Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 23.02.2005, Az.: 1 A 54/03

Fremdauftrag; Hauptamt; Modellversuch; Nebentätigkeit; Privatgutachten; Splittingverbot

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.02.2005
Aktenzeichen
1 A 54/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50768
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung einer von ihm angezeigten Nebentätigkeit.

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Er ist Universitätsprofessor an der Universität D.. Mit Schreiben vom 27.11.2001 beantragte er die Genehmigung einer Nebentätigkeit, u.zw. im Rahmen eines Forschungsauftrages für den Gemeindeunfallversicherungsverband E., den Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband, Gemeindeunfallversicherungsverband F., die Barmer Ersatzkasse und das Bundesamt für Gesundheit der G.. Die genannten Projektträger schlossen mit der Universität D. einen Vertrag als Projektnehmer und daneben einen Vertrag mit dem Kläger selbst. Inhalt des erstgenannten Vertrages, unterzeichnet am 10.7.2002 vom Kanzler der Universität, ist die Durchführung eines 5-jährigen Modellversuchs. Im Projekt mit dem Namen „H.“ soll die Förderung der psychischen Gesundheit von Sekundarstufenschülerinnen und -schülern in Deutschland und in der Schweiz erprobt werden. Der Kläger war als Leiter dieses Projektes im Rahmen seines Hauptamtes vorgesehen. Im Vertrag mit dem Kläger selbst - vom Kläger am 8.7.2002 unterzeichnet - wurde diesem die Entwicklung von Evaluationsinstrumenten, die Überprüfung internationaler Programme zur Förderung psychischer Gesundheit, die Entwicklung von Lehrertrainingsmaterialien und die Konzeptentwicklung neuer Programmpaketelemente (verteilt über die Projektlaufzeit) übertragen.

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Mit dem Bescheid vom 21.12.2001 wurde der Antrag des Klägers auf Genehmigung der bezeichneten Nebentätigkeit abgelehnt.

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Mit Schreiben vom 8.7.2002, am 10.7.2002 eingegangen, zeigte der Kläger seine Nebentätigkeit für die gen. Vertragspartner bei der Beklagten an. Mit Schreiben vom 29.8.2002 ergänzte der Kläger diese Anzeige. In einem Gespräch vom 22.8.2002 und danach noch mit Schreiben vom 9.9.2002 legte der Kläger seinen Standpunkt dar: Er machte darauf aufmerksam, dass es sich bei der von ihm angestrebten Tätigkeit lediglich um eine anzeigepflichtige, nicht aber um eine genehmigungspflichtige Tätigkeit handele. Die beiden geschlossenen Verträge seien völlig unabhängig voneinander zu beurteilen.

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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.11.2002 - zugestellt am 12.12.2002 - untersagte die Beklagte dem Kläger die angezeigte Nebentätigkeit gem. § 74 a Abs. 3 S. 5 NBG iVm VerwV Nr. 6 zu § 74 NBG und § 63 Abs. 1 NHG. Zur Begründung verwies die Beklagte dabei auf die HochschulnebentätigkeitsVO (HntVO). Eine im Rahmen selbständiger Forschung durchgeführte Gutachtertätigkeit könne sowohl als „Dienstgutachten“ - und damit dem Hauptamt - als aber auch als „Privatgutachten“ - und damit einer Nebentätigkeit - zugeordnet werden. Sei nicht eindeutig, ob die Hochschule oder der Beamte persönlich beauftragt sei, so gelte der Auftrag im Zweifel gem. § 2 Abs. 3 S. 1 HntVO als der Hochschule erteilt. Auf diese Weise solle verhindert werden, dass die Erfüllung von Fremdaufträgen aufgeteilt werde. Eine Zersplitterung in dienstliche Untersuchungen und privat abgerechnete Gutachten sei unzulässig. Demgemäß sei die vom Kläger erstrebte Aufteilung der Arbeitsschwerpunkte in Hauptamt und Nebentätigkeit nicht zulässig. Dieses sogn. „Aufteilungsverbot“ gelte auch für die vom Kläger hier angezeigte Tätigkeit, wobei es zu den Dienstpflichten des Klägers gehöre, das Verbot zu beachten. Im Übrigen habe der Kläger gegen seine Pflicht zur vorherigen Anzeige verstoßen, da die Anzeige erst am 10.7.2002 eingegangen, der Vertrag jedoch von ihm schon am 8.7.2002 unterzeichnet worden sei.

