Landgericht Verden
Urt. v. 10.10.2005, Az.: 9 O 7/05
Anspruch auf Erstattung des Wertes eines übertragenen Geschäftsanteils nach § 31 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG); Auswirken einer durch eine Darlehensrückzahlung aus Gesellschaftsmitteln erfolgten Reduzierung der Verbindlichkeiten einer Gesellschaft wie eine Kapitalminderung
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 10.10.2005
- Aktenzeichen
- 9 O 7/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 38423
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2005:1010.9O7.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LG Verden - 10.10.2005 - AZ: 9 O 7/05
- OLG Celle - 17.05.2006 - AZ: 9 U 172/05
- BGH - 17.03.2008 - AZ: II ZR 24/07
Rechtsgrundlagen
- § 30 GmbHG
- § 31 Abs. 1 GmbHG
- § 129 Abs. 1 InsO
- § 133 Abs. 1 InsO
- § 134 Abs. 1 InsO
- § 135 Nr. 2 InsO
- § 143 Abs. 1 InsO
Verfahrensgegenstand
Forderung aus Eigenkapitalersatz und Insolvenzanfechtung
In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2005
durch
den Präsidenten des Landgerichts Dr. Lengtat,
den Handelsrichter Melloh und
den Handelsrichter Stäcker
fürRecht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Mit Beschluss vom 1. August 2001 eröffnete das AG Chemnitz über das Vermögen der ... das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Der Beklagte war seit 1994 Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin mit einem Geschäftsanteil von zuletzt DM 975.000 bei einem Gesamtkapital von DM 1.950.000. Er gab diverse Gesellschafterdarlehen aus:
Gemäß Darlehensvertrag vom 1. September 1995 erhielt die Insolvenzschuldnerin ein Darlehen über DM 686.000, das spätestens am 30. August 2005 durch die Insolvenzschuldnerin getilgt werden sollte. Nach § 1 des Vertrags sollte es sich um ein als nachrangiges Haftkapital zu betrachtendes Darlehen handeln, das nach § 3 des Vertrags "kapitalersetzenden Charakter" haben sollte.
Ein mit Darlehensvertrag vom 17. Juli 1997 ausgereichtes Darlehen über DM 1 Mio. war bis zum 25. September 1997 befristet und wurde bis zum 31. März 2002 verlängert.
Ein mit Vertrag vom 25. September 1997 gegebenes Darlehen über DM 160.000 war bis zum 31. März 2003 befristet.
Die Insolvenzschuldnerin hielt vom Stammkaptital der ... in Höhe von DM 1 Mio. zwei Geschäftsanteile von nominal DM 465.000 und DM 25.000. Dies entsprach einer Beteiligung von 49 %. Am 7. Februar 2000 schloss der Beklagte mit der Insolvenzschuldnerin einen notariellen Geschäftsanteils- und -abtretungsvertrag über einen Teil-Geschäftsanteil von DM 465.000 an der ... in Höhe eines Nominalwertes von DM 241.500. Gemäß § 6 des Vertrags erfolgte die Übertragung an Erfüllungs Statt zur Tilgung der Gesellschafterdarlehen über insgesamt DM 1.846.000. In der zum 31. Dezember 1999 aufgestellten Bilanz der Insolvenzschuldnerin war die mit 49 % ausgewiesene Beteiligung an der ... mit einem Wert von DM 3.745.179,40 angegeben. Die vom Beklagten gegebenen Gesellschafterdarlehen waren danach auch alle mit einem Rangrücktritt behaftet. Für eine zu Gunsten von ... der BFG Bank gegebene Patronatserklärung über DM 1,2 Mio. sowie für die der Schmidt Bank ebenfalls zu Gunsten von ... gegebene Höchstbetragsbürgschaft über DM 500.000 waren keine Rückstellungen ausgewiesen, sie wurden lediglich in der Bilanz aufgeführt. Die dingliche Übertragung des Geschäftsanteils stand u.a. unter der aufschiebenden Bedingung, dass diese Patronatserklärung und die Höchstbetragsbürgschaft zurückgegeben wurden. Das geschah auch.
In der Bilanz war ein Jahresfehlbetrag von DM 257.393,70 ausgewiesen, im Vorjahr betrug der Fehlbetrag DM 1.531.060,19. Das Stammkapital betrug DM 1,95 Mio., das Eigenkapital betrug DM 2,8 Mio. Außerdem bestand eine Sonderrücklage von DM 1 Mio.
