Landgericht Verden
Urt. v. 14.07.2005, Az.: 4 O 600/04

Voraussetzungen für den Widerruf eines Darlehensvertrages nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F.; Voraussetzungen für die Annahme einer ein so genanntes Haustürgeschäft begründenden Haustürsituation im Falle eines Darlehensvertrages; Anforderungen an das Bestreiten der gegnerischen Partei nach einem konkretisierten Vortragen der darlegungspflichtigen Partei im Sinne des § 138 Zivilprozessordnung (ZPO)

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
14.07.2005
Aktenzeichen
4 O 600/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 33537
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:2005:0714.4O600.04.0A

Fundstelle

  • VuR 2005, 298-300 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Haustürgeschäft entfällt nicht dadurch, dass ein Familienmitglied allgemein für ein Unternehmen wirbt sondern allenfalls dann, wenn das Familienmitglied den zu unterzeichnenden Vertrag selber vorlegt.

  2. 2.

    Bei einem verbundenen Vertrag muss jeder Vertrag für sich eine Belehrung über das Haustürwiderrufsrecht enthalten.

In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom 02.06.2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der Anteile der Klägerin am Immobilienfonds Nr. ... "Einkaufszentrum ... GbR"

    an die Klägerin 6.589,94 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.11.2004 zu zahlen und

    der Klägerin die Rechte an den Lebensversicherungen bei der A... AG Versicherungs-Nr. ... rückabzudecken.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegen die Klägerin keine Forderungen aus den Kreditverhältnissen Konto Nr. ... und Konto Nr. ... hat.

  3. 3.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kreditvertrags, der zur Finanzierung der Beteiligung der Klägerin an einem geschlossenen Immobilienfonds diente.

2

Die Klägerin unterzeichnete am 6.6.1994 ein Formular über den Beitritt zu einem Immobilienfonds (... GbR") mit einer Einlage von 50.000,- DM sowie eine Kreditanfrage an die Beklagte zur Finanzierung der Beteiligung. Ausweislich der Beitrittserklärung beauftragte sie die E... Treuhand GmbH mit der umfassenden Abwicklung des Anteilerwerbs und erteilte dieser eine entsprechende Vollmacht. Den Kreditvertrag über Darlehensteile von 35.000,- und 45.000,- DM unterzeichnete die Klägerin am 27.12.1994. Als Sicherheit trat sie die Rechte aus zwei Lebensversicherungen an die Beklagte, ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beitrittserklärung (Bl. 9 d.A.), die Kreditanfrage (Bl. 10 d.A.) und den Darlehensvertrag (Bl. 12-16 d.A.) verwiesen.

3

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 09.11.2004 den Widerruf des Darlehensvertrags erklärt. Bis zur Widerrufserklärung hat sie insgesamt 23.380,36 EUR Zins- und Tilgungsraten an die Beklagte bezahlt und aus dem Fonds Ausschüttungen in Höhe von 16.790,42 Euro erhalten.

4

Sie behauptet, Ende Mai/Anfang Juni 1994 habe sie ein Mitarbeiter des ..., U... P... nach Vermittlung durch den Sohn der Klägerin, der eine Praktikum beim A... absolvierte, angerufen und um die Vereinbarung eines Besuchstermins zur Durchführung einer "Vermögensanalyse" gebeten. Herr ... habe die Klägerin daraufhin einige Tage später, u.a. am 6.6.1994 in ihrer Wohnung aufgesucht, den Fonds vorgestellt und ihr die Beitrittserklärung sowie die Kreditanfrage vorlegt. Die von der Klägerin unterschriebenen Formulare habe der Vermittler über den A... an die jeweiligen Adressaten weitergeleitet.

5

Sie ist der Ansicht, der Darlehensvertrag sei in einer Haustürsituation zu Stande gekommen, was der Beklagten auch zuzurechnen sei. Da die erforderliche Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag nicht den Anforderungen des HWiG genüge, sei sie zum Widerruf berechtigt. Bei Darlehensvertrag und finanziertem Gesellschaftsanteil handele es sich um ein verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 I VerbrKrG, so dass die Klägerin bei Rückabwicklung nur verpflichtet sei, den mit dem Darlehen finanzierten Gesellschaftsanteil abzutreten, nicht aber die Darlehensvaluta zurück zu gewähren.

6

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Die Beklagte bestreitet das Vorliegen eines Haustürgeschäfts. Der Sohn der Klägerin habe ihr den streitgegenständlichen Fonds zumindest in groben Zügen dargestellt.

9

Sie meint, bei einem verbundenen Geschäft bedürfe es keiner zweifachen Belehrung über das Widerrufsrecht. Die Belehrung in der Beitrittsvereinbarung sei im Sinne des HWiG ausreichend. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Klägerin zeitgleich mit der Beitrittserklärung nur den Kreditantrag, nicht aber den Darlehensvertrag unterzeichnet habe. Das Handeln des A...-Vermittlers und damit die Haustürsituation sei ihr auch nicht zuzurechnen, da eine Erkundigungspflicht der Beklagten auf Grund der Rechtslage zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bestanden habe.

