Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 19.09.2019, Az.: VgK-33/2019

Ausschreibung der Flüchtlingssozialberatung in einem Landkreis europaweit im Offenen Verfahren nach den Vorgaben der VgV

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
19.09.2019
Aktenzeichen
VgK-33/2019
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 43804
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx, Verfahrensbevollmächtiqte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:

xxxxxx,
- Beigeladener -
wegen
Vergabeverfahren "Flüchtlingssozialberatung im Landkreis xxxxxx" - Bekanntmachungs-Nr. im EU-Amtsblatt: xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann auf die mündliche Verhandlung vom 13.09.2019 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Vergabeverfahren aufzuheben, die Auftragsvergabe bei fortbestehender Beschaffungsabsicht insbesondere auch hinsichtlich der Bekanntgabe der Eignungskriterien in einer den Anforderungen des Vergaberechts genügenden Weise europaweit bekannt zu machen und sowohl hinsichtlich der Festlegung der Zuschlagskriterien als auch hinsichtlich der Durchführung und Dokumentation des Vergabeverfahrens die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  4. 4.

    Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2019 die Flüchtlingssozialberatung im Landkreis xxxxxx ab dem 01.01.2020 für maximal vier Jahre europaweit im Offenen Verfahren nach den Vorgaben der VgV ausgeschrieben.

Entsprechend Abschnitt II.2.5) der Auftragsbekanntmachung war der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium. Gemäß Teil A8 der Bewerbungsbedingungen galten nachfolgende Zuschlagskriterien:

"Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 GWB i. V. m. § 58 Abs. 2 VgV. Die Wirtschaftlichkeit bemisst sich nach dem Verhältnis des Angebotspreises P (s. Anlage C 3) und der Qualität Q, die ein Gremium anhand des vom Bieter als Anlage K einzureichenden Konzepts mit Leistungspunkten (LP) bewertet.

In dem Konzept ist inhaltlich auf die im Bewertungsbogen aufgeführten Unterkriterien samt jeweiligem Bewertungsmaßstab,

I. Erfahrung des Personals, II. die Beratung der Flüchtlinge, III. den Standort

erschöpfend und nachvollziehbar einzugehen....

Zur Bewertung kommt die erweiterte Richtwertmethode wie folgt zur Anwendung:

Formel: Z = LP (Q) / P

Schwankungsbereich: 20 %; Entscheidungskriterium: Qualität

Angebote, die innerhalb des Schwankungsbereichs zum Angebot mit dem höchsten Richtwert Z liegen, kommen in die engere Wahl. Die Entscheidung entfällt auf das Angebot, das hinsichtlich des Entscheidungskriteriums innerhalb der engeren Wahl am besten bewertet wurde."

Gemäß § 6 Standorte war insoweit geregelt:

"(1) Die Beratung hat dezentral und flächendeckend stattzufinden einschließlich der xxxxxx mit weitestgehend verbindlichen Sprechzeiten, aber auch aufsuchender Beratung in der Häuslichkeit der Flüchtlinge.

(2) Standorte sind möglichst in den xxxxxx kreisangehörigen Gemeinden vorzuhalten, mindestens jedoch in xxxxxx.

In Bezug auf das Unterkriterium I. Erfahrung des Personals sollte die Einbeziehung von Ehrenamtlichen sowie Institutionen/Behörden, das Motivieren (Umgang mit Verweigerern; Sprachkursabbruch), die Projektarbeit, insbesondere Frauenprojekte anzubieten und umzusetzen, eine Fortbildung über rechtliche Grundlagen in der Migrationsarbeit sowie eine Person mit einer Zuwanderergeschichte positiv bewertet werden.

In Bezug auf das Unterkriterium III. Standort sollte gemäß des Bewertungsbogens in den Vergabeunterlagen die Entfernung des Rathauses, die Ausstattung und die Mobilität (aufsuchende Beratung) bewertet werden.

Abschnitt III.1.2) bzw. III.1.3) der Auftragsbekanntmachung enthielt zur wirtschaftlichen und finanziellen sowie zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit folgenden Hinweis:

"Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen"

Eine direkte Verlinkung auf die Eignungsunterlagen war nicht enthalten.

Teil A5 der Bewerbungsbedingungen lautete insoweit wie folgt:

"Gemäß § 97 Abs. 4 GWB werden nur Angebote von Bietern berücksichtigt, die für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten die erforderliche Eignung besitzen. Hierzu hat der Bieter mit dem Angebot folgende Nachweise zu erbringen:

a) Eigenerklärung nach Anlage E;

b) für die das zur Ausführung vorgeschlagene Personal (Anlage C2):

- zwei Stellen: Abschluss eines Studiums oder einer Berufsausbildung im Sozialwesen oder pädagogischen Bereich

- eine Stelle: Person mit Erfahrung im Bereich der Flüchtlingsbetreuung von mindestens 4 Jahren (Menschen mit Zuwanderungsgeschichte werden besonders berücksichtigt, s. Bewertungsbogen)

- Schulung: rechtliche Grundlagen im sozialen Datenschutz nach der neuen DSGVO-EU"

In Abschnitt IV.2.2) der Auftragsbekanntmachung und Teil A1 der Bewerbungsbedingungen war als Schlusstermin für den Eingang der Angebote der xxxxxx.2019, 11:00 Uhr genannt.

In Bezug auf die Einlegung von Rechtsbehelfen enthielt die Auftragsbekanntmachung unter Abschnitt Vl.4.3) keinerlei Angaben.

Weiter war unter Teil A2 der Bewerbungsbedingungen geregelt, dass der Bieter die Leistungen nicht durch Nachunternehmen ausführen lassen kann.

Teil A7 der Bewerbungsbedingungen enthielt zudem folgendes Ausschlusskriterium:

"Der Auftragnehmer muss aufgrund der "Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Migrationsberatung in Niedersachsen" dem Grunde nach förderfähig sein."

Das Vorliegen der Förderfähigkeit sowie des Umstandes der eigenständigen Beantragung musste von den Bietern mit Abgabe der zum Nachweis der Eignung geforderten Erklärung E bestätigt werden.

Schließlich wurde in Teil A10 der Bewerbungsbedingungen mitgeteilt, dass sachdienliche Informationen zu den Vergabeunterlagen, die elektronisch über das Vergabeportal bis zum 29.07.2019 angefordert wurden, bis zum 30.07.2019 erteilt werden.

Die Antragstellerin stellte am 24.07.2019 über das Vergabeportal mehrere Bieterfragen zur Förderfähigkeit und wollte dabei insbesondere wissen, ob eine GmbH in Niedersachsen förderfähig sei. Die Antragsgegnerin beantwortete die Fragen am selbigen Tage gegenüber allen Bietern. Es wurde klargestellt, dass die Förderfähigkeit des Bieters ein Ausschlusskriterium sei und welche Voraussetzungen eine GmbH erfüllen müsse, damit sie förderfähig ist.

Mit Schreiben vom 30.07.2019 rügte die Antragstellerin die Förderfähigkeit als Ausschlusskriterium. Die Förderfähigkeit stelle kein zulässiges Eignungskriterium gemäß § 122 Abs. 2 S. 2 GWB dar, sei keine zulässige Mindestbedingung auf Leistungsebene und schränke zudem den Wettbewerb ein und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Außerdem fehle die Bekanntmachung des Ausschlusskriteriums in der Auftragsbekanntmachung. Weiter sei das Bewertungskriterium "Standort" unzulässig, da es mit dem Grundsatz eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs unvereinbar sei. Auch das Aufstellen eines pauschalen Selbstausführungsgebots sei vergaberechtwidrig. Und schließlich reiche der bloße Verweis in der Auftragsbekanntmachung auf die Eignungskriterien in den Vergabeunterlagen nicht aus.

Mit Schreiben vom 01.08.2019 half der Antragsgegner der Rüge insoweit ab, als dass er die Förderfähigkeit nicht weiter als Ausschlusskriterium aufrecht hielt. Die fehlenden Angaben zu den Eignungskriterien sollten im Rahmen einer Änderungsbekanntmachung veröffentlicht werden. Im Übrigen bliebe es bei der Bewertung des Kriteriums Standort und bei der Nichtzulassung von Nachunternehmern.

Mit Information vom 01.08.2019 teilte der Antragsgegner über das Vergabeportal gegenüber allen Bietern mit, dass die Vergabeunterlagen geändert wurden und die Angebotsfrist vom xxxxxx.2019 auf den 07.08.2019 um 11:00 Uhr verlängert wird.

Ausweislich der Protokollierung der eVergabeplattform xxxxxx wurde die Frist im Vergabeportal ebenfalls am 01.08.2019 auf den 07.08.2019, 11:00 Uhr, geändert. Am 02.08.2019 erhielten die Interessenten eine weitere Nachricht über das Vergabeprotal, die auf weitere Änderungen der Vergabeunterlagen - nämlich die Herabsenkung der Erfahrung, die eine Person im Bereich der Flüchtlingsbetreuung haben sollte von mindestens 4 auf 3 Jahre - hinwies. Die am 01.08.2019 und am 02.08.2019 geänderten Vergabeunterlagen wurden jeweils im Projektraum hochgeladen und damit allen Bietern zur Verfügung gestellt. In den überarbeitenden Vergabeunterlagen sowohl vom 01.08.2019 als auch vom 02.08.2019 war, wie angekündigt, das Kriterium der Förderfähigkeit als Ausschlusskriterium nicht mehr enthalten. Die geänderten Vergabeunterlagen enthielten jeweils eine verlängerte Angebotsfrist, allerdings wurde - anders als über die Bieterinformation - der 08.08.2019, 11:00 Uhr, in Teil A1 der Bewerbungsbedingungen als Fristende mitgeteilt.

Eine Bekanntmachung der geänderten Angebotsfrist im Rahmen einer Berichtigungsbekanntmachung erfolgte nicht.