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Der unter Verweis auf die gesonderten und völlig selbstständigen Verträge eingelegte Widerspruch wurde - unter Bezug auf eine gutachterliche Stellungnahme des Vizepräsidenten für Forschung und wissentlichen Nachwuchs an der Universität D. vom 2.2.2003 - durch den Widerspruchsbescheid vom 21.2.2003 mit der Begründung zurückgewiesen, die beiden Verträge mit ihren identischen Laufzeiten seien untrennbar miteinander verwoben: Zwar könne die Beklagte den Modellversuch ohne den Vertrag mit dem Kläger durchführen, nicht aber der Kläger seine Forschungen ohne den Modellversuch. Seine Tätigkeiten stellten sich als notwendige Teilarbeiten des Projektes „I.“ dar.

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Zur Begründung seiner am 25.3.2003 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, die gutachterliche Stellungnahme könne nicht anerkannt werden. Von der übernommenen Projektleitung im Hauptamt seien die umschriebenen Einzeltätigkeiten aus seinem Vertrag gerade nicht umfasst. Diese hätten auch Dritte ausführen können. Die Selbständigkeit der Verträge zeige sich auch daran, dass der Modellversuch auch von einer anderen Universität durchgeführt werden könne. Der Zweck seiner Nebentätigkeit gehe über die Förderung des Modellversuchs hinaus. Hinter den gleichen Begrifflichkeiten in beiden Verträgen seien unterschiedliche Tätigkeit verborgen. Zudem erbringe er die Nebentätigkeit außerhalb der üblichen Dienststunden mit eigener Fachliteratur von zuhause aus, um eine strikte Trennung der von Haupt- und Nebentätigkeit zu gewährleisten.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2003 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, hier sei eine einheitliche Aufgabe künstlich aufgesplittet worden. Der Zweck der Nebentätigkeit sei ohne den Modellversuch in Frage zu stellen, zumal deren Ergebnisse nicht unabhängig und im Anschluss an den Modellversuch geliefert werden sollten, sondern zeitlich parallel dazu. In Anlehnung an § 71 b NBG handele es sich aber auch deshalb um eine unzulässige Nebentätigkeit, weil der Kläger aus dem im Hauptamt durchgeführten Modellversuch Erkenntnisse ziehe, welche die Weiterentwicklung, die bei seiner Nebentätigkeit im Mittelpunkt stehe, fördere. Somit liege eine unerwünschte und unzulässige Verquickung dienstlicher und privater Angelegenheiten vor. Als Projektleiter sei er intensiv in die Entwicklung des Modellversuchs eingebunden, wobei ihm auch die fachliche Verantwortung für das Projekt obliege. Das könne nicht von der Nebentätigkeit abgetrennt werden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Rechtsgrundlage für den Untersagungsbescheid sind die §§ 74 a Abs. 3 S. 5 iVm 74 Nr. 3 NBG iVm § 63 NHG (§ 23 NHG n.F.). Danach ist auch eine nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeit ganz oder teilweise zu untersagen, wenn der Beamte bei ihrer Ausübung dienstliche Pflichten verletzt. Bei den vom Kläger vertraglich übernommenen Forschungsarbeiten handelt es sich um eine Nebentätigkeit iSd NBG.

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Bei Ausübung dieser Nebentätigkeit hatte der Kläger die Hochschulnebentätigkeitsverordnung - HNtVO - v. 23.2.1997 (Nds.GVBl. S. 55), geänd. d. Gesetz v. 24.6.2002 (Nds.GVBl. S. 286), mit ihrem Grundsatz „im Zweifel für die Hochschule“ sowie das Aufsplittungsverbot des § 71 b Abs. 5 NBG zu beachten. Aufgrund der Ermächtigung des § 63 NHG hat die Landesregierung durch Verordnung abweichende (Spezial-)Regelungen für die Nebentätigkeiten des künstlerischen und wissenschaftlichen Personals getroffen, insbesondere zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenamt. § 2 Abs. 2 und 3 HNtVO lautet:

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2) Die Veröffentlichung eigener Forschungsergebnisse gehört für Bedienstete nach Absatz 1 bis zur Fertigstellung des Manuskripts zum Hauptamt, danach zur Nebentätigkeit.

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(3) Ist bei der Erteilung eines Auftrages zur Übernahme einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Tätigkeit oder eines Befundberichts nicht eindeutig zu erkennen, ob der Auftrag der Hochschule erteilt und damit dem Hauptamt der Bediensteten oder des Bediensteten zuzuordnen ist oder ob er eine Nebentätigkeit betrifft, so gilt im Zweifel der Auftrag als an die Hochschule gerichtet. § 71 b des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) gilt entsprechend.

