Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.09.2019, Az.: VgK-32/2019

Ausschreibung der Lieferung von Regalsystemen für ein Archiv im offenen Verfahren nach den Vorgaben der VgV

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
12.09.2019
Aktenzeichen
VgK-32/2019
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 57885
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:

xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
wegen

Vergabeverfahren "xxxxxx Regaltechnik Archiv"
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing, Dierks auf die mündliche Verhandlung vom 05.09.2019 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegnerin notwendig.

Begründung

I.

Die Antragsgegnerin hat mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2019 die Lieferung von Regalsystemen für das Archiv xxxxxx europaweit im offenen Verfahren nach den Vorgaben der VgV ausgeschrieben.

Gemäß Ziffer II.2.4) der Auftragsbekanntmachung umfassen die im Rahmen einer funktionalen Leistungsbeschreibung ausgeschriebenen Leistungen die Lieferung und Montage einschließlich der Integration der vorhandenen Rollregalanlage in einem möglichst großen Umfang.

Alleiniges Zuschlagskriterium war nach Ziffer II.2.5) der Auftragsbekanntmachung sowie Ziffer 6 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formular 631 EU) der Preis.

Des Weiteren waren gemäß Ziffer 11.2.10) der Auftragsbekanntmachung und Ziffer 5.2 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formular 631 EU) Nebenangebote für die gesamte Leistung zugelassen. Ausgenommen waren lediglich Nebenangebote, die ausschließlich Preisnachlässe mit Bedingungen beinhalten.

In Bezug auf die Abgabe von Nebenangeboten waren in den Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Leistungen (Formular 632 EU) unter Ziffer 4 weitere Vorgaben enthalten. Konkrete Mindestanforderungen an die Nebenangebote wurden nicht festgelegt.

Mit den Vergabeunterlagen wurden den Interessenten neben dem Leistungsverzeichnis ein Übersichtsplan, Möblierungsvorschläge, Grundrisse, Ansichten und Schnitte zur Verfügung gestellt. Die Möblierungsvorschläge, Grundrisse, Ansichten und Schnitte waren dabei jeweils mit den Hinweisen "beispielhafte Darstellung" und "nur zur Kalkulation" versehen. Sowohl auf den Möblierungsplänen als auch im Leistungsverzeichnis ab Nummer 3.002 wurde die optimale Auslastung der zur Verfügung stehenden Fläche für jede Regalanlage in laufenden Metern angegeben. Die genauen Maße und Stückzahlen der jeweils benötigten Regale waren in den Möblierungsplänen jeweils als Anmerkungen zum Plan aufgeführt. Am Ende der Anmerkungen war die Summe mit den laufenden Metern Regalfläche zu finden, die in der jeweiligen Etage entstehen kann.

Gemäß Ziffer 2. Allgemeine Angaben zur Ausführung des Leistungsverzeichnisses handelt es sich bei allen in der Leistungsbeschreibung angegebenen Maßen um ca.-Maße. Des Weiteren wird im Leistungsverzeichnis als Zusätzliche Technische Vertragsbedingung (ZTV) unter ZTV 1.2 Regaltiefen und -längen Folgendes erläutert:

"Der Leistungsbeschreibung liegen Möblierungsvorschläge bei. Diese sind als Zielvorgabe zu sehen und auf eine optimale Raumnutzung abgestimmt unter Berücksichtigung der Vorgaben des Nutzers.

Bei Abweichungen ist es zwingend notwendig, dass die aufgeführten Feldbreiten eingehalten werden, da hierbei in den Räumen vorhandene Unterzüge etc. berücksichtigt wurden. Die angebotenen Höhen/Längen/Tiefen dürfen aufgrund der vorhandenen Raumsituation max. +/- 50mm von den Maßen in den Möblierungsvorschlägen im LV abweichen."

Unter ZTV 1.7 Regalaufbauten wurde bezüglich der Anzahl der Fachböden und der Abdeckung von Regalböden festgelegt:

"Standard Anzahl Fachböden: 7

Zusätzlich ist jedes Regal mit einer oberen Abdeckung / Deckel zu versehen.

Eine Überschreitung der [...] Anzahl der Fachböden ist aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Benutzerfreundlichkeit nicht gewünscht."

Schließlich war gemäß ZTV 1.10 unter anderem dem Angebot eine Produktbeschreibung beizufügen.