Änderungen an den Fristen in Teil A10 Informationen der Bewerbungsbedingungen wurden nicht vorgenommen, so dass laut Bewerbungsbedingungen Bieterfragen weiterhin bis zum 29.07.2019 eingegangen sein mussten, damit sie bis zum 30.07.2019 beantwortet wurden.

Mit Bieterfrage vom 02.08.2019 bat die Antragstellerin um Verlängerung der Angebotsfrist aufgrund der Änderungen an den Vergabeunterlagen. Des Weiteren stellte sie Fragen zur Erfahrung des einzusetzenden Personals, ob es sich bei der Ausschreibung um einen Betriebsübergang handele und ob die Wertung auf Grundlage von Netto- oder Brutto-Preisen durchgeführt werde. Der Antragsgegner beantwortete die Fragen am 05.08.2019 um 08:50 Uhr und teilte insbesondere mit, dass die Angebotsfrist bereits angemessen i. S. v. § 20 Abs. 3 VgV verlängert worden sei.

Am 05.08.2019 in der Zeit von 09:48 Uhr bis 13:41 Uhr stellte die Antragstellerin insgesamt sechs Bieterfragen, die ihrer Meinung nach u.a. kalkulationsrelevant seien, und bat daher um erneute Verlängerung der Angebotsfrist.

Folgende Bieterfragen wurden unter anderem gestellt:

- Leider konnten wir in den Unterlagen nicht finden, wie viele Menschen betreut und beraten werden müssen, daher lässt sich das Angebot schwierig kalkulieren. Wie viele Asylbewerber müssen durch den Bieter betreut werden?

- Laut Leistungsbeschreibung fordern Sie zweimal im Jahr eine Großveranstaltung. Geben Sie bitte Auskunft darüber, welchen Umfang an Besuchern und in welchem finanziellen Rahmen die Veranstaltung sein soll. Da es Vertragsbestandteil ist, muss der Bieter den Umfang kennen. Genauso bitten wir um eine Interpretation, was in diesem Zusammenhang international bedeutet.

- Sie fordern unter § 6 (2), verschiedene Standorte vorzuhalten. Bedarf es in jedem dieser Standorte ein Büro?

- Sie fordern unter A5 b) Eignungsnachweise Personalanforderungen und ebenso ist das Personal unter A8 ein Zuschlagskriterium. Eine doppelte Berücksichtigung von Eignungskriterien auch auf der Angebotsbewertungsebene im Rahmen der Zuschlagskriterien als sog. "Mehr an Eignung" ist vergaberechtlich unzulässig. Gehen wir richtig in der Annahme, dass sich als Zuschlagskriterium auch Referenzprojekte eignen?

Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin am 05.08.2019 bilateral mit, dass die aufgeworfenen Fragen nicht sachdienlich seien und anhand der bekannten Informationen ein ordnungsgemäßes Angebot erstellt werden könne. Des Weiteren sei die unter Teil A10 der Bewerbungsbedingungen genannte Frist abgelaufen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.08.2019 rügte und konkretisierte die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rügeerwiderung die bereits erhobenen Rügen zum Kriterium der fehlenden Förderfähigkeit und der Nichtzulassung von Nachunternehmern. Des Weiteren wurde die vergaberechtswidrige Doppelverwendung von Eignungskriterien als Eignungs- und Zuschlagskriterien, die Vergaberechtswidrigkeit der Angebotsfrist und die Nichtbeantwortung von Interessentenfragen sowie die Intransparenz des Wertungssystems gerügt.

Am 07.08.2019 um 11:05 Uhr führte der Antragsgegner durch zwei Mitarbeiter das 4-Augen-Login durch, um die eingegangenen Angebote zu entschlüsseln, herunterzuladen und zu öffnen. Ein entsprechendes Öffnungsprotokoll wurde angefertigt.

Der Antragsgegner half der Rüge mit Schreiben vom 13.08.2019 nicht ab. Soweit die Rüge sich auf die Förderfähigkeit, die Nichtzulassung von Nachunternehmern, die vergaberechtswidrige Angebotsfrist und das Zuschlagskriterium "Standort" beziehe, werde auf die Rügeerwiderung des Antragsgegners vom 01.08.2019 verwiesen. Durch die bereits vorgenommenen Verfahrenserleichterungen sei nicht einzusehen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei. Zu den übrigen Rügen verweise der Antragsgegner auf die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB. Demnach hätte die Antragstellerin Rügen gegen die Vergabevorschriften bis zum Ablauf der Angebotsfrist vortragen müssen. Diese sei jedoch bereits am 07.08.2019, 11:00 Uhr, und somit vor Eingang der Rüge abgelaufen. Lediglich vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Angebotsfrist auch nicht aufgrund des Rügeschreibens der Antragstellerin vom 30.07.2019 hätte verlängert werden müssen.

Aufgrund der Nichtabhilfe der Rügen beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16.08.2019 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB.

Am xxxxxx.2019 und somit nach Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer übermittelte der Antragsgegner die bereits mit Rügeerwiderung vom 01.08.2019 avisierte Berichtigungsbekanntmachung an das EU-Amtsblatt, die am xxxxxx.2019 veröffentlicht wurde.

Die Antragstellerin begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in den o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig.

Alle Zulässigkeitsvoraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Für ihre Antragsbefugnis reiche aus, dass sie geltend mache, durch den Vergabeverstoß an der Angebotsabgabe gehindert worden zu sein und anderenfalls ein ernstzunehmendes Angebot eingereicht hätte. Dies sei hier der Fall. Zudem habe sie am 07.08.2019 gegen 14:00 Uhr vergeblich versucht ein Angebot über das Vergabeprotal hochzuladen. Das Vergabeprotal sei hierfür jedoch gesperrt gewesen.

Weiter habe sie die Rechtsverstöße rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist gemäß § 160 Abs. 3 GWB gerügt. Entsprechend der geänderten Vergabeunterlagen vom 01.08.2019 und vom 02.08.2019 habe die Angebotsfrist am 08.08.2019, 11:00 Uhr, geendet. Sowohl die Rügen vom 30.07.2019 als auch vom 07.08.2019 seien somit rechtzeitig erhoben worden.

Schließlich sei die Einreichung des Nachprüfungsantrags auch fristgerecht erfolgt, obgleich die Einreichung vorliegend keiner Frist unterliege. Denn weder unter Abschnitt VI.4.3) der Auftragsbekanntmachung noch in den Rügeerwiderungen sei auf die Frist gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB hingewiesen worden. Unabhängig davon wäre der Nachprüfungsantrag noch fristgerecht eingegangen, da die Nichtabhilfe der ersten Rügen mit Schreiben vom 01.08.2019 erfolgte und der Nachprüfungsantrag vom 16.08.2019 somit innerhalb von 15 Tagen eingereicht wurde.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Zunächst habe der Antragsgegner den durch die Teilabhilfe der Rüge hinsichtlich der Förderfähigkeit behobenen Fehler nicht vergaberechtskonform behoben. Denn die Teilabhilfe in Form der Änderung der Vergabeunterlagen und der Verlängerung der Angebotsfrist könne nicht im laufenden Verfahren, d.h. ohne Rückversetzung, auf Grundlage einer unterbliebenen Änderungsbekanntmachung im EU-Amtsblatt erfolgen. Auch die nach Einleitung des Nachprüfungsantrags nunmehr veröffentlichte Änderungsbekanntmachung sei nicht geeignet die Teilabhilfe vergaberechtskonform umzusetzen. In der Bekanntmachung fehlen unter dem Gliederungspunkt "Anstatt" die Eintragung "Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen". Auch wurde nicht aufgeführt, dass die Förderfähigkeit nicht mehr als Ausschlusskriterium gelte. Zudem sei die Verlängerung der Angebotsfrist um 48 bzw. 72 Stunden nicht geeignet, um ein Angebot von hoher Qualität zu erstellen. Zumal die Antragstellerin bis zum 01.08.2019 davon ausging, dass sie sich mangels Förderfähigkeit nicht beteiligen könne. Ihr wären demnach nur 5 Kalendertage für die Angebotserstellung geblieben.

Weiter war die Auftragsbekanntmachung in Bezug auf die Eignungskriterien durch den bloßen Verweis auf die Vergabeunterlagen unzulässig. Fehlen wie vorliegend die erforderlichen Angaben zu den Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung stelle dies einen schwerwiegenden Mangel da, der die Rückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe erfordere. Die nunmehr erfolgte Änderungsbekanntmachung könne nur als Anerkenntnis des Vergabeverstoßes des Antragsgegners gewertet werden. Es bleibe daher bei einem Verstoß gegen § 122 Abs. 4 S. 2 GWB wegen fehlender Bekanntmachung der Eignungskriterien.

Die in der Auftragsbekanntmachung festgelegte Frist zur Angebotseinreichung verstoße gegen § 15 Abs. 2 und 4 VgV. Die Angebotsfrist betrage vorliegend 30 Tage. Die Auftragsbekanntmachung ist am xxxxxx.2019 versandt worden. Die Angebotsfrist hätte demnach am xxxxxx.2019, 24:00 Uhr, enden müssen. In der Auftragsbekanntmachung sei hingegen der xxxxxx.2019, 11:00 Uhr, angegeben worden. Dies stelle eine unzulässige Verkürzung der Angebotsfrist dar, die auch nicht durch die ebenfalls vergaberechtswidrige Verlängerung der Angebotsfrist auf den 07.08.2019, 11:00 Uhr, bzw. 08.08.2019, 11:00 Uhr, geheilt werden könne. Die Fristverlängerung genüge nicht den Anforderungen des § 20 Abs. 3 VgV. Denn die Fristverlängerung müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Information und Änderung stehen und gewährleisten, dass alle Unternehmen von der Änderung und der Information Kenntnis erlangen. Modifikationen von Zuschlags- oder Eignungskriterien würden einen völlig neuen Bieterkreis erschließen und müssten somit auch durch eine Änderungsbekanntmachung umgesetzt werden. Eine Fristverlängerung eigne sich demnach bereits nicht, die fehlende Bekanntmachung der Eignungskriterien zu heilen. Vielmehr sei eine Rückversetzung in den Stand vor Angebotsabgabe erforderlich. Schließlich sei auch eine Änderungsbekanntmachung nach Ablauf der Angebotsfrist nicht geeignet, die fehlende Bekanntmachung der Eignungskriterien zu heilen.