10

Hinsichtlich der Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Zinsen für den Zeitraum bis Dezember 1999 beruft sich die Beklagte auf Verjährung.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist zulässig und begründet.

12

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 3 I 1 HWiG a.F. (jetzt §§ 346 I, 357 I 1 BGB) einen Anspruch auf Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen abzüglich erhaltener Ausschüttungen aus der Fondsbeteiligung in Höhe von insgesamt 6.589,94 EUR sowie Anspruch auf Rückabtretung der Rechte aus den Lebensversicherungen.

13

Die Klägerin konnte den mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag nach § 1 I Nr. 1 HWiG a.F. (jetzt § 312 BGB) widerrufen.

14

Die Vorschriften des HWiG sind anwendbar. Gemäß richtlinienkonformer Auslegung des § 5 II HWiG (jetzt § 312 a BGB) wird die Anwendbarkeit nicht durch die Vorschriften des VerbrKrG ausgeschlossen, da das Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG bereits erloschen ist (st. Rspr., z.B. BGH WM 2002, S. 1181,1182) [BGH 09.04.2002 - XI ZR 91/99].

15

Die Klägerin ist zum Abschluss des Darlehensvertrags durch mündliche Verhandlung im Bereich ihrer Privatwohnung bestimmt worden, § 1 I Nr. 1 HWiG.

16

Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass sie ihre Erklärung zum Abschluss der Darlehensvertrags nach Vermittlung durch einen Mitarbeiter des A... in ihrer Wohnung abgegeben habe. Herr .... habe sie in ihrer Wohnung aufgesucht und neben dem Fondsbeitritt das Formular für die Kreditanfrage an die Beklagte vorgelegt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin den Darlehensvertrag selbst in ihrer Wohnung abgeschlossen hat. Es reicht aus, dass sie auf Grund vorheriger Verhandlungen mit dem Vermittler F... in ihrer Wohnung dazu bestimmt wurde.

17

Das pauschale Bestreiten der Haustürsituation durch die Beklagte ist unzulässig, so dass es einer Beweisaufnahme nicht bedurfte. Die Erklärungslast des Gegners ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. Hat diese ihren Vortrag konkretisiert, reicht ein einfaches Bestreiten nicht aus (Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rdnr. 8 a). Die Klägerin hat hier in Einzelheiten die Vermittlung durch den Mitarbeiter des A... dargelegt. Einen abweichenden Geschehensablauf hat der Beklagte nicht behauptet.

18

Soweit die Beklagte behauptet, der Sohn habe der Klägerin den streitgegenständlichen Fonds zuvor in groben Zügen dargestellt, schließt dies ein Haustürgeschäft nicht aus. Das Vorliegen eines Haustürgeschäfts wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Sohn der Klägerin den Besuch vermittelt hat. Vertragsanbahnungen durch Familienmitglieder unterfallen allenfalls dann nicht dem HWiG, wenn die Vertragserklärung selbst durch einen Angehörigen vorgelegt wird, nicht wenn der Angehörige nur allgemein für das Unternehmen wirbt (BGH NJW 1996, S. 191 [BGH 04.10.1995 - XI ZR 215/94] und 3414 [BGH 17.09.1996 - XI ZR 164/94]).

19

Die Beklagte muss sich das Handeln des Vermittlers und damit die Haustürsituation auch zurechnen lassen. Nach der Rechtsprechung des BGH sollen dafür die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 II BGB maßgeblichen Grundsätze gelten. Das Verhalten des Verhandlungsführers, der als Dritter im Sinne des § 123 II BGB anzusehen ist, ist dem Erklärungsempfänger dann zuzurechnen, wenn dieser das Handeln kannte oder hätte kennen müssen. Für die Annahme fahrlässiger Unkenntnis reicht es aus, wenn die Umstände den Erklärungsempfänger veranlassen mussten, sich zu erkundigen, vor welchem Hintergrund die übermittelte Willenserklärung zu Stande gekommen ist (BGH WM 2002, S. 1181, 1183) [BGH 09.04.2002 - XI ZR 91/99].

20

Danach bestand eine Pflicht der Beklagten zur Erkundigung beim A... oder der Treuhand- bzw. der Fondsgesellschaft. Die Beklagte war in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden. Zum einen hat der von der Fondsgesellschaft eingeschaltete Vermittler des A... die Kreditanfrage, auf Grund derer der Darlehensvertrag geschlossen wurde, an die Beklagte weitergeleitet. Zum anderen hatte die E... Treuhand GmbH ausweislich des Darlehensvertrags ihr Konto ebenfalls bei der Beklagten, so dass eine enge Verbindung bestand. Da die Klägerin die Darlehensanfrage sowie die anliegende Selbstauskunft an ihrem Wohnsitz unterschrieben hat, war aus Sicht der Beklagten davon auszugehen, dass eine Haustürsituation vorgelegen hat.

