Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 01.02.2005, Az.: 1 A 140/01

Abschiebungshindernis; Abschiebungsverbot; Asyl; Asylbewerber; Bedrohung; politische Verfolgung; Richtlinie; Verfolgung; Vietnam

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
01.02.2005
Aktenzeichen
1 A 140/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50987
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG ist die Richtlinie 2004/83/EG zu beachten und zu berücksichtigen.

2. Aussagen bedürfen - bei Fehlen von Unterlagen - dann keines weiteren Nachweises mehr, wenn die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 der gen. Richtlinie erfüllt sind.

3. Fehlt eine kohärente und widerspruchsfreie Begründung iSd gen. Richtlinie, dann kann regelmäßig auch nicht mehr eine Feststellung gem. § 60 Abs. 1 AufenthG getroffen bzw. zu einer solchen verpflichtet werden.

Tatbestand:

1

Die beiden Kläger reisten im Jahre 2000 auf dem Landwege in das Bundesgebiet ein und stellten durch ihre Mutter im Februar 2001 Asylanträge.

2

Bei ihrer Anhörung am 8. März 2001 gaben sie an, 1999/2000 hätten sie in Vietnam Probleme mit einer Mafia-Bande gehabt und seien deshalb nicht mehr zur Schule gegangen. Ihre Mutter sei mehrmals zur Polizei vorgeladen worden, diese sei einmal auch zu ihnen nach Hause gekommen.

3

Diese Asylgründe wurden bei der Anhörung von der Mutter der Kläger bestätigt, deren eigener Asylantrag durch Bescheid des Bundesamtes vom 2. Mai 2000 abgelehnt worden war. Ihre dagegen gerichtete Klage ist durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 20. August 2001 - 1 A 119/00 - abgewiesen worden.

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Durch den angefochtenen Bescheid vom 25. April 2001 wurde der Asylantrag der beiden Kläger abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG nicht vorliegen. Zugleich erging eine Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung nach Vietnam.

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Dem im Mai 2001 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde durch Beschluss vom 2. Juli 2001 (1 B 19/01) in der Weise entsprochen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage deklaratorisch festgestellt wurde.

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Zur Begründung ihrer am 11. Mai 2001 erhobenen Klage tragen die Kläger zunächst vor, nach den Schwierigkeiten mit der Mafia-Bande seien sie in Vietnam mehrfach umgezogen, um sich Nachstellungen zu entziehen. Weiterhin tragen sie unter Bezug auf den Klagevortrag ihrer Mutter im Asylverfahren 1 A 119/00 vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig vor , ihre Mutter sei auf dem Polizeirevier für 48 Std. festgehalten worden, weil sie den vietnamesischen Staat beschimpft habe. Anschließend sei sie als Lehrerin beurlaubt worden mit der Begründung, sie habe nicht die richtige politische Einstellung für die Erziehung von Kindern. Sie habe dann staatskritische Zeitungsausschnitte anonym an die Polizei versandt, sei danach ständig beobachtet und schließlich erneut vorgeladen worden. Danach habe für ca. ½ Jahr Ruhe geherrscht. In den Schulferien habe jedoch eine Haussuchung stattgefunden, wobei auch Zeitschriften gefunden worden seien. Danach habe sie die Ausreise organisiert und sei nach Deutschland gekommen.

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Die Kläger beantragen,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 25. April 2001 zu verpflichten festzustellen, dass bezüglich der Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG vorliegen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und dessen Gründe

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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1. Nach dem allein maßgeblichen (BVerwGE 74, 3 [BVerwG 06.02.1986 - BVerwG 5 C 40/84]; Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. § 82 Rdn. 10 aE), in der mündlichen Verhandlung vom 1. Febr. 2005 formulierten Antrag geht es den Klägern lediglich noch um ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. um Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Die Anerkennung als Asylberechtigte, in der Klageschrift vom 10. Mai 2001 noch angekündigt, ist inzwischen mit der Klarstellung des Antrages ohne Bedeutung.

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2. Die Voraussetzungen eines Abschiebungsschutzes gem. § 60 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor. Denn die geltend gemachte Bedrohung von Leben oder Freiheit - bzw. auch anderer existentieller Güter (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. § 51 Rdn. 4 - ist auch unter gebührender Berücksichtigung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates v. 29.4. 2004 (Amtsbl. der EU L 304/12 v. 30.9.2004) nicht anzunehmen. Die Kläger können daher nicht als Flüchtlinge iSd Genfer Konvention oder als Personen mit subsidiärem Schutzstatus (Art. 18 der gen. Richtlinie) anerkannt werden (§ 3 AsylVfG). Auch Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 2-7 AufenthG stehen ihnen nicht zur Seite.