Des Weiteren sei der Ausschluss von Unterauftragnehmern grundsätzlich unzulässig und verstoße gegen § 36 VgV. Die Ausnahme des Selbstausführungsgebots nach § 47 Abs. 5 VgV sei mangels Erfüllung seiner tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben, denn diese gelte nur für besondere kritische Aufgaben und könne nicht auf Aufträge in ihrer Gesamtheit angewendet werden. Ferner seien die vorliegenden sozialen Dienstleistungen auch nicht als kritische Aufgaben zu qualifizieren. Sofern der Antragsgegner ein berechtigtes Interesse an der Leistungserbringung durch bestimmte Personen gehabt hätte, hätte er unter Berücksichtigung des EuGH Urteils vom 05.04.2017, Rs. C-298/15, die Optionen zur Angabe und Auswahl von Unterauftragnehmern nach § 36 VgV ausschöpfen müssen. Schließlich enthalte die Vergabeakte zur behaupteten Anwendung des § 47 Abs. 5 VgV keine Ausführungen, obwohl die Anwendung begründungs- und dokumentationspflichtig sei.

Ferner verstoße die Weigerung des Antragsgegners, die Interessentenfragen der Antragstellerin zu beantworten, gegen vergaberechtliche Vorschriften. Das Verstreichen der unter A10 in den Vergabeunterlagen genannten Frist sei nicht relevant. Interessentenfragen seien grundsätzlich zu beantworten, wenn sie sachdienlich sind und am Tag vor Ablauf der Angebotsfrist gestellt werden. Die Interessentenfragen der Antragstellerin wurden am 05.08.2019 gestellt und seien allesamt relevant bzw. sachdienlich. Zudem sei unerklärlich und zugleich willkürlich, dass der Antragsgegner zunächst am 05.08.2019 Interessentenfragen beantwortet, um sodann unter Verweis auf den Ablauf der Frist unter A10 der Vergabeunterlagen die Beantwortung zu verweigern.

Überdies liege ein Verstoß gegen den Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn der Wettbewerbsvorteil der bereits mit der Leistungserbringung befassten Beigeladenen nicht ausglichen werde. Bei weiterer Weigerung des Antragsgegners, die kalkulationsrelevanten Fragen der Antragstellerin zu beantworten, müsse der Beigeladene nach § 124 Abs. 1 Nr. 6 GWB vom weiteren Verfahren ausgeschlossen werden.

Darüber hinaus verstoße die Wertung der Erfahrung des Personals im Bereich Flüchtlingsbetreuung als Eignungskriterium entsprechend A5 der Vergabeunterlagen und als Unterkriterium des Konzepts gemäß Bewertungsbogen gegen das Verbot der Doppelverwendung von Eignungskriterien als Eignungs- und Zuschlagskriterium. Aufgrund der Erfassung der Erfahrung einer einzelnen Person in der übergeordneten Kategorie der Erfahrung des Personals werde das Eignungskriterium Erfahrung vergaberechtswidrig doppelt bewertet. Eine Heilung könne nur durch die Rückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe erfolgen.

Das in den Vergabeunterlagen unter A8 gewählte Wertungssystem sei intransparent und verstoße gegen § 97 GWB i. V. m. § 127 Abs. 4 S. 1 GWB. Das gewählte Verfahren sei willkürlich, da der Antragsgegner die Möglichkeit habe einen bevorzugten Bieter mit einem hohen Preis und einem geringen Richtwert Z, aber voller Punktzahl beim Entscheidungskriterium Qualität durch die Hintertür den Zuschlag zu erteilen. Ferner sei die Qualität doppelt bewertet.

Außerdem seien die Unterkriterien nicht hinreichend bestimmt um nachzuvollziehen, was der Antragsgegner bewerten wolle. Es bleibe beispielsweise unklar, ob die Erfahrung in Bezug auf die genannten Unterpunkte an Hand von Referenzen, an Hand der Erfahrung von Mitarbeitern und/oder des Unternehmens als solchem in Jahre gemessen werde. Die Unterkriterien würden auch nicht gewichtet werden, so dass die In-Verhältnis-Setzung der Unterpunkte zueinander offen bleibe. Hinzu käme, dass die Forderung der namentlichen Benennung des zur Auftragserbringung einzusetzenden Personals vergaberechtswidrig sei. Ein Bieter könne zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe entsprechend des Beschlusses der VK Rheinland vom 29.07.2019, Az.: VK 26/19-L, noch nicht verlässlich vorhersehen, welche Mitarbeiter er für die Ausführung einsetzen werde. Daher sei es bereits aus praktischen Gründen ausgeschlossen, solche Nachweise zu fordern. Etwas anderes könne nur gelten, wenn für die Qualität der Ausführung eines Auftrags der Einsatz bestimmter, individualisierter Personen mit speziellen Befähigungen, wie etwa bei Dienstleistungen geistigschöpferischen Inhalts, erforderlich sei. Eine solche Fallgestaltung liege nicht vor. Sozialarbeiter mit dem geforderten Ausbildungs- und Erfahrungsstand gebe es am Arbeitsmarkt ausreichend.

Zudem sei keine vertragliche Verankerung der konkret anzubietenden Personalqualifikation, der Beratungs- und Standardkonzepte vorgesehen. Die Konzepte würden lediglich bewertet werden. Solche "Angebotslyrik" sei rechtlich unverbindlich und unzulässig. Zwar würden die vorgenannten Konzepte Vertragsbestandteil werden, allerdings könne der Auftragnehmer das Personal im Vertragsleben auch wieder wechseln. Bei diesem Wechsel würde die im Angebot mit Blick auf die die Zuschlagskriterien offerierten Personalqualitäten nicht berücksichtigt werden, da diese nicht festgelegt wurden. Auch werde keine Verbindlichkeit des Standortkonzepts gefordert. Die vertraglichen Bedingungen müssten die Möglichkeit der Überprüfung der als Zuschlagskriterien gewerteten Qualifikation des Personals und der Standorte vorsehen oder zumindest zulassen. Dies sei nicht der Fall. Es bedarf einer Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe und entsprechender Überarbeitung der Vergabeunterlagen.

Letztlich verstoße das Unterkriterium III. Standort gegen den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz. Für die Bewertung sei unter anderem die Entfernung zum Rathaus maßgebliches Zuschlags- bzw. Unterkriterium. An die Ortsnähe eines Unternehmens anzuknüpfen, sei mit dem Grundsatz eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs unvereinbar. Außerdem sei die Bewertung der Rathausnähe auch nicht durch die Art des Auftrags veranlasst. Es sei nicht erkennbar, warum diese bewertungsrelevant sei. Eine Bewertung mache nur Sinn, wenn man dem Beigeladenen, der über einen Standort im Rathaus verfüge, einen Bewertungsvorsprung verschaffen wolle.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    dem Antragsgegner in dem Vergabeverfahren Flüchtlingssozialberatung - Bekanntmachungsnummer im EU-Amtsblatt xxxxxx - zu untersagen, den Zuschlag zu erteilen;

  2. 2.

    ihm aufzugeben, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen;

  3. 3.

    die Vergabeunterlagen und die Auftragsbekanntmachung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu überarbeiten;

  4. 4.

    das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer durchzuführen;

  5. 5.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;

  6. 6.

    die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, soweit die Antragstellerin Verstöße gegen Vergabevorschriften nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gerügt habe. Dies betreffe die Punkte, welche mit Schreiben der Antragstellerin vom 07.08.2019 gerügt wurden und damit nach Ablauf der Angebotsfrist (07.08.2019, 11:00 Uhr) eingegangen seien. Daher seien einzig die im Schreiben der Antragstellerin vom 30.07.2019 aufgeworfenen Punkte Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens.

Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen unbegründet.

Lediglich hilfsweise werde vorgetragen, dass die Angebotsfrist im Einklang mit den Vorgaben der VgV stehe. Die Vergabestelle habe alle Interessenten mit Zusendung der Vergabeunterlagen über die verlängerte Angebotsfrist bis zum 07.08.2019, 11:00 Uhr, informiert. Ebenso habe man die Antragstellerin in der Rügeerwiderung auf die verlängerte Frist bis zum 07.08.2019, 11:00 Uhr, hingewiesen. Bei der in den abgeänderten Vergabeunterlagen angegebenen Frist handele es sich erkennbar um ein redaktionelles Versehen der Vergabestelle.

Hinsichtlich der zulässigen Nichtbeantwortung der Bieterfragen werde auf die Rügeerwiderung verwiesen.

Weiter liege eine vergaberechtswidrige Doppelverwendung von Eignungskriterien als Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht vor. Im Rahmen der Eignung hätten die Bieter für zwei Stellen den Abschluss eines Studiums oder einer Berufsausbildung im Sozialwesen oder pädagogischen Bereich, für eine Stelle eine Person mit Erfahrung im Bereich der Flüchtlingsbetreuung von mindestens 4 Jahren (Menschen mit Zuwanderungsgeschichte werden besonders berücksichtigt, s. Bewertungsbogen) sowie eine Schulung über rechtliche Grundlagen im sozialen Datenschutz nach der neuen DSG-VO-EU formell nachzuweisen. Dagegen hätten die Bieter im Rahmen des zu bewertenden Konzepts inhaltlich auf die im Bewertungsbogen aufgeführten Unterkriterien samt jeweiligem Bewertungsmaßstab eingehen sollen. Es seien ausdrücklich die Erfahrungsinhalte der ausführenden Personen darzustellen. Für die Wahl des Zuschlagskriteriums werde insoweit auf § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV hingewiesen.