Die Angebotsfrist endete am xxxxxx.2019, 11:00 Uhr. Es wurden von drei Bietern insgesamt vier Angebote eingereicht. Die Beigeladene zu 1 reichte ein Haupt- und ein Nebenangebot, die Antragstellerin ein Hauptangebot und die Beigeladene zu 2 ein Nebenangebot ein.

Im Rahmen der Prüfung und Wertung der Angebote kam die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH, Beschl. v. 07.01.2014, Az.: X ZB 15/13, zu dem Ergebnis, dass die eingereichten Nebenangebote nicht gewertet werden dürfen. Denn nach dem vorgenannten Beschluss sei es vergaberechtswidrig, bei einem reinen Preiswettbewerb auf ein Nebenangebot den Zuschlag zu erteilen.

Des Weiteren ergab die Prüfung und Wertung, dass die Antragstellerin mit ihrem Angebot Umsetzungspläne für jede Etage eingereicht hat. Das Angebot der Antragstellerin war daher gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV aufgrund von wesentlichen Abweichungen der dem Angebot beigefügten Umsetzungsplanung von den Angaben innerhalb der Ausschreibungsunterlagen auszuschließen. Konkret weiche die mit dem Angebot eingereichte Umsetzungsplanung erheblich von der Mustermöblierung des Leistungsverzeichnisses ab.

Die Antragstellerin wurde über ihren Ausschluss mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 05.08.2019 informiert.

Mit E-Mail vom 06.08.2019 sowie 08.08.2019 rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss vom Vergabeverfahren. Sie trägt vor, dass sowohl das Beifügen eines Prospektes als auch das Beifügen eines möglichen Aufstellungsplans kein Ausschlussgrund seien. Die Pläne würden lediglich eine mögliche Aufstellung darstellen und seien keine Vertragsgrundlage. Vertragsgrundlage seien die unveränderten Ausschreibungsgrundlagen.

Die Antragsgegnerin half der Rüge mit Schreiben vom 09.08.2019 nicht ab. Sie führt aus, dass eine Abgabe von Möblierungsplänen mit Angebotsabgabe nicht gefordert worden sei. Die Pläne der Antragstellerin würden insgesamt um 85 laufende Meter Regalfläche von der Mustermöblierung des Leistungsverzeichnisses abweichen.

Durch die vorgelegten, abweichenden Möblierungspläne lägen nicht - wie für das Zustandekommen des ausgeschriebenen Vertrages erforderlich - zwei übereinstimmenden Willenserklärungen vor, weshalb eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Antragstellerin nicht möglich sei.

Die Pläne seien zudem weder als "Muster" überschrieben noch sei in den sonstigen Vergabeunterlagen kenntlich gemacht worden, dass es sich um eine "Beispielmöblierung" handele, die an die entsprechenden Bedürfnisse bei Auftragserteilung angepasst werde. Vielmehr weisen die Pläne ein Unterschriftsfeld auf, in dem die Ausführung der angebotenen Pläne nur noch bestätigt werden solle. Die Möglichkeit für Änderungen sei nicht offeriert worden. Daher seien mit den eingereichten Plänen die Vergabeunterlagen geändert worden, weshalb das Angebot zwingend gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen sei.

Mit postalischem Schreiben vom 08.08.2019, bei der Vergabekammer eingegangen am 12.08.2019, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB. Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung ihrer Ausführungen in den o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und zudem auch begründet.

Die im Informationsschreiben genannte Begründung, dass das Angebot unzulässige Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen enthalte, sei nicht nachvollziehbar.

Zudem sei die von der Antragsgegnerin genannte Begründung für den Ausschluss nicht korrekt. Die Netto-Stellfläche würde in den Plänen der Antragstellerin sogar mehr betragen als die Netto-Stellfläche in den Plänen der Antragsgegnerin. Dies hänge damit zusammen, dass die Pläne gemäß Ausschreibungsunterlagen Bruttoflächen und die Pläne der Antragstellerin Nettoflächen, also lichte Stellmaße, betreffen würden und die Antragsgegnerin somit Nettomit Bruttomaßen verglichen habe. Demnach ergebe sich sogar eine Mehrkapazität von 47,95 laufenden Stellmetern. Die Pläne der Antragstellerin und der Antragsgegnerin würden Differenzen in den genannten Maßen von jeweils 30 mm aufweisen. Die von der Antragsgegnerin in den Plänen benannten Maße der Bestandsanlagen würden daher nicht 1.200 mm brutto, sondern 1.170 mm netto bzw. nicht 900 mm brutto, sondern 870 mm netto betragen. In den Plänen der Antragstellerin seien hingegen die Nettomaße, also 1.170 mm und 870 mm, angegeben.

