Landgericht Verden
Beschl. v. 20.05.2005, Az.: 6 T 41/05
Verbindung eines Schlusstermins mit einem Nachprüfungstermin für nachträglich angemeldete Forderungen; Aufnahme nachträglich angemeldeter Forderungen in das Schlussverzeichnis und Berücksichtigung bei der Schlussverteilung durch den Insolvenzverwalter; Wertung nachträglicher Forderungen als Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 20.05.2005
- Aktenzeichen
- 6 T 41/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 28179
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2005:0520.6T41.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Verden - 07.02.2005 - AZ: 14 IN 266/03
Rechtsgrundlagen
- § 197 Abs. 1 Nr. 2 InsO
- § 174 Abs. 1 S. 1 InsO
- § 242 BGB
- § 4 InsO
- § 319 Abs. 1 ZPO
Fundstellen
- ZInsO 2005, 949-950 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2005, 321-322 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2006, 62
- ZVI (Beilage) 2006, 62 (red. Leitsatz)
Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden hat
am 20.05.2005
durch
den Richter ... als Einzelrichter
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Verden vom 07.02.2005 wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert wird auf 450,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
In dem auf Antrag der Gläubigerin, einer Sozialversicherungsträgerin, über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren ist die Frist zur Anmeldung von Forderungen auf den 20.04.2004 festgesetzt worden. Der Schlussbericht des Insolvenzverwalters datiert auf den 02.12.2004; für die in dem Schlussbericht angegebenen nachträglich angemeldeten Forderungen war am 22.12.2004 im schriftlichen Verfahren ein nachträglicher Prüfungstermin angesetzt worden. Der Insolvenzverwalter legte für diesen Termin ein auf den 10.12.2004 datierendes Schlussverzeichnis vor, dass sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt angemeldeten Forderungen enthielt und die Grundlage für die Schlussverteilung bildete. Durch Beschluss vom 22.12.2004 wurde Schlusstermin auf den 04.02.2005 bestimmt; die Veröffentlichung gemäß § 188 InsO ist am 28.12.2004 erfolgt.
Am 04.01.2005 meldete die Gläubigerin mit einem auf den 30.12.2004 datierenden Schreiben gemäß § 38 InsO eine weitere Forderung in Höhe von 15.000,-- EUR an. Die Forderung beruht auf einer am 10.11.2004 in der genannten Höhe geleisteten Zahlung der Gläubigerin an den Insolvenzverwalter, die die Gläubigerin in Anerkennung eines vom Insolvenzverwalter gemäß § 133 Abs. 1 InsO geltend gemachten Anfechtungsanspruchs vorgenommen hatte. Der Schuldner hatte noch am 19.02.2003 mit Stellung des Insolvenzantrages einen Betrag in Höhe von 17.511,84 EUR für rückständige Sozialversicherungsbeiträge an die Gläubigerin gezahlt.
Mit Beschluss vom 07.02.2005 hat das Amtsgericht Verden - Insolvenzgericht - die nachträgliche Forderungsanmeldung der Gläubigerin, die es als Einwendung gegen das Schlussverzeichnis des Insolvenzverwalters vom 10.12.2004 behandelt hat, als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass eine nachträgliche Anmeldung, die erst nach Bestimmung des Schlusstermins erfolge, nur als Einwendung gegen das Schlussverzeichnis gewertet werden könne, mit der die Gläubigerin geltend mache, zu Unrecht nicht in das Verteilungsverzeichnis aufgenommen worden zu sein. Als solche Einwendung sei die nachträgliche schriftliche Forderungsanmeldung indes unzulässig, weil die Gläubigerin entgegen § 197 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Schlusstermin nicht persönlich anwesend gewesen sei und dort ihre Einwendung erhoben habe.
Gegen den ihr am 09.02.2005 zugegangenen Beschluss des Amtsgerichts hat die Gläubigerin am 15.02.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass eine Anmeldung ihrer Forderung als Insolvenzforderung nicht erforderlich gewesen sei, weil der Insolvenzverwalter durch die von ihm betriebene Anfechtung von der Forderung gewusst habe und daher von sich aus die Insolvenztabelle hätte berichtigen müssen. Zumindest hätte er die Gläubigerin schriftlich zur Anmeldung auffordern müssen und hätte das Insolvenzverfahren bis zur Klärung des Sachverhalts nicht abschließen dürfen. Jedenfalls weise das Schlussverzeichnis insoweit eine offenbare Unrichtigkeit auf, die vom Insolvenzgericht von Amts wegen zu berichtigen sei. Die Gläubigerin beantragt daher, die in Rede stehende Forderung von 15.000,-- EUR noch nachträglich an der Verteilung teilnehmen zu lassen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Gläubigerin nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 197 Abs. 3 i.V.m. § 194 Abs. 2 S. 2 InsO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1.
