Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 16.02.2005, Az.: 5 A 118/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 16.02.2005
- Aktenzeichen
- 5 A 118/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43117
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2005:0216.5A118.04.0A
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand' Zweitwohnungssteuer
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2005 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Zweitwohnungssteuerbescheide der Beklagten vom 22. Mai 2003 und 2. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2004 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich mit ihrer Klage gegen die Festsetzung von Zweitwohnungssteuern.
Die 1981 geborene Klägerin studiert seit Herbst 2001 an der Universität E.. In E. wohnt sie mit einer Kommilitonin in einer 42,2 qm großen abgeschlossenen Mietwohnung. Während der Semesterferien und an den vorlesungsfreien Wochenenden hält sie sich in dem von ihrer Mutter bewohnten Haus in F. auf, wo sie ein Zimmer hat. Mit Hauptwohnsitz ist die Klägerin in F. und mit Nebenwohnsitz in E. gemeldet. Die Klägerin erhält Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 186,-- EUR als Zuschuss bzw. als unverzinsliches Dar lehen. Daneben erhält sie aus einer Tätigkeit als Hilfslehrerin 110,40 EUR monatlich.
Mit zwei Bescheiden vom 22. Mai 2003 wurde die Klägerin von der Beklagten für das zweite Halbjahr 2002 zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 73,20 EUR und für das Jahr 2003 zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 146,40 EUR herangezogen. Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom 2. Januar 2004 setzte die Beklagte gegen die Klägerin für das Jahr 2004 eine weitere Zweitwohnungssteuer in Höhe von 146,40 EUR fest. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 21. Januar 2004 ebenfalls Widerspruch eingelegt.
Zur Begründung ihrer Widersprüche hat die Klägerin vorgetragen, für ihre "Hauptwohnung" in F. habe sie keine finanziellen Mittel aufzubringen, an denen ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemessen werden könnte. Die Wohnung in E. diene ihr ausschließlich zu Studienzwecken. Sie halte sich hier nur während der Studien- und Vorlesungszeiten auf. Unter diesen Umständen könne aus der Anmietung der Wohnung am Studienort nicht auf eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden. Dies gelte um so mehr, weil ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überhaupt erst durch BAföG Leistungen hergestellt und gesichert werde. Die Beklagte müsse diesem Umstand mit einem Befreiungs- oder zumindest Ermäßigungstatbestand in ihrer Zweitwohnungssteuersatzung Rechnung tragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2004 hat die Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer für die zu Ausbildungszwecken genutzte Zweitwohnung sei rechtmäßig und widerspreche nicht dem Gleichheitssatz. Der Inhaber einer Zweitwohnung erbringe mit der Zweitwohnungssteuer einen Ausgleich für die Inanspruchnahme der Infrastruktur der Gemeinde, die er mit seiner Zweitwohnung nutzt. Gemeinden erhielten im kommunalen Finanzausgleich nur für Einwohner mit einem Hauptwohnsitz in der Gemeinde Schlüsselzuweisungen zur Erledigung ihrer Aufgaben. Durch die Erhebung der Zweitwohnungssteuer werde ein gewisser Ausgleich dafür geschaffen, dass auch den Zweitwohnungsinhabern die kommunalen öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen, jedoch nur Inhaber von Hauptwohnungen bei dem Aufkommen aus Einkommens- und Umsatzsteuer über den Finanzausgleich berücksichtigt werden.
Melderechtlich sei die Entscheidung der Klägerin, den Hauptwohnsitz in F. beizubehalten und E. als Nebenwohnung zu bestimmen, nicht zu beanstanden. Jedoch müsse generell von allen Inhabern der im Bereich der Beklagten liegenden Zweitwohnungen die Zweitwohnungssteuer erhoben werden. Dabei sei es unerheblich, von wem und mit welchen Mitteln die Zweitwohnung finanziert werde. Ausschlaggebend für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer sei der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand sei typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es sei nicht praktikabel, wenn in jedem Fall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt werden müsste. Die Herausnahme von Studenten aus der Zweitwohnungssteuerpflicht würde eine Ungleichbehandlung der Zweitwohnungssteuerinhaber bedeuten. Der Hinweis auf die BAföG Leistungen sei nicht nachzuvollziehen, weil die Besteuerung nur eine Folge der persönlichen Entscheidung der Klägerin sei, die Hauptwohnung nicht in E. zu nehmen.
