Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 27.09.2019, Az.: VgK-34/2019

Ausschreibung von Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten an Übertragungssystemen und Fernmeldekabeln sowie sonstigen dazugehörigen Tätigkeiten europaweit im Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
27.09.2019
Aktenzeichen
VgK-34/2019
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 38055
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen: xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren "Wartung von Fernmeldeeinrichtungen, Los 1" Bekanntmachungs-Nr. im EU-Amtsblatt: xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Sozialwirt Tiede und den ehrenamtlichen Beisitzer Rechtsanwalt Pilarski auf die mündli-che Verhandlung vom 24.09.2019 entschieden:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 50 % und die Antragsgegnerin und die Beigeladene gesamtschuldnerisch zu 50 %.

  4. 4,

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sowie die Antragsgegnerin und die Beigeladene gesamtschuldnerisch der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 50 % zu ersetzen.

  5. 5.

    Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war sowohl für die Antragstellerin als auch für die Antragsgegnerin und die Beigeladene notwendig.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin hat mit EU-Vergabebekanntmachung gemäß Richtlinie 2014/25/EU vom xxxxxx.2019 Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten an Übertragungssystemen und Fernmeldekabeln sowie sonstige dazugehörige Tätigkeiten europaweit im Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb ausgeschrieben. Streitgegenständlich ist hier das Los 1 "Instandhaltung Übertragungstechnik + Rufbereitschaft WAN"

Die Angebote werden nach folgenden Kriterien bewertet:

I Die Gesamtkosten (über 5 Jahre Vertragslaufzeit) mit 50 % Gewichtung. Dabei wird der Quotient aus den niedrigsten angebotenen Gesamtkosten und den Gesamtkosten des Bieters in Relation zur Gewichtung bewertet.

II Das Konzept zur Auftragsabwicklung mit 20 % Gewichtung.

III Das Konzept Organisation der 24/7-Rufbereitschaft (WAN) mit 10 % Gewichtung.

IV Das Konzept zu den Personalanforderungen mit 20 % Gewichtung.

Die eingereichten Konzepte werden zu den Kriterien II bis IV jeweils wie folgt bewertet:

o 100 Punkte (x Gewichtung): Das Konzept ist vollständig, nachvollziehbar und überzeugend.

o 60 Punkte (x Gewichtung): Das Konzept ist teilweise nicht vollständig, nachvollziehbar oder überzeugend.

o 0 Punkte (x Gewichtung): Das Konzept ist nicht vollständig, nachvollziehbar oder überzeugend.

Es sind maximal 100 Punkte zu erreichen. Der Zuschlag wird auf das Angebot mit der höchsten Punktzahl erteilt.

Aufgrund des Informationsschreibens nach § 134 GWB vom 16.08.2019 rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.08.2019 das Vergabeverfahren. Gerügt wurde, dass das übersandte Informationsschreiben nicht die Anforderungen des § 134 GWB erfülle, da sich dem Schreiben keine ausreichende Information entnehmen lasse, warum das Angebot der Antragstellerin inhaltlich schlechter bewertet worden sei als das Angebot der Beizuladenden.

Wenige Stunden später wurde ein Nachprüfungsantrag gestellt. Die Antragstellerin habe ihr Interesse durch Abgabe eines Angebots bekundet. Ihr drohe auch ein Schaden, weil sich durch die Vergaberechtsverstöße ihre Chancen auf die Erteilung des Zuschlags verschlechtert hätten.

Die Vorgaben des Vergaberechts seien nicht beachtet worden. Die Antragsgegnerin habe gegen § 134 Abs. 1 GWB verstoßen. Nach dem müssen Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform informiert werden.

Die streitgegenständliche Vorabinformation informiere nicht über die "Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung des Angebots" der Antragstellerin. Unterlegene Bieter müssten nachvollziehen können, aus welchem Grund ihre Angebotsinhalte schlechter bewertet worden seien als das Angebot des ausgewählten Mitbieters. Der Bieter müsse verständlich und präzise die Gründe erfahren, weshalb sein Angebot erfolglos geblieben sei. Es müssten zumindest die eigene erreichte Punktzahl und die Punktzahl des Bestbieters mitgeteilt werden. Bei einem ausdifferenzierten Bewertungssystem mit unterschiedlich gewichteten qualitativen Zuschlagskriterien müsse für jedes Zuschlagskriterium einschließlich Unterkriterien die erreichte Punktzahl, insbesondere die Punktdifferenz zum Bestbieter, mitgeteilt und erläutert werden. Eine Aufschlüsselung der Einzelpunktvergabe sowie eine Begründung für erfolgten Punktabzug seien zwingend erforderlich.

Die Vorabinformation der Antragsgegnerin informiere hier nur ganz allgemein darüber, dass das Angebot der Antragstellerin "nicht das wirtschaftlichste Angebot" sei. "Grund hierfür sind im Wesentlichen die Gesamtkosten Ihres Angebots" werde in der Vorabinformation ganz allgemein weiter ausgeführt. So sei nicht nachzuvollziehen, ob die Angebotsauswertung vergaberechtskonform sei. Insgesamt sei die Vorabinformation nichtssagend und unklar.

Ergänzend trägt die Antragstellerin vor, dass der in der Wertung bei dem qualitativen Kriterium "Organisation der 24/7-Rufbereitschaft (WAN)" vorgenommene Punktabzug sachlich nicht gerechtfertigt sei und der vorgenommene Punktabzug verfahrensfehlerhaft sei. Aus dem eingereichten Konzept ergebe sich aus der Darstellung der unterschiedlichen Vorgehensweise bei Los 1 und Los 2 nicht, dass die Antragstellerin im Rahmen der Rufbereitschaft keinen Vor-Ort-Einsatz anbiete.

Die zitierten Ausführungen der Antragstellerin im letzten Absatz auf Seite 30 ihres Angebots würden sich insgesamt ausdrücklich auf die Zeit "nach erfolgter Fehlereingrenzung" beziehen. Der von der Antragsgegnerin geforderte mögliche Vor-Ort-Einsatz bezöge sich jedoch auf eine davor liegende Zeit, nämlich den Zeitabschnitt der Fehlereingrenzung. Dies ergäbe sich eindeutig aus der Leistungsbeschreibung für die Erstellung der finalen Angebote auf Seite 11, in der es wörtlich heiße:

"Nach Aufforderung der Rufbereitschaft [...] kann die Eingrenzung des Kabelfehlers auf einen Kabelabschnitt auch einen Vor-Ort-Einsatz erfordern. Eine Kabelreparatur ist nicht Bestandteil der Rufbereitschaft Kabelnetz. Eine Kabelreparatur erfolgt durch den AN [...] für Los 2."

In ihren Erläuterungen beschreibe die Antragstellerin aus Sicht des Bieters für das Los 1 die unterschiedlichen Vorgehensweisen im Hinblick auf Fehler, einerseits im Fernmeldekabelnetz und andererseits in der Übertragungstechnik. Diese Differenzierung sei deshalb erforderlich, weil sich die Rufbereitschaft auf die Übertragungstechnik und auf das Fernmeldekabelnetz beziehen, die sich anschließende Störungsbeseitigung jedoch von den verschiedenen Losen erfasst werde. Nach Lokalisierung des Fehlers sei für die eigentliche Beseitigung der Störung der Auftragnehmer von Los 1 nur dann zuständig, wenn es sich um eine Störung in der Übertragungstechnik handelt. Fehler im Fernmeldekabelnetz habe der Auftragnehmer von Los 2 zu beseitigen. Bei einem lokalisierten Fehler in der Übertragungstechnik müsse der Auftragnehmer also lediglich intern die Information zur Störungsbeseitigung weitergeben. Handele es sich hingegen um eine Störung im Fernmeldekabelnetz muss der Auftragnehmer von Los 1 den Auftraggeber informieren. Die Störungsbeseitigung hätte in diesem Fall durch den Auftragnehmer von Los 2 zu erfolgen.

Genau auf diese Passage in der Leistungsbeschreibung nähmen die Ausführungen der Antragstellerin im letzten Absatz auf Seite 30 ihres Angebots Bezug und würden exakt die dort aufgestellten Kriterien erfüllen. Zunächst werde im Rahmen der Rufbereitschaft eine Fehlereingrenzung vorgenommen, für die möglicherweise auch ein Vor-Ort-Einsatz erforderlich sei. Nach erfolgter Fehlereingrenzung sei entweder der Auftragnehmer für Los 1 (bei Fehlern in der Übertragungstechnik) oder der Auftragnehmer für Los 2 (bei Fehlern im Kabelnetz) zuständig. Lediglich die unterschiedlichen Informationsströme nach erfolgter Fehlereingrenzung beschreibe der letzte Absatz auf Seite 30 des Angebots der Antragstellerin. Ein fehlendes Angebot im Hinblick auf einen möglicherweise notwendigen Vor-Ort-Einsatz im Rahmen der Fehlereingrenzung (d.h. während der Fehlereingrenzung) sei mit dieser konzeptionellen Beschreibung nicht verbunden.