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Nach § 60 Abs. 1 AufenthG iVm der gen. Richtlinie darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit (oder auch andere existenzielle Gefahren) wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist bzw. aus seiner Sicht eine begründete Furcht vor Verfolgung (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie) bestehen kann. Soweit damit vorausgesetzt ist, dass der Ausländer im Herkunftsland "bedroht" ist, lässt sie erkennen, dass eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dieser Rechtsgutsverletzung bestehen muss und die bloße, selbst durch Präzedenzfälle bestätigte Möglichkeit allein noch nicht ausreicht. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Bedrohung ist aufgrund einer individuellen Prüfung und Wertung (Art. 4 Abs. 3 Richtlinie) dann zu bejahen, wenn bei der zusammenfassenden Wertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung (Art. 9 der Richtlinie) sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Umständen überwiegen (vgl. dazu schon BVerfGE 54, 341/354; BVerwG, DÖV 1993, 389 [BVerwG 03.11.1992 - BVerwG 9 C 21/92]; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.8.1993 - 11 L 5666/92 ). Soweit die gen. Richtlinie in Art. 2 c) und Art. 4 Abs. 4 die subjektive „Furcht des Antragstellers vor Verfolgung“ zum Ausgangspunkt nimmt und auf diese Weise in § 60 Abs. 1 AufenthG ein - schon früher in § 51 Abs. 1 AuslG enthaltenes (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. § 51 AuslG Rdn. 4) - subjektives Element trägt, ist es so, dass auch diese Furcht „begründet“ sein muss (Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie). Auch der in der gen. Richtlinie angesprochene Wille, nicht in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren (Art. 2 c), muss auf eine „begründete Furcht vor Verfolgung“ zurückgehen. Eine derart sachlich begründete Furcht der Kläger ist hier bei prognostischer Beurteilung und Wertung nicht feststellbar. Damit fehlt eine Bedrohung iSv § 60 Abs. 1 AufenthG.

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Dabei mag zugunsten der Kläger davon ausgegangen werden, dass bei Fehlen von Unterlagen oder sonstigen Beweisen zur Begründung ihres Antrages ihre Aussagen dann „keines Nachweises“ mehr bedürfen, wenn die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie erfüllt sind, u.a. also einerseits die Aussagen der Kläger „kohärent und plausibel“ sind und zu besonderen wie allgemeinen Informationen „nicht in Widerspruch stehen“ (Art. 4 Abs. 5 c) der Richtlinie) sowie andererseits ihre „generelle Glaubwürdigkeit“ festgestellt worden ist. Auch mag Ausgangspunkt sein, dass eine Verfolgung in der Vergangenheit ein „ernsthafter Hinweis“ darauf sein kann, dass die Furcht vor Verfolgung auch tatsächlich begründet ist (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie), falls keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen.

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3. Die Kläger haben bei dieser Ausgangslage nicht darlegen und nachvollziehbar belegen können, dass sie eine tatsächlich begründete Furcht vor Verfolgung haben (dürfen).

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3.1 Zunächst kann nicht auf diejenigen Ausführungen und Gründe zurückgegriffen werden, welche von der Mutter der Kläger vorgetragen worden sind: Im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 20. August 2001 - 1 A 119/00 - ist ihr Vortrag als „unglaubhaft“ und „widersprüchlich“ eingeschätzt und das auch so festgestellt worden (S. 5 des Urteils). Damit fehlt eine Grundlage für die Annahme, dass eine Verfolgungsmaßnahme, die sich nur gegen ein Familienmitglied richtet, kraft gegenseitiger Abhängigkeit sehr oft ja auch in die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der miteinander verbundenen Familienmitglieder hineinwirkt und im hier vorliegenden Fall eine solche - genügend gravierende - Einwirkung auf die familiären Beziehungen gegeben sein könnte (mittelbare Wirkung von Verfolgungsmaßnahmen). Nach dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig existieren keine Verfolgungsmaßnahmen gegen die Mutter der Kläger, so dass es auch keine mittelbaren Auswirkungen geben kann.

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3.2 Weiterhin haben die Kläger zur Begründung ihrer Klage lediglich auf die in ihrer Anhörung beim Bundesamt vom 6. März 2001 genannten Gründe Bezug genommen (S. 2 d. Klageschrift v. 10.5.2001) und sonstige Gründe nicht weiter vorgetragen. Da die Klägerin zu 2) weder zu dieser Anhörung noch zur mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2005 erschienen ist, kann nur auf die vom Kläger zu 1) - offenbar stellvertretend auch für die Klägerin zu 2) - dargelegten Gründe abgestellt werden. Diese reichen nicht aus und vermögen eine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. vor einem erheblichen Schaden nicht zu belegen.