Mit der am 15. Juni 2004 von der Klägerin dagegen erhobenen Klage macht sie geltend, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit reiche nicht aus, sich am Hauptwohnsitz in F. eine eigene Wohnung zu nehmen. Sie bewohne im Haus ihrer Mutter in F. eines der "Kinder zimmer". Nur für das Studium habe sie in E. gemeinsam mit einer Kommilitonin eine kleine Zweitwohnung bezogen. Dass die Anmietung einer Studentenwohnung eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beweise, treffe schon im Ansatz bei einer Studentin nicht zu, die wie sie ihr Studium mit BAföG Zahlungen finanziere. Auch die Stadt F. habe Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren. Unverständlich sei der Hinweis der Beklagten, die Besteuerung sei Folge der persönlichen Entscheidung, die Hauptwohnung nicht in E. zu nehmen. Für sie verstoße das Verhalten der Beklagten sowohl gegen die Grundsätze des Melderechts als auch des Aufwandssteuerrechts.
Die Klägerin beantragt,
die Zweitwohnungssteuerbescheide der Beklagten vom 22. Mai 2003 und vom 2. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Be klagten vom 24. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin verfüge über eine melderechtliche Hauptwohnung in F. und über eine Zweitwohnung im Sinne ihrer Zweitwohnungssteuersatzung in E.. Maßgeblich für die Feststellung des Innehabens mehrerer Wohnungen sei allein das Melderecht. Aus dem Umstand, dass die Klägerin in E. mit einer Nebenwohnung gemeldet sei, ergebe sich, dass auch eine Hauptwohnung existiere. Die formale Anknüpfung an den melde rechtlichen Begriff der Nebenwohnung sei von der Rechtsprechung anerkannt. Deshalb bedürfe es auch keiner gesonderten Definition der Hauptwohnung in der Zweitwohnungssteuersatzung. Die Legaldefinition der Wohnung beziehe sich allein auf die Voraussetzungen für die Annahme einer Zweitwohnung, die die Steuerpflicht auslöse. Deshalb sei für die erforderliche Ausstattung der melderechtlichen Hauptwohnung in der Zweitwohnungssteuersatzung keine Regelung getroffen worden. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, einzelne Personenkreise bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer generell durch Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände zu berücksichtigen. Es bestehe auch kein Anlass, im Falle der Klägerin von der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer aus Gründen der Billigkeit abzusehen.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 28. Juli 2004 (5 B 34/04) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Die von der Beklagten dagegen eingelegte Beschwerde hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. September 2004 (13 ME 375/04) verworfen.
Die Kammer hat der Klägerin mit Beschluss vom 8. Oktober 2004 für das Klageverfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteilig ten, auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Gerichtsakte 5 B 34/04 verwiesen.
Gründe
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten, mit der die Klägerin zu Zweitwohnungssteuern für die Jahre 2002, 2003 und 2004 herangezogen worden ist, sind rechtswidrig.
Die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 28. Juli 2004 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren folgendes ausgeführt:
"Voraussetzung für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer nach Maßgabe der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer vom 22. März 2002 -ZwStS -ist, dass der Steuerpflichtige zwei Wohnungen unterhält und gem. § 1 Abs. 2 a ZwStS die "Zweitwohnung" in E. dem Steuerpflichtigen als Nebenwohnung im Sinne des Niedersächsischen Meldegesetzes dient. Rechtliche Voraussetzung für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer ist zunächst, dass der Steuerpflichtige überhaupt zwei Wohnungen zur eigenen Nutzung unterhält. Aus dem Wesen der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG folgt, dass nur der besondere Aufwand für das Innehaben einer zwei ten Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf neben der Hauptwohnung be steuert werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 4. 2000, 11 C 12/99, BVerwGE 111, 122 (125)). Deshalb kann nur der Aufwand besteuert werden, den der Steuer pflichtige für die Unterhaltung einer Wohnung neben der Hauptwohnung hat. Die Steuerpflicht setzt somit voraus, dass der Steuerpflichtige überhaupt eine Hauptwohhung im Sinne des steuerrechtlichen Wohnungsbegriffs hat.