Zudem sei die Bewertung des Angebots der Beigeladenen fehlerhaft. Im Rahmen des Kriteriums "Organisation der 24/7-Rufbereitschaft (WAN)" werde gefordert, dass ein Servicetechniker in weniger als 4 Stunden vor Ort ist, um eine Störung zu beseitigen. Nach den der Antragstellerin bekannten öffentlich zugänglichen Informationen verfüge die Beigeladene lediglich über Servicestützpunkte in xxxxxx und xxxxxx. Von diesen beiden Orten seien jedoch nicht alle Netzbereiche der Antragsgegnerin innerhalb von 4 Stunden erreichbar. In dem Fall wäre das Konzept der Beigeladenen nicht vollständig und könnte bereits deshalb, wie hier geschehen, nicht mit der Höchstpunktzahl bewertet werden. Festzuhalten bleibe, dass die Beigeladene nach den Informationen der Antragstellerin die geforderte Reaktionszeit nicht umfassend einhalten könne. Dies hätte entweder zum Ausschluss des Angebots, mindestens aber zu einem erheblichen Punktabzug im Rahmen der qualitativen Bewertung hätte führen müssen.

Ob die Beigeladene in Bezug auf die von der Antragsgegnerin aufgestellten und bewerteten Kriterien ebenso umfangreich und im Ergebnis nachvollziehbar konzeptionell dargestellt habe, sei vor dem Hintergrund der Bewertungen der Antragstellerin zu bezweifeln. Die Formulierungen im Auswertungsvermerk würden vielmehr den Schluss nahe legen, dass gerade im Hinblick auf die hervorgehobenen Kriterien "Steuerungsmodell", ,,MA-Rollen", "Zuständigkeiten" usw. entsprechend umfassende Ausführungen im Konzept der Beigeladenen fehlen würden. Da die Auswertung des Angebots der Beigeladenen bisher geschwärzt sei, könne die Antragstellerin ihren Vorwurf zunächst nur sehr allgemein und unter Bezugnahme auf ihre eigene Bewertung belegen.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,

  2. 2.

    der Antragstellerin gemäß § 111 Abs. 1 GWB die Einsichtnahme in die Vergabeakte zu gestatten,

  3. 3.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen,

  4. 4.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen,

  3. 3.

    auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin notwendig gewesen ist,

  4. 4.

    der Antragstellerin keine Akteneinsicht zu gewähren,

  5. 5.

    dem Antrag der Antragstellerin, die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären, nicht stattzugeben.

Der Nachprüfungsantrag sei offensichtlich unzulässig: Die Antragsgegnerin sei kein Sektorenauftraggeber und es fehle der Antragstellerin die Antragsbefugnis im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB.

Der xxxxxx Staat übe keinen beherrschenden Einfluss auf die Antragsgegnerin aus und sie sei somit nicht als Sektorenauftraggeber einzustufen. Die Möglichkeiten der Einflussnahme der xxxxxx auf die deutschen Tochtergesellschaften seien in einem sog. Governance Letter festgehalten. Ein Zustimmungserfordernis für Einkaufsvorgänge wie EU-weite Ausschreibungen existiere ausweislich dieses Governance Letters nicht. Die Antragsgegnerin entscheide eigenständig und ohne Beeinflussung durch den xxxxxx Mutterkonzern über ihren Beschaffungsbedarf, eine Kontrolle beziehungsweise Einflussnahme der xxxxxx Gesellschaften, und damit des xxxxxx Staates, finde nicht statt.

Die Antragstellerin sei zudem nicht antragsbefugt. Sie habe allein und ausschließlich einen vermeintlichen Verstoß gegen § 134 GWB geltend gemacht und nicht dargelegt, wie ihr dadurch ein Schaden entstanden oder zu entstehen droht.

Die Antragstellerin habe nur geltend gemacht, dass die Vorabinformation nicht den Anforderungen des § 134 Abs. 1 GWB entspräche. Der Schutzzweck des § 134 GWB, die Gewährleistung effizienten Rechtschutzes, sei damit erfüllt. Ein drohender Schaden, die Verschlechterung der Zuschlagschancen, selbst wenn die Vorabinformation tatsächlich nicht die erforderlichen Anforderungen erfüllen sollte, sei nicht erkennbar. Der Nachprüfungsantrag sei somit auch mangels Antragsbefugnis offensichtlich unzulässig,

Der Nachprüfungsantrag sei auch offensichtlich unbegründet. Die Vorabinformation entspreche den Vorgaben des § 134 Abs. 1 GWB. Eine Übersendung einer vollständigen, gegebenenfalls anonymisierten, Wertungsmatrix sei ebenso nicht erforderlich wie eine Mitteilung der genauen Einstufung des unterlegenen Bieters im Vergleich zum erfolgreichen Bieter. Im Regelfall reiche es aus, dass der Grund für die Nichtberücksichtigung verständlich und präzise benannt werde. Dies sei der Fall, wenn der Bieter aus der Vorabinformation und nach seinem individuellen Kenntnisstand erkennen könne, warum die Prüfung seines Angebotes zur Ablehnung geführt habe. Dem Auftraggeber seien für den Umfang der Informationspflicht keine allzu großen Anforderungen auferlegt. Die Begründung für eine Nichtberücksichtigung könne durch eine knappe Information in einem vorformulierten Standardschreiben erfolgen, aus der ein Bieter seine Stellung im Wettbewerb erkennen und die Chancen eines Nachprüfungsverfahrens einschätzen könne.

Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin in der Vorabinformation als entscheidenden Grund für die Nichtberücksichtigung mitgeteilt, dass ihr Angebot wegen der Gesamtkosten nicht das wirtschaftlichste sei, mithin ihr Angebot teurer als das der Beigeladenen sei. Denn die Antragstellerin habe in allen anderen Kriterien zur fachlich/technischen Wertung die maximale Punktzahl erhalten. Nur beim Kriterium Organisation der 24/7-Rufbereitschaft habe sie nicht die maximale Punktzahl erhalten, sondern die zweithöchste Punktzahl.

Die für den Zuschlag vorgesehene Beigeladene habe im Hinblick auf die fachlich/technische Bewertung bei allen Kriterien die maximale Punktzahl erhalten. Selbst wenn die Antragstellerin die maximale Punktzahl bei der technisch/fachlichen Bewertung erhalten hätte, hätte sie somit trotzdem nicht das wirtschaftlichste Angebot eingereicht, weil ihr Angebot bei den Gesamtkosten höher gewesen sei.

Entscheidend für die Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin seien daher die höheren Gesamtkosten gewesen. Dies sei in der Vorabinformation auch mitgeteilt worden und entspreche somit dem Sinn und Zweck des § 134 Abs. 1 GWB, dass der Bieter die Information erhalten solle, die entscheidend sei, wieso er den Zuschlag nicht erhalten habe, so dass er abwägen könne, ob er Rechtsschutz suche.

Der Nachprüfungsantrag bliebe aber selbst dann offensichtlich unbegründet, wenn ein Verstoß gegen § 134 Absatz 1 GWB unterstellt würde, denn ein fehlender Schadenseintritt führe zur offensichtlichen Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags.

Eine Einsichtnahme in die Vergabeakten sei zu versagen, da der Nachprüfungsantrag offensichtlich unzulässig und offensichtlich unbegründet sei. Die Antragstellerin habe allein gerügt und im Nachprüfungsantrag geltend gemacht, dass die Vorabinformation nicht den Anforderungen des § 134 GWB genüge. Weiterer Vortrag bzw. gerügte Verstöße, die einen Schaden begründen, habe sie nicht dargelegt. Es sei unzulässig, dass ein von vornherein unzulässiger Antrag erst im Wege der Akteneinsicht substantiiert werden würde und der Antragstellerin erst die Kenntnisse verschaffe, die Gegenstand einer Rüge sein könnten.

Es sei festzustellen, dass die Antragstellerin einen offensichtlich unzulässigen und unbegründeten Nachprüfungsantrag eingereicht hat, um sich unberechtigt Informationen zu verschaffen und den Zuschlag unrechtmäßig zu vereiteln. Dies werde auch dadurch untermauert, dass die Antragstellerin erst am 26.08.2019, einen Tag vor der beabsichtigten Zuschlagserteilung, eine Rüge ausgesprochen habe und bereits am gleichen Tag einen Nachprüfungsantrag eingereicht habe. Die Vorabinformation habe sie aber bereits am 16.08.2019 erhalten. Ein solches Zuwarten sei nicht nachvollziehbar, wenn der Inhalt der Vorabinformation nicht ausreichend sei. Der Antragsgegnerin sei es faktisch verwehrt worden, einer Rüge abhelfen zu können. Ein Versuch, mittels Akteneinsicht den Nachprüfungsantrag zu substantiieren bzw. vermeintliche Vergabe verstoße zu finden, stehe im Widerspruch zum Akteneinsichtsrecht im Sinne des §165 GWB.

Ergänzend trägt die Antragsgegnerin vor, dass kein Schaden entstanden sei. Die Wertung sei ordnungsgemäß erfolgt, selbst bei gegenteiliger Annahme hätte die Antragstellerin nicht den Zuschlag erhalten können, weil ihr Angebot teurer gewesen sei.

Festzustellen bleibe, dass ein Vor-Ort Einsatz nicht angeboten worden sei. Dass die Antragstellerin dies nicht ausdrücklich in ihr Angebot aufgenommen habe, gehe somit zu ihren Lasten.