Ferner habe sich das Modell der erweiterten Richtwertmethode durch analoge Anwendung der Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen (UfAB 2018) in der Vergabepraxis bewährt. Bei der Wertung der Zuschlagskriterien gemäß § 58 VgV, insbesondere der Kriterien in Nr. 2 "Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung betrauten Personals", stehe dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu. Den Vorgaben an Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Bewertungsmodells werde erstens durch die Festlegung von konkreten Unterkriterien und einem Bewertungsmaßstab mittels Bewertungsbogen und zweitens durch die Beteiligung eines aus mehreren Vertretern des Auftraggebers bestehenden Wertungsgremiums entsprochen.

Im Übrigen werde zu den möglichen Verstößen gegen Vergabevorschriften aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 30.07.2019 auf die Ausführungen im Antwortschreiben vom 01.08.2019 verwiesen.

Schließlich werde zum Selbstausführungsgebot nach § 47 Abs. 5 VgV ergänzt, dass dieses vorgeschrieben werden dürfe. Ein berechtigtes Interesse bestehe darin, dass die auszuführenden Beratungsdienstleistungen als schwierig eingestuft werden und eine Falschberatung folgenschwere Konsequenzen für die Dienstleistungsempfänger haben könne. Es handele sich um Flüchtlinge, die die Beratungsstelle aufsuchen, um Hilfe und Orientierung nach ihrer Ankunft in xxxxxx zu erhalten. Beratungsziel sei schließlich das Gelingen der Integration. Der Auftraggeber erkenne eine besondere Verantwortung des Auftragnehmers bei der Übernahme dieser kritischen Aufgabe. Vor diesem Hintergrund sei die Qualität des ausführenden Personals des Bieters bzw. Auftragnehmers als Zuschlagskriterium festgelegt worden. Zudem bestehe im Fall einer Unterbeauftragung des Auftragnehmers an einen Dritten das Risiko, dass dieser Dritte Leistungen nicht ordnungsgemäß ausführe oder die ordnungsgemäße Ausführung der Leistungen durch den Dritten nicht durch Kontrollmaßnahmen des Hauptauftragnehmers sichergestellt werden könne. Das Risiko einer Falschberatung von Flüchtlingen könne nicht hingenommen werden.

Der Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer den Vortrag des Antragsgegners im Hinblick auf die Nichtbeantwortung aus Sicht des Beigeladenen nicht kalkulationsrelevanten Bieteranfragen der Antragstellerin und die Berücksichtigung des Unterkriteriums "Standort" bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes unterstützt.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 13.09.2019 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Der Antragsgegner hat gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB und gegen § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB verstoßen, indem er es versäumt hat, die Eignungskriterien in der europaweiten Bekanntmachung aufzuführen (im Folgenden 2 a). Die konkret festgelegte Gestaltung und Berücksichtigung des Unterkriteriums "Standort" für die Bewertung der einzureichenden Bieterkonzepte verstößt gegen das Wettbewerbsgebot und das Gleichbehandlungsgebot gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB, da der nach den Festlegungen relevante Aspekt der Entfernung des Standortes zum Rathaus hinsichtlich des nach § 127 Abs. 3 GWB erforderlichen Auftragsbezugs weder evident ist noch vom Antragsgegner in den Vergabeunterlagen oder der Dokumentation der Vergabeakte begründet worden ist (im Folgenden 2 b). Die vom Antragsgegner gewählte erweiterte Richtwertmethode in Anlehnung an die UfAB 2018 ist zwar auch für den verfahrensgegenständlichen Auftrag grundsätzlich geeignet. Der festgelegte, unüblich hohe Schwankungsbereich von 20 % zugunsten des Entscheidungskriteriums Qualität gewährleistet jedoch nicht die von § 127 Abs. 4 GWB vorausgesetzte willkürfreie und überprüfbare Zuschlagsentscheidung (im Folgenden 2 c). Der Antragsgegner hat es ferner zu Unrecht abgelehnt, die berechtigten Bieteranfragen der Antragstellerin - ggf. unter angemessener Verlängerung der Angebotsfrist nach § 20 Abs. 3 VgV - zu beantworten (im Folgenden 2 d).

Aufgrund der vorgenannten Vergaberechtsverstöße ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, dass der Auftragsgegenstand, entgegen der Auffassung der Antragstellerin, gemäß § 47 Abs. 5 VgV die vom Antragsgegner geforderte Selbstausführung durch den Bieter und den Ausschluss des Einsatzes von Unterauftragnehmern rechtfertigen (im Folgenden 2 e) und die Erfahrung des von den Bietern in ihren Konzepten konkret für die Auftragserfüllung vorgesehenen Personals durchaus auch im Rahmen der Bewertung des Zuschlagskriteriums "Qualität" berücksichtigt werden kann (im Folgenden 2 f). Dies setzt allerdings eine Abgrenzung zu den Personalanforderungen der Eignungsnachweise voraus. Eine solche ist aber weder aus den Vergabeunterlagen ersichtlich noch enthält die Vergabeakte im Übrigen dazu eine den Anforderungen des § 8 VgV genügende Dokumentation.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag über soziale und andere besondere Dienstleistungen i. S. d. §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 130 GWB i. V. m. Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung, für den ein Schwellenwert von 750.000 € gilt. Der vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzte Auftragswert (Vergabeakte, Vermerk über die Vergabevorbereitung) überschreitet den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner es ihr durch verschiedene Vergaberechtverstöße unmöglich gemacht habe, sich mit rechtzeitig mit einem aussichtsreichen Angebot zu bewerben.

Zwar habe der Antragsgegner auf ihre Rüge hin das ursprünglich in Teil A7 der Bewerbungsbedingungen festgelegte Ausschlusskriterium, wonach der Auftragnehmer aufgrund der "Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Migrationsberatung in Niedersachsen" dem Grunde nach förderfähig sein müsse, mit Schreiben vom 01.08.2019 zurückgezogen. Der Antragsgegner habe es jedoch versäumt, die Angebotsfrist aufgrund der geänderten Bewerbungsbedingungen angemessen und eindeutig zu verlängern. Mit Information vom 01.08.2019 teilte der Antragsgegner über das Vergabeportal gegenüber allen Bietern mit, dass die Vergabeunterlagen geändert wurden und die Angebotsfrist vom xxxxxx.2019 auf den 07.08.2019 um 11:00 Uhr verlängert wird. Die geänderten Vergabeunterlagen enthielten zwar ebenfalls eine verlängerte Angebotsfrist, allerdings wurde - anders als über die Bieterinformation - der 08.08.2019, 11:00 Uhr, in Teil A1 der Bewerbungsbedingungen als Fristende mitgeteilt. Sie habe am 07.08.2019 gegen 14:00 Uhr vergeblich versucht, ein Angebot über das Vergabeprotal hochzuladen. Das Vergabeprotal sei hierfür jedoch gesperrt gewesen.

Der Antragsgegner habe sich zudem vergaberechtswidrig geweigert, die kalkulationsrelevanten Interessentenfragen der Antragstellerin zu beantworten. Darüber hinaus verstoße die Wertung der Erfahrung des Personals im Bereich Flüchtlingsbetreuung als Eignungskriterium entsprechend A5 der Vergabeunterlagen und als Unterkriterium des Konzepts gemäß Bewertungsbogen gegen das Verbot der Doppelverwendung von Eignungskriterien als Eignungs- und Zuschlagskriterien. Der Ausschluss von Unterauftragnehmern sei grundsätzlich unzulässig und verstoße gegen § 36 VgV. Das in den Vergabeunterlagen unter Teil A8 der Bewerbungsbedingungen festgelegte Wertungssystem sei intransparent und verstoße gegen § 97 GWB i. V. m. § 127 Abs. 4 S. 1 GWB. Es sei willkürlich, da der Antragsgegner die Möglichkeit habe, einen bevorzugten Bieter mit einem hohen Preis, aber voller Punktzahl beim Entscheidungskriterium Qualität durch die Hintertür den Zuschlag zu erteilen. Schließlich verstoße das Unterkriterium "III. Standort" für die Bewertung der Bieterkonzepte gegen den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz, weil für die Bewertung unter anderem die Entfernung zum Rathaus maßgebliches Zuschlags- bzw. Unterkriterium sei.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags rechtzeitig zu rügen.

Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB muss der Bieter geltend gemachte Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, vor Einreichen des Nachprüfungsantrags spätestens bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist oder der Angebotsfrist gegenüber dem Auftraggeber rügen.

Die Antragstellerin rügte bereits mit Schreiben vom 30.07.2019 und damit schon vor Ablauf der ursprünglichen Angebotsfrist am xxxxxx.2019 nicht nur die Förderfähigkeit als Ausschlusskriterium, sondern auch die mit dem Nachprüfungsantrag weiterhin geltend gemachten vermeintlichen Verstöße durch das Aufstellen eines pauschalen Selbstausführungsgebots, die mangelnde Veröffentlichung der Eignungskriterien in der europaweiten Bekanntmachung und das Bewertungskriterium "Standort". Mit Anwaltsschreiben vom 07.08.2019 und damit noch innerhalb der letztlich bis zum 08.08.2019, 11:00 Uhr, verlängerten (Teil A1 der Bewerbungsbedingungen) Angebotsfrist rügte die Antragstellerin darüber hinaus die Vergaberechtswidrigkeit der Angebotsfrist, die Nichtbeantwortung von Interessentenfragen und die Intransparenz des Wertungssystems.