Für die Begründung der Steuerpflicht ist es zunächst rechtlich unerheblich, wenn der Steuerpflichtige unter Zugrundelegung des Wohnungsbegriffs des § 7 des Niedersächsischen Meldegesetzes idF. vom 20. November 2001 (Nds.GVBI. S. 701) - NMG - an zwei verschiedenen Orten gem. § 8 NMG mit Haupt- und Nebenwohnung gemeldet ist. Denn als Wohnung im Sinne des Melderechts gilt gem. § 7 S. 1 NMG bereits "jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird". Grundlegende Voraussetzung für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer ist jedoch, dass die Erst- oder Hauptwohnung und die Zweit- oder Nebenwohnung jeweils eine Wohnung im Sinne des in § 1 Abs. 3 ZwStS geregelten steuerrechtlichen Wohnungsbegriffs ist. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der genannten Satzungsbestimmung, der bestimmt, was "Wohnung im Sinne die ser Satzung" ist. Die Satzung erwähnt an verschiedenen Stellen die Haupt- und Zweitwohnung, so dass schon deshalb für beide Wohnungen von einem einheitli chen steuerrechtlichen Wohnungsbegriff ausgegangen werden muss. Hinzu kommt, dass auch nach Sinn und Zweck der Steuer die Hauptwohnung mindestens die Anforderungen der Nebenwohnung erfüllen muss, weil nur dann überhaupt von einer steuerrechtlich relevanten "Zweitwohnung" gesprochen werden kann.
Gemäß § 1 Abs. 3 ZwStS ist Wohnung im Sinne der Satzung
"jede baulich abgeschlossene Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen bestimmt ist, zu der eine Küche oder Kochgelegenheit sowie eine Toilette und ein Bad oder eine Dusche gehören."
Hier ist bereits zweifelhaft, ob die Antragstellerin über eine "Haupt oder Erstwohnung" nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 ZwStS verfügt. Die Antragstellerin hat im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Antragsverfahren ausgeführt, dass sie im angemieteten Haus ihrer Mutter in F. wohnt und sich in F. keine eigene Wohnung leisten könne. Dieser Vortrag lässt darauf schließen, dass die Antragstellerin im Hause ihrer Mutter zwar ein Zimmer, nicht aber über eine eigene abgeschlossene Wohnung mit Küche oder Kochgelegenheit und eigener Toilette oder Bad verfügt. Die Antragsgegnerin hat im Verwaltungsverfahren keine Feststellungen zu dieser für die Steuererhebung grundlegenden Frage getroffen. Die Kammer geht deshalb im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, in dem eine weitere Sachaufklärung grundsätzlich nicht erfolgt, davon aus, dass die Antragstellerin in F. über keine eigene abgeschlossene Wohnung im Sinne des § 1 Abs. 3 ZwStS verfügt, sodass schon deshalb die Voraussetzungen für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer im Falle der Antragstellerin voraussichtlich nicht vorliegen. Diese Frage wird evtl. im Hauptverfahren noch weiter aufzuklären sein. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung vom 12. April 2000 (BVerwGE 111, 122 (129)) festgestellt, dass im Bereich der in diesem Verfahren beklagten Landeshauptstadt Hannover Studenten und Auszubildenden nicht zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden, weil die Beklagte davon ausgehe, dass diese in der Wohnung ihrer Eltern, für die sie mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, keine abgeschlossene Erstwohnung zur Verfügung haben.
Auch im Übrigen hat die Kammer erhebliche Bedenken, ob die Antragstellerin von der Antragsgegnerin zur Zweitwohnungssteuer veranlagt werden kann. Mit der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass grundsätzlich auch Studenten, die zwei eigene Wohnungen im Sinne des § 1 Abs. 3 ZwStS innehaben, mit der melde rechtlichen Nebenwohnung zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 6. Dezember 1983 ausdrücklich festgestellt, dass die Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2 a GG auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellt. Das Innehaben einer weiteren Wohnung neben der Hauptwohnung erfordere in aller Regel die Aufwendung finanzieller Mittel und sei damit Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ausschlag gebendes Merkmal für die Steuerpflicht sei "der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden" (vgl. BVerf-GE 65, 325 (347)). Für die Abgrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen spiele es keine Rolle, aus welchen Gründen der Aufwand in Form der Haltung einer Zweitwohnung betrieben werde (vgl. BVerfGE 65, 325 (357)). Das bedeutet, dass ent sprechend der Auffassung der Antragsgegnerin grundsätzlich unabhängig von dem Zweck der Nutzung der Zweitwohnung jeder Zweitwohnungsinhaber und da mit grundsätzlich auch jeder Student in den Kreis der steuerpflichtigen Personen einbezogen werden kann.
Eine andere, von der Antragsgegnerin bisher offenbar nicht weiter beachtete Frage betrifft das Problem, ob nicht rechtlich zwingend für einzelne Personenkreise wie beispielsweise Studenten bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände greifen müssen. In ihrer Zweitwohnungssteuersatzung vom 22. März 2002 hat die Antragsgegnerin in § 1 Abs. 4 ZwStS lediglich für zwei Fälle, die hier offenkundig nicht vorliegen, Befreiungstatbestände in ihre Satzung aufgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 1983 jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es dem Satzungsgeber unbenommen bleibt, unter Beachtung des Gleichheitssatzes weitere Ermäßigungstatbestände oder Befreiungstatbestände vorzusehen (vgl. BVerfGE 65, 325 (357)).