Die Ausführungen der Antragstellerin zur angeblichen unzureichenden Reaktionszeit seien in der Sache unzutreffend. Die Beigeladene habe, entgegen der Mutmaßung der Antragstellerin, in ihrem Angebot die Erreichbarkeit konkret dargestellt. Die Strecke bis xxxxxx werde mit einer Fahrtzeit von unter vier Stunden angegeben. Die Beigeladene habe als bisherige Dienstleisterin der Antragsgegnerin die Leistung auch stets vertragskonform erbracht. Die Ausführungen der Antragstellerin zur ungleichen Bewertung bei verschiedenen Unterkriterien seien unbeachtlich, da es sich um bloße Mutmaßungen ins Blaue hinein handele. Gerade im Hinblick auf die hervorgehobenen Kriterien Steuerungsmodell, MA-Rollen, Zuständigkeiten seien diese unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Unsubstantiierte Behauptungen würden keinen Akteneinsichtsanspruch begründen. Zudem läge keine ungleiche Bewertung vor, die Beigeladene habe mit dem Dokument "Angaben zu den Kriterien der Bewertungsmatrix Los 1" ihr Angebot und damit die geforderten Leistungen umfassend und vollständig erläutert.

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären,

  3. 3.

    Akteneinsicht gem. § 165 GWB.

    Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 24.09.2019 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig aber unbegründet. Die Antragsgegnerin ist, obgleich es sich um eine private Gesellschaft im Eigentum einer ausländischen Gebietskörperschaft aus dem EU-Raum handelt, öffentliche Auftraggeberin (vgl. nachfolgend zu 1a). Zwar genügte das Informationsschreiben der Antragsgegnerin nicht den an dieses zu stellenden Anforderungen nach § 134 GWB. Dieser Vergaberechtsverstoß wurde jedoch im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens geheilt (vgl. nachfolgend zu 2a). Zwar hat die Antragsgegnerin beurteilungsfehlerhaft das Konzept der Antragstellerin zur "Organisation der 24/7-Rufbereitschaft (WAN)" schlechter bewertet, dies führt jedoch zu keinem Schaden der Antragstellerin (vgl. nachfolgend zu 2b). Gründe für einen Angebotsausschluss oder für die Abwertung des Angebots der Beigeladenen liegen nicht vor (vgl. nachfolgend zu 2c).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a. Die Antragsgegnerin ist Sektorenauftraggeberin gemäß §§ 102 Abs. 3, 99 Nr. 2, 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Sie ist ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH nach deutschem Recht. Der Unternehmensgegenstand der Auftraggeberin ist die Versorgung mit Gas und dieser damit auf eine Tätigkeit im Sektorenbereich im Sinne des § 102 Abs. 3 GWB gerichtet. Die Antragsgegnerin übt mit dem vorliegenden Auftrag ihre Sektorentätigkeit aus.

Die Antragsgegnerin ist eine öffentliche Auftraggeberin gemäß § 99 Nr. 2 GWB. Danach sind öffentliche Auftraggeber juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts (1), die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen (2), sofern sie eine besondere Staatsverbundenheit aufweisen (3).

(1) Die Antragsgegnerin ist eine juristische Person des privaten Rechts mit Sitz in Deutschland, sie besitzt mithin die erforderliche Rechtspersönlichkeit.

(2) Sie wurde auch zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Gesellschafter und Eigentümer der Antragsgegnerin ist über eine Holding der Staat xxxxxx. Die Antragsgegnerin ist wegen ihrer xxxxxx Inhaberschaft nicht mit dem Ziel gegründet worden, im spezifischen deutschen Allgemeininteresse oder im Allgemeininteresse des Versorgungsgebietes liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Es ist daher zu prüfen, ob ausländische Gesellschaften aus dem EU-Binnenmarkt dem Allgemeininteresse im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB dienen.

Der Begriff der Gebietskörperschaft ist kein spezifisch deutscher Begriff. Nach Art. 3 Nr. 2 der RL 2014/25/EU, den § 99 GWB inhaltsgleich in deutsches Recht umsetzt, umfasst "Gebietskörperschaften" alle Behörden der Verwaltungseinheiten "Einrichtungen des öffentlichen Rechts" mit sämtlichen der oben dargestellten Merkmale. Eine Gebietskörperschaft aus dem EU-Binnenmarkt, die das Geschäftsfeld ihrer Gesellschaft auch auf das Gebiet benachbarter Gebietskörperschaften ausdehnt, verliert nicht die Bindung an das Allgemeinwohl, selbst wenn diese Erweiterung nur der erhöhten Wirtschaftlichkeit dient und eine Vereinbarung über die öffentlich öffentliche Zusammenarbeit im Sinne des § 108 GWB fehlt. Selbst wenn die die Antragsgegnerin beherrschende Gebietskörperschaft die Versorgung im Streitgegenstand nur als gewerbliche Tätigkeit wahrnimmt, bleibt die Antragsgegnerin von dem Gemeinwohlzweck infiziert (Badenhausen-Fähnle in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 99, Rn. 42; Pünder in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 99, Rn. 25; Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, § 99, Rn. 67; EuGH, Urteil vom 05.10.2017 - Rs. C-567/15; EuGH, Urteil vom 10.04.2008, C 393/06 "Aigner", Vergaberecht 2008, 632, 637) Das frühere einschränkende Tatbestandsmerkmal der "Ausübung der Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten" (§ 98 Nr. 4 GWB a.F., vgl. hierzu Beschlüsse der Vergabekammer Niedersachsen vom 30.09.2015, VgK-30/2015 und vom 13.05.2016, VgK-10/2016) wurde mit der Reform des GWB von 2016 aufgegeben.

Die Antragsgegnerin ist als nicht gewerblich handelnd einzustufen. Der Staat erfüllt seine Aufgaben der Daseinsvorsorge, die nicht primär der gewerblichen Gewinnerzielungsabsicht dienen, oftmals nicht unmittelbar selbst, sondern durch Gesellschaften, an denen er wieder zusammen mit privaten Wirtschaftsunternehmen beteiligt ist (sog. gemischtwirtschaftliche Unternehmen), oder - häufiger - durch rechtlich selbständige Eigengesellschaften. In beiden Fällen findet lediglich eine Aufgabenverlagerung statt, ohne dass sich der am Allgemeininteresse orientierte Gesellschaftszweck ändert. Die Aufgabenerfüllung erfolgt in nichtgewerblicher Art. Während eine allgemeingültige Definition des Begriffes "nichtgewerblicher Art" nicht besteht, grenzt der EuGH diesen negativ ab. Von einer gewerblichen Aufgabenerfüllung ist danach regelmäßig auszugehen, wenn die Tätigkeit unter echten Wettbewerbsbedingungen ausgeübt wird, insbesondere das Verlust- und Konkursrisiko alleinverantwortlich zu tragen ist. Besteht Rückhalt in der öffentlichen Hand, z.B. durch Patronatserklärungen oder Verlustausgleich aus öffentlichen Haushalten, sind echte Wettbewerbsbedingungen nicht mehr gegeben, es ist von Nichtgewerblichkeit auszugehen (EuGH Slg. 1998, 1-6821 = NVwZ 1999, 397 - Gemeente Arn-hem; EuGH Slg. 2003, 1-5321 = NZBau 2003, 396 - Korhonen; EuGH Slg. 2001, I-3605 = NZBau 2001, 403 [OLG Düsseldorf 10.11.2000 - 22 U 78/00] - Ente Fiera). Vorliegend besteht zwischen der Antragsgegnerin und deren Muttergesellschaft ein Ergebnisabführungsvertrag. Ein solcher besteht ebenfalls zwischen der Muttergesellschaft und deren Muttergesellschaft, welche wiederum im alleinigen Eigentum der xxxxxx steht. (Quelle: Bundesanzeiger vom xxxxxx.2019, Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 der Antragsgegnerin unter "Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge" sowie Bundesanzeiger vom xxxxxx.2019, Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 der xxxxxx jeweils unter "Ausführungen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage"). Diese Gewinnabführungen haben umgekehrt bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung zur Folge, dass die Antragsgegnerin kein eigenes wirtschaftliches Risiko zu tragen hat. Verluste werden durch die Muttergesellschaft ausgeglichen. Von einem echten Wettbewerb ist daher nicht auszugehen.

(3) Zuletzt weist sie auch die erforderliche Staatsverbundenheit auf. Diese kann gemäß § 99 Nr. 2 a) GWB u.a. dadurch begründet werden, dass sie überwiegend von Stellen nach Nr. 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden. Eine solche überwiegende Finanzierung besteht vorliegend über dazwischentretende verbundene Konzerne von xxxxxx, welches eine Gebietskörperschaft i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB darstellt. Neben der Finanzierung durch die verbundenen Gesellschaften im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages ist auch davon auszugehen, dass das Stammkapital der Antragsgegnerin von der Muttergesellschaft und damit mittelbar von xxxxxx erbracht wurde.

Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dieser Gebietskörperschaft nicht um die des Versorgungsgebiets, sondern mit xxxxxx um eine externe Gebietskörperschaft handelt.