21

Die Widerrufsfrist war zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht erloschen, da es an einer ordnungsgemäßen Belehrung nach dem HWiG fehlte. Nach § 2 I 3 HWiG darf die Widerrufsbelehrung keine zusätzlichen Erklärungen enthalten. Der Darlehensvertrag enthält eine Belehrung nach dem VerbrKrG mit der weiteren Erklärung nach § 7 III VerbrKrG, wonach der Widerruf als nicht erfolgt gilt, wenn der ausgezahlte Darlehensbetrag nicht binnen 2 Wochen zurückgezahlt wird. Auf Grund dieses Zusatzes entspricht die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag nicht den Anforderungen des HWiG.

22

Dass die Beitrittserklärung eine den Anforderungen des HWiG genügende Belehrung enthielt, macht eine gesonderte Belehrung in dem Darlehensvertrag nicht entbehrlich. Insoweit handelt es sich um zwei verschiedene Verträge. Soweit bei verbundenen Geschäften aus Verbraucherschutzgesichtspunkten bestimmte Einwendungen aus dem einen Vertrag auch im Rahmen des anderen Vertragsverhältnisses Berücksichtigung finden, widerspräche es dem ausschließlich verbraucherschützenden Ziel dieser Regelungen, wenn man die Anforderungen an die Widerrufsbelehrung deshalb einschränken würde. Dass eine Belehrung allein in der Beitrittsvereinbarung nicht ausreichend ist, liegt auch deshalb auf der Hand, weil der Kreditvertrag deutlich nach Abgabe der Erklärung vom 6.6.1994 geschlossen wurde und die dortige Widerrufsfrist bereits abgelaufen war. Dem Schutzzweck der Widerrufsbelehrung wird nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn auch die Belehrung im Kreditvertrag den Vorgaben des HWiG entspricht.

23

Die Beklagte ist damit gemäß § 3 I 1 HWiG a.F. (jetzt §§ 346 I, 357 I BGB) zur Rückgewähr der gezahlten Zins- und Tilgungsraten abzüglich der von den Fonds ausgekehrten Zahlungen sowie zur Rückabtretung der Lebensversicherungen verpflichtet. Die empfangene und damit zurückzugewährende Leistung der Bank besteht nicht in der Darlehensvaluta, sondern in der finanzierten Gesellschaftsbeteiligung, wenn der Darlehens- und Beitrittsvertrag ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG darstellen. Auch bei einem kreditfinanzierten Beitritt zu einem Immobilienfonds kann ein verbundenes Geschäft vorliegen. Die dafür erforderliche Einheit zwischen Darlehens- und Beitrittsvertrag wird dann unwiderruflich vermutet, wenn sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung der Initiatoren des Fonds bedient (BGH WM 2004, 1527, 1528[BGH 14.06.2004 - II ZR 385/02] m.w.N.) . Ein verbundenes Geschäft liegt vor, da sich die Beklagte, wie oben ausgeführt, bei Vorbereitung des Kreditvertrags des Mitarbeiters des A... bedient hat, der auch als Vermittler für den Fonds tätig war.

24

Die Ansprüche auf Rückzahlung von Zinsleistungen für den Zeitraum von 1995 bis 1999 sind nicht verjährt. Gemäß § 197 BGB a.F verjährten Ansprüche auf Rückstände von Zinsen innerhalb von vier Jahren. Eine entsprechende Anwendung kommt grundsätzlich für Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Zinszahlungen wegen Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses in Betracht (vgl. BGHZ 98, 181 ff.[BGH 10.07.1986 - III ZR 133/85]). Der Darlehensvertrag war schwebend unwirksam. Ein Rückforderungsanspruch wurde aber nicht sofort mit Zahlungseingang bei der Beklagten fällig. Gemäß § 3 HWiG entsteht die Rückforderungsverpflichtung erst mit der Ausübung des Widerrufsrechts. Der Widerruf ist ebenso wie der Rücktritt ein Gestaltungsrecht, bei dem das Rückabwicklungsverhältnis erst mit dessen Ausübung beginnt und damit auch Fälligkeit und Verjährungsbeginn.

25

Letztlich muss sich die Klägerin auch nicht im Rahmen der Vorteilausgleichung etwaige Steuerersparnisse anrechnen lassen. Es ist bereits fraglich, ob eine Anrechnung bei einer Rückabwicklung nach § 3 HWiG überhaupt zu erfolgen hat (vgl. BGH WM 2004, S. 1527, 1529) [BGH 14.06.2004 - II ZR 385/02]. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat trotz Hinweises in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, ob der Klägerin tatsächlich Steuervorteile zugeflossen sind. Darüber hinaus waren sich beide Parteien in der mündlichen Verhandlung einig, was nicht protokolliert wurde, dass der Klägerin auf Grund ihres geringen Einkommens keine nennenswerten Steuervorteile zugeflossen sind.

26

Nach alledem kann dahinstehen, ob die Klage auch deshalb begründet ist, weil der zwischen der Klägerin und der E... Treuhand GmbH geschlossen Treuhand vertrag wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz gemäß § 134 BGB nichtig ist.

27

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Beklagten gab keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündlichen Verhandlung.

28

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.