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3.3 Denn die vorgetragenen Gründe sind nicht in der erforderlichen Weise kohärent und widerspruchsfrei (Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie): Bei der Anhörung ging es vor allem und im Schwerpunkt der Darlegungen um eine „Mafia-Bande“, vor der die Mutter der Kläger Angst hatte und vor der sich die Kläger dann zuhause „verkrochen“ haben (S. 4 der Anhörung). Ca. 1 Monat nach den Vorfällen wollen die Kläger deshalb dann nicht mehr zur Schule gegangen sein. Erst auf eine Nachfrage des Einzelentscheiders beim Bundesamt kam die Sprache auf „die Polizei“, welche die Mutter der Kläger „ein paar Mal vorgeladen“ habe, u.zw. in der Zeit, als die Familie nach Hanoi umgezogen sei. Auf die weitere Nachfrage, ob die Polizei auch „bei Euch zu Hause war“, antwortete der Kläger zu 1) damals: „Wahrscheinlich einmal“, auf weitere Nachfrage dann noch, er sei „einmal da gewesen, als die Polizei gekommen ist. Meine Mutter hat mich weggeschickt. Sie wollte sich allein mit denen unterhalten“. - Von einer „Hausdurchsuchung“ anstelle einer „Unterhaltung“ bzw. einem „langen Gespräch“ (S. 7 oben der Anhörung), wie sie jetzt am 1. Februar 2005 geschildert wurde, war bei der Anhörung noch keinerlei Rede. Damals wurde auch das angebliche „Weinen“ der Schwester mit Zufluchtsuchen bei der Mutter nicht erwähnt sowie die unmittelbar auf die dargestellte „Hausdurchsuchung“ erfolgte angebliche Flucht. Nach den Darstellungen bei der Anhörung war es vielmehr so, dass die Kläger ca. ½ bis 1 Monat lang - gerechnet vom Bericht der Mutter über die Probleme mit der im Mittelpunkt stehenden „Mafia-Bande“ - noch weiterhin zur Schule gegangen sind, der Schulbesuch dann jedoch abgebrochen wurde. Ein Zusammenhang dieses Schulabbruchs mit einer angeblichen Hausdurchsuchung, die überhaupt nicht erwähnt worden ist, hat es jedoch nach den damaligen Schilderungen überhaupt nicht gegeben.

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3.4 Unter diesen Umständen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass in Vietnam eine Vorverfolgung irgendwelcher Art stattgefunden hat, die Indiz dafür sein könnte, dass die Furcht der Kläger vor einer Verfolgung begründet sein könnte (Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie). Soweit tatsächlich eine „Mafia-Bande“ tätig gewesen sein sollte, was in Vietnam möglich gewesen sein könnte, dürfte diese aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit heute - im Jahre 2005 - keine Bedrohung mehr darstellen, was als stichhaltiger Grund gegen eine „erneute Verfolgung“ bei einer Rückkehr nach Vietnam spricht.

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3.5 Des Weiteren kommt hier als Anknüpfungspunkt für eine künftige Bedrohung der Kläger in Vietnam auch nicht - unter Einbeziehung der jüngsten (negativen) Veränderungen in Vietnam - eine Bestrafung wegen einer exilpolitischen Betätigung der Kläger in Deutschland in Betracht, u.zw. insbesondere nicht gemäß Art. 73 und gemäß der Art. 82 und 85 des vietnamesischen Strafgesetzbuches (vietStGB). Diese Bestimmungen sanktionieren „Aktionen zum Sturz der Volksregierung“, „Propaganda gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung“ und „Flucht und Verbleib im Ausland zwecks Opponieren gegen die Volksregierung“. Sie sind auch auf exilpolitische Tätigkeiten anwendbar (OVG Saarland, Urt. v.10.2. 1999 - 9 R 18/97 -). Da diese Vorschriften auf die Gesinnung des einzelnen abzielen und erhebliche Freiheitsstrafen vorsehen - bei besonders schwerwiegenden Straftaten „von 1o bis 2o Jahren“ - , sind sie in ihrer rechtsstaatlich unbestimmten Fassung als politische Strafverfolgungsvorschrift zu werten (so ausdrücklich auch das NdsOVG, Urt. v. 19.4.1994 - 11 L 530/92 -). Exilpolitische Aktivitäten haben die Kläger jedoch selbst nicht ansatzweise vorgetragen, so dass sich Anhaltspunkte für eine Bestrafung unter diesem Gesichtspunkt nicht ergeben.

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3.6 Soweit in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2005 die Einziehung des Klägers zu 1) zum Militärdienst angesprochen worden ist, gibt es beim derzeitigen Sach- und Streitstand unter Berücksichtigung der widersprüchlichen Aussagen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 1) der Sohn einer - aus Sicht des vietnamesischen Staates - „verdächtigen Mutter“ sein könnte.