Die Rügen der Antragstellerin erfolgten innerhalb Angebotsfrist und damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 GWB.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch - weit überwiegend - begründet:

a. Der Antragsgegner hat gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB und gegen § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB verstoßen, indem er es versäumt hat, die Eignungskriterien in der europaweiten Bekanntmachung aufzuführen. Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Diese Regelung ist Ausfluss des vergaberechtlichen Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB (Hausmann/von Hoff in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 123 GWB, Rn. 42). Die früher häufig angewandte Praxis, die Eignungskriterien erst in Vergabeunterlagen mitzuteilen, ist damit nicht mehr zulässig. Mit dieser Regelung geht einher, dass die Eignungskriterien in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend beschrieben sein müssen. Für die Bekanntgabe der Eignungskriterien genügt daher ein bloßer Verweis auf § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB ebenso wenig, wie für die Bekanntgabe der Eignungsnachweise ein bloßer Verweis auf die Nachweisvorschriften der Vergabeordnungen genügt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.02.2015-11 Verg 11/14). Gleiches gilt für einen Verweis auf ergänzende Unterlagen oder Formblätter, die erst auf Anfrage zugesendet werden (OLG Celle, Beschluss vom 24.04.2014 -13 Verg 2/14 = IBR 2014, Seite 435; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2014 - VII Verg 26/13 = NZBau 2014, Seite 371). Der (potentielle) Bieter und Bewerber soll sich bereits aufgrund der Bekanntmachung überlegen können, ob er die festgelegten Eignungskriterien erfüllen kann. Zulässig ist es jedoch, wenn derartige Unterlagen unmittelbar mit der Auftragsbekanntmachung verlinkt sind (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2011 -Verg 60/11 =ZfBR2012, Seite 179; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 16.02.2015 - § 11 Verg 11/14 = NZBau 2015, Seite 319; Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar Bd. 1, 3. Aufl., §122 GWB, Rn. 98).

Vorliegend hatte der Antragsgegner unter Ziffer III.1.2 und III.1.3 der europaweiten Auftragsbekanntmachung lediglich bekanntgegeben:

"Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen."

Eine direkte Verlinkung auf die entsprechenden, in den Vergabeunterlagen formulierten Eignungskriterien erfolgte nicht. Die bloße Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder auf "Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen" erfüllt die Bekanntmachungsanforderungen des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB nicht und ist daher unzulässig (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 - Verg 24/18). Fehlen die erforderlichen Angaben in der Auftragsbekanntmachung, sind die Eignungsanforderungen nicht wirksam aufgestellt und die Nachweise nicht wirksam gefordert. Dies stellt einen schwerwiegenden Mangel dar, der die Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung erfordert.

Die wirksame Heilung von Fehlern im Bekanntmachungstext durch Veröffentlichung einer Berichtigung in dem Pflichtmedium, d. h. im Supplement des Amtsblattes der EU (OLG Naumburg, Beschluss vom 30.04.2014 - 2 Verg 2/14), ist dagegen nur möglich, solange die Frist für die Einreichung von Angeboten noch nicht abgelaufen ist und gegebenenfalls angemessen gemäß § 20 Abs. 3 VgV verlängert wurde. Vorliegend hat der Antragsgegner erst am xxxxxx.2019 und somit nicht nur lange nach Ablauf der verlängerten Angebotsfrist, sondern auch erst nach Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer, die der Antragstellerin bereits mit Rügeerwiderung vom 01.08.2019 avisierte Berichtigungsbekanntmachung, an das EU-Amtsblatt übermittelt, die sodann am xxxxxx.2019 veröffentlicht wurde. Damit konnte die durch die Veröffentlichungspflicht gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB bezweckte Transparenz hinsichtlich der Eignungskriterien gegenüber den Bietern, geschweige denn gegenüber den sonstigen potentiellen Interessenten und Bietern, nicht mehr erreicht werden.

Der Antragsgegner ist bereits aus diesem Grunde verpflichtet, das von der Antragstellerin beanstandete Vergabeverfahren aufzuheben, respektive in den Stand vor Versendung der europaweiten Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.

Die konkret festgelegte Gestaltung und Berücksichtigung des Unterkriteriums "Standort" für die Bewertung der einzureichenden Bieterkonzepte verstößt gegen das Wettbewerbsgebot und das Gleichbehandlungsgebot gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB, da der nach den Festlegungen relevante Aspekt der Entfernung des Standortes zum Rathaus hinsichtlich des nach § 127 Abs. 3 GWB erforderlichen Auftragsbezugs weder evident ist noch vom Antragsgegner in den Vergabeunterlagen oder der Dokumentation des Vergabeverfahrens in der Vergabeakte begründet worden ist. Gemäß § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB müssen die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Ein ausreichender Zusammenhang eines Zuschlagskriteriums mit dem Auftragsgegenstand ist unproblematisch jedenfalls dann gegeben, wenn Eigenschaften der Leistung berücksichtigt werden, die als deren Merkmale dem ausgeschriebenen Produkt oder der Dienstleistung selbst anhaften (Wiedemann in: Kulartz/Kus/ Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 127 GWB, Rn. 60). Bei der Auswahl der Zuschlagskriterien sind dabei die weiteren Grundsätze der Auswahl nach § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB, also die Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs und einer willkürfreien Auswahl sowie die Objektivität zu beachten, aus denen sich Einschränkungen ergeben können (Wiedemann, a. a. O., Rn. 63, m. w. N.).

Vorliegend hatte der Antragsgegner in Teil A8 der Bewerbungsbedingungen nachfolgende Zuschlagskriterien festgelegt:

"Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 GWB i. V. m. § 58 Abs. 2 VgV. Die Wirtschaftlichkeit bemisst sich nach dem Verhältnis des Angebotspreises P (s. Anlage C 3) und der Qualität Q, die ein Gremium anhand des vom Bieter als Anlage K einzureichenden Konzepts mit Leistungspunkten (LP) bewertet.

In dem Konzept ist inhaltlich auf die im Bewertungsbogen aufgeführten Unterkriterien samt jeweiligem Bewertungsmaßstab,

I. Erfahrung des Personals,

II. die Beratung der Flüchtlinge,

III. den Standort

erschöpfend und nachvollziehbar einzugehen. ..."

In Bezug auf das Unterkriterium III. Standort sollte gemäß des Bewertungsbogens in den Vergabeunterlagen die Entfernung des Rathauses, die Ausstattung und die Mobilität (aufsuchende Beratung) bewertet werden.

Der Antragsgegner hatte bereits mit dem den Vergabeunterlagen beigefügten Entwurf des Vertrages über Dienstleistungen zur Flüchtlingssozialberatung im Landkreis xxxxxx in nicht zu beanstandender Weise gewährleistet, dass die auftragsgegenständlichen Dienstleistungen flächendeckend erbracht werden müssen. Gemäß § 6 Standorte war insoweit geregelt:

"(1) Die Beratung hat dezentral und flächendeckend stattzufinden einschließlich der xxxxxx mit weitestgehend verbindlichen Sprechzeiten, aber auch aufsuchender Beratung in der Häuslichkeit der Flüchtlinge.

(2) Standorte sind möglichst in den xxxxxx kreisangehörigen Gemeinden vorzuhalten, mindestens jedoch in xxxxxx."

Eine Begründung dafür, dass die Nähe der vom Bieter im einzureichenden Konzept angegebenen und vorzuhaltenden Standorte zum jeweiligen Rathaus sich positiv auf die Konzeptbewertung auswirken würden, enthielten weder die Vergabeunterlagen noch die Dokumentation in der Vergabeakte im Übrigen. Auch in der Rügeerwiderung vom 01.08.2019 begründete der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Aufnahme dieses Unterkriteriums nicht, sondern erklärte lediglich, dass es unverändert bei der Wertung berücksichtigt wird.

Die Antragstellerin hat in ihren Rügen und im Rahmen ihres Nachprüfungsantrags die Vermutung geäußert, dass der Antragsgegner damit dem Beigeladenen als bisherigen Bestandsdienstleister, der zum Beispiel in der Stadt xxxxxx über einen entsprechenden Standort im Rathaus verfügt, unter Verletzung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes einen Vorteil verschaffen wollte. Der Antragsgegner hat diesen Vorhalt der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer zurückgewiesen. Er habe keinesfalls den Beigeladenen begünstigen wollen. Die Festlegung, einen Bieterstandort, der möglichst nah an den jeweiligen zentralen Verwaltungsgebäuden angesiedelt ist, positiv zu bewerten, gewährleiste vielmehr, dass sich die Flüchtlinge auch bei Behördengängen nicht zu unterschiedlichen Standorten begeben müssten, so dass eine besonders effektive flächendeckende Betreuung möglich wäre.

Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung diese Argumentation des Antragsgegners unterstützt. Seiner Auffassung und Erfahrung nach sei dieses Kriterium durchaus relevant, weil sich in der Vergangenheit gezeigt habe, dass es sehr sinnvoll ist, wenn die Berater sich z. B. gleichzeitig nicht nur mit den jeweils zuständigen Mitarbeitern der Sozialämter austauschen können, sondern auch die Flüchtlinge bei derartigen Behördengängen beratend begleiten könnten. Insofern gebe es durchaus einen Sachbezug, der es vertretbar mache, auch eine konkrete Nähe des von dem Bieter vorzuhaltenden Standortes zur jeweiligen ebenfalls befassten Behörde zu berücksichtigen.

Die Antragstellerin hat jedoch demgegenüber zurecht darauf verwiesen, dass es unter diesem Gesichtspunkt auch durchaus denkbar sei, andere zentrale und verkehrsgünstige Standorte zu wählen, etwa die Nähe zu einem Busbahnhof oder anderen verkehrstechnisch gut angebundenen, zentralen Plätzen, die die Flüchtlinge nutzen und gut erreichen können.

