Landgericht Verden
Urt. v. 07.09.2005, Az.: 7 O 167/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 07.09.2005
- Aktenzeichen
- 7 O 167/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 42525
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2005:0907.7O167.05.0A
Fundstellen
- IR 2005, 256
- SchuR 2006, 108 (Volltext)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streitgehilfin.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400,00 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die 9-jährige Klägerin fuhr am 07. Dezember 2004 mit dem Schulbus Linie ... der Firma ... der Streitgehilfin, die bei der ... , bei der das Busunternehmen versichert ist, von ... zur Grundschule nach .... Die Fahrstrecke beträgt ca. 7 km. Die Klägerin musste im Mittelgang des Busses stehen und sich an Haltegriffen festhalten, wie ca. 20 bis 25 andere Kinder auch, weil die vorhandenen Sitzplätze belegt waren. Als der Busfahrer verkehrsbedingt gezwungen war zu bremsen, verlor die Klägerin den Halt und stürzte über ein anderes Kind hinweg. Beim Auftreffen auf den Boden des Busses schlug die Klägerin mit dem Gesicht auf. Neben verschiedenen Prellungen verletzte sich die Klägerin am Mund und an den Zähnen. Durch den Aufprall lösten sich im Ober- und Unterkiefer jeweils 4 Zähne, die aber wieder angewachsen sind. Desweiteren erlitt die Klägerin Prellungen im Mundbereich.
Die Klägerin meint, der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung habe eine besondere Fürsorgepflicht die dahin gehe, sicherzustellen, dass die Schülerbeförderung für alle Schulkinder möglichst gefahrlos gestaltet werde. Dies sei in keiner Weise der Fall, wenn Kinder im Stehen in einem Schulbus befördert werden. Es bestehe daher die Pflicht des Beklagten, zumindest für jeden Grundschüler ein Sitzplatz zu garantieren.
Die Klägerin meint, ihr stehe wegen der erlittenen Verletzung ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € zu. Darüber hinaus macht die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 123,48 € geltend.
Mit Schriftsatz vom 08. Juni 2005 zugestellt am 13. Juni 2005 hat der Beklagte der ... den Streit verkündet, sowie mit Schriftsatz vom 09. Juni 2005 dem Versicherungsverein.
... ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld; dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 2.000,00 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2005 zuzüglich 123,48 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Der Beklagte und die Streitgehilfin beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, ein Anspruch der Klägerin bestehe nicht, weil die Schülerbeförderung auch für Linien im öffentlichen Personen-Nahverkehr stattfinde. Die Streitgehilfin setzte im konkreten Fall ständig einen handelsüblichen Bus mit einer Kapazität von 45 Sitz- und 46 Stehplätzen ein. Für diese Größe bestehe die amtliche Zulassung. Zu keiner Zeit komme es in dem Bus zu Überfüllungen. Die Anzahl der Schulkinder sei regelmäßig gleich bleibend. Sie schwanke zwischen 60 bis maximal 63 Kindern. Darüber hinaus bestreitet sie die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldes.
Die Streitgehilfin trägt vor, dass ein Anspruch der Klägerin deshalb nicht bestehe, weil der Fahrer des Busses verkehrsbedingt habe stärker abbremsen müssen, so dass ihn kein Verschulden treffe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet, weil dem Beklagten eine Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG nicht zur Last fällt. Denn eine Verletzung von Amts- oder Fürsorgepflichten durch den Beklagten als Träger der Schülerbeförderung ist nicht gegeben. Gemäß § 1 der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis ... besteht ein Anspruch auf Beförderung ... gemäß § 114 Abs. 3 NdsSchG im Rahmen der Regelung dieser Satzung. In § 4 Abs. 1 dieser Satzung heißt es: "Die Schülerin bzw. der Schüler hat das vom Landkreis bestimmte Beförderungsmittel zu benutzen. Die Beförderung wird - soweit möglich - im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs durchgeführt, sofern der Landkreis nicht eigene Beförderungsleistungen zur Verfügung stellt. Es besteht kein Anspruch auf die Beförderung mit einem besonderen Beförderungsmittel."
Der Beklagte lässt die Schülerbeförderung über den öffentlichen Personennahverkehr .durchführen, was aufgrund der Satzung zulässig ist. Ein Anspruch auf gesonderte Schulbusse mit Sitzplätzen für jeden Schüler bzw. Grundschüler wird grade nicht eingeräumt, vielmehr sind die von dem Beklagten zur Verfügung gestellten KÖM des öffentlichen Personennahverkehrs zu benutzen. Der Beklagte hat lediglich sicher zu stellen, dass der jeweils eingesetzte Schülerbus die für die Anzahl der zu befördernden Schüler notwendige Betriebserlaubnis für den öffentlichen Personennahverkehr besitzt. Das aber ist der Fall, weil der eingesetzte Schülerbus mit 45 Sitz- und 46 Stehplätzen amtlich zugelassen ist. Unter Ausnutzung der vorhandenen Stehplätze hatte jeder der 60 bis 63 Schüler einen Platz, so dass der Schulbus nicht überfüllt war.
Von daher ist der Beklagte seinen Amtspflichten nachgekommen.
Zu Recht verweist die Streitgehilfin darauf, dass das Verlangen der Klägerin zumindest jedem Grundschüler einen Sitzplatz zu garantieren, nicht durchführbar ist. Denn es ist davon auszugehen, dass ältere Schüler den Grundschülern die zur Verfügung stehenden Sitzplätze nicht von sich aus anbieten werden, so dass vielmehr dies durch den Beklagten mit unverhältnismäßig hohem Personalaufwand sichergestellt werden müsste. Dies aber wäre wirtschaftlich nicht zumutbar.
Soweit die Klägerin auf eine Statistik zum Schülerunfallgeschehen verweist, die auf das gesamte Bundesgebiet ausgelegt ist, ergibt sich ausweislich der Tabelle 4, dass die Schulart Grundschule 11,9% der angezeigten Schulwegunfälle betrifft. Ausweislich der Tabelle 12 ist die große Anzahl der Schulwegunfälle auf private Verkehrsmittel zurückzuführen, während die Schülerbeförderung im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs insoweit lediglich mit 0,7% ausgewiesen wird (Bl. 93 GA) wobei auf Seite 22 der Statistik ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich erhöhte Schulbusunfallzahlen mit der Erweiterung des versicherten Kollektivs in den neuen Bundesländern erklären lassen.
Von daher erscheint es unverhältnismäßig, weil wirtschaftlich nicht vertretbar, von dem Beklagten fordern zu Wollen, dafür Sorge zu tragen, dass jeder Grundschüler einen Sitzplatz in einem Schulbus einnehmen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§91,101 ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziffer 11, 711 ZPO.