Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.07.2003, Az.: 3 U 39/03

Beginn der Sekundärverjährung mit Entstehung des Anspruchs nach § 326 BGB a.F. auch ohne enstprechende Kenntnis; Entfallen der Belehrungspflicht des Anwalts nach Mandatierung eines neuen Anwalts vor Ablauf der Primärverjährung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.07.2003
Aktenzeichen
3 U 39/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33984
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0709.3U39.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 31.01.2003 - AZ: 8 O 44/02

Fundstellen

  • BRAK-Mitt 2004, 76
  • KF 2004, 71
  • KGReport Berlin 2003, 79
  • MDR 2003, 1384 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGR Düsseldorf 2003, 79
  • OLGR Frankfurt 2003, 79
  • OLGR Hamm 2003, 79
  • OLGR Köln 2003, 79
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 357-358
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 79

In dem Rechtsstreit
...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Richter am Oberlandesgericht B..., Dr. S... und Dr. D...
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2003
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 31. Januar 2003 abgeändert.

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10% übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.

  4. 4.

    Beschwer der Kläger: über 20.000 EUR.

  5. 5.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beklagten waren die Prozessbevollmächtigten der Kläger in einem Berufungsverfahren wegen Räumung eines Doppelhauses der Kläger. Mit Schreiben vom 29. August 1996 wiesen die Beklagten die Mieter auf ihre Verpflichtung zur Behebung von Beanstandungen hin (BA 3 C 217/97 AG Wennigsen, Bl. 57/59, Anlage A 9). Die nach dem Verkauf des Hauses durch die Beklagten erhobene Schadensersatzklage gegen die Mieter wurde vom Amtsgericht Wennigsen wegen Verjährung und wegen Nichtbeachtung des § 326 BGB abgewiesen; die Berufung blieb ausweislich des Urteils des Landgerichts Hannover vom 22. Juni 1998 erfolglos. Die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger waren am 2. Juni 1998 mandatiert worden.

2

Das Landgericht hat den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten. Der Anspruch der Kläger sei nicht durch Verjährung erloschen, da bei Einreichung des Mahnbescheids am 20. Juli 2001 der Sekundäranspruch gegenüber den Beklagten noch nicht verjährt gewesen sei. Es fehle an einem Anwaltsverschulden im Zusammenhang mit der erst am 2. Mai 1997 erfolgten Zustellung der Klage im Vorprozess. Ein Anwaltsverschulden der Beklagten liege aber darin, dass ihr Schreiben vom 29. August 1996 nicht den Erfordernissen des § 326 BGB a.F. entsprochen habe. Die alleinige Aufforderung an den Mieter, sich über die Leistungsbereitschaft zu erklären, genüge nicht.

3

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

4

Die Voraussetzungen des § 326 BGB a.F. habe das Schreiben der Beklagten vom 29. August 1996 erfüllt. Der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten sei außerdem verjährt gewesen. Der Schaden sei in Form der Verjährung der Ansprüche gegen die Mieter nach § 558 BGB am 16. März 1997 eingetreten, sodass die dreijährige Verjährung für den Primäranspruch am 15. März 2000 abgelaufen sei. Zur Zeit des Ablaufs der Primärverjährung seien die Kläger längst, und zwar auch wegen des haftungsbegründenden Verhaltens der Beklagten von den Rechtsanwälten R ... &K ... anwaltlich beraten worden. Diesen sei der Sachverhalt insgesamt bekannt gewesen.

5

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 31. Januar 2003 verkündeten Grundurteils des Landgerichts Hannover (8 O 44/02) die Klage abzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

7

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

8

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, die beigezogenen Akten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

9

1.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Anwaltsverschulden der Beklagten darin zu sehen ist, dass sie auf die Hinweise des Landgerichts zu seiner Unzuständigkeit nicht reagiert haben. Nicht zu beanstanden ist jedenfalls die Ansicht des Landgerichts, das Schreiben der Beklagten vom 29. August 1996 habe nicht den Erfordernissen des § 326 BGB a.F. entsprochen. Es entspricht, wie auch in der mündlichen Verhandlung erörtert, der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Voraussetzungen der genannten Vorschrift dann nicht erfüllt werden, wenn der Schuldner nur aufgefordert wird, sich über seine Leistungsbereitschaft zu erklären.

10

2.

Der Anspruch der Kläger gegen die Beklagten ist aber verjährt, § 51 b BRAO.

11

Das Landgericht hat die Grundsätze über die Sekundärverjährung angewendet. Die Hinweispflicht der Beklagten sei nicht wegen Einschaltung neuer Prozessbevollmächtigter am 2. Juni 1998 erloschen, denn diese hätten schon keine nähere Kenntnis über die Angelegenheit gehabt.

12

a)

Die Verjährung beginnt nach § 51 b 1. Alt. BRAO mit der Entstehung des Anspruchs, ohne dass es auf die Kenntnis des Geschädigten ankommt. Damit ist die Frage gestellt, wann dem Mandanten ein Schaden entstanden ist. Für den Fall, dass der Anwalt eine Forderung des Mandanten verjähren lässt, ist mit Verjährungseintritt der Schaden entstanden, nicht erst mit Klagabweisung deswegen (vgl. BGH, IX ZR 73/00 vom 21. Juni 2001).

13

Zutreffend geht die Berufung davon aus, dass der Schaden in Form der Verjährung der Ansprüche der Kläger gegen die Mieter und damit mit Ablauf des 16. März 1997 eingetreten ist (S. 3 des Urteils in 20 S 201/97, LG Hannover). Die Mahnbescheide wurden erst im Juli 2001 beantragt, sodass es auf die Frage der Sekundärverjährung ankommt.