Die Vergabekammer weist im Hinblick auf das erneut durchzuführende Vergabeverfahren darauf hin, dass der Antragsgegner bei der Auswahl seiner qualitativen Zuschlagskriterien und Unterkriterien zwar nicht gehalten ist, sämtliche Vorteile, die der Beigeladene als Bestandsbieter aufgrund der von ihm bereits vorgehaltenen Infrastruktur und Logistik im Wettbewerb um den verfahrensgegenständlichen Auftrag zweifelsohne hat, gegenüber Mitbewerbern völlig zu nivellieren. Zur Vermeidung einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes könnte er aber zum Beispiel auch festlegen, dass ein Bieterstandort dann besonders positiv bewertet wird, wenn er innerhalb eines festgelegten Suchraums mit einem angemessenen Radius um den jeweiligen Standort der mit der Betreuung der Flüchtlinge befassten Behörden liegt. Dann hätten die Wettbewerber des Bestandsdienstleisters zumindest die Chance, selbst einen zentralen Standort anzumieten oder zu erwerben. Wenn der Antragsgegner dagegen tatsächlich Wert darauf gelegt hat, dass der Standort möglichst nah am oder gar im Rathaus liegen sollte, könnte er auch im Einklang mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende Räume selbst anmieten und den Bietern im Wege der Beistellung kostenpflichtig vorgeben.

c. Die vom Antragsgegner gewählte erweiterte Richtwertmethode in Anlehnung an die UfAB 2018 (UfAB = Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen) ist zwar auch für den verfahrensgegenständlichen Auftrag grundsätzlich geeignet. Der festgelegte, unüblich hohe Schwankungsbereich von 20 % zugunsten des Entscheidungskriteriums Qualität gewährleistet jedoch nicht die von § 127 Abs. 4 GWB vorausgesetzte willkürfreie und überprüfbare Zuschlagsentscheidung. Werden die Angebote nicht alleine nach ihrem Preis und/oder den Kosten bewertet, stehen dem Auftraggeber verschiedene Bewertungsmethoden für die Ermittlung des besten Preis-Leistung-Verhältnisses bzw. Kosten-Leistungs-Verhältnisses und damit wirtschaftlichsten Angebots zur Verfügung. Das europäische oder das nationale Vergaberecht schreiben keine bestimmte Methode vor (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 3. Aufl., § 127 GWB, Rn. 118). Es unterfällt dem - nur auf Einhaltung der rechtlichen Grenzen kontrollierbaren - Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.07.2011 -15 Verg 8/11; OLG München, Beschluss vom 27.01.2006 - Verg 1/06 = Vergaberecht 2006, Seite 537). Das gewählte System muss allerdings vor allem in sich widerspruchsfrei und rechnerisch richtig umgesetzt sein (VK Sachsen, Beschluss vom 19.05.2015 - 1/SVK/014 -15).

Vorliegend hat der Antragsgegner festgelegt, dass das wirtschaftlichste Angebot durch die sogenannte erweiterte Richtwertmethode auf der Grundlage der UfAB 2018 ermittelt wird. Bereits im Jahre 2003 wurde mit der UfAB III die sogenannte einfache Richtwertmethode (Z = L: P) eingeführt. L steht für die tatsächlich erreichten Leistungspunkte. P steht für den angebotenen Preis. In Prozent ausgedrückt enthält die einfache Richtwertmethode eine verlautbaren Gewichtung des Preises und der Leistung von je 50 %. Ist jedoch bei komplexen Ausschreibungen aufgrund einer Vielzahl von Bewertungskriterien eine gewisse Schwankungsbreite von L zu erwarten, soll bei nahe beieinanderliegenden Angeboten ein weiteres Entscheidungskriterium herangezogen werden (sogenannte erweiterte Richtwertmethode). Nach der erweiterten Richtwertmethode wird in einem 1. Schritt für jedes Angebot aus der Gesamtsumme der verteilten Leistungspunkte und dem Preis eine Kennzahl ermittelt. In einem 2. Schritt wird aus der Kennzahl des führenden Angebots und einer weiteren Kennzahl, die sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes -10 % ergibt, ein Wert als Korridor (Schwankungsbereich) ermittelt. Alle Angebote innerhalb dieses Korridors werden zunächst als gleichwertig betrachtet. Entscheidungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist dann die höchste Punktzahl bei einem vom Auftraggeber bestimmten Kriterium (Opitz, a. a. O., § 127 GWB, Rn. 133).

Je breiter der Korridor oder Schwankungsbereich festgelegt wird, desto mehr Gewicht erhält de facto das vom Auftraggeber bestimmte Kriterium. Vorliegend hat der Antragsgegner in zunächst nicht zu beanstandender Weise festgelegt, dass innerhalb der Schwankungsbereichs das Angebot mit der höchsten Bewertung für das Zuschlagskriterium Qualität den Zuschlag erhalten soll:

"Zur Bewertung kommt die erweiterte Richtwertmethode wie folgt zur Anwendung:

Formel: Z = LP (Q) / P

Schwankungsbereich: 20 %; Entscheidungskriterium: Qualität

Angebote, die innerhalb des Schwankungsbereichs zum Angebot mit dem höchsten Richtwert Z liegen, kommen in die engere Wahl. Die Entscheidung entfällt auf das Angebot, das hinsichtlich des Entscheidungskriteriums innerhalb der engeren Wahl am besten bewertet wurde."

Der vom Antragsgegner gewählte Schwankungsbereich ist allerdings ungewöhnlich großzügig angelegt. Die UfAB 2018 - Stand 25.04.2018 - selbst geht in ihrer Beispielsberechnung (Ziffer 4.2.3, Seite 582 ff., 583) von einem Schwankungsbereich von 6 % aus. Maximal werden üblicherweise 10 % angesetzt. Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.04.2012 - VII Verg 9/12) ist auch noch ein Schwankungsbereich von 15 % eng genug, um zu verhindern, dass der Preis sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis bei der Bewertung "marginalisiert" wird.

Der vom Auftraggeber gewählte Schwankungsbereich von 20 % übersteigt diesen von der Rechtsprechung bislang maximal akzeptierten Wert jedoch erheblich. Die Antragstellerin hat daher zu Recht beanstandet, dass die gewählte Bewertungsmethode angesichts des hohen Schwankungsbereichs einen unangemessen großen Spielraum einräumt, einem bevorzugten Bieter mit einem hohen Preis und einem geringen Richtwert Z, aber voller Punktzahl beim Entscheidungskriterium Qualität doch noch den Zuschlag zu erteilen.

Der Antragsgegner ist daher gehalten, für das von ihm erneut durchzuführende Vergabeverfahren bei Beibehaltung der erweiterten Richtwertmethode den gewählten Schwankungsbereich auf das von der Rechtsprechung akzeptierte Maß zu reduzieren. Alternativ hat der Antragsgegner auch die Möglichkeit, seinen nachvollziehbaren Qualitätsansprüchen dadurch Rechnung zu tragen, dass er die Kriterien Preis und Qualität ausdrücklich gewichtet und dabei dem Kriterium Qualität ein deutlich überwiegendes Gewicht verleiht. Auch dabei darf allerdings das Kriterium Preis nicht marginalisiert werden. Die Vergabekammer hält für den vorliegenden Auftragsgegenstand eine Gewichtung des Kriteriums Preis von mindestens 30 % und des Kriteriums Qualität von maximal 70 % für vergaberechtlich akzeptabel.

d. Der Antragsgegner hat es ferner zu Unrecht abgelehnt, die berechtigten Bieteranfragen der Antragstellerin - ggf. unter angemessener Verlängerung der Angebotsfrist nach § 20 Abs. 3 VgV - zu beantworten.

Die Antragstellerin stellte am 05.08.2019 insgesamt sechs Bieterfragen, die ihrer Meinung nach u.a. kalkulationsrelevant waren und bat daher um (erneute) Verlängerung der Angebotsfrist.

Folgende Bieterfragen wurden unter anderem gestellt:

- Leider konnten wir in den Unterlagen nicht finden, wie viele Menschen betreut und beraten werden müssen, daher lässt sich das Angebot schwierig kalkulieren. Wie viele Asylbewerber müssen durch den Bieter betreut werden?

- Laut Leistungsbeschreibung fordern Sie zweimal im Jahr eine Großveranstaltung. Geben Sie bitte Auskunft darüber, welchen Umfang an Besuchern und in welchem finanziellen Rahmen die Veranstaltung sein soll. Da es Vertragsbestandteil ist, muss der Bieter den Umfang kennen. Genauso bitten wir um eine Interpretation, was in diesem Zusammenhang international bedeutet.

- Sie fordern unter § 6 (2), verschiedene Standorte vorzuhalten. Bedarf es in jedem dieser Standorte ein Büro?

Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin am 05.08.2019 lediglich mit, dass die aufgeworfenen Fragen nicht sachdienlich seien und anhand der bekannten Informationen ein ordnungsgemäßes Angebot erstellt werden könne. Des Weiteren sei die unter Teil A10 der Bewerbungsbedingungen genannte Frist abgelaufen.

Gemäß § 20 Abs. 3 VgV sind die Angebotsfristen zu verlängern, wenn zusätzliche Informationen trotz rechtzeitiger Anforderung durch ein Unternehmen nicht spätestens 6 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zur Verfügung gestellt werden oder wenn der öffentliche Auftraggeber wesentliche Änderungen an den Vergabeunterlagen vornimmt. Die Fristverlängerung muss dabei in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Information oder Änderung stehen und gewährleisten, dass alle Unternehmen Kenntnis von den Informationen oder Änderungen nehmen können. Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 3 VgV gilt dies nur dann nicht, wenn die Information oder Änderung für die Erstellung des Angebots unerheblich ist oder die Information nicht rechtzeitig angefordert wurde.

§ 20 Abs. 3 VgV enthält die in § 12 EG Abs. 8 VOL/A 2009 noch ausdrücklich enthaltene Pflicht, rechtzeitig angeforderte zusätzliche Auskünfte spätestens 6 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zu erteilen. Damit soll individueller Klärungsbedarf im Rahmen der laufenden Angebotsfrist so kanalisiert werden, dass ein geordneter Ablauf des Verfahrens nicht beeinträchtigt wird (Rechten in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 20 VgV, Rn. 30). Anders als noch in § 12 EG Abs. 8 VOL/A 2009 sieht § 20 Abs. 3 Nummer 1 VgV aber keine Pflicht des Auftraggebers mehr vor, rechtzeitig angeforderte zusätzliche Informationen spätestens 6 bzw. 4 Kalendertage vor Ablauf der Angebotsfrist zur Verfügung zu stellen. Die Vorschrift stellt jetzt vielmehr auf die für die Verfahrensbeteiligten wirksamere Konsequenz ab, bei verspäteter Informationsübermittlung grundsätzlich eine Verlängerung der Angebotsfrist zu gewähren.