Weiter verhärte sich der Verdacht, dass die Antragsgegnerin von vornherein einen bestimmten Anbieter, nämlich die Beigeladene zu 1, haben wollte.

Im Ergebnis sei der Ausschluss des Angebots somit zu Unrecht erfolgt, da die Vorgaben der Vergabeunterlagen auch hinsichtlich der Stellmeter eingehalten wurden.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens auf den Zeitpunkt nach Angebotsabgabe und die Durchführung einer neuen Wertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer;

  2. 2.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen sowie

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet.

Das Angebot müsse zwingend gemäß § 57 Abs. 1 VgV aufgrund von Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden. Die mit Angebotsabgabe eingereichten Möblierungspläne der Antragstellerin würden nicht mit den Meterangaben im Leistungsverzeichnis übereinstimmen. Aufgrund der Abweichungen fehle es an zwei - für den Vertragsabschluss erforderlichen - Willenserklärungen.

Die Bieter seien im Leistungsverzeichnis explizit darauf hingewiesen worden, dass bei Abweichungen von den vorgegeben Maßen die Feldbreiten eingehalten werden müssten. Dies habe die Antragstellerin nicht berücksichtigt. Denn in den Regalanlagen 6-8, 11-13 und 15 nutze die Antragstellerin die Raumsituation nicht vollumfänglich aus, so dass viel weniger Stauraum zur Verfügung stehe. Insgesamt weiche die Möblierungsplanung der Antragstellerin insoweit um 85 laufende Meter Regalfläche von den Möblierungsplänen des Leistungsverzeichnisses ab. Die Antragstellerin biete der Antragsgegnerin insgesamt 13,5 Regale bei einer Breite von 900 mm und 7 Regalböden weniger als geplant an. Bei einem Platzbedarf von 300 mm je Archivkarton, könne die Antragsgegnerin infolgedessen 284 Archivkartons weniger als geplant im Archiv unterbringen. Auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin angegeben Netto-Maße von 1.170 mm und 870 mm ergebe sich immer noch ein Differenzbetrag von 58,62 Stellmetern, die das Angebot der Antragstellerin weniger habe. Zudem würde die Pläne der Antragstellerin nicht wie von ihr schriftsätzlich vorgetragen ein Maß von 1.170 mm, sondern 1.195 mm aufweisen, was beispielhaft für Anlage 8 dazu führe, dass zwar eine größere Stellfläche zur Verfügung stünde, die Regale dann aber nicht mehr in die Archivräume passen würden. Sie hätten dann insgesamt eine wesentlich höhere Breite, die insgesamt eine Abweichung von 150 mm ergebe und damit wiederum eine Abweichung der Vergabeunterlagen darstelle. Bei den oben nicht aufgeführten Regalanlagen würden die Planungen übereinstimmen und dieselbe Auslastung aufweisen. Da es sich bei den von der Antragstellerin eingereichten Möblierungsplänen weder um Muster noch um Beispielmöblierungen handele, habe die Antragstellerin mit der Einreichung ihrer Möblierungspläne die Vergabeunterlagen geändert.

Schließlich genüge das Informationsschreiben den Anforderungen des § 134 GWB, da der Ausschluss des Angebots damit begründet werde, dass die Antragstellerin mit der beigefügten Umsetzungsplanung die Vergabeunterlagen geändert habe.

Die Beigeladenen haben jeweils keinen eigenen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 1 trägt vor, ein den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprechendes Hauptangebot abgegeben und daher anders als die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2 alle technischen und vergaberechtlichen Anforderungen erfüllt zu haben. Die Behauptung der Antragstellerin, andere Bieter hätten schwerere Bedingungen bei der Angebotserstellung als sie selber, sei in Anbetracht der neutralen technischen Anforderungen und Spezifikationen im Leistungsverzeichnis nicht richtig. Jeder Anbieter solcher Systeme könne die Anforderungen erfüllen. Schließlich sei der Vortrag der Antragstellerin, mehr Stellmeter anbieten zu können, nicht nachvollziehbar, da die Beigeladene zu 1 nach den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses anbiete. Jeder Bieter, der eindeutig und zu 100 % gemäß des Leistungsverzeichnisses anbiete, biete somit (automatisch) die exakt gleichen Stellmeter an.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 05.09.2019 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig aber unbegründet.

Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen, nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB i.V.m. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV verletzt. Das Angebot der Antragstellerin stellt eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB.

Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Lieferleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 221.000 € gilt. Da die Antragsgegnerin im Rahmen der Auftragsbekanntmachung keinen geschätzten Auftragswert angegeben hat, legt die Vergabekammer den Angebotswert der Antragstellerin zugrunde, welcher deutlich über dem Schwellenwert liegt.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Danach ist antragsbefugt jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Die Antragstellerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht, indem sie durch vorprozessuale Rüge nach § 160 Abs. 3 GWB sowie durch Einreichung des Nachprüfungsantrages beanstandet, dass die Antragsgegnerin ihr Angebot zu Unrecht wegen Änderungen der Vergabeunterlagen von der Wertung ausgeschlossen habe.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist ferner nach Satz 2, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Das Angebot der Antragstellerin war in preislicher Hinsicht - dies war das einzige Wertungskriterium - das günstigste der vier abgegebenen Angebote. Ohne den Ausschluss vom Vergabeverfahren wäre der Zuschlag, sofern keine anderen Gründe dem entgegenstehen, auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags rechtzeitig zu rügen. Danach ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat. Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 05.08.2019 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dahin gehend, dass ihr Angebot von der Wertung auszuschließen sei, da es unzulässige Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen enthalte. Mit E-Mail vom 06.08.2019 legte die Antragstellerin "Einspruch" gegen den Ausschluss ein. Mit Schreiben vom 09.08.2019 erklärte die Antragsgegnerin, dass sie den Einspruch als Rüge i.S.d. § 160 Abs. 3 GWB werte und dieser nicht abhelfe.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.

Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin musste ihr Angebot wegen Änderungen der Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung ausschließen. Das Angebot der Antragstellerin entsprach nicht den Anforderungen der Leistungsbeschreibung, da im Bereich der Unterzüge die obersten Fachböden als Stellfläche genutzt und die Regale nicht mit einer oberen Abdeckung (Deckel) versehen werden sollen. Insofern lebt der ursprüngliche Ausschlussgrund, die Antragstellerin habe weniger laufende Regalmeter als gefordert angeboten, in einer qualitativen Modifikation, die Antragstellerin habe weniger Regalmeter als gefordert angeboten, die den Vorgaben der ZTV entsprachen, fort.

Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV sind Angebote von der Wertung auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn das Unternehmen von den Vorgaben der Vergabeunterlagen inhaltlich abweicht, im Ergebnis also ein Aliud, also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet (VgV-Begründung BR-Drs. 87/16, 211).

Abweichungen von uneindeutigen Vorgaben der Vergabeunterlagen führen jedoch nicht zum Ausschluss (BGH VergabeR 2007, 73, 75; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.04.2016, Az. 15 Verg 1/16; OLG Celle VergabeR 2015, 580, 582).

Eine Abweichung ergibt sich jedoch, anders als von der Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen, nicht bereits daraus, dass die Antragstellerin im Rahmen ihres mit Angebotsabgabe eingereichten Raumplanes der Anlage 8 Regale anders geplant hat, als es die Musterplanung der Antragsgegnerin vorgesehen hat und dabei ggf. die Unterzüge, die noch zu installierende Lüftungsanlage oder Beleuchtungen nicht oder nicht richtig in die Planung einbezogen hätte.

Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin ergibt sich zwar, dass die Unterzüge Durchbrüche haben, welche für Lüftungsanlagen benötigt werden, weshalb es nicht möglich sei, die Lagerfläche so hoch zu konzipieren, wie nach dem Möblierungsplan der Antragstellerin vorgesehen. Jedoch steht zur Überzeugung der Vergabekammer fest, dass die Antragstellerin von einer noch zu installierenden Lüftungsanlage weder positive Kenntnis hatte, noch hätte haben können. Aus der Leistungsbeschreibung in Verbindung mit dem Möblierungsbeispiel der Antragsgegnerin konnte die Antragstellerin dies nicht herauslesen.

