Landgericht Verden
Urt. v. 15.06.2005, Az.: 8 O 444/04
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 15.06.2005
- Aktenzeichen
- 8 O 444/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 42526
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2005:0615.8O444.04.0A
Fundstelle
- VK 2006, 75
In dem Rechtsstreit
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2005 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag.
Der Kläger ist Eigentümer des Pkw BMW Kombi mit dem Kennzeichen .... Er erwarb das Fahrzeug im Frühjahr 2003 und versicherte es gleich nach dem Erwerb bei der Beklagten. Im Rahmen der abgeschlossenen Kraftfahrtversicherung ist das Fahrzeug u. a. Vollkasko versichert worden und zwar mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 €. Der Kaufvertrag über das Fahrzeug datiert vom 21. Mai 2003. In der Vertragsurkunde wurde der Gesamtkaufpreis für das Fahrzeug mit 4.000,00 € angegeben. Der damalige Kilometerstand wurde mit 220.000,00 € bezeichnet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Kaufvertrags wird auf die Ablichtung Bl. 54 d.A. Bezug genommen.
Am 31. Oktober 2003 wurde das Fahrzeug des Klägers von einem eingefriedeten Parkplatz eines Supermarktes in Polen entwendet. Das Fahrzeug wurde trotz sofort eingeschalteter Polizei nicht wieder aufgefunden. Der Kläger meldete dem Beklagten den Versicherungsfall mit Schadenanzeige vom 5. November 2003. In der Schadenanzeige gab der Kläger den Kilometerstand am Schadentag mit 165.000 an. Wegen der weiteren Einzelheiten der Schadenanzeige wird auf die Ablichtung Bl. 34 u. 35 d.A. Bezug genommen. Der Kläger zeigte den Schaden mit einer weiteren Schadenanzeige vom 17. November 2003 bei der Beklagten an. In dieser Schadenanzeige gab er die Laufleistung für das Fahrzeug beim Erwerb mit ca. 112.000 an. Der Kaufpreis für das Fahrzeug wurde mit 5.500,00 € angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der zweiten Schadenanzeige wird auf die Ablichtung Bl. 43 u. 44 d.A. Bezug genommen. Der Kläger verlangt nunmehr den Wert des Fahrzeuges in Höhe von 5.500,00 € abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 € = 5.350,00 €.
Der Kläger behauptet, er habe das Fahrzeug auf dem belebten Supermarktparkplatz in Polen ordnungsgemäß gesichert und insbesondere verschlossen. Den Diebstahl habe er der Polizei bereits am 31. Oktober 2003 angezeigt. Er habe bei der Schadensmeldung als Kaufpreis 5.500,00 € angegeben, obwohl nur 4.000,00 € in bar geflossen seien, weil er sich mit dem damaligen Verkäufer darauf geeinigt habe, dass ein Kostenaufwand von mindestens 1.500,00 € zur Auswechselung defekter Aggregate an dem Fahrzeug erforderlich sei. Darüber hinaus habe der Kläger auch Arbeiten am Haus des Verkäufers ausgeführt, deren Vergütung mit dem Kaufpreis verrechnet worden seien. Die zu niedrige Laufleistung habe er deswegen angegeben, weil er das Fahrzeug mit einem anderen Wagen verwechselt habe, den er doppelt bis dreimal so häufig gefahren sei. Die Angabe der zu niedrigen Laufleistung lasse sich auch damit erklären, dass der Kläger in der Zeit von Ende Oktober 2003 bis Mitte November 2003 nur eingeschränkt handlungs- und reaktionsfähig gewesen sei, weil er auf ärztliche Anordnung starke Medikamente mit einer zum Teil sedierenden, zum Teil auch verwirrenden Wirkung habe zu sich nehmen müssen.
Der Kläger begehrt darüber hinaus 264,00 € für eine Besprechungsgebühr seines Rechtsanwaltes, da dieser ein Telefonat mit der Sachbearbeiterin der Beklagten am 1. April 2004 geführt habe. Die Bemühungen seines Rechtsanwalts zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung seien vergebens gewesen, so dass dem Kläger insoweit ein Schaden entstanden sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.644,06 € jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz auf 5.350,00 € seit dem 17. Januar 2004 und auf weitere 295,06 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei wegen Obliegenheitspflichtverletzungen des Klägers von der Leistung frei geworden. Sie behauptet, das Fahrzeug könne von dem bewachten und beleuchteten Parkplatz nur mit einem Nachschlüssel entwendet worden sein. Bei einer Reparatur des Fahrzeugs in Polen am 28. August 2003 seien nicht nur Schönheitsreparaturen, sondern auch andere Reparaturen ausgeführt worden. Diese habe der Kläger in seiner Schadenanzeige nicht erwähnt. Es fehle ferner ein Hauptschlüssel für das Fahrzeug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 5.350,00 € aus dem Vollkaskoversicherungsvertrag zu, da die Beklagte wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers gemäß § 6 Abs. 3 VVG i. V. m. § 7 Abs. 5 Ziff. 4 AKB leistungsfrei geworden ist.