Für Studenten, die eine Zweitwohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung in der Stadt E. unterhalten, ist damit weder generell noch im Einzelfall ein Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestand vorgesehen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Antragsgegnerin bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer von Studenten in besonderem Maße im Einzelfall prüfen muss, ob eine Ermäßigung oder Befreiung von der Steuerpflicht gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 b NKAG i.V.m. § 163 Abs. 1. Satz 1 AO in Betracht kommt. Im Rahmen des von der Antragsgegnerin auszuübenden Ermessens ist dies möglich, wenn die Erhebung der Steuer "nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre". Es liegt auf der Hand und ist offenkundig, dass bei der Mehrzahl der Studenten das Vorhalten einer zweiten Wohnung am Stand ort der Universität nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, was die Erhebung der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer recht fertigt. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. April 2000 zu beurteilenden Sachverhalt (vgl. BVerwGE 111, 122 ff) ist der von einem Studenten am Universitätsort getätigte Aufwand zum Unterhalt einer Nebenwohnung am Studienort nicht typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich eine durch die örtlichen Gegebenheiten bedingte und unabwendbare Notwendigkeit, um ein Studium außer halb des Hauptwohnsitzes am Sitz der Universität durchführen zu können. Mit dem Innehaben der Wohnung wird deshalb in diesen Fällen keine die Steuererhebung rechtfertigende besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck ge bracht, zumal diese in der Regel auch nicht vorliegt. Bezieht beispielsweise ein Student, der eine Zweitwohnung am Universitätsstandort E. unterhält, Leistungen nach dem BAföG und finanziert damit sein Studium und die Miete seiner weiteren Wohnung, so ist offensichtlich, dass von einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit keine Rede sein kann. In diesen Fällen drängt sich die Prüfung, ob die Festsetzung der Zweitwohnungssteuern nach Lage des Falles unbillig ist, auch ohne ausdrücklichen Antrag auf. Dass dies auch aus Rechtsgründen zu einer Befreiung von der Steuerpflicht führen kann, hat des Finanzgericht Bremen in seinem Urteil vom 1. Februar 2000 (AZ: 299283 K 2, KStZ 2000,171(173)) damit begrün det, dass "aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zwingend abzuleiten (sei), dass Studenten, die Leistungen nach dem BAföG erhalten, von der Zahlung der Zweitwohnungssteuer generell befreit sein" müssten. Dies alles deutet darauf hin, dass auch im Übrigen erhebliche Zweifel an der Erhebung der Zweitwohnungssteuer von Studenten ohne jede Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles bestehen.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der einzelne Student durch die melderechtliche Bestimmung seiner Wohnung in E. zur "Hauptwohnung" der Steuerpflicht entgehen und die Antragsgegnerin zur Erhöhung der Finanzzuweisungen durch das Land Niedersachsen an der Begründung von "Hauptwohnungen" durch Studenten in E. interessiert ist. Einmal verbietet es sich wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke des Meldegesetzes und der Steuerhebung von selbst, die melde rechtlichen Verhältnisse in einen unmittelbaren Bezug zur grundsätzlichen Steuerpflicht zu stellen. Es ist deshalb unangebracht, die erforderliche Billigkeitsprüfung durch den Hinweis auf die Möglichkeit der Begründung des Hauptwohnsitzes, selbst wenn dies melderechtlich überhaupt möglich sein sollte, zu unterlassen. Dass sich auch sonst jeder rechtlich beachtliche Zusammenhang zwischen der persönlichen Zweitwohnungssteuerpflicht und den finanziellen Auswirkungen der jeweiligen Wohnungsanmeldung für die Antragsgegnerin im Rahmen der Finanzzuweisung verbietet, versteht sich von selbst."
An diesen Feststellungen hält die Kammer auch unter Berücksichtigung des Vertrages der Beklagten in diesem Klageverfahren fest.
Die Klägerin hat im Klageverfahren erläutert und glaubhaft gemacht, dass sie bei ihrer Mutter in F. keine abgeschlossene Wohnung mit eigener Küche und eigener Toilette oder Bad bewohnt. Das von ihr bewohnte "Kinderzimmer" in F. erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 ZwStS für die Annahme einer steuerpflichtigen Wohnung.
