Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 16.05.2019, Az.: VgK-13/2019

Ausschreibung einer Elektro-Kehrmaschine als 3-Besen-Maschine im Rahmen eines offenen Verfahrens als Lieferauftrag

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
16.05.2019
Aktenzeichen
VgK-13/2019
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 52234
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren Lieferung einer 2 m3-Elektro-Kehrmaschine als 3-Besen-Maschine,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Ass. jur. von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer KAR Kruse auf die mündliche Verhandlung vom 16.05.2019
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für den Antragsgegner notwendig.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2019 die Lieferung einer 2 m3-Elektro-Kehrmaschine als 3-Besen-Maschine im Rahmen eines offenen Verfahrens als Lieferauftrag europaweit ausgeschrieben.

Gemäß Ziffer II.2.4) der Auftragsbekanntmachung sowie Ziffer 8.1 des Leistungsverzeichnisses war mit dem Angebot u.a. ein technisches Datenblatt einzureichen.

Die Antragstellerin reichte mit Angebotsabgabe neben dem von ihr ausgefüllten und unterschriebenen Leistungsverzeichnis