1. Die genauen Umstände, die zu dem Versicherungsfall, d. h. zu dem Diebstahl, geführt haben, können dahinstehen, da jedenfalls Obliegenheitspflichtverstöße des Klägers vorliegen. Der Kläger hat die Obliegenheiten objektiv verletzt, indem er, was unstreitig ist, falsche Angaben hinsichtlich des Kaufpreises und der Laufleistung des Fahrzeugs gemacht hat. Die Angabe des Kaufpreises von 5.500,00 € in der Schadenanzeige vom 17. November 2003 ist objektiv falsch gewesen, da die Kaufvertragsurkunde vom 21. Mai 2003 einen Gesamtkaufpreis von 4.000,00 € ausweist. Die zu niedrige Angabe der Laufleistung ist ebenfalls unstreitig objektiv falsch. Die Kaufvertragsurkunde vom 21. Mai 2003 weist eine Laufleistung von 220.000 Kilometern auf. In der ersten Schadenanzeige vom 5. November 2003 ist die Laufleistung am Schadentag mit 165.000 Kilometern angegeben worden, in der Schadenanzeige vom 17. November 2003 gab der Kläger eine Laufleistung für das Fahrzeug beim Erwerb mit ca. 112.000 Kilometern an. Damit ergibt sich eine Differenz für den Erwerbszeitpunkt von über 100.000 Kilometern, die der Kläger zu wenig angegeben hat.
2. Sowohl die Angaben über den Kaufpreis als auch über die Laufleistung sind vorsätzlich falsch erfolgt. Beide Umstände sind so klar und eindeutig bezeichnet, der Kaufpreis überdies durch die Kaufvertragsurkunde dokumentiert, dass eine Verwechslung oder ein Sich-Irren darüber nicht möglich gewesen ist. Auch wegen der großen Differenz von 100.000 km bei der Angabe der Laufleistung kann von einer bewussten Falschangabe ausgegangen werden.
3. Dem Kläger ist es nicht gelungen, das im Falle einer Kaskoversicherung bei Vorliegen der objektiven Obliegenheitsverletzung vermutete Verschulden - hier den Vorsatz - zu widerlegen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 6 VVG, Rn. 124 u. § 7 AKB Rn. 80). Hinsichtlich der falschen Kaufpreisangabe ist der Klägervortrag nicht substantiiert und findet auch keine Grundlage in dem vorgelegten Kaufvertrag vom 21. Mai 2003. Dem Inhalt dieser Urkunde ist weder zu entnehmen, dass Absprachen hinsichtlich der vom Kläger selbst vorzunehmenden Auswechselung von Aggregaten noch hinsichtlich irgendwelcher Arbeiten an dem Haus des Vorkäufers getroffen worden sind. Der klägerische Vortrag hierzu ist zu pauschal, da nicht einmal Belege über Reparaturen oder den Erwerb neuer Aggregate vorgelegt wurden noch genauer ausgeführt wurde, welche Arbeiten er an dem Haus des Verkäufers durchgeführt haben will. Das vermutete Verschulden des Klägers kann mit seinem Vortrag zu diesem Punkt nicht ausgeräumt werden.
Auch hinsichtlich der falschen Angaben bei der Laufleistung ist es dem Kläger nicht gelungen sein vorsätzliches Handeln zu widerlegen. Der Kläger hat nicht einmal vorgetragen, mit welchem anderen Fahrzeug er das hier streitige Fahrzeug verwechselt haben will. Zudem ist sein Vortrag in diesem Punkt widersprüchlich, da er zunächst dezidiert auf eine Verwechselung von Fahrzeugen abstellt, im weiteren Verlauf des Vortrags jedoch deswegen eine falsche Laufleistung angegeben habe, weil er in dem fraglichen Zeitraum des Ausfüllens der Schadensanzeigen Medikamente mit sedierender Wirkung habe zu sich nehmen müssen und deswegen verwirrt gewesen sei. Ferner ist der Vortrag zu dem Punkt der Falschangaben wegen Krankheit nicht ausreichend substantiiert. Der Kläger hat keine entsprechenden Atteste vorgelegt, so dass der diesbezügliche Vortrag nicht nachvollziehbar ist. Zudem hat der Kläger hinsichtlich der Laufleistung nicht nur einmal, sondern wiederholt falsche Angaben gemacht. Ausweislich der Kaufvertragsurkunde betrug die Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Erwerbs 220.000 Kilometer. In der ersten Schadenanzeige vom 5. November 2003 hat der Kläger den Kilometerstand am Schadentag mit 165.000 Kilometer angegeben, in der zweiten Schadenanzeige vom 17. November 2003 die Laufleistung für den Erwerbszeitpunkt mit 112.000 Kilometern. Diese Punkte führen dazu, dass der Vortrag des Klägers insgesamt widersprüchlich und nicht nachvollziehbar ist, so dass er sein vermutetes Verschulden für die Obliegenheitsverletzung nicht widerlegen kann.
4. a) Die Obliegenheitsverletzung war generell geeignet, die berechtigten Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Die Angaben zum Kaufpreis und zur Laufleistung des Fahrzeugs sind für die Wertbemessung der versicherten Sache von entscheidender Bedeutung (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AKB Rn. 44 u. 49). Diesbezügliche Falschangaben wirken sich immer auf die Versicherungsleistung im Schadensfall aus.
b) Den Kläger trifft insoweit auch ein erhebliches Verschulden. Bei den Angaben zum Kaufpreis und zur Laufleistung handelt es sich um solche, bei denen eine Verwechslung nicht vorkommen kann und deren Bedeutung sowie deren richtige Angabe gegenüber dem Versicherer jedem Versicherungsnehmer, also auch dem Kläger, klar sein müssen. Darüber hinaus hat der Kläger die Laufleistung zweimal falsch angegeben und damit wiederholt falsche Angaben gemacht, so dass von einer bewussten und erheblichen Falschangabe ausgegangen werden kann und nicht von einem Fehlverhalten, das einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. 2 ZPO.