14

b)

Im Grundsatz entfällt die Belehrungspflicht des Anwalts aber, wenn vor Ablauf der Primärverjährung ein neuer Anwalt mandatiert wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn der zweite Anwalt gerade die Regressansprüche gegen den ersten Anwalt verfolgen soll, ohne dass der Wegfall der Belehrungspflicht auf genau diesen Fall beschränkt wäre (vgl. Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 3. Aufl., X 50). Die Vollmacht der Kläger an die neuen Prozessbevollmächtigten lautete auf "Einsichtnahme in die Akte des LG Hannover zum Az: 20 S 201/97" (BA Bl. 189). In der Mandatsanzeige an das Landgericht ist von der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche die Rede (BA Bl. 188). In der Berufungserwiderung wird jetzt vorgetragen, Inhalt der Beauftragung der jetzigen Klägervertreter sei nicht die Geltendmachung von Regressansprüchen gewesen. Anlass sei vielmehr gewesen, dass die Beklagten sich auf eine Vielzahl von Anfragen der Kläger nicht gemeldet hätten und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Regierungskasse gegen sie eingeleitet worden seien. Dieser Vortrag findet eine Bestätigung im Schreiben der neuen Klägervertreter an die RAK ... vom 5. Februar 1999 (K 13, Bl. 125). Gerade dieses Schreiben zeigt aber auch, dass die neuen Klägervertreter Kenntnis davon hatten, dass die Beklagten Schadensersatzansprüche der Kläger gegen ihre Mieter hatten verjähren lassen. Schon dieses Schreiben an die RAK belegt, dass es Aufgabe der neuen Klägervertreter war, die Aufgabenerledigung durch die Beklagten zu überprüfen. Das haben sie auch getan und mit dem Schreiben an die RAK reagiert. In diesem heißt es gegen Ende, dass durch das Verhalten der Beklagten den Klägern ein Schaden entstanden sei, der noch geltend gemacht werde. Wie in der mündlichen Verhandlung bereits ausgeführt, geht der Senat damit davon aus, dass die Belehrungspflicht der Beklagten mit Beauftragung der neuen Klägervertreter erloschen ist und die Grundsätze der Sekundärverjährung gerade nicht eingreifen, sodass es beim Eintritt der (Primär-)Verjährung bleibt.

15

c)

Die Verjährungseinrede ist auch nicht treuwidrig. Die Kläger verweisen insoweit auf ein Schreiben der Beklagten zu 3 vom 19. August 1998 (K 12, Bl. 124). In diesem heißt es, dass sie unmittelbar vor ihrem Urlaubsantritt stehe und Anfang September unaufgefordert sofort auf den Vorgang zurückkommen und entsprechend Vorschläge unterbreiten werde. Dieses Schreiben allein genügt aber zur Begründung der Arglisteinrede nicht, zumal der Zweck der Verjährungsregelung des § 51 b BRAO es nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfordert, strenge Anforderungen an den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu stellen (vgl. BGH, IX ZR 73/00 vom 21. Juni 2001). Die Beklagten kamen ersichtlich auf den Vorgang nicht zurück, dies immerhin rd. 1 1/2 Jahre vor Eintritt der Primärverjährung. In ausreichendem zeitlichen Abstand zum Eintritt der Verjährung musste den anwaltlich vertretenen Klägern deutlich sein, dass zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung sie ihren Anspruch gerichtlich geltend machen mussten.

16

d)

Die Kläger können sich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagten Verhandlungen aufgenommen und einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätten. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2003, bei Gericht eingegangen am 23. Juni 2003, ist dem Senat nunmehr ein Schreiben der Beklagten vom 22. März 1999 vorgelegt worden. In diesem Schreiben ist u.a. die Rede davon, dass die Haftpflichtversicherung durch die Beklagten in Kenntnis gesetzt werden solle. Der Erstbeklagte teilt mit, er möchte die Sache möglichst mit geringem Aufwand für alle Beteiligten erledigen.

17

Wie in der mündlichen Verhandlung bereits erörtert, lässt sich zwar daran denken, dass dieses Schreiben zu einer Unterbrechung der Verjährung nach § 208 BGB a.F. (Anerkenntnis) geeignet ist oder sonst die spätere Berufung der Beklagten auf den Eintritt der Verjährung als treuwidrig erscheinen lässt. Das ist hingegen, wie ebenfalls bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht der Fall. Gegen ein Anerkenntnis spricht schon, dass der Unterzeichner dieses Schreibens ausführt, er werde die zuständige Haftpflichtversicherung von dem Schadensfall in Kenntnis setzen. Es ist nicht zu erwarten, dass ein Anwalt einen gegen ihn gerichteten Anspruch anerkennt, noch bevor er seine Haftpflichtversicherung von dem Schadensfall in Kenntnis gesetzt hat. Überdies heißt es in dem Schreiben, dass um Mitteilung gebeten werde, ob die Kläger der Drittbeklagten gegenüber Schadensersatzansprüche geltend machen wollen. Ansprüche waren danach also noch gar nicht gestellt worden, sodass keinesfalls seitens der Kläger erwartet werden konnte, dass die Beklagten Ansprüche noch vor Geltendmachung anerkennen. Überdies zeigt das Schreiben vom 22. März 1999, dass die Verantwortung für den Verjährungseintritt bei den Gerichten gesucht wird, die es sich zu leicht gemacht hätten. Schließlich gilt, ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme, dass das Schreiben vom 22. März 1999 erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegt worden ist, sodass daran zu denken ist, den zugehörigen Vortrag als verspätet anzusehen. In der ersten Instanz wurde dieses Schreiben zwar mehrmals erwähnt, allerdings ohne jedes Eingehen auf seinen Inhalt.

18

3.

Mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO war das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Dass die Revision nicht zuzulassen war, ergibt sich aus § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.