Bei der Anwendung einer europarechtlichen und daher europaweit gültigen Norm, die dazu dienen soll, einen grenzüberschreitenden Wettbewerb nach einheitlichen Kriterien zu ermöglichen, erscheint es nicht angemessen, einen darin verwendeten Begriff auf ein nationales Verständnis zu begrenzen (unsicher OLG Celle, Beschluss vom 08.08.2013,13 Verg 7/13). Die Vergabekammer geht daher wie schon in Vorentscheidungen zum Recht vor 2016 (vgl. Beschlüsse der Vergabekammer Niedersachsen vom 30.09.2015, VgK-30/2015, und vom 13.05.2016, VgK-10/ 2016) davon aus, dass es sich bei xxxxxx um eine Gebietskörperschaft im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB handelt. Der Begriff der Gebietskörperschaft aus § 99 Nr. 1 GWB ist nicht auf deutsche Gebietskörperschaften zu beschränken. Da sich eine Staatsverbundenheit bereits aus § 99 Nr. 2 a) GWB ergibt, kommt es auf die Frage, ob xxxxxx durch Aufsicht nach § 99 Nr. 2 b GWB oder durch Einwirkung auf Geschäftsführung oder interne Aufsichtsorgane nach § 99 Nr. 2 c GWB einen beherrschenden Einfluss auf die Antragsgegnerin haben oder ausüben, nicht an.

Die Antragsgegnerin ist daher - vergaberechtlich privilegierte - Sektorenauftraggeberin im Sinne des § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB. § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB erfasst öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 1 bis 3 GWB und damit gerade auch Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand im Bereich der Daseinsvorsorge. Es ist daher vorliegend vergaberechtlich nicht fehlerhaft, dass sich die Antragsgegnerin entschlossen hat, den verfahrensgegenständlichen Auftrag als Sektorenauftrag im Sinne der SektVO einzustufen und eine entsprechende Bekanntmachung veranlasst hat.

b. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzte Auftrags- oder Vertragswerte ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Auftrag über Liefer- und Dienstleistungen zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für die gem. § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i. V. m. Art. 15 der Richtlinie 2014/25/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 443.000 € gilt. Die eingegangenen Angebote überschreiten den Schwellenwert deutlich.

c. Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Danach ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Die Antragstellerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie ein Interesse am Auftrag hat, und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht. Sie hat ein Angebot abgegeben, vorprozessuale Rüge nach § 160 Abs. 3 GWB erhoben und einen Nachprüfungsantrag eingereicht. Mit der Rüge und dem Nachprüfungsantrag hat sie beanstandet, dass das von der Antragsgegnerin ausgestellte Informationsschreiben nach § 134 GWB nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und, dass ihr Angebot zu schlecht bewertet worden sei. Gleichzeitig hätte das Angebot der Beigeladenen bei vergleichender Betrachtung abgewertet werden müssen.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt ((Kadenbach in: Willenbruch-Wieddekind, § 160 GWB, Rn. 61)). Nach ständiger Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden schlüssig vorträgt, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein könnten (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/ Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rdnr. 86 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden dargelegt. Sie hat insbesondere nachvollziehbar dargelegt, dass ihr Angebot unter Berücksichtigung ihrer Rechtsauffassung als wirtschaftlichstes zu berücksichtigen wäre.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin, hat die Antragstellerin den behaupteten Schaden auch substantiiert - zumindest in dem Rahmen, der ihr zur Verfügung stand -vorgetragen. Grundsätzlich stellt die schlichte Behauptung, das eigene Angebot müsse besser bewertet worden sein, als das der Konkurrenz keinen ausreichend substantiierten Vortrag dar. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus (OLG München, Beschluss vom 07.08.2007 - Verg 8/07). Nimmt die Antragstellerin dagegen ihr bekannte Tatsachen zum Anlass, auf eine möglicherweise unzutreffende Wertung zu schließen, so können die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge bereits erfüllt sein (OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.08.2012 - Verg W 5/12; VK Brandenburg, Beschluss vom 20.01.2014 - VK 27/13). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn einer Antragstellerin jegliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme von Detailwissen vorenthalten wird. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn, wie vorliegend, das Informationsschreiben nach § 134 GWB nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Sinn der Informationspflichten ist es, dem Bieter oder Bewerber die Möglichkeit zu geben, einen Rechtsverstoß zu erkennen. Ein betroffener Bewerber oder Bieter kann sich erst dann darüber klarwerden, ob etwa ein Verstoß gegen die anwendbaren Vorschriften vorliegt und die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens angebracht ist, nachdem er von den Gründen in Kenntnis gesetzt worden ist, aus denen seine Bewerbung oder sein Angebot in dem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags abgelehnt wurde (vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.2010 - C-406/08, IBRRS 2010, 0235; EuGH, Urt. v. 20.09.2011 - T-461/08, BeckEuRS 2011, 607792). Im Umkehrschluss ergibt sich, dass bei fehlerhaften oder fehlenden Informationen auch nur eingeschränkte Kenntnis vom Antragsteller erwartet werden kann.

d. Die Antragstellerin hat den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegen über der Auftraggeberin gerügt. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., §160, Rdnr. 109 ff.). Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Dabei wird die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen vorausgesetzt.

e. Die Antragstellerin rügte das Vergabeverfahren mit Schreiben vom 26.08.2019, nach dem sie am 16.08.2019 das Informationsschreiben nach § 134 GWB erhalten hatte, mithin innerhalb der Zehn-Tage-Frist. Die Rügefrist beginnt mit der positiven Kenntnis des Antragstellers von einem Vergaberechtsverstoß des Auftraggebers. Sie endet mit Ablauf von zehn Kalendertagen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Norm und der nach Kalendertagen bemessenen Fristbestimmung (vgl. Maimann in Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, GWB, § 134 Rn. 42). Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist es auch unschädlich, dass die Antragstellerin erst am zehnten Tag der Frist Rüge erhoben und nur wenige Stunden später einen Nachprüfungsantrag gestellt hat. Der Antragstellerin steht es frei, eine gesetzliche Frist auszuschöpfen. Eine solche Rüge verliert zwar ihren eigentlichen Sinn, eine streitige Auseinandersetzung vor der Vergabekammer zu verhindern, allerdings darf die Vergabekammer keinen Verfahrensbeteiligten zulasten eines anderen Verfahrensbeteiligten von den gesetzlich vorgegebenen verfahrensvorbereitenden Handlungen entbinden (vgl. FF-Beschluss VK Niedersachsen vom 02.07.2015, VgK-13/2015). Bei einer elektronischen Bieterinformation sind die Rüge- und Wartefrist nach § 134 Abs. 2 GWB identisch, womit dem Auftraggeber praktisch die Möglichkeit genommen wird, Abhilfe zu schaffen. Jedoch steht dem die eindeutige Intention des Gesetzgebers entgegen, der durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2016 die zuvor zu beklagende Rechtsunsicherheit bezüglich des der alten Fassung immanenten Merkmals der Unverzüglichkeit dadurch aufgelöst hat, dass er nunmehr eine generelle Rügefrist von zehn Kalendertagen normiert hat. Den Interessen des Auftraggebers ist darüber hinaus damit genüge getan, dass ihm die Möglichkeit offensteht, dennoch Abhilfe zu schaffen und den Antragsteller zu einer Erledigungserklärung oder Antragsrücknahme zu zwingen.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig. Grundsätzlich ist die Vergabekammer wegen der Verpflichtung aus § 160 Abs. 3 GWB zur Rüge vor Erhebung des Nachprüfungsantrages verpflichtet, die materielle Prüfung auf den zuvor gerügten Sachverhalt zu beschränken. Davon gibt es zwei Ausnahmen, nämlich Sachverhalte, die dem Antragsteller im Nachprüfungsverfahren erstmals durch die Akteneinsicht zugänglich werden, folglich zuvor objektiv nicht von ihm gerügt werden konnten, und abgeleitet davon Sachverhalte, die dem Bieter aufgrund einer inhaltlich unzureichenden Bieterinformation gemäß § 134 Abs. 1 GWB nicht mitgeteilt worden sind, insbesondere die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung seines Angebotes. Da die Antragstellerin hier erstmals im Nachprüfungsverfahren vollständig über die Gründe der Nichtberücksichtigung und des beabsichtigten Zuschlags an die Beigeladene informiert wurde, kann die Vergabekammer verpflichtet sein, die gesamte Wertung der Antragsgegnerin zu prüfen, soweit die Antragstellerin sie im Nachprüfungsantrag bzw. im nach Akteneinsicht unmittelbar folgenden Schriftsatz zum Gegenstand Ihres Vortrags gemacht hat. Das sind konkret die unzureichende Einhaltung der Reaktionszeit von 4 Stunden, die Bewertung des Konzepts der Auftragsabwicklung, die Organisation der 24/7-Rufbereitschaft und die Bewertung der Personalanforderungen.

2. Der Nachprüfungsantrag ist hinsichtlich der genannten Punkte unbegründet.

a. Das Informationsschreiben nach § 134 GWB der Antragsgegnerin vom 16.08.2019 beinhaltet nicht die nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB vorgesehenen Anforderungen. Dieser Vergaberechtsverstoß führt jedoch nicht zur Begründetheit des Nachprüfungsantrages, da die Antragsgegnerin im Rahmen des Nachprüfungsantrages konkludent die fehlenden Angaben in zulässiger Weise nachgeholt hat.

Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB muss ein Informationsschreiben zwingend Angaben über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung des Angebotes sowie den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses enthalten. Mit diesen Punkten ist der Mindestinhalt der Information definiert. Die mitzuteilenden Gründe für die vorgesehene Nichtberücksichtigung des Angebotes des unterlegenen Bieters sind so aussagekräftig und präzise darzustellen, dass der Bieter nachvollziehen kann, welche Umstände konkret zum Misserfolg seines Angebotes geführt haben. Dazu reicht die Wiederholung des Textes der Vergabe- und Vertragsordnungen oder eine formelhafte, nicht den Einzelfall betreffende Begründung nicht aus. Ausweislich der amtlichen Begründung zur wortgleichen Vorgängerregelung muss die Information dem Unternehmen, das ein Angebot vorgelegt hat, hinreichend deutlich machen, aus welchem Grund sein Angebot nicht zu berücksichtigen war. Ein bloßer Hinweis darauf, dass das Angebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei, genügt der Informationspflicht nicht (Gesetzesbegründung zur wortgleichen Vorgängerregelung § 101a GWB, BT-Drs. 16/10117, Anlage 2, S. 21 zu Nr. 7). Die Darstellungstiefe muss dem Bieter ermöglichen, die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens abwägen zu können. Mitgeteilt werden muss jedoch lediglich der oder die tragenden Gründe für die Ablehnung des konkreten Angebotes. Zwar kann die Angabe, dass Angebot sei nicht das günstigste, grundsätzlich ausreichen, jedoch kann dies nur dann gelten, wenn der Preis das einzige Wertungskriterium darstellt. Vorliegend enthielt das Schreiben als Begründung dafür, dass das Angebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste sei, dass "hierfür im Wesentlichen die Gesamtkosten Ihres Angebots" wären. Diese Formulierung ("im Wesentlichen") zeigt gerade, dass der Preis nicht der einzige Grund sein kann. In Abweichung vom Text des ehemaligen § 13 VgV, in dem lediglich die Angabe des Grundes gefordert war, ist in § 101 a seit 2009 und auch dem jetzigen § 134 jedoch von der Angabe der Gründe im Plural die Rede, was schon für die Verstärkung der Pflicht zu einer präzisen einzelfallbezogenen Begründung spricht.

Der Antragstellerin war es in Folge der Informationen, die sie erhalten hat, gerade nicht möglich, zu prüfen, ob ein möglicher Nachprüfungsantrag Aussicht auf Erfolg haben würde. Die Formulierung "im Wesentlichen" implizierte aus Sicht der Antragstellerin, dass ihr Konzept - welches insgesamt mit 50 % bewertet wurde - ebenfalls negativ bewertet worden sein musste. Wieso es zu einer Abstufung bei der Bewertung der Konzepte gekommen sei, ging aus dem Informationsschreiben nicht hervor.

Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des Nachprüfungsverfahren jedoch die Gründe, weshalb sie beabsichtige, den Zuschlag nicht auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen, dargelegt und damit den Vergaberechtsverstoß geheilt. So ergab sich aus den Schriftsätzen der Antragsgegnerin, dass das Angebot der Antragstellerin im Bereich der Bewertung des Konzepts zur "Organisation der 24/7-Rufbereitschaft (WAN)" eine Abwertung erfahren habe. Dies resultierte daraus, dass nach Ansicht der Antragsgegnerin, die Antragstellerin keinen Vor-Ort-Einsatz zur konkreten lokalen Eingrenzung des Kabelfehlers auf einem Kabelabschnitt im Rahmen der Rufbereitschaft angeboten habe.

Nach überwiegender Ansicht wird eine Pflichtverletzung des Auftraggebers in Bezug auf die Informationspflicht geheilt, wenn er Gründe im Nachprüfungsverfahren für seine Entscheidung nachschiebt (OLG Celle Beschl. v. 12.05.2016, Az. 13 Verg 10/15, BeckRS2016,10371). Begründet wird dies unter anderen mit § 45 Abs. 1 Nr. 2VwVfG und § 114 Satz 2 VwGO, wonach eine Nachholung oder nachträgliche Ergänzung der Begründung von Ermessensentscheidungen, anders als die erstmalige Ausübung bisher fehlenden Ermessens, zulässig ist. Zudem sei Vergaberecht als Verfahrensrecht zu qualifizieren. Wenn der Auftraggeber, wenn auch spät, die Regeln über das Verfahren gem. § 97 Abs. 6 GWB einhält und entsprechende Maßnahmen durchführt, so ist dies - unter angemessener Übernahme der Kosten für die Antragsteller im Nachprüfungsverfahren - zulässig (VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.02.2013, Az. 1 VK 3/13; VK Lüneburg, Beschl. v. 27.09.2016, Az. VgK-39/2016; VK Sachsen, Beschl. v. 27.06.2014, Az. 1/SVK/020-13).

b. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin ergibt sich darüber hinaus auch nicht aus einer fehlerhaften Bewertung des Angebots der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin. Zwar ging die Antragsgegnerin beurteilungsfehlerhaft davon aus, dass die Antragstellerin einen Vor-Ort-Einsatz im Rahmen der Fehleranalyse nicht angeboten habe, dies wirkt sich auf die Wertungsreihenfolge der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen jedoch nicht aus.

Das Konzept "Organisation der 24/7-Rufbereitschaft (WAN)" der Antragstellerin, welches mit 10 % gewichtet wurde und bei welchem die Antragstellerin im Gegensatz zu den anderen Konzepten nicht mit 100 von möglichen 100 Punkten gewertet wurde, hätte von der Antragsgegnerin nicht mit dem Argument, einen Vor-Ort-Einsatz im Rahmen der Rufbereitschaft für das Fernmeldekabelnetz habe die Antragstellerin nicht angeboten, abgewertet werden dürfen.

Die Wertung von Angeboten erfolgt anhand der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungsregeln bzw. Bewertungsgrundsätze und Bewertungsmethoden (vgl. etwa OLG Schleswig, Beschl. v. 20.03.2008 -1 Verg 6/07, IBRRS 2008, 2132). Auf dieser Grundlage besitzt der Auftraggeber bei der Bewertung von Einzelpositionen bzw. der Vergabe von Punkten/Noten einen weiten Beurteilungsspielraum (EuGH, Urt. v. 09.09.2010 - T-300/07, IBRRS 2010, 3896; OLG Celle, Beschl. v. 10.01.2008 -13 Verg 11/07). Dieser Beurteilungsspielraum (OLG Celle, Beschl. v. 07.11.2013 - 13 Verg 8/13, IBRRS 2014, 1423) bzw. Einschätzungsprärogative (OLG München, Beschluss vom 25.03.2019 - Verg 10/18; OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2019 - 13 Verg 7/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.02.2017 - Vll-Verg 31/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012, Verg 10/12 "Warnsysteme") besteht auch bei der qualitativen Wertung der Angebote. Der Vergabekammer ist es daher verwehrt, ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der Auftraggeberin zu setzen. Bewertungen sind letztlich keiner absoluten Richtigkeitskontrolle zugänglich. Entscheidend ist alleine, wie das Ergebnis der Bewertung jeweils hergeleitet und begründet wird. Die Wertungsentscheidungen müssen jedoch unter vollständiger Würdigung des Sachverhalts sowie willkürfrei in Anwendung der mitgeteilten Zuschlags- und Unterkriterien getroffen werden (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 13.05.2008 - 1 Verg 3/08, BeckRS 2008, 23014).

Zwar begründet die Tatsache, dass die Antragstellerin einen Vor-Ort-Einsatz im Rahmen der Fehleranalyse nicht ausdrücklich angeboten hat, durchaus Zweifel darüber, ob ein solcher angeboten wurde. Im Ergebnis ist die Vergabekammer jedoch der Ansicht, dass das Angebot der Antragstellerin so zu verstehen war, dass ein Vor-Ort-Einsatz angeboten wurde. Dies ergibt sich aus verschiedenen Aspekten.

Zum einen ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung, wie von der Antragstellerin zutreffend vorgebracht, dass sowohl die Fehlereingrenzung als auch die Entstörung einen Einsatz vor Ort erfordern kann. Ein solcher Service wurde nie zur Disposition gestellt, sondern war vielmehr zwingende Voraussetzung für ein Angebot. Solange ein Bieter daher nicht etwas anderes angibt, muss und darf ein Auftraggeber davon ausgehen, dass die angeforderte Leistung auch angeboten wurde. Ob eine unzureichende Darlegung des Konzepts negativ bewertet wird, bleibt der Auftraggeberin vorbehalten.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Rahmen ihres Angebots unter "2.1.2 Flächenorganisation" dargelegt, dass sie ein breites Netz an Servicestützpunkten bereitstelle, da "insbesondere bei Einsatzzeiten ^ 2 Stunden vor Ort die Servicestützpunkte bzw. in ausgewählten Fällen auch Arbeitsplätze direkt am Kundenstandort unverzichtbar" sind. Unter "2.2.2 Flächenorganisation" hat sie dargelegt, dass sie durch diese Vielzahl von Servicestellen die geforderten vier Stunden Reaktionszeit bei Einsätzen vor Ort gewährleisten kann. Zwar hat sie dem Wortlaut nach dies auf die "Fehleranalyse zur Entstörung" bezogen, es ist aber nicht ersichtlich, warum die Antragstellerin ein derart umfangreiches Netz an Servicestellen in den Vordergrund stellen wollte, wenn sie dieses für die Fehlereingrenzung, welche wie oben dargestellt zwingend abgefragt wurde, nicht bereithalten wollte.