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer plausibel erläutert, dass sie zum Beispiel für eine ordnungsgemäße Kalkulation die Flüchtlingszahlen benötigt hätte, denn es könne ja sein, dass der Antragsgegner in den Vergabeunterlagen von einem zu geringen (Mindest-) Personaleinsatz ausgehe, möglicherweise weil z. B. mehr Stellen nicht förderfähig seien. Auf jeden Fall aber müsse dem Bieter die Möglichkeit gegeben werden, ggf. schwerpunktmäßig erheblich höheren Personaleinsatz anzusetzen, um die Leistung ordnungsgemäß erbringen zu können. Dies sei dann in jedem Fall kalkulationsrelevant. Insofern sind die vom Antragsgegner in der Leistungsbeschreibung genannten Zahlen zwar wichtig, aber decken nicht den vollen Informationsbedarf des Bieters für die Kalkulation ab.

Die Vergabekammer hält auch die weiteren oben aufgeführten Bieteranfragen der Antragstellerin für durchaus kalkulationsrelevant und damit nicht für unerheblich im Sinne des § 20 Abs. 3 Satz 3 VgV. Dem Antragsgegner war es unter Berücksichtigung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch zumutbar, diese Fragen gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Beigeladenen als Bestandsdienstleister, der aus seiner bisherigen Tätigkeit insbesondere ohne weiteres Kenntnis über die Zahl der zu betreuenden Flüchtlinge hat, gegenüber der Antragstellerin zu beantworten.

Der Antragsgegner konnte sich insbesondere auch nicht darauf berufen, dass die Bieteranfragen verspätet gestellt wurden, weil die ursprünglich unter Teil A10 der Bewerbungsbedingungen genannte Frist (29.07.2019) abgelaufen war. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin erst verspätet in die Kalkulation des Angebotes einsteigen konnte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Antragsgegner erst mit Schreiben vom 01.08.2019 der Rüge der Antragstellerin insoweit abgeholfen hat, als dass er die Förderfähigkeit des Unternehmens nicht weiter als - auch nach Auffassung der Vergabekammer vergaberechtswidriges - Ausschlusskriterium aufrecht hielt. In einer solchen Situation musste der öffentliche Auftraggeber auch kurz vor Ablauf der Angebotsfrist berechtigte, kalkulationsrelevante Angaben beantworten und gegebenenfalls die Angebotsfrist gemäß § 20 Abs. 3 VgV angemessen verlängern.

e. Aufgrund der vorgenannten Vergaberechtsverstöße ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, dass der Auftragsgegenstand entgegen der Auffassung der Antragstellerin gemäß § 47 Abs. 5 VgV die vom Antragsgegner geforderte Selbstausführung durch den Bieter und den Ausschluss des Einsatzes von Unterauftragnehmern rechtfertigen kann.

Unter Teil A2 der Bewerbungsbedingungen hat der Antragsgegner geregelt, dass der Bieter die Leistungen nicht durch Nachunternehmen ausführen lassen kann. Eine Begründung für das Selbstausführungsgebot ergibt sich weder aus den Vergabeunterlagen selbst noch aus der vorliegenden Vergabeakte. Auch in seinen Rügeerwiderungen vom 01.08.2019 und 13.08.2019 begründete der Antragsgegner die Nichtzulassung von Unterauftragnehmern gegenüber der Antragstellerin nicht, sondern teilte lediglich mit, dass es bei der Vorgabe bleibe.

Die Antragstellerin hat beanstandet, dass der Ausschluss von Unterauftragnehmern grundsätzlich unzulässig sei und gegen § 36 VgV verstoße. Die Ausnahme des Selbstausführungsgebots nach § 47 Abs. 5 VgV sei mangels Erfüllung seiner tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben, denn diese gelte nur für besondere kritische Aufgaben und könne nicht auf Aufträge in ihrer Gesamtheit angewendet werden. Ferner seien die vorliegenden sozialen Dienstleistungen auch nicht als kritische Aufgaben zu qualifizieren. Sofern der Antragsgegner ein berechtigtes Interesse an der Leistungserbringung durch bestimmte Personen gehabt habe, hätte er unter Berücksichtigung des EuGH Urteils vom 05.04.2017, Rs. C-298/15, die Optionen zur Angabe und Auswahl von Unterauftragnehmern nach § 36 VgV ausschöpfen müssen. Schließlich enthalte die Vergabeakte zur behaupteten Anwendung des § 47 Abs. 5 VgV keine Ausführungen, obwohl die Anwendung begründungs- und dokumentationspflichtig sei.

Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Antragstellerin, dass es den Bietern grundsätzlich frei steht zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Unterauftragnehmer im Auftragsfall einsetzen wollen. Das Vergaberecht kennt - im Grundsatz -kein Selbstausführungsgebot oder Fremdausführungsverbot des Bieters (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.12.2008-Verg 51/08; Liebschwager in: Beck'scher Vergaberechts Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 36 VgV, Rn. 9). Solange der Bieter nachweisen kann, dass der Unterauftragnehmer die Leistungen im Zuschlagsfall übernimmt, darf ersieh auf die Kapazitäten des Unterauftragnehmers stützen. Die Möglichkeit der Unterauftragnehmer soll für einen umfassenden Wettbewerb sorgen und auch kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen eröffnen (EuGH, Urteil vom 07.04.2016 - Rs. C-324/14 = NZBau 2016, Seite 373 ff., 374 [BGH 19.04.2016 - X ZR 77/14]). Demgemäß darf der öffentliche Auftraggeber im Grundsatz auch keine Bedingungen vorgeben, die den Einsatz von Unterauftragnehmern einschränken (EuGH, ebenda).

Diese vorgenannten Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings nicht uneingeschränkt. Liegen im Einzelfall außergewöhnliche Umstände vor, so dass die Zusammenfassung von Kapazitäten nicht den Anforderungen des Auftrags genügt und sich damit nicht für eine Übertragung auf einen Unterauftragnehmer eignet, kann eine Unterauftragsvergabe unzulässig sein (EuGH, Urteil vom 07.04.2016 - Rs. C-324/14 = NZBau 2016, Seite 373 ff., 375 [BGH 19.04.2016 - X ZR 77/14]).

Im Zuge der Vergaberechtsreformen im April 2016 hat der Bundesgesetzgeber daher mit der Regelung des § 47 Abs. 5 VgV für bestimmte Ausnahmefälle ein Selbstausführungsgebot eingeführt. Danach kann der öffentliche Auftraggeber vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen direkt vom Bieter selbst oder im Fall einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen. Diese für den Fall des Unterauftragnehmereinsatzes zum Zwecke der Eignungsleihe formulierte Ausnahme geht allerdings schon vom Wortlaut her davon aus, dass "nur bestimmte kritische Aufgaben", nicht aber ein kompletter Dienstleistungsauftrag dem Selbstausführungsgebot unterworfen werden dürfen. Unklar bleibt darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe der Richtlinie 2014/24/EU bzw. der Gesetzesbegründung zu § 47 VgV, was eine "kritische Aufgabe" bei Dienstleistungsaufträgen ist. Mit Blick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis muss der Begriff der "kritischen Aufgabe" eng ausgelegt werden. Vom öffentlichen Auftraggeber ist zudem zu verlangen, dass er die Gründe, warum eine bestimmte Aufgabe über das übliche Maß bei entsprechenden Aufgaben hinaus besonders kritisch ist, herausarbeitet und entsprechend in der Vergabeakte in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise dokumentiert (Hausmann/Kern in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 47 VgV, Rn. 5; Mager in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 47 VgV, Rn. 48).

Erstmalig mit der Antragserwiderung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens begründete der Antragsgegner ausführlich die Nichtzulassung von Unterauftragnehmern unter Hinweis auf das in § 47 Abs. 5 VgV geregelte Selbstausführungsgebot. Ein berechtigtes Interesse bestehe darin, dass die auszuführenden Beratungsdienstleistungen als schwierig eingestuft werden und eine Falschberatung folgenschwere Konsequenzen für die Dienstleistungsempfänger haben könne. Es handele sich um Flüchtlinge, die die Beratungsstelle aufsuchen, um Hilfe und Orientierung nach ihrer Ankunft in xxxxxx zu erhalten. Beratungsziel sei schließlich das Gelingen der Integration. Der Auftraggeber erkenne eine besondere Verantwortung des Auftragnehmers bei der Übernahme dieser kritischen Aufgabe. Vor diesem Hintergrund sei die Qualität des ausführenden Personals des Bieters bzw. Auftragnehmers als Zuschlagskriterium festgelegt worden. Zudem bestehe im Fall einer Unterbeauftragung des Auftragnehmers an einen Dritten das Risiko, dass dieser Dritte Leistungen nicht ordnungsgemäß ausführe oder die ordnungsgemäße Ausführung der Leistungen durch den Dritten nicht durch Kontrollmaßnahmen des Hauptauftragnehmers sichergestellt werden könne. Das Risiko einer Falschberatung von Flüchtlingen könne nicht hingenommen werden.

Die Vergabekammer vertritt die Auffassung, dass der vorliegende Auftragsgegenstand auch unter Berücksichtigung des strengen Ausnahmecharakters des § 47 Abs. 5 VgV ein Selbstausführungsgebot durchaus trägt. Die vertragsgegenständliche Beratung von Flüchtlingen, die Hilfe und Orientierung suchen, ist als besonders anspruchsvolle und durchaus kritische Aufgabe zu qualifizieren. Eine Beschränkung des Selbstausführungsgebots auf einzelne Bestandteile des Auftrags ist vorliegend nicht zweckdienlich, da die Beratungsleistung grundsätzlich umfassend ist, von Fall zu Fall aber im Umfang je nach Bedarf unterschiedlich sein kann. Der Auftrag umfasst keine sinnvollerweise abtrennbaren Teilleistungen (wie zum Beispiel die Gewährleistung der Verpflegung in Flüchtlingsunterkünften o. ä.). Der Antragsgegner hat daher ein berechtigtes Interesse daran, dass der künftige Auftragnehmer die Beratung durch eigenes qualifiziertes Personal durchführt.