Die Kammer hält nach erneuter Prüfung der Rechtslage auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten im Klageverfahren daran fest, dass die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer voraussetzt, dass zunächst eine "Erst- oder Hauptwohnung" im Sinne des § 1 Abs. 3 ZwStS vorliegt. Die mit der Zweitwohnungssteuer verfolgte Besteuerung eines besonderen Aufwandes, aus dem auf eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden kann, setzt voraus, dass die Grundlagen für die Annahme des entsprechenden Steuertatbestands gegeben sind. Der Steuertatbestand verlangt, dass der Steuerpflichtige zwei Wohnungen im Sinne des steuerrechtliehen Wohnungsbegriffes unterhält, weil nur daraus tatsächlich auf die geforderte besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden kann. Deshalb kann es für die Definition der Zweitwohnung nicht allein auf die melderechtlichen Bestimmungen, die gem. § 7 NMG einen anderen Wohnungsbegriff zur Grundlage haben, ankommen. Aus den melderechtlichen Verhältnissen (Haupt- und Nebenwohnung) kann nur geschlossen werden, wo der Betreffende seinen Lebensmittelpunkt hat und damit melderechtlich mit seiner Hauptwohnung und wo er melderechtlich mit einer Nebenwohnung gemeldet ist.
Dies entspricht auch dem von der Beklagten definierten Steuertatbestand in § 2 Abs. 1 ZwStS. Danach ist steuerpflichtig, wer im Stadtgebiet "melderechtlich eine Zweitwohnung innehat". Auch dies schließt nach Auffassung der Kammer nicht aus, dass für die Erfüllung des Steuertatbestandes der Steuerpflichtige zunächst eine Erst- oder Hauptwohnung innehaben muss. Der Hinweis in dieser Vorschrift, dass Inhaber einer Zweitwohnung der jenige ist, "dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken" macht dies noch einmal deutlich. Weil für die melderechtliche Anerkennung eines Hauptwohnsitzes nicht das für die Steuererhebung maßgebliche Vorhalten einer abgeschlossenen Wohnung erforderlich ist, kann allein durch die Betrachtung der melderechtlichen Verhältnisse nicht auf das Vorliegen des Steuertatbestandes (Innehaben von zwei Wohnungen) geschlossen werden. Vielmehr geht es bei der Heranziehung des Melderechtes in § 2 Abs. 1 ZwStS für die Bestimmung der Zweitwohnung allein dar um, dass beim Vorhalten von zwei Wohnungen im steuerrechtlichen Sinne die melde rechtlichen Verhältnisse dafür ausschlaggebend sind, welche Wohnung als Hauptwohnung und welche als Neben- und damit als eventuell steuerpflichtige Zweitwohnung zu bewerten ist. Gegen eine solche Verständnis der genannten Vorschrift bestehen auch keine rechtlichen Bedenken, weil der Satzungsgeber klarstellen muss, welche der beiden Wohnung die "Zweitwohnung" sein soll, die die Steuerpflicht auslöst.
Die Beklagte kann regelmäßig ohne großen Verwaltungsaufwand die Frage, ob der Inhaber einer Zweitwohnung auch eine steuerrechtlich bedeutsame Erstwohnung innehat, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens klären. Zum einen kann sie den Steuerpflichtigen auffordern, die Wohnverhältnisse für beide Wohnungen im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen. Dies hat dieser schon jetzt für die Prüfung des Innehabens einer "Zweitwohnung" zu leisten. In Zweifelfällen hat sie zum anderen die Möglichkeit, im Wege der Amtshilfe der Gemeinde, in der die Erstwohnung liegt, um die Aufklärung des entsprechenden Sachverhaltes zu bitten.
Weiterhin hält die Kammer auch die Pflicht der Beklagten zur Prüfung, ob in] Falle der Klägerin eine Ermäßigung oder Befreiung von der Steuerpflicht gem. § 11 Abs. 1 Nr. 4 b NKAG i. V. m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht kommt, aufrecht. In einer Universitätsstadt ist es offenkundig, dass bei der Mehrzahl der Studenten das Innehaben einer abgeschlossenen Wohnung am Studienort regelmäßig nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, was Voraussetzung zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer ist. Wenn Anhaltspunkte für einen vom Steuergrundtatbestand abweichenden Sachverhalt erkennbar oder glaubhaft gemacht sind, hat gem. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens darüber zu entscheiden, ob die Erhebung der Steuer nach Lage des Einzelfalles ganz oder teilweise unbillig ist. Nur auf diese Weise könnte, selbst wenn eine Zweitwohnungssteuerpflicht bei einem Studenten bestehen sollte, den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen wer den und damit bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Wohnungsinhabers Rechnung getragen werden.
Der Klage ist damit in vollem Umfang zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vor läufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Berufung ist gem. § 124 a Abs. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 366,- EUR festgesetzt.