Nach Ansicht der Vergabekammer ergeben sich weitere Indizien, die dafür sprechen, dass ein Vor-Ort-Einsatz angeboten wurde, aus dem Protokoll zum Bietergespräch vom 02.07.2019. Innerhalb des Bietergespräches wurde der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt, die durch die Antragsgegnerin vorab mitgeteilten Fragen bzw. offenen Punkte zu erläutern bzw. darzustellen. Es wurde über den Umfang der im Rahmen der Rufbereitschaft zu erbringenden Leistungen für Los 2 gesprochen sowie über die Abgrenzung der Schnittstelle zur Antragstellerin bzw. dem AN für Los 2. Der typische Ablauf eines Bereitschaftseinsatzes wurde von der Antragsgegnerin dargestellt. Die Antragstellerin hat daraufhin angekündigt, zur Realisierung der von der Antragsgegnerin geforderten Reaktionszeiten ggf. einen neuen zusätzlichen Standort im Bereich bei xxxxxx aufzubauen.

Es ist für die Vergabekammer nicht ersichtlich, wieso die Antragsgegnerin weder im Rahmen der vorab mitgeteilten Fragen, noch in dem Bietergespräch selbst, die Antragstellerin auf den angeblich zweifelhaften Vor-Ort-Einsatz angesprochen habe. Dies hätte der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt, Klarheit über den Angebotsinhalt zu schaffen.

Der Vortrag der Antragstellerin, die Anbietung des Vor-Ort-Einsatzes habe sich auch aus der Präsentation im Bietergespräch ergeben, ist auch nicht als verspätet zurückzuweisen. Diesen, erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Vortrag, hat die Antragsgegnerin als verspätet gerügt. Gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 GWB sind alle Verfahrensbeteiligten im Interesse eines möglichst raschen Abschlusses des Nachprüfungsverfahrens zur Mitwirkung und Förderung des Verfahrens verpflichtet. Trägt ein Beteiligter unter Missachtung seiner Verfahrensförderungspflicht so spät zur Sache vor, dass den anderen Verfahrensbeteiligten eine Erwiderung unter zumutbaren Bedingungen nicht mehr möglich ist, muss dieser Vortrag bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt bleiben (OLG Düsseldorf, Beschl. vom 19.11.2003 - Verg 22/03, juris Rn. 5 ff.). Allerdings ist die Zurückweisung verspäteten Vorbringens vor der Vergabekammer kein dauerhaftes Instrument, verspäteten Vortrag auszuschließen. Dem GWB fehlt eine zu § 531 Abs. 1 ZPO und § 128a Abs. 2 VwGO vergleichbare gesetzliche Regelung. Vor der Vergabekammer zurückgewiesenes Vorbringen kann in der Beschwerdeinstanz neu eingeführt werden. Daraus folgt, dass auch sehr spätes Vorbringen vor der Vergabekammer nach Möglichkeit zu berücksichtigen ist (OLG Celle, Beschl. vom 10.10.2018, S. 17, zu Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung), solange keine konkrete Verfahrensverzögerung, also eine Verlängerung der Verfahrensdauer droht.

Dass das Vorbringen vorliegend nicht als verspätet zurückzuweisen gewesen war, ergibt sich darüber hinaus zudem aus weiteren Gründen. Zum einen ist dem Gebot auf rechtliches Gehör der Antragsgegnerin dadurch Genüge getan, dass auch ihr ein Schriftsatznachlas gewährt wurde. Zum anderen führte der Vortrag nicht zu einer konkreten Verzögerung des Verfahrens. Der Vergabekammer war es ohne Fristverlängerung möglich, sowohl auf den Vortrag, als auch auf die Erwiderung, innerhalb der Fünf-Wochen-Frist zu entscheiden. Zuletzt steht einer Zurückweisung entgegen, dass das Protokoll zum Bietergespräch der Vergabekammer bereits frühzeitig vorlag und ohnehin zur Entscheidungsfindung herangezogen wurde.

Entscheidend dafür, dass die Vergabekammer von einem Beurteilungsfehler bei der Bewertung des streitgegenständlichen Konzepts ausgeht, ist, dass die Begründung der Antragsgegnerin, weshalb sie das streitgegenständliche Konzept der Antragstellerin schlechter bewertet habe, in sich nicht schlüssig ist. Gemäß S. 11 der Leistungsbeschreibung konnte nach Aufforderung der Rufbereitschaft die Eingrenzung des Kabelfehlers auf einen Kabelabschnitt auch einen Vor-Ort-Einsatz erfordern. Ausweislich der "Ausführungskriterien für die Rufbereitschaft Los 1 (Übertragungstechnik)" auf Seite 9 hat ein Servicetechniker des Auftragnehmers, wenn die Antragsgegnerin einen Vororteinsatz im Bereich Übertragungstechnik bestellt, unverzüglich mit der Entstörung zu beginnen.

Dies zeigt, dass der Vor-Ort-Einsatz eine zwingende Anforderung im Rahmen der Vergabe dargestellt hat. Ausweislich des Vorbringens der Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung war dieser Punkt für die Antragsgegnerin, da viele Auftragnehmer diesen Bereich nicht gerne ausführen, von besonderer Bedeutung. Unter der Prämisse, dass die Antragstellerin nun einen Vor-Ort-Einsatz gänzlich nicht angeboten hätte, hätte dies nicht nur zu einer Abwertung im Rahmen der Bewertung des Konzeptes, sondern zu einem Angebotsausschluss gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV führen müssen. Danach sind Angebote von der Wertung auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Eine solche unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen liegt immer dann vor, wenn das Angebot von den in diesen Unterlagen genannten Vorgaben abweicht, also immer dann, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt, so dass sich Angebote und Nachfrage nicht decken (vgl. BGH, 26.09.2006, VergabeR 2007, 59,67; 01.08.2006, VergabeR 2007, 73, 74 f. m.w.N.; OLG Düsseldorf, 12.02.2013, Vll-Verg 1/13). Eine solche Abweichung zwischen Angebot und Nachfrage hätte vorgelegen, wenn die Antragstellerin einen Vor-Ort-Einsatz nicht angeboten hätte.

Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin jedoch nicht ausgeschlossen. Daraus folgt, dass sie davon ausgegangen sein muss, dass ein Vor-Ort-Einsatz im Grunde angeboten wurde. Lediglich die Darlegung des Konzepts zu diesem mag nicht vollständig überzeugend gewesen sein. Begründet sie nun eine Abwertung des Angebots mit dem Argument, ein Vor-Ort-Einsatz wäre gänzlich nicht angeboten, verhält sie sich widersprüchlich.

Die fehlerhafte Herabsetzung der Bewertung des streitgegenständlichen Konzepts führt zwar grundsätzlich dazu, dass das Verfahren in den Stand vor der Bewertung versetzt werden müsste, vorliegend sieht die Vergabekammer davon jedoch ab. Selbst bei Erreichen der vollen Punktzahl für das Konzept würde das Angebot der Antragstellerin weiterhin hinter dem der Beigeladenen liegen. Dies ergibt sich daraus, dass das Angebot der Beigeladenen bei der Bewertung der Konzepte jeweils die maximal zu erreichende Punktzahl erhalten hat und gleichzeitig im Vergleich zu der Antragstellerin preisgünstiger war. Eine Neubewertung mit dem Ergebnis, dass die Antragstellerin für das Konzept der Rufbereitschaft ebenfalls die maximale Punktzahl erreicht, würde sich auf das Ergebnis der Platzierung nicht auswirken. Die Vergabekammer hat daher keine Möglichkeit, eine Maßnahme nach § 168 GWB zu verhängen (Kadenbach in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht § 168 Rn.5; Thiele in: Kus/Kulartz/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht § 168, Rn 6; Gause in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar § 168, Rn2, letzterer unter Hervorhebung, dass es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz der Zurückversetzung handele). Die Verletzung des Vergaberechts durch die Antragsgegnerin zieht keinen Schaden bei der Antragstellerin nach sich.

c. Ein Schaden ergibt sich auch nicht daraus, dass das Angebot der Beigeladenen bei dem Zuschlagskriterium Organisation der 24/7-Rufbereitschaft hätte ausgeschlossen (1) oder schlechter bewertet (2) werden müssen.