Nach Umwandlung in die ... wurde auch über ihr Vermögen am 15. August 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger behauptet:
Die Insolvenzschuldnerin sei am 31. Dezember 1999, spätestens am 7. Februar 2000, überschuldet gewesen. In der Bilanz seien wertlose Vorräte mit DM 345.000 und DM 425.000 ausgewiesen. Es habe sich um Auslauffronten gehandelt, zu denen keine passendes Korpusmaterial vorhanden gewesen sei. Verkaufsaktionen seien erfolglos verlaufen. Die Liquidität zweiten Grades habe zum 31. Dezember 1999 0,43 betragen. Sie sei auch zahlungsunfähig und nicht mehr in der Lage gewesen, die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. U.a. zurÜberschuldung trägt der Kläger weiter mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26. September 2005 vor.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 943.844,81 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2002 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich auf den Ablauf der 2-jährigen Verjährung, weil die Sache erst mit Mahnbescheid vom 9. September 2003 rechtshängig gemacht worden sei. Er vertritt die Ansicht, dass der Kläger allenfalls Rückgewähr "in natura" und nicht Wertersatz beanspruchen könne. Im übrigen sei es mit der von dem Kläger angegriffenen Transaktion gelungen, nicht nur die Darlehensverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin ihm gegenüber zu tilgen. Es sei auch möglich gewesen drei Haftungspositionen auszuschalten, weil es gelungen sei, Haftungsfreistellungen in erheblicher Größenordnung zu erreichen, wodurch die Insolvenzschuldnerin nunmehr nicht mehr mit Forderungen aus einer Patronatserklärung bzw. einer Höchstbetragsbürgschaft belastet gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die im Tatbestand zitierten Urkunden mit ihren Verweisungen.
Der Kläger hat € 943.844,81 mit Mahnantrag vom 30. Juli 2003, eingegangen am 31. Juli 2003 beim AG Chemnitz geltend gemacht. Gegen den Mahnbescheid vom 9. September 2003 hat der Beklagte mit Eingang vom 17. September 2003 Widerspruch eingelegt. Die entsprechende Mitteilung des AG Chemnitz erhielt der Kläger am 23. September 2003. Am 23. März 2004 beantragte der Kläger die Durchführung des streitigen Verfahrens und hierfür, zunächst ohne weitere Begründung des Anspruchs Prozesskostenhilfe. Nach Abgabe an das Landgericht erging unter dem 31. März 2004 der Hinweis an den Kläger, dass ohne Begründung keine Prüfung des PKH-Antrags möglich sei. Mit dem am 1. Oktober 2004 eingegangen Fax begründete der Kläger dann.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
I.
1.
a)
Eine Erstattung des hier allein geltend gemachten Wertes des übertragenen Geschäftsanteils von ... gem. § 31 Abs. 1 GmbHG, für den keinesfalls Verjährung eingetreten wäre, kommt nicht in Betracht. Ein Verstoß gegen§ 30 GmbHG ist nicht darin zu sehen, dass die - wegen des Rangrücktritts - ganz oder schon früher bestimmungsgemäß eigenkapitalersetzenden Darlehen, die in der Bilanz auch nicht passiviert sind (vgl. BGHZ 146, 264 ff.), durch Übertragung des Gesellschaftsanteils zurückgezahlt worden sind. Dabei kann auch offen bleiben, ob die Insolvenzschuldnerin nach einer Überschuldungsbilanz, in welcher die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- und Liquidationswerten auszuweisen sind, spätestens am 7. Februar 2000überschuldet gewesen ist, wobei es sowohl bei §§ 32 a, und b GmbHG als auch bei den hier in Betracht kommenden Ansprüchen aus§§ 30, 31 GmbHG darauf ankommt, ob das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung von stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckte (s.n. BGH NJW 1999, 3120 [BGH 12.07.1999 - II ZR 87/98]). Es kann auch offen bleiben, ob bei Rückzahlung der Eigenkapital ersetzenden Darlehen eine Unterbilanz bestand oder durch die Auszahlung herbeigeführt worden ist.
Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Übertragung des Gesellschaftsanteils überhaupt Kapital mindernd ausgewirkt hätte. Die durch eine Darlehensrückzahlungen aus Gesellschaftsmitteln erfolgte Reduzierung der Verbindlichkeiten einer Gesellschaft wirkt sich allerdings, wenn es sich um Eigenkapitalersatz handelt, regelmäßig wie eine Kapitalminderung aus (vgl. BGHZ 81, 253, 260 f.). Etwas anderes muss jedoch schon dann gelten, wenn derübertragene Anteil keinen Wert gehabt hätte, was der Beklagte offenbar geltend machen will, und die Insolvenzschuldnerin im Ergebnis nur eine Befreiung von ihren Darlehensverbindlichkeiten erhält. Hier muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Insolvenzschuldnerin im Zusammenhang mit der Übertragung des Anteils von einer Patronatserklärung über DM 1,2 Mio und einer Höchstbetragsbürgschaft über DM 500.000, jeweils zu Gunsten der ..., frei geworden ist, wobei Kläger annimmt, dass Rückstellungen in Höhe von DM 1,7 Mio. hätten gebildet und auf der Passivseite berücksichtigt werden müssen. Da die Insolvenzschuldnerin mit der Transaktion aber nicht nur von den Darlehensverbindlichkeiten frei geworden ist, sie mit der Übertragung des Anteils an ... zudem von erheblichen Sicherungsverpflichtungen frei geworden ist, die womöglich auf der Passivseite in einer Größenordnung von DM 1,7 Mio zu berücksichtigen sind, kann unabhängig von dem Wert des Anteils nicht von einer Kapital mindernden Wirkung ausgegangen werden.
b)
Darüber hinaus könnte der Kläger auch keinen Ersatz für einen möglichen Wertverlust des Anteils beanspruchen. Grundsätzlich sind bei Rückabwicklung des Verkehrsgeschäfts zwar Wertminderungen des vom Empfänger zurückgewährten Gegenstands vom Empfänger durch Geldzahlungen auszugleichen. Die Ursache für die Wertminderung ist auch gleichgültig, der Empfänger haftet insbesondere auch unabhängig vom Verschulden (vgl. BGHZ 122, 333, 338 f.) Dies gilt aber dann nicht, wenn feststeht, dass der gleiche Wertverlust auch dann eingetreten wäre, wenn der Vermögensgegenstand in der Verfügungsgewalt der Gesellschaft verblieben wäre (so auch Roth/Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl., § 30, Rn. 88, offengelassen in BGHZ a.a.O.). So liegt es aber hier: Denn der durch die Insolvenz der ... im Jahr 2002 bedingte Wertverlust, der den auf den Beklagten übertragenen Anteil wertlos gemacht haben mag, wäre auch eingetreten, wenn der Anteil bei der Insolvenzschuldnerin verblieben wäre. Das lässt sich hier jedenfalls deshalb annehmen, weil ein weiterer Anteil, der etwas größer als der auf den Beklagten übertragene ist, bei der Insolvenzschuldnerin verblieben ist, die Mehrheit der Anteile mit 51 % anderweit gehalten wurde und der Beklagte auch weder Geschäftsführer noch Mehrheitsgesellschafter der später insolvent gewordenen Gesellschaft jemals war oder noch ist.
2.
Ein Anspruch aus §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, 134 Abs. 1, 135 Nr. 2 i.V.m. § 143 Abs. 1 S. InsO ist nicht gegeben.
Es liegt nicht schon deshalb eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO vor, weil eine Rückzahlung der Darlehen möglicherweise verboten gewesen ist. Maßgeblich ist dabei, dass die Gesellschaft auch bei Eigenkapital ersetzenden Darlehen dem Gesellschafter verpflichtet bleibt und demzufolge auch Befreiung erlangen kann. Dass das Gesetz dies ebenso sieht, folgt z.B. auch aus § 32 b S. 1 GmbHG oder aus § 135 InsO.
Für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht gem.§ 133 Abs. 1 InsO gibt es in dieser konkreten Fallgestaltung keine Anhaltspunkte oder Vermutung.
Ein Anspruch aus Vertrag kommt nicht in Betracht. Das Gesetz geht nicht davon aus, dass ein Vertrag wie hier mit der Befreiung von Darlehensverbindlichkeiten nicht geschlossen oder erfüllt werden könne. Wenn dies anders wäre, müsste z.B. § 32 b GmHG nicht regeln, dass der Gesellschafter Erstattung zu leisten hat. Auch § 135 Nr. 2 InsO geht zunächst einmal davon aus, dass Befriedigung gewährt wird.
Für § 135 Nr. 2 InsO ist die maßgebliche Frist verstrichen.
In jedem Fall könnte der Kläger gem. § 143 Abs. 1 InsO auch nicht den hier allein verlangten Wertersatz beanspruchen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf§ 709 ZPO.
Melloh
Stäcker