Zudem steht es einem zulässigen Angebot hier auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin, anders als es die Antragsgegnerin im Rahmen des Möblierungsvorschlags vorgab, Regale mit einer Breite von 120 cm und nicht solche mit 90 cm verwenden wollte. Eine Verpflichtung zur Verwendung von Regalen ausschließlich mit einer Breite von 90 cm hätte nur dann bestanden, wenn die Vorgabe, Regale mit einer Breite von 90 cm zu verwenden, welche sich aus dem Möblierungsvorschlag der Antragstellerin ergab, verbindlich gewesen wäre. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Jene Möblierungsvorschläge enthielten die Zusätze "beispielhafte Darstellung!" sowie "nur zur Kalkulation". Daraus lässt sich erkennen, dass die vorgegebene Anordnung der Regale gerade nicht abschließend verbindlich sein sollte, zumindest begründeten diese Angaben Zweifel über die Verbindlichkeit.

Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen, welche den Ausschluss der Antragstellerin von der Wertung gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vorliegend gerechtfertigt hat, liegt jedoch darin, dass die Antragstellerin in Anlage 8 des Moblierungsplanes angegeben hat - dies hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch bestätigt und weiter erörtert - den Unterzug auszusparen und die Regale nicht mit einer oberen Abdeckung (Deckel) zu versehen, um auf den obersten Regalböden auch Archivmaterial einzulagern.

Ob der oberste Regalboden dabei als Deckel ausgeformt werden muss, womit ein Auflagern auf diesem Deckel nach Ansicht der Antragsgegnerin nicht zulässig wäre, oder ob, wie von der Antragstellerin vorgetragen, es sich hier um die oberste Archivfläche handele, ist zwischen den Verfahrensbeteiligten streitig, im Ergebnis jedoch nicht von Bedeutung.

Das Gütezeichen RAL RG 614 war gemäß Seite 4 Ziffer 11 Anforderung des Leistungsverzeichnisses. Es soll nach Darstellung der Beigeladenen zu 1 auf die DIN EN 349 verweisen, was die Vergabekammer als richtig annimmt.

Die DIN EN 349 dient dem Schutz vor Quetsch- und Schergefahren. Die Norm verbietet jedoch nach Überzeugung der Vergabekammer, anders als von der Beigeladenen zu 1 vorgebracht, nicht gänzlich, Deckenböden unter den Unterzügen wegzulassen und die obersten Fachböden als Nutzfachboden zu deklarieren.

Die DIN EN 349 besagt:

"Engstellen

Gefährliche Engstellen, meist in Form von Quetschstellen, liegen nach DIN EN 349, prEN 547, prEN 811 dann vor, wenn bezogen auf bestimmte Körperteile, folgende Maße zwischen zwei bewegten Teilen oder zwischen einem bewegten und feststehenden Teil unterschritten werden:

[...]

Hand-Enge 100 mm Finger-Enge 25 mm

[...] Sicherheitsabstände

Der Sicherheitsabstand ist der Mindestabstand zwischen Mensch und Gefahrstelle. [...]"

Aus dieser DIN-Norm ergibt sich nach dem Verständnis der Vergabekammer ausschließlich, dass zwischen dem beweglichen Teil - Archivkarton - und dem feststehenden Teil - Unterzug - ein Mindestabstand einzuhalten ist. Ob dieser Abstand nach den Planungen der Antragstellerin eingehalten wurde, kann von der Vergabekammer nicht abschließend bestimmt werden. Diesbezüglich wäre weiterer Vortrag der Verfahrensbeteiligten erforderlich. Dies ist im Ergebnis jedoch ohnehin nicht entscheidungserheblich.

Ebenfalls nicht von Bedeutung ist, ob, wie von der Antragstellerin vorgetragen, eine Lagerung, bei der die inneren abgesenkten Felder ebenfalls mit Archivboxen belegt werden, in Archiven üblich ist.

Ausweislich S. 8 der funktionalen Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin unter "ZTV 1.7 Regalaufbauten" ist nämlich festgelegt:

"... Standard Anzahl Fachböden: 7

Zusätzlich ist jedes Regal mit einer oberen Abdeckung / Deckel zu versehen.

Eine Überschreitung der [...] Anzahl der Fachböden ist aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Benutzerfreundlichkeit nicht gewünscht."

Aus dieser Formulierung lässt sich entnehmen, dass eine Abweichung von der vorgegebenen Anzahl an Fachböden nach unten zulässig wäre, nach oben jedoch nicht. Gänzlich untersagt ist, die obere Abdeckung/den oberen Deckel wegzulassen und als Archivfläche zu nutzen.