(1) Der Vortrag der Antragstellerin, die Beigeladene sei aufgrund der Tatsache, dass sie lediglich über Servicepunkte an ihrem Firmensitz in xxxxxx sowie darüber hinaus in xxxxxx unterhalte, nicht in der Lage, die von der Antragsgegnerin angeforderte Entstörung innerhalb von vier Stunden anzubieten, rechtfertigt keinen Angebotsausschluss der Beigeladenen gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV. Zwar kann es nach Recherche der Vergabekammer, über einschlägige frei zugängliche Routenplaner, in Abhängigkeit von Tageszeit und Verkehrssituation durchaus vorkommen, dass eine Einsatzbereitschaft innerhalb von vier Stunden Fahrtzeit an jedem Punkt des Fernmeldenetzes der Antragsgegnerin - insbesondere hinter xxxxxx oder xxxxxx - nicht gewährleistet ist, dies hätte jedoch nur dann zu einem Angebotsausschluss führen dürfen, wenn die Anforderungen, in unter vier Stunden mit der Entstörung zu beginnen, eine zwingend einzuhaltende Mindestanforderung dargestellt hätte. Dies ist nach Ansicht aller Verfahrensbeteiligter in der mündlichen Verhandlung und der Vergabekammer nicht der Fall.

Eine Mindestanforderung hätte vorausgesetzt, dass ein potentieller Bieter überhaupt in der Lage ist, verbindlich und nachvollziehbar die Fahrdauer zu den jeweiligen Punkten im Fernmeldenetz der Antragsgegnerin zu bestimmen. Nur so wäre der Gebote der Transparenz und Gleichbehandlung Genüge getan. Ohne Vorgabe der exakten Koordinaten des Einsatzortes und der Berechnungsmethode wäre eine vergleichbare Berechnung für die Bieter gar nicht möglich.

Da es sich bei der Angabe der maximal vier Stunden nicht um Mindestanforderungen handelt, kommt es auch nicht darauf an, ob von den angegebenen vier Stunden für die tatsächliche Fehlerbeseitigung lediglich drei Stunden verbleiben, weil die erste Stunde mit den von der Antragsgegnerin beschriebenen Meldeprozesse bzw. Abstimmungsergebnissen verbracht wird.

(2) Aus Sicht der Vergabekammer liegen auch keine Gründe vor, die es rechtfertigen würden, der Antragsgegnerin bei der Bewertung der Konzepte der Beigeladenen einen Beurteilungsfehler vorzuwerfen.

Bezüglich des Prüfungsumfangs der Vergabekammer bei der qualitativen Bewertung von Angeboten gilt zunächst das oben Festgestellte. Insbesondere kann die Vergabekammer bei eingeschränkter und nicht fachkundiger Prüfung keinen qualitativen Unterschied zwischen den Angeboten der Beigeladenen und der Antragstellerin feststellen. Gründe, weshalb das Angebot der Beigeladenen hätte schlechter bewertete werden müssen als das Angebot der Antragstellerin sind nicht ersichtlich.

Einzig im Bereich der Bewertung des Konzepts zur Organisation der 24/7-Rufbereitschaft (WAN) ist es, in Anbetracht der Tatsache, dass die Beigeladene dadurch, dass sie nicht wie die Antragstellerin über ein umfangreiches Netz an Servicepartnern im Netzbereich der Antragsgegnerin verfügt, denkbar, dass die Beigeladene hätte schlechter bewertet werden müssen. Dies bezieht sich auf eines von 4 Unterkriterien.

Dem steht jedoch zum einen entgegen, dass die Vergabekammer lediglich darüber zu entscheiden hat, ob die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bewertung beurteilungsfehlerhaft war und zum anderen, dass die Vergabeunterlagen keine verbindlichen Kriterien für die Einhaltung der vier Stunden vorsahen.

Diesbezüglich ist zunächst hervorzuheben, dass mehrere Angebote auch vergleichend betrachtet und gewertet werden dürfen (vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 30.07.2009 -Vll-Verg 10/09, BeckRS 2009, 29056). Die inhaltlichen Abweichungen können ermittelt und unter Berücksichtigung des Gesamterfüllungsgrades entsprechend mit Punkten bewertet werden. Ein solcher Vergleich ist jeder Bewertung immanent, insbesondere wenn es darum geht, die abgestufte Erfüllung von bestimmten Zielerfüllungsgraden bzw. von erreichten Punkten der einzelnen Angebote zueinander festzustellen und in der Wertung angemessen zu würdigen (VK Bund Beschl. v. 22.11.2013 - VK 1 -103/13).

Wie bereits dargestellt, obliegt es der Vergabekammer lediglich zu überprüfen, ob die Bewertung durch die Antragsgegnerin fehlerhaft, insbesondere willkürlich, erfolgte. Davon ist nicht auszugehen. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie mit den Leistungen der Beigeladenen als Bestandsdienstleisterin in der Vergangenheit stets zufrieden war. Zu einer Überschreitung der Einsatzzeiten sei es nicht gekommen. Demzufolge sind keine Gründe ersichtlich, weshalb es auf Grund einer nicht optimalen Darstellung in einem von 4 Unterkriterien, die sich in der Vergangenheit nie negativ ausgewirkt habe, zu einer Abwertung im gesamten Zuschlagskriterium hätte kommen müssen.

Das Angebot der Beigeladenen hätte eher kritischer bewertet werden dürfen, wenn eine Unterschreitung der angeforderten vier Stunden auch tatsächlich besser hätte bewertet werden dürften, die Bewertung also nicht als geschlossenes Bewertungssystem, sondern als offenes Bewertungssystem mit linearer Abstufung aufgebaut worden wäre. So wichtig war der Antragsgegnerin die schnellstmögliche Bereitschaft aber erkennbar nicht.

Zwar ist es grundsätzlich verständlich, dass eine kürzere Einsatzzeit durchaus vorteilhaft und wünschenswert ist, jedoch hätte die Antragsgegnerin, wenn ihr dies wichtig gewesen wäre, dies dementsprechend kommunizieren müssen. In diesem Fall hätte ein potentieller Bieter, welcher nicht über ein weites Servicenetz verfügt, z.B. durch Einschaltung von Nachunternehmern diesen Nachteil ausgleichen können. Dieser Nachunternehmereinsatz hätte das Angebot erfahrungsgemäß verteuert. Die Antragstellerin hat diesbezüglich nämlich vorgebracht, dass sie gerade deshalb ein teureres Angebot abgeben musste, weil die Bereitstellung eines weiten Servicenetzes kostenintensiv ist. Es stünde einem potentiellen Bieter in diesem Fall frei, eine Abwägung zwischen Einsatzzeit und Angebotspreis zu treffen. Die Beigeladene hat jedoch das, was angefordert wurde, angeboten. Dass ein "Weniger" an Einsatzzeit auch besser bewertet werden würde, war nicht ersichtlich.

d. Die Antragsgegnerin hat weitere qualitative Zuschlagskriterien vorgegeben. Sie hat sich vorab darauf festgelegt, dies auch transparent mitgeteilt, dass sie die Punkte für die qualitativen Kriterien nicht linear vergibt, sondern den Stufen zu jeweils 100 Punkten für jeweils vollständige nachvollziehbare und überzeugende Leistungen, 60 Punkte für jeweils teilweise nicht vollständige nachvollziehbare und überzeugende Leistungen oder null Punkten für nicht vollständige nachvollziehbare und überzeugende Leistungen. Diese Punkte werden danach gemäß der Gewichtung des Kriteriums angepasst. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich zur Einfachheit auf die Wertung vor Gewichtung.

Die Strukturierung in wenige vorab abstrakt beschriebene Leistungsstufen ist nach der Entscheidung des BGH (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 - X ZB 3/17, Leitsatz 3, Rn 39, Rn 53) zur sogenannten Schulnoten-Rechtsprechung nicht zu beanstanden, wenn in einem weiteren Schritt die Begründung für die Einordnung des Angebotes in eine der gewählten Leistungsstufen nachvollziehbar und damit transparent dokumentiert wird. Laut BGH "untersuchen die Nachprüfungsinstanzen auf Rüge gerade auch die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten." Die Vergabekammer prüft daher, ob die Dokumentation der Wertungsentscheidung der Antragsgegnerin nach § 8 SektVO unter Berücksichtigung des Bewertungsspielraums der Antragsgegnerin aus den Angeboten ableitbar ist, ob die Antragsgegnerin also ihrer Wertung den vollständigen Angebotsinhalt zugrunde gelegt hat (vollständige und richtige Sachverhaltsermittlung) und ob die Wertungsentscheidung sich aus dem Vergleich der Angebote ableiten lässt (willkürfreie Entscheidung).

Eine solche textliche Dokumentation der Gründe für die Entscheidung findet sich in sowohl in den Vergabeunterlagen in der Datei "Bewertungsmatrix_Los1.pdf" als auch in der Excel Tabelle "WAN Angebotswertung" "Bewertungsmatrix Los eins Übertragungstechnik + Rufbereitschaft WAN":

(1) Bei dem Zuschlagskriterium "Konzept zur Auftragsabwicklung" haben Antragstellerin und Beigeladene jeweils 100 Punkte erhalten. Die einzelnen Unterkriterien, nämlich aufbauend Ablauforganisation, personelle Ressourcen, technische Ressourcen, Strukturen und Abläufe sowie Planungen für die Auftragsabwicklung hat die Antragsgegnerin jeweils für beide Angebote bewertet, dabei für das Angebot der Bei geladenen wiederholt die Begriffe "vollständig und überzeugend" bzw. "sehr ausführlich" verwendet. Bei dem Angebot der Antragstellerin werden die Begriffe "gut und nachvollziehbar", überzeugend bzw. vollständig und überzeugend verwendet. Die Vergabekammer ist nicht sachkundig genug, um die Angebote der hier zu beauftragenden recht speziellen Fachleistung selbst bewerten zu können. Das ist nach den eingangs dargestellten Maßstäben auch nicht ihre Aufgabe. Es fällt aber auf, dass beide Angebote den Leistungsumfang recht detailliert und strukturiert beschreiben.