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Der Verweis in der HNtVO auf § 71 b NBG soll seinem Sinn und Zweck nach verhindern, dass Fremdaufträge bei Zweifeln formal als solche ausgegeben werden, welche nur eine Nebentätigkeit betreffen und so der Hochschule - entgegen dem oben gen. Grundsatz, „im Zweifel für die Hochschule“ - wieder „entzogen“ werden. Aus § 71 b Abs. 5 NBG wird das deutlich:

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„5) Ein Beamter darf ein Gutachten, das

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1. zum Teil von ihm als Privatperson, zum anderen Teil von seiner Behörde oder Einrichtung erbeten wird,

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2. ganz oder teilweise auf Untersuchungen und Ausarbeitungen seiner Behörde oder Einrichtung beruht,

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nicht als Privatgutachten erstatten.“

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Der Verweis in der HNtVO auf § 71 b NBG zeigt, dass miteinander verwobene Untersuchungen nicht mehr Grundlage eine Privatgutachtens und damit einer abtrennbaren Nebentätigkeit sein können und sollen. Dieses „Splittingverbot“ gilt auch für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit, die nach der gutachterlichen Stellungnahme nicht vom Modellversuch der Beklagten getrennt werden kann. Dieser ist mit den Erkenntnissen, die der Kläger aus dem Versuch (weiterführend) ziehen soll, derart verbunden und verwoben, dass die Möglichkeit eines Privatgutachtens daneben ausscheidet. Vgl. insoweit die Entscheidung des BVerwG v. 29.10.1992 - 2 C 35/91 - veröff. In DVBl. 1993, 556 = ZBR 1993, 149 zur Nebentätigkeit im Bereich einer Hochschule:

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„Aus entsprechenden Gründen liegt, soweit es sich bei der streitigen Materialprüfung um bloße Befundberichte handelt, die festgestellte Mitarbeit in der GmbH außerhalb der allgemein genehmigten Erstattung von Befundberichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung - HNtVO - vom 26. August 1982 <GVBl. Bln. S. 1596, mit hier nicht einschlägiger späterer Änderung>; jetzt § 2 Abs. 2 Nr. 2 HNtVO vom 23. Oktober 1990 <GVBl. Bln. S. 2266>). Auch unter Berücksichtigung dieser Vorschriften kann die Tätigkeit des Klägers nur einheitlich als genehmigungsbedürftige Nebentätigkeit beurteilt werden. Es bedarf deshalb auch keiner abschließenden Erörterung, inwieweit die allgemeine Genehmigung der Erstattung von Befundberichten nach den genannten Vorschriften eine persönliche Tätigkeit des Beamten voraussetzt und ob diese hier vorliegt.“

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Auch wenn hier äußerlich - wie der Kläger betont - zwei Verträge vorliegen, so sind die Aufgaben und Tätigkeiten doch miteinander verwoben und verbunden. Auffällig ist dabei schon, dass die Verträge eine identische Laufzeit haben. Unerheblich ist, dass der Modellversuch theoretisch auch von einer anderen Universität ausgeführt werden könnte. Denn zu beurteilen sind hier die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich dem Gericht darstellen. Die vom Kläger angestrebte Nebentätigkeit kann jedoch nicht vom Modellversuch „I.“, der bei der Beklagten, bei „seiner Universität“, vertraglich durchzuführen ist, abgetrennt werden. Eine Durchsicht der Verträge zeigt, dass der Kläger ohne den Modellversuch seine Aufgabe, die er als Nebentätigkeit betrachtet, nicht erfüllen könnte. Denn er soll unmittelbar Erkenntnisse aus dem Modellversuch gewinnen, für diesen Versuch liefern und diesen Versuch fördern.

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Soweit der Kläger meint, seine Forschungsarbeit, die er getrennt zuhause mit eigenen Mitteln erfülle, gehe noch über den Modellversuch hinaus und sei deshalb etwas abtrennbar Anderes, so überzeugt das nicht. Denn die gutachterliche Nebentätigkeit ist bereits deshalb unzulässig, weil sie aus dem Projekt, das bei „seiner Universität“ durchgeführt wird, Erkenntnisse zieht, die wiederum ihrerseits die Weiterentwicklung fördern sollen.

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Da die Leistungsvorgaben in den beiden Verträgen starke Überschneidungen und sogar Übereinstimmungen aufweisen, teilweise identisch formuliert sind, ist eine Trennung nicht möglich.

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Somit ist die Untersagung der angezeigten Nebentätigkeit zu Recht erfolgt.