Zu Recht hat das Amtsgericht die nachträgliche Forderungsanmeldung der Gläubigerin als Einwendung gegen das Schlussverzeichnis behandelt und diese sodann als unzulässig zurückgewiesen. Zwar darf der Schlusstermin mit einem Nachprüfungstermin für nachträglich angemeldete Forderungen verbunden werden. Der Insolvenzverwalter hat dann jedoch keine Möglichkeit mehr, diese Forderungen in das Schlussverzeichnis aufzunehmen und bei der Schlussverteilung zu berücksichtigen (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1992,1336 f. [OLG Köln 20.05.1992 - 2 W 27/92]; Uhlenbruck in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., 2003, § 197 Rdnr. 1; Kübler/Prüttingin: Kübler/Prütting, InsO, Stand: Feb. 2005, § 197 Rdnr. 5). Forderungsanmeldungen, die erst nach Bestimmung des Schlusstermins erfolgen, sind daher regelmäßig als Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis zu werten, weil der Gläubiger damit zu erkennen gibt, dass er geltend macht, mit der nachgemeldeten Forderung zu Unrecht nicht in das Verzeichnis aufgenommen worden zu sein (vgl. AG Krefeld, ZInsO 2001, 772 f.[AG Krefeld 28.11.2000 - 93 IK 29/99]; AG Düsseldorf, Rpfleger 2003, 144 f. [AG Düsseldorf 07.10.2002 - 505 IN 29/02]; Kübler/Prütting, a.a.O.., § 197 Rdnr. 10). Solche Einwendungen müssen jedoch persönlich im Schlusstermin vorgebracht werden, so dass schriftliche Einwendungen - wie vorliegend die Forderungsanmeldung der Gläubigerin - stets unzulässig sind (vgl. AG Krefeld, a.a.O..; Kübler/Prütting, a.a.O.).
2.
a.)
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Insolvenzverwalter davon abgesehen hat, die Forderung der Gläubigerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt von Amts wegen in die Insolvenztabelle aufzunehmen. Für die Berücksichtigung von Gläubigerrechten im Insolvenzverfahren gilt die Dispositionsmaxime. Gläubigerforderungen werden daher nicht von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur, wenn und soweit der Gläubiger sein Recht durch Geltendmachung im Anmelde- und Feststellungsverfahren in Anspruch nimmt (vgl. Uhlenbruck, a.a.O.., § 174 Rdnr. 1). Auch rückständige Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger müssen daher nach § 174 Abs. 1 S. 1 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden (vgl. Uhlenbruck, a.a.O.., § 174 Rdnr. 4). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob ein Beitragsrückstand von Anfang an bestand oder erst nachträglich infolge der erfolgreichen Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs durch den Insolvenzverwalter bezüglich vom Schuldner bereits gezahlter Sozialversicherungsbeiträge eingetreten ist. Zudem war der Insolvenzverwalter selbst mit Blick auf den auch im Insolvenzrecht geltenden Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) nicht dazu verpflichtet, die als Sozialversicherungsträgerin in Insolvenzangelegenheiten erfahrene Gläubigerin ausdrücklich auf den allgemein bekannten Grundsatz hinzuweisen, dass Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet werden müssen, um an der Schlussverteilung teilnehmen zu können. "Unklarheiten", die den Insolvenzverwalter gehindert hätten, das Insolvenzverfahren abzuschließen, sind ebenfalls nicht erkennbar.
b.)
War die Forderung der Gläubigerin mithin vom Insolvenzverwalter nicht von Amts wegen in die Insolvenztabelle und später in das Schlussverzeichnis aufzunehmen, so weist Letzteres von vornherein keinen Fehler auf, der vom Amtsgericht hätte korrigiert werden müssen. Erst recht kam eine Berichtigung des Schlussverzeichnisses durch das Amtsgericht wegen "offensichtlicher Unrichtigkeit" (§ 4 InsO i.V.m. § 319 Abs. 1 ZPO) nicht in Betracht, da nicht ersichtlich ist, dass die Nichtaufnahme der Forderung der Gläubigerin in das Schlussverzeichnis auf einer unrichtigen Verlautbarung des vom Insolvenzverwalter Gewollten beruhen würde. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter die Forderung der Gläubigerin ganz bewusst nicht in das Verzeichnis aufgenommen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Beschwerdewert wird auf 450,-- EUR festgesetzt.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 28 Abs. 3 RVG. Die Forderung von 15.000,-- EUR, deren nachträgliche Teilnahme an der Verteilung die Beschwerdeführerin begehrt, würde nach dem Ergebnis des Schlussberichts des Insolvenzverwalters voraussichtlich mit einer Quote von ca. 3% bedient werden.