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3.7 Weiterer Anknüpfungspunkt für Verfolgungsmaßnahmen gegen die Kläger ist auch nicht die Tatsache, dass es in Vietnam sog. „administrative Haftstrafen“ auf der Grundlage der Regierungsverordnung Nr. 31-CP v. 14. April 1997 (Lagebericht d. Ausw. Amtes v. 26.2.1999) gibt, für deren Verbüßung mittlerweile in nahezu jeder vietnamesischen Provinz ein zentrales Lager eingerichtet worden ist. (vgl. Der Einzelentscheider-Brief v. Febr. 1999). Allerdings sind verläßliche Erkenntnisse über die vietnamesische Praxis in diesem Bereich „nur schwer zu erhalten“ (so Bericht des Ausw. Amtes v. 26.2.1999 - Stand: Febr. 1999), so daß unklar ist, welche Personen aufgrund welcher Erkenntnisse in die unstreitig existierenden Lager verbracht und dort „abgestraft“ werden.

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Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen der Kammer ist im vorliegenden Fall unter Einbeziehung dessen, dass die Kläger - von Belästigungen durch eine „Mafia-Bande“ abgesehen - offenbar unverfolgt in Vietnam gelebt haben, prognostisch die beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Bedrohung iSv § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle der Rückkehr nicht anzunehmen. Denn bei zusammenfassender Wertung und Würdigung des unterbreiteten Lebenssachverhaltes besitzen die für eine Verfolgung sprechenden Umstände nicht das erforderliche Gewicht und überwiegen deshalb nicht gegenüber den dagegen sprechenden tatsächlichen Umständen (vergl. BVerwG, DÖV 1993, 389 [BVerwG 03.11.1992 - BVerwG 9 C 21/92]).

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Nach allem sind die Kläger nicht als Flüchtlinge iSv § 3 AsylVfG iVm § 60 Abs. 1 AufenthG, Art. 4 der Richtlinie 2004/83/EG v. 29.4.2004 anzuerkennen, ist also nicht festzustellen, dass in ihrer Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

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4. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG kommen den Klägern nicht zugute. Sie sind weder von Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) noch von der Todesstrafe (§ 50 Abs. 3 AufenthG) bedroht. Nach Lage der Dinge droht ihnen auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSv Art. 3 EMRK (vgl. EGMR, NVwZ 1992, 256 [BVerfG 13.09.1991 - 2 BvR 355/91]; Prügelstrafe, harte Haft- oder Verhörmethoden bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen und „Hirnwäschen“), u.zw. auch nicht in Form der in der Soz. Rep. Vietnam allerdings besonders naheliegende Administrativhaft ohne jede Anklage (siehe dazu oben die Regierungsverordnung vom 14. April 1997; § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 5 EMRK). Genügend ernsthafte Anhaltspunkte (BVerwGE 78, 285 / 295) für das Drohen einer solchen Gefahr liegen hier nicht vor. Auch für ein insgesamt unfaires gerichtliches Verfahren (§ 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 6 EMRK) bestehen hier keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, wenngleich das wenig rechtsstaatlich geprägte, mehr an Willkür orientierte Justizsystem Vietnams grundsätzlich kaum ein faires Verfahren iSv Art. 6 EMRK erwarten läßt, falls ein solches eingeleitet wird. Da die Kläger vor dem Verlassen Vietnams jedoch keine unmenschliche Behandlung erlitten haben, sondern allenfalls allgemeine Belästigungen durch eine „Mafia-Bande“, scheidet im Rahmen des § 60 AufenthG eine Beweislastumkehr für individuelle und konkrete Gefahren, wie sie bei vorverfolgten Asylbewerbern anerkannt ist, im Falle der Kläger aus (dazu Marx, ZAR 1991, 125 / 127)

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Aus § 60 Abs. 7 AufenthG haben die Kläger ebenfalls keinen Anspruch auf eine (Soll-) Entscheidung zu ihren Gunsten, da es für sie keine erhebliche konkrete Gefahr iSv Satz 1 gibt.

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5. Letztlich können sich die Kläger auch nicht auf verfassungsunmittelbare Abschiebungshindernisse berufen (vgl. BVerfGE 51, 386 [BVerfG 18.07.1979 - 1 BvR 650/77] / 396), hier etwa auf den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG). Denn der Asylantrag ihrer Mutter ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 20. August 2001 - 1 A 119/00 - rechtskräftig abgelehnt worden, so dass es nunmehr der gesamten Familie als Einheit möglich ist, gemeinsam nach Vietnam auszureisen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr.11, 711 ZPO.