Der Antragsgegner hat es vorliegend lediglich versäumt, dass Selbstausführungsgebot ausführlich entweder bereits den Vergabeunterlagen zu begründen oder aber zumindest in der Vergabeakte in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise zu dokumentieren.

f. Im Hinblick auf das erneut durchzuführende Vergabeverfahren weist die Vergabekammer darauf hin, dass die Erfahrung des von den Bietern in ihren Konzepten konkret für die Auftragserfüllung vorgesehenen Personals durchaus auch im Rahmen der Bewertung des Zuschlagskriteriums "Qualität" berücksichtigt werden kann. Dies setzt allerdings eine Abgrenzung zu den Personalanforderungen der Eignungsnachweise voraus. Eine solche ist aber weder aus den Vergabeunterlagen ersichtlich noch enthält die Vergabeakte im Übrigen dazu eine den Anforderungen des § 8 VgV genügende Dokumentation.

Gemäß § 127 GWB in Verbindung mit § 58 Abs. 2 VgV erfolgt die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots auf der Grundlage des besten Preis-Leistung-Verhältnisses. Neben dem Preis oder den Kosten können auch insbesondere qualitative Kriterien berücksichtigt werden. Dabei kann gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV insbesondere auf die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals abgestellt werden, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.

Durch diese Regelung wird allerdings das grundsätzliche Gebot der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht völlig aufgehoben. Es bleibt grundsätzlich beim Verbot der Doppelberücksichtigung der Kriterien (Lausen in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 58 VgV, Rn. 37, m. w. N.). Grundsätzlich bleiben als Zuschlagskriterien solche Kriterien ausgeschlossen, die im Wesentlichen mit der Beurteilung der Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen. Voraussetzung für ein zulässiges, personalbezogenes Zuschlagskriterium im Sinne des § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV ist daher in jedem Fall, dass eine Leistungszusage zum Einsatz bestimmter personeller oder materieller Ressourcen oder zu einem Vorgehen bei der Auftragsausführung Bestandteil des Angebots ist und diese bei Zuschlagserteilung auch Vertragsgegenstand wird (Opitz, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 3. Aufl., § 127 GWB, Rn. 97, m. w. IM.). Für die Abgrenzung zwischen einem - zulässigen - Zuschlagskriterium zur Beurteilung einer auftragsbezogenen Leistungszusage und einem - unzulässigen - unternehmensbezogenen Zuschlagskriterium ist darauf abzustellen, ob sich das Kriterium im Kern auf die Angaben stützen soll, die nur für den konkreten Auftrag Bedeutung erlangen oder auf generelle Fähigkeiten und Fertigkeiten des Unternehmens, die lediglich als Eignungskriterien herangezogen werden dürfen.

Vorliegend hat der Antragsgegner es versäumt, eine solche Trennung in den Bewerbungsunterlagen darzulegen und in der Vergabeakte zu dokumentieren.

Der Antragsgegner hatte als Eignungskriterien unter A5 der Bewerbungsunterlagen festgelegt:

" a) Eigenerklärung nach Anlage E;

b) für die das zur Ausführung vorgeschlagene Personal (Anlage C2):

- zwei Stellen: Abschluss eines Studiums oder einer Berufsausbildung im Sozialwesen oder pädagogischen Bereich

- eine Stelle: Person mit Erfahrung im Bereich der Flüchtlingsbetreuung von mindestens 3 Jahren (Menschen mit Zuwanderungsgeschichte werden besonders berücksichtigt, s. Bewertungsbogen)

- Schulung: rechtliche Grundlagen im sozialen Datenschutz nach der neuen DSGVO-EU"

(Hervorhebung durch die Vergabekammer)

Als Zuschlagskriterien hatte der Antragsgegner unter A8 der Bewerbungsunterlagen festgelegt:

"Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 GWB i. V. m. § 58 Abs. 2 VgV. Die Wirtschaftlichkeit bemisst sich nach dem Verhältnis des Angebotspreises P (s. Anlage C 3) und der Qualität Q, die ein Gremium anhand des vom Bieter als Anlage K einzureichenden Konzepts mit Leistungspunkten (LP) bewertet.

In dem Konzept ist inhaltlich auf die im Bewertungsbogen aufgeführten Unterkriterien samt jeweiligem Bewertungsmaßstab,

I. Erfahrung des Personals,

II. die Beratung der Flüchtlinge,

III. den Standort

erschöpfend und nachvollziehbar einzugehen. ..."

(Hervorhebung durch die Vergabekammer)

Der Antragsgegner hat dies im Übrigen auch bei der Beantwortung von Bieteranfragen der Antragstellerin bekräftigt:

Bieterfrage der Antragstellerin vom 02.08.2019,14:57 Uhr:

"Laut Bewertungsbogen des Unterkriteriums "I Erfahrung" ist eine Vorstellung einer Person mit Zuwanderungsgeschichte anzugeben. Bezieht sich die Person auf das eingesetzte Personal für die Flüchtlingssozialberatung?"

Antwort des Antragsgegners vom 05.08.2019, 08:50 Uhr, ggü. allen Bietern:

"Ja, hierbei handelt es sich um die unter "A5 Eignungsnachweise" für das zur Ausführung vorgeschlagene Personal genannte eine Stelle mit Erfahrung im Bereich der Flüchtlingsbetreuung."

Bieterfrage der Antragstellerin vom 24.07.2019, 10:30 Uhr:

"Bitte begründen Sie inwieweit die namentliche Nennung des Personals relevant ist, da die geforderte Qualifikation und Erfahrung nicht in einem Rahmen spezifisch ist, dass hierfür nicht eine Eigenerklärung mit einer Zusicherung der Bereitstellung des Personals zu Auftragsbeginn ausreicht."

Antwort des Antragsgegners vom 24.07.2019, 11:23 Uhr, ggü. allen Bietern:

"Die geforderte Qualifikation bzw. Erfahrung ist in Bezug auf den Auftragsgegenstand durchaus spezifiziert, wobei eine Schulung ebenfalls nachgewiesen sein muss. Hierbei ist es im Vorfeld erforderlich zu wissen, um welches Personal es sich handelt. Sollte die geforderte Erfahrung oder Schulung zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch nicht erfüllt sein, aber bis zum Vertragsbeginn erreicht oder nachgeholt werden, ist eine schriftliche Zusicherung dessen mit Abgabe eines Angebotes ausreichend. Das vorgeschlagene Personal muss allerdings mit Abgabe eines Angebotes bereitgestellt werden. Anderenfalls stellt dies ein unbekanntes Wagnis für den Auftraggeber dar."

Der Antragsgegner hat bei den Eignungskriterien unter b) (zweiter Bullet-Point) auf den Bewertungsbogen verwiesen, der - identisch - auch für die qualitative Wertung herangezogen wird. Er hat damit eine unzulässige Doppelbewertung vorgesehen.

Im Hinblick auf das erneut durchzuführende Vergabeverfahren weist die Vergabekammer ergänzend darauf hin, dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht - wie vom Antragsgegner in den Vergabeunterlagen und in seiner Antwort vom 24.07.2019, 11:23 Uhr auf die Bieteranfrage der Antragstellerin formuliert, von den Bietern verlangen kann, dass das für die Auftragsausführung im Konzept vorgeschlagene Personal bereits mit Abgabe eines Angebotes bereitgestellt wird. Es ist einem Bieter nicht zuzumuten, personelle und sächliche Mittel zur Auftragsausführung zu beschaffen, noch ehe er weiß, ob er überhaupt den Zuschlag für den Auftrag bekommt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.12.2014 - Verg 22/14). Bieter sind auch nicht gehalten, bereits unterschriftsreife Verträge auszuhandeln, oder gar rechtsverbindliche Vorverträge zur Personalbeschaffung abzuschließen (vgl. VK Rheinland, Beschl. v. 29.07.2019 - VK 26/19). Bei einer anderen Sichtweise müssten die Bieter überdies für eine gute Bewertung ihrer Angebote, d.h. für eine erfolgversprechende Angebotsstellung Personal, das erst für die Ausführung des konkreten Auftrags erforderlich ist, bereits bei Angebotsabgabe vorhalten, in welcher vertraglichen Form auch immer. Es wäre aber keinem Bieter wirtschaftlich zuzumuten, personelle und sächliche Mittel zur Auftragsausführung zu beschaffen, noch ehe er weiß, ob er überhaupt den Zuschlag für den Auftrag bekommt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.02.2013 - Verg 52/12 - (dort als Problem des Eignungsnachweises behandelt) und Beschl. v. 19.06.2013 - Verg 4/13).

Gemäß § 168 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Aufgrund der oben unter II. 2 festgestellten Vergabeverstöße war es erforderlich, den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren aufzuheben, die Auftragsvergabe bei fortbestehender Beschaffungsabsicht insbesondere auch hinsichtlich der Bekanntgabe der Eignungskriterien in einer den Anforderungen des Vergaberechts genügenden Weise europaweit bekannt zu machen und sowohl hinsichtlich der Festlegung der Zuschlagskriterien als auch hinsichtlich der Durchführung und Dokumentation des Vergabeverfahrens die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

Aufgrund des unter II. 2 a festgestellten Verstoßes gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot durch das Versäumnis der Bekanntgabe der Eignungskriterien in der europaweiten Bekanntmachung ist es nicht ausreichend, das Vergabeverfahren nur in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Gegenstandswert wird in Ermangelung eines vorliegenden Angebots der Antragstellerin mit einer entsprechenden Angebotssumme auf xxxxxx € festgelegt.

Bei einem Gegenstandswert von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.

Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Der Beigeladene hat vorliegend keinen eigenen Antrag gestellt und war daher auch nicht anteilig an den Kosten zu beteiligen.

Aufwendungen der Antragstellerin:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsgegner der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Gemäß § 182 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gemäß Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
von dem Knesebeck
Brinkmann