Landgericht Verden
Urt. v. 07.04.2005, Az.: 4 O 399/04

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
07.04.2005
Aktenzeichen
4 O 399/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50904
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 25.08.2005 - AZ: 13 U 133/05
BGH - 29.11.2007 - AZ: IX ZR 165/05

Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 159.367,93 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. September 2002 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Insolvenzverwalter auf Zahlung aufgrund einer Globalzession in Anspruch.

Die Klägerin ist Kreditgeberin der M. AG, über deren Vermögen am 2. August 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (Aktenzeichen: 14 IN 200/02, Amtsgericht Verden). Mit Beschluss des Amtsgerichts Verden vom 5. Juli 2002 ist der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter und mit Beschluss vom 2. August 2002 zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Die Insolvenzschuldnerin hat für Kunden Konzepte zur Unterstützung von Werbemaßnahmen entworfen. Jeweils zugeschnitten auf die einzelnen Kunden wurden sogenannte Merchandising-Produkte von der Insolvenzschuldnerin nach Vorgabe der Kunden mit dem jeweiligen Logo versehen, bestellt und an die Kunden ausgeliefert. Die Insolvenzschuldnerin hat die Waren nicht selbst hergestellt, sondern die von ihren Kunden erhaltenen „Brandings“ an Firmen in China weitergeleitet, wo sie auf verschiedene bewegliche Sachen wie z. B. Kappen, T-Shirts, Sporttaschen, Kulis usw. gedruckt worden sind.

Die Klägerin hat gegenüber der Gemeinschuldnerin aus dem Kreditverhältnis Ansprüche in Höhe von 505.937,41 € zur Insolvenztabelle angemeldet. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 7 d. A. Bezug genommen.

Zur Absicherung aller Ansprüche der Klägerin gegenüber der Insolvenzschuldnerin hat die Insolvenzschuldnerin mit Globalzessionsvertrag vom 12./14. November 2001 die Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen sämtliche Schuldner der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin abgetreten. Hinsichtlich der Einzelheiten der Globalzession wird auf den Vertrag Bl. 8 d. A. Bezug genommen.

Am 28. Juni 2002 hat die Klägerin von der drohenden Insolvenz der Insolvenzschuldnerin erfahren und das bestehende Kreditverhältnis gekündigt.

Die Insolvenzschuldnerin hat am 3. Juli 2002, einen Tag vor Insolvenzantragstellung, 435 Rechnungen und 3 Gutschriften über insgesamt 113.338,30 € und weitere 510,52 € bei der T. AG zum Inkasso eingereicht. Sämtliche Aufträge, die am 3. Juli 2002 abgerechnet worden sind, sind bereits vor dem 28. Juni 2002 erteilt worden. Beim Beklagten sind sämtliche Forderungen mit Ausnahme der Forderung gegen die K. GmbH in Höhe von 6.890,40 € (Rechnung-Nr. 102496 vom 27. Juni 2002) eingegangen und befinden sich unterscheidbar in der Masse. Der Beklagte hat lediglich einen Betrag in Höhe von 344,00 € (Rechnungs-Nr. 102503 vom 1. Juli 2002) als der Klägerin zustehend anerkannt und den entsprechenden Betrag überwiesen.

Am 18. Juli 2002 hat die Insolvenzschuldnerin weitere 17 Rechnungen über insgesamt 104.612,30 € bei der T. AG zum Inkasso eingereicht. Von den Aufträgen, die am 18. Juli 2002 abgerechnet worden sind, sind 11 bereits vor dem 28. Juli 2002 erteilt worden. Beim Beklagten sind auf diese 11 Aufträge Zahlungen in Höhe von 69.025,69 € eingegangen und befinden sich noch unterscheidbar in der Masse.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die klagegegenständlichen Forderungen der Globalzession vom 12./14. November 2001 unterfallen, so dass die Klägerin Zahlung bzw. Absonderung verlangen könne. Die Forderungen seien bereits bei Vertragsschluss, also bei Auftragserteilung und nicht erst bei Lieferung, entstanden. Die Beklagte berechnet ihre Forderung wie folgt:

Rechnungen in Höhe von

113.338,30 €

abzüglich nicht eingegangener Rechnung

6.890,40 €

abzüglich anerkannter und überwiesener

344,00 €

Summe:

106.103,90 €

zzgl. Rechnungen in Höhe von

69.025,69 €

Summe:

175.129,59 €

abzüglich 9 % Feststellungs- und Verwertungskosten in Höhe von

15.761,66 €

Summe:

159.367,93 €.

Der Beklagte hat die Auslieferung der Ware durch den Schuldner an seine Kunden gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 und § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 159.367,93 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. September 2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Forderungen nicht der Globalzession unterfallen. Er vertritt die Ansicht, dass die Forderungen nicht bereits mit Vertragsschluss entstanden seien, sondern erst mit Lieferung der entsprechenden Waren. Da die Waren erst nach Stellung des Antrages auf Insolvenzeröffnung am 4. Juli 2002 bzw. nach Kenntnis der Klägerin von den Umständen der Zahlungsunfähigkeit am 28. Juni 2002 geliefert worden seien, unterfielen die Forderungen somit nicht der Globalzession.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Zahlung von 159.367,93 € gemäß § 398 BGB in Verbindung mit dem Globalzessionsvertrag vom 12./14. November 2001.

Eine Globalzession erfasst alle Forderungen, die vor Antragstellung entstanden sind. Unabhängig davon, ob es sich bei den den streitgegenständlichen Forderungen zugrundeliegenden Verträgen um Werkverträge oder um Werklieferungsverträge handelt, sind die Forderungen bereits mit Vertragsschluss und nicht erst mit Lieferung entstanden. Bei einem Werklieferungsvertrag ist gemäß § 651 BGB Kaufrecht anzuwenden. Die Kaufpreisforderung entsteht ebenso wie die Werklohnforderung bereits mit Vertragsschluss (Palandt, BGB, § 433 Rn. 41, § 632 Rn. 2). Unstreitig sind sämtliche Aufträge bereits vor Antragstellung bzw. vor Kenntnis der Klägerin von den Umständen der Zahlungsunfähigkeit erteilt worden. Die Aufträge sind konkludent durch betriebsinterne Handlungen gemäß § 151 BGB mit Auftragseingang angenommen worden.

Soweit der Beklagte die Anfechtung der Auslieferung der Waren gemäß §§ 130 Abs.1 Nr.1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt hat, führte dies nicht zum Erfolg. Ein Anfechtungsrecht des Beklagten scheitert jedenfalls daran, dass nicht ersichtlich ist, dass die Gemeinschuldnerin mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat. Da die Klägerin infolge der ihr aus dem Kreditverhältnis zustehenden Ansprüche die Sicherung beanspruchen konnte, handelt es sich um kongruente Deckungsgeschäfte. Zwar kann ein Benachteiligungsvorsatz auch bei kongruenter Deckung gegeben sein, doch sind hier an den Nachweis des erforderlichen Vorsatzes höhere Anforderungen zu stellen. Regelmäßig liegt bei kongruenter Deckung die Annahme näher, dass es dem Schuldner auf die Erfüllung seiner Vertragspflicht und nicht auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger ankam. Benachteiligungsvorsatz dürfte hier regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn der Schuldner seine übrigen Gläubiger in unlauterer Weise benachteiligen wollte, die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger also sein primäres Ziel war (Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn.18 m.w.N.). Dies ist hier gerade nicht der Fall. Die Auslieferung der Waren erfolgte gerade nicht in der Absicht, die übrigen Gläubiger der Insolvenzschuldnerin zu benachteiligen.

Der Zinsanspruch beruht auf § 169 InsO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.