.2007 - B 7a AL 34/06 R; U. v. 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei maßgeblich nur außergewöhnliche Umstände sind, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst Recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (vgl. BSG, U. v. 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R). Die Härtefallregelung erfasst atypische Fälle, bei denen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls der Vermögenseinsatz die Betroffenen unbillig belasten und den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht gerecht würde (vgl. BSG zum SGB XII, U. v. 19.05.2009, B 8 SO 7/08 R; Bundesverwaltungsgericht zum BSHG, U. v. 26.01.1966 in BVerwGE 23, 149 ff). Eine besondere Härte kann sich nicht nur aus den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Hilfebedürftigen, sondern auch aus den besonderen persönlichen Umständen ergeben, die mit einer Vermögensverwertung verbunden sind, wie etwa eine schwerwiegende familiäre Konfliktsituation (BSG, U. v. 06.05.2010, B 14 AS 2/09 R).

Der Vater des Klägers zu 1) hat diesem die streitgegenständliche Immobilie u.a. gegen Einräumung eines Wohnungsrechts zu seinen Gunsten sowie zugunsten seiner Lebensgefährtin übertragen. Ferner hat der Kläger zu 1) im Übertragungsvertrag die Verpflichtung übernommen den Vater zu betreuen, zu verpflegen und im Falle der Gebrechlichkeit und Krankheit entsprechend seinem Gesundheitszustand zu pflegen. Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung ist, dass der Sohn die zweite im Hause befindliche Wohnung bewohnt. Der Gutachterausschuss hat die von ihm angenommene Veräußerbarkeit des Objekts trotz der bestehenden Wohnungsrechte dagegen in erster Linie daraus hergeleitet, dass ein evtl. Käufer als neuer Eigentümer die nicht mit Wohnungsrechten belastete Wohnung selbst bewohnen könnte. Voraussetzung für eine Verwertung ist mithin ein Auszug des Klägers zu 1) und seiner Familie. Der Kläger zu 1) wird durch einen Verkauf der Immobilie mithin außerstande gesetzt seinen Verpflichtungen nachzukommen, er wird faktisch vertragsbrüchig; die vom Vater angestrebte Regelung seiner Altersversorgung bzw. seines Lebensabends würde stark beeinträchtigt, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Dieses Ergebnis wäre in besonderem Maße unbillig, da die Übernahme der Betreuungs- und Pflegeverpflichtung durch den Kläger zu 1) neben der Einräumung des Wohnrechts die maßgebliche Gegenleistung für die Übertragung der Immobilie gewesen ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger zu 1) neben einem vergleichsweise geringfügigen Schuldenerlass in Höhe von 30.000,- Euro keine weitere Gegenleistung erbracht hat. Ohne Übernahme dieser Verpflichtung stünde die streitgegenständliche Immobilie mithin überhaupt nicht im Eigentum des Klägers zu 1). Der Kläger zu 1) würde aufgrund dieser Umstände durch eine Verwertung der Immobilie deutlich stärker getroffen, als andere Immobilienbesitzer durch die mit der Veräußerung eines derartigen Objekts stets verbundenen Beeinträchtigungen.

Von besonderer Bedeutung bei der Wertung der vorliegenden Umstände als besondere Härte sowohl für den Kläger zu 1), als auch für dessen Vater waren weiterhin die im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Leitvorstellungen des Gesetzgebers. Bereits im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches (SGB I) wird dazu ausgeführt: "Das Recht des Sozialgesetzbuches soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, , die Familie zu schützen und zu fördern und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe auszugleichen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 SGB I)". In § 1 SGB II hat der Gesetzgeber dies weiter spezifiziert und die Aufgaben und Ziele der Grundsicherung für Arbeitsuchende definiert. Dort heißt es u.a.: "Die Leistungen der Grundsicherung sind insbesondere darauf auszurichten, dass die familienspezifischen Lebensverhältnisse von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die Kinder erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, berücksichtigt werden" (§ 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 SGB II). Bei diesen Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB I und § 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 SGB II handelt es sich zwar lediglich um sog. Programmsätze, aus denen indes objektiv rechtliche Verpflichtungen erwachsen, u.a. sind sie zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe heranzuziehen (vgl. BSG, U. v. 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R; U. v. 30.09.2008 - B 4 AS 28/07 R; Groth, in: GK-SGB II § 1 Rdn. 5 ff.). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass im Falle des Vaters des Klägers zu 1) der Zustand der Pflegebedürftigkeit noch nicht eingetreten ist. Bei der gebotenen weiten Auslegung dieser Programmsätze ist jedoch auch die Schaffung der für eine spätere Pflege erforderlichen Struktur zu berücksichtigen. Auch darf nicht verkannt werden, dass der Kläger zu 1) durch Übernahme entsprechender Verpflichtungen die Allgemeinheit entlastet. Diese Vorgehensweise ist insgesamt als schutzwürdig im Sinne der genannten Aufgaben und Ziele der Grundsicherung anzusehen.

Ob eine Verwertung darüber hinaus auch offensichtlich unwirtschaftlich wäre, lässt die Kammer ausdrücklich offen.

Auch eine andere Form der Verwertung, etwa durch Beleihung, kommt nach Überzeugung der Kammer vorliegend nicht in Betracht. Angesichts von Lage und Ausstattung der Immobilie sowie angesichts eines Wertes, der durch die Wohnrechte bereits um ca. 35 % gemindert ist, dürfte sich bereits kein Kreditinstitut finden, dass dieses Objekt beleiht. Darüber hinaus wäre aber auch eine Verwertung durch Beleihung als besondere Härte anzusehen, da diese Verwertungsform den Kläger und seinen Vater in gleicher Weise treffen würde; denn aufgrund der einzutragenden Grundpfandrechte könnte das beleihende Kreditinstitut jederzeit die Zwangsvollstreckung betreiben und die Konstellation würde sich nicht anders darstellen als oben ausgeführt.

Die Kosten des GLL-Gutachtens sind von dem Beklagten zu übernehmen.

Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden (§ 192 Abs. 4 Satz 1 SGG).

Dem Beklagten war bereits im Verwaltungsverfahren bekannt, dass es sich um eine mit einem Wohnungsrecht belastete Immobilie handelte. Die Frage, ob derartige Immobilien überhaupt und wenn ja, zu welchen Bedingungen und in welchem Zeitraum verwertbar sind, lag daher auf der Hand. Die Notwendigkeit der Aufklärung dieser Tatsachen ergibt sich aus den obigen Ausführungen. Die Auferlegung der Kosten für das Sachverständigengutachten ist vor allem deshalb angezeigt, weil dem Land Niedersachsen durch die Ermittlung erhebliche Kosten entstanden sind, während der Beklagte dies erheblich kostengünstiger hätte ermitteln können (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X).

Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 193 SGG.

Frank