Die Beigeladene beschreibt zunächst ihre Aufbauorganisation unter Beifügung eines Organigramms und stellt die Funktionen innerhalb des Bereiches Nachrichtentechnik dar. Es folgen Informationen zur Ablauforganisation, hier insbesondere des Qualitätsmanagements, eine Darstellung der vorhandenen technischen Einrichtungen. Die Antragstellerin erläutert ebenfalls anhand eines Organigramms ihre Unternehmensorganisation, ihre Flächenorganisation, ihre personellen Ressourcen auch unter Benennung der Qualifizierung der Mitarbeiter, ihre technischen Ressourcen und Einrichtungen sowie die Arbeitsabläufe. Die Qualitätssicherung wird im Rahmen der Aufgabenzuordnung und der Mitarbeiterrollen angesprochen. Beide Anbieter benennen die Zahl der einzusetzenden Mitarbeiter differenziert nach den Aufgaben. Die Vergabekammer kann aufgrund der umfassenden Ausführungen der Angebote nicht feststellen, dass die Darstellung eines der Angebote in wertungsrelevanter Weise schlechter sei als die des anderen. Es gibt daher für die Vergabekammer keinen Anhaltspunkt, die Bewertung der Antragsgegnerin dieses Zuschlagskriteriums in Zweifel zu ziehen.

(2) In den weiteren qualitativen Kriterien der Personalanforderungen erreichen sowohl die Antragstellerin, wie auch die Beigeladene jeweils 100 Punkte. Beide Angebote werden so bewertet, dass sie die Anforderungen vollständig nachvollziehbar und überzeugend erfüllen. Dies wird jeweils begründet.

Die Beigeladene benennt unter Ziffer vier ihres Angebotes die geplanten Mitarbeiter der Nachrichtentechnik jeweils mit deren Qualifikation und Berufserfahrung einzeln. Die Antragstellerin legt eine ähnliche Darstellung unter Bezugnahme auf die jeweiligen Rollen vor. Hier hat die Vergabekammer im direkten Vergleich der Angebote keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass die Bewertung der Antragsgegnerin fehlerhaft sein könnte.

(3) Die Antragsgegnerin hat den Preis als Zuschlagskriterium mit 50 % gewichtet, die Art der Wertung der Preise in den Vergabeunterlagen offengelegt. Die Vergabekammer hat die Einzelpreise aus der zweiten Wertungstabelle "2019-07-30_WAN_Angebotsvergleich" der Antragsgegnerin mit den jeweils in einer Excel-Tabelle niedergelegten Angebotspreisen der Antragstellerin und der Beigeladenen abgeglichen. Die Werte wurden vollständig und richtig übertragen. Sie hat die Excel-Tabelle rechnerisch nachvollzogen, die rechnerische Ableitung des Abstandes geprüft und kommt zu dem Ergebnis, dass der von der Antragsgegnerin festgesetzte Punktwert für das Angebot der Antragstellerin und für das Angebot der Beigeladenen unter Berücksichtigung der allgemeinen Rundungsregelungen für die Antragstellerin eher wohlwollend als zutreffend ist. Möglicherweise hat die Antragsgegnerin festgestellt, dass die Vergabeunterlagen keine Darstellung zur Rundung enthalten, dann zur Vermeidung von Rechtsverletzungen lieber aufgerundet. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin lässt sich daraus nicht ableiten.

Der Nachprüfungsantrag ist demnach unbegründet.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Die Vergabekammer legt dem Auftragswert die Höhe des Angebots der Antragstellerin, mithin xxxxxx € zugrunde. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 und Satz 3 GWB. Grundsätzlich hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie grundsätzlich die Kosten zu tragen.

Vorliegend liegen jedoch Gründe vor, die es rechtfertigen, den obsiegenden Beteiligten einen Teil der Kosten aufzuerlegen. Nach § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Gemäß Satz 5 erfolgt die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, nach billigem Ermessen. Die Regelungen ermöglichen es, bei der Kostenverteilung unabhängig vom Verfahrensausgang zu berücksichtigen, ob ein Beteiligter, der formal obsiegt hat, in vorwerfbarer Weise zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens bzw. zur Auslösung von Kosten beigetragen hat. In diesem Fall können die Kosten abweichend vom strikten Unterliegensprinzip aufgeteilt werden (Vgl. BT-Drucks. 16/10117 vom 13.08.2008, S. 25). Eine solche Korrektur der Kostenverteilung kann z. B. veranlasst sein, wenn eine Heilung der Informationsverpflichtung des § 134 GWB erst im Nachprüfungsverfahren erfolgen sollte, etwa durch eine nachgeholte Begründung und deshalb der Nachprüfungsantrag unbegründet wird (vgl. VK Baden-Württemberg Beschl. v. 26.02.2013, Az. 1 VK 3/13; VK Sachsen Beschl. v. 27.06.2014, 1/SVK/020-13; VK Sachsen Beschl. v. 12.01.2015 - 1/SVK/033-14, BeckRS 2015, 15667).

Die Antragsgegnerin hat erst im Rahmen des Nachprüfungsantrages die Begründung, weshalb der Zuschlag nicht auf das Angebot der Antragstellerin erteilt werden sollte, nachgeholt. Der Antragstellerin standen daher nicht die erforderlichen und gesetzlich vorgeschriebenen Informationen, welche es ihr ermöglicht hätten, die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsantrages zu überprüfen, zur Verfügung, weshalb es der Billigkeit entspricht, der Antragsgegnerin zumindest einen Teil der Kosten aufzuerlegen.

Die Kostengrundentscheidung gemäß § 182 Abs. 3 GWB betrifft ebenso die Beigeladene. Dabei setzt die Kostenlast eines Beigeladenen voraus, dass dieser sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10 zit. nach ibr-online). Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001,151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn eine Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem sie selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschl. v. 27.08.2008 -13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen einer Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschl. v. 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hat sich eine Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 4. Auflage, §182, Rdnr. 40; OLG Celle, Beschluss vom 12.01.2012, 13 Verg 9/11).

Vorliegend ist die Beigeladene mit einem eigenen Sachantrag der Antragsgegnerin beigetreten. Zudem hat sie - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - mit eigenem Sachvortrag an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Zwar ist die Beigeladene nicht unterlegen, jedoch entspricht es der Billigkeit gemäß § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB, dass auch sie einen Anteil an den Verfahrenskosten zu tragen hat, wenn der Antragsgegnerin diese aus Billigkeit auferlegt wird.

Mehrere Kostenschuldner haften gemäß § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB als Gesamtschuldner.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. §8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit. Zwar wurde das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus §182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung §8 BGebG. Gem. § 8 VwKostG sind von der Zahlung von Gebühren für Amtshandlungen befreit, 1. die Bundesrepublik Deutschland und die bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Ausgaben ganz oder teilweise auf Grund gesetzlicher Verpflichtung aus dem Haushalt des Bundes getragen werden, 2. die Länder und die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die nach den Haushaltsplänen eines Landes für Rechnung eines Landes verwaltet werden sowie 3. die Gemeinden und Gemeindeverbände, sofern die Amtshandlungen nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betreffen. Die Antragsgegnerin als juristische Person des Privatrechts mit nur indirekter Lenkung durch eine ausländische Gebietskörperschaft unterfällt nicht dem Kreis der öffentlichen Auftraggeber, die gemäß § 8 BVerwKost von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils befreit sind (vgl. VK Münster, Beschluss vom 08.06.2012-VK 6/12).

Gemäß Ziffer 4 des Tenors haben die Verfahrensbeteiligten einander die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen in unter Ziffer 3 genannten Verhältnis gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen zu Ziffer 3 der Kostenentscheidung verwiesen.

Es entspricht der Billigkeit, dass ein obsiegender Verfahrensbeteiligter dem Unterlegenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu ersetzen hat, wenn dem obsiegendem die Verfahrenskosten auferlegt werden. Die Erstattung erfolgt jedoch nur in der unter Ziffer 3 des Tenors festgestellten Quote.

Gemäß Ziffer 5 des Tenors wird die Hinzuziehung von Rechtsanwälten für alle Verfahrensbeteiligten für erforderlich erklärt.

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren in 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung erforderlich.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie anfallenden Teil der Gebühr in Höhe von xxxxxx €. unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

Die Antragsgegnerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie anfallenden Teil der Gebühr in Höhe von xxxxxx €. unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

Die Beigeladene wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie anfallenden Teil der Gebühr in Höhe von xxxxxx €. unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

Gemäß § 171 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, in 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gem. § 172 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 172 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen.

Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.

Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Gaus
Tiede
Pilarski