Die Antragstellerin hat im Rahmen ihres Möblierungsplans jedoch eine derartige Nutzung vorgesehen, welche es im Bereich der Unterzüge vorsieht, die obere Regalfläche als Archivfläche zu nutzen. Ein Deckel wird in diesem Bereich nicht installiert. Dies steht im Widerspruch zu den Vorgaben der Antragsgegnerin.

Die Vorgabe unter ZTV 1.7 des Leistungsverzeichnisses als Bestandteil des Leistungsbestimmungsrechts des Auftraggebers ist konkreter als eine mögliche gesetzliche Zulässigkeit oder Üblichkeit. Die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren. Die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand unterliegt nur den durch das Vergaberecht gezogenen Grenzen, die sich insbesondere aus dem Wettbewerbsprinzip und der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit ergeben (VK Bund, Beschl. v. 09.11.2018, Az.:VK 2-98/18).

Der Antragsgegnerin kann bei der Festlegung der Bestimmung, dass jedes Regal mit einer oberen Abdeckung/einem Deckel zu versehen ist, ein offener Fachboden zum Schutze des Archivguts sowie aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Benutzerfreundlichkeit nicht gewünscht ist, kein Verstoß gegen den Wettbewerbs- oder Diskriminierungsgrundsatz vorgeworfen werden. Vielmehr stellt der Wunsch nach Arbeitsschutz und Benutzerfreundlichkeit eine plausible und nachvollziehbare Erwägung dar. Zudem können grundsätzlich alle Regelsysteme der Bieter so geplant werden, dass die Vorgabe eingehalten wird.

Der Verbindlichkeit dieser Vorgaben steht es auch nicht entgegen, dass es sich vorliegend um eine funktionale Leistungsbeschreibung handelt. Bei einer solchen kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV Merkmale des Leistungsgegenstands unter Verwendung von Leistungs- und Funktionsanforderungen darstellen oder die zu lösende Aufgabe beschreiben. Dabei wird nicht die Leistung "als solche", sondern der mit ihr verfolgte Zweck bzw. das angestrebte Ergebnis in den Vordergrund gestellt (Seebo in Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Auflage 2018, § 31 VgV, Rn. 12). Dem Bieter werden daher gewisse Gestaltungsspielräume zugestanden: "Sachverstand und unternehmerische Kreativität" der Wirtschaftsteilnehmer sollen genutzt werden (VK Bund, Beschl. v. 13.04.2004, Az.: VK-1 35/04). Allerdings muss der öffentliche Auftraggeber bei der funktionalen Beschreibung der Leistung auch im geeigneten Umfang Mindestanforderungen aufstellen, damit die Leistung transparent und die Angebote im oben genannten Sinne vergleichbar werden (BeckOK VergabeR/Thiele, 12. Ed. 31.01.2019, VgV §31, Rn. 7b).

Vorliegend hat die Auftraggeberin den verfolgten Zweck bzw. das angestrebte Ergebnis, eine optimale Raumnutzung zu erhalten, in den Vordergrund gestellt, dies jedoch mit bestimmten Mindestanforderungen, wie sie z.B. in Ziffer 1.7 der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV) im Leistungsverzeichnis aufgeführt sind, verknüpft.

Die im Leistungsverzeichnis vorgegebenen technischen Mindestanforderungen sind zwingend einzuhalten. Lediglich in Bezug auf den funktionalen Teil stehen dem Bieter Gestaltungsspielräume zu.

Die Antragstellerin verstieß gegen die technischen Mindestanforderungen, indem sie entgegen der Leistungsbeschreibung Regale ohne Deckel anbot.

Dem kann die Antragstellerin auch nicht entgegenhalten, dass ihr Möblierungsplan nur beispielhaft zu verstehen gewesen war, weshalb eine Änderung in Absprache mit der Antragsgegnerin stets möglich gewesen wäre.

Nach Überzeugung der Vergabekammer musste die Antragsgegnerin den Möblierungsplan der Antragstellerin als verbindlich ansehen, selbst wenn dies, wie die Antragstellerin vorgetragen hat, nicht beabsichtigt war. Maßstab bei der Auslegung der Erklärung der Antragstellerin ist gemäß §§ 133, 157 BGB, der tatsächliche Wille des Erklärenden bei Abgabe seines Angebots. Beurteilt wird dies bei Würdigung aller Umstände nach dem objektiven Empfängerhorizonts mit Rücksicht auf Treu und Glauben.

Dass die Pläne als verbindlich zu verstehen waren, ergibt sich zum einen daraus, dass sie keinen Hinweis darauf enthalten, dass es sich lediglich um eine beispielhafte Darstellung handelt - anders als z.B. die Möblierungsvorschläge der Antragsgegnerin - und zum anderen aus dem Feld "Zur Ausführung freigegeben:". Zwar ist es durchaus nachvollziehbar, dass dieses Feld der Standardmaske des Zeichenprogramms der Antragstellerin entspricht, mithin bei jeder neuen Zeichnung automatisch erstellt wird, jedoch hätte dieses Feld nach eigener Aussage der Antragstellerin auch entfernt werden können. Auch geht das Argument, die Antragstellerin habe durch Einreichung aller Unterlagen zugestimmt, dass sie die Leistung der Leistungsbeschreibung entsprechend anbiete, womit sie keine Änderung vorgenommen haben könne, fehl. Mit diesem Argument wäre der Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV nämlich ausgehöhlt, da Bieter stets alle Unterlagen einreichen müssen, um überhaupt eine Chance auf Zuschlagserteilung zu haben. Auf eine derartige Argumentation kann sich ein Bieter zudem wenn überhaupt nur berufen, wenn die Vergabeunterlagen eine ausdrückliche Abwehrklausel beinhalten (vgl. BGH, Urteil v. 18.06.2019, Rs. X ZR 86/17), was vorliegend nicht der Fall ist.

Darüber hinaus wäre die Antragstellerin wegen § 15 Abs. 5 S. 2 VgV ohnehin nicht berechtigt gewesen, nach Zuschlagserteilung ihr Angebot zu ändern. Danach sind Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise unzulässig. Dies hat zur Folge, dass der Bieter gezwungen ist, ein zuschlagsfähiges Angebot einzureichen, was die Antragstellerin gerade nicht getan hat. Eine nachträgliche Korrektur der Regalanordnung während der Angebotsphase in Absprache mit der Antragsgegnerin hätte eine unzulässige Verhandlung mit dem Ziel, ein nicht zuschlagsfähiges Angebot durch Änderungen zuschlagsfähig zu machen, bedeutet.

Ebenfalls ist es aus diesem Grund auch nicht zulässig - wie von der Antragstellerin vorgeschlagen - das Angebot nachträglich dergestalt zu ändern, dass die streitgegenständlichen Flächen unter den Unterzügen nun doch nicht als Archivfläche genutzt werden sollen.

Das Angebot der Antragstellerin stellte daher eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, weshalb es von der Wertung zwingend auszuschließen war.

Das Vergabeverfahren der Antragsgegnerin gibt Anlass zu einigen ergänzenden Anmerkungen in Bezug auf die elektronische Vergabe und die funktionale Leistungsbeschreibung. Das Verfahren der Antragsgegnerin enthielt gute konzeptionelle Ansätze, deren Ergebnisse durch Schwächen in der Ausführung nicht vollständig zu wirtschaftlich optimalen Angeboten umgesetzt werden können. Der Ansatz, die Leistungsbeschreibung nicht deskriptiv, sondern funktional abzufassen, erscheint aus Sicht der Vergabekammer positiv. Eine funktionale Leistungsbeschreibung ermöglicht es, neben dem Sachverstand des Architekten auch die Erfahrung der Anbieter in die optimale Nutzung des vorgegebenen Raumes einfließen zu lassen. Dadurch können sich je nach Ausgestaltung der Angebote spürbare Verbesserungen der Raumnutzung ergeben.

Auch die Wirtschaftlichkeit kann verbessert werden. Bei der deskriptiven Leistungsbeschreibung muss jeder Bieter genau gemäß dem Leistungsverzeichnis anbieten. Erkennt er Schwächen der Leistungsbeschreibung, kann er den Auftraggeber entweder durch Bieterfrage darüber informieren, der berechtigte Bieterfragen dann in Form einer Bieterinformation oder geänderten Vergabeunterlagen allen Bietern zur Verfügung stellt. Die Bieterfrage eröffnet dem Anbieter also keinen Wettbewerbsvorteil, schützt ihn aber vor Nachteilen durch Missverständnisse. Dagegen kann der erfolgreiche Zuschlagsempfänger auch von ihm bereits vorab erkannte Schwächen der Leistungsbeschreibung nach Auftragserteilung als Änderungsanregung einbringen und sich gemäß den Vorgaben des Vertrags mit dem Auftraggeber bzw. in Bauangelegenheiten nach § 2 Abs. 3 VOB/B als Nachtrag gesondert vergüten lassen.

Die Berücksichtigung kreativer Ansätze der Anbieter legt es nahe, den Preis nicht als alleiniges Zuschlagskriterium zu gewichten, sondern ergänzend qualitative Kriterien (vgl. VK Niedersachsen, Beschl. v. 26.08.2014, Az.: VgK-31/2014) hier beispielsweise die Zahl der Stellmeter vorzugeben. Erscheint die Leistungsverzeichnis auftragsbedingt nicht abschließend beschreibbar, liegt die Vergabe im Verhandlungsverfahren gemäß § 119 Abs. 5 GWB anstatt des offenen Verfahrens nahe.

Hier wählte die Antragsgegnerin trotz der funktionalen Leistungsbeschreibung das offene Verfahren, verzichtete weitgehend auf Mindestanforderungen, ließ den Anbietern somit erhebliche Spielräume bei der Gestaltung des Angebots. Die funktionale Leistungsbeschreibung ist anfällig gegenüber Hauptangeboten, die nur formal die Vorgaben der Leistungsbeschreibung erfüllen, tatsächlich allerdings die gewünschten aber nicht abschließend formulierten Standards verfehlen. Es ist daher zweckmäßig, die funktionale Leistungsbeschreibung mit der notwendigen Anzahl von Mindestanforderungen vor Abmagerungsangeboten zu schützen. Die Mindestanforderungen sind klar zu benennen, damit der Bieter sie von unverbindlichen Lösungsvorschlägen oder Kalkulationshilfen unterscheiden kann.

Die Antragsgegnerin hatte wie auch viele andere Vergabestellen Probleme mit der Abwicklung der seit kurzem in § 53 Abs. 1 VgV verbindlich vorgeschriebenen elektronischen Vergabe. Die Antragsgegnerin arbeitete nicht mit den elektronischen Originalen, sondern mit analogen Ausdrucken, vollzog damit einen in der elektronischen Vergabe nicht mehr gewünschten Systembruch. Sie druckte die großformatigen Zeichnungen der Angebote auf das vergleichsweise begrenzte Format DIN A3 aus. Die eigentliche Wertung ließ die Antragsgegnerin von dem beauftragten Architekturbüro nicht anhand der elektronischen Originale, sondern anhand der verkleinerten analogen DIN A3-Kopien ausführen. Diese waren für die Vergabekammer kaum lesbar. Dem Architekten dürfte es nicht anders gegangen sein. Die darauf beruhenden Unscharfen erklären neben der nicht im Leistungsverzeichnis erläuterten Differenzierung zwischen Nettostellflächen und Bruttostellflächen die Abweichungen in der Wertung gemäß der Rügeantwort der Antragsgegnerin. All das konnte jedoch in der mündlichen Verhandlung bzw. den daraufhin erforderlichen Aufklärungen richtig gestellt werden.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt, mangels Schätzung des Wertes durch die Auftraggeberin, dem des zugrunde liegenden Angebots der Antragstellerin, mithin xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Hier gilt zunächst das oben zu Ziffer 3 Ausgeführte.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen. Allerdings handelte sich um eine für die Antragsgegnerin überdurchschnittlich schwierige Auftragsvergabe. Es erscheint zur Abarbeitung eines Nachprüfungsverfahrens angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken.

Die Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2 sind vorliegend nicht erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen einer Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass eine Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10 zit. nach ibr-online). Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn eine Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem sie selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschl. v. 27.08.2008 - 13 Verg.2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen einer Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschl. v. 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hat sich eine Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 4. Auflage, § 182, Rdnr. 40; OLG Celle, Beschluss vom 12.01.2012, 13Verg9/11).

Hier hat die Beigeladene zu 1 mit Schriftsätzen vom 02.09.2019 sowie vom 09.09.2019 sachkundige Stellungnahmen zugunsten der Antragsgegnerin abgegeben. An der mündlichen Verhandlung nahm sie teil. Eigene Anträge stellte sie jedoch nicht. Es ist daher nicht geboten, ihr Aufwendungsersatz zu gewähren.

Die Beigeladene zu 2 hat weder schriftsätzlich eine Stellungnahme abgegeben, noch an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Anträge wurden nicht gestellt.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gaus
von dem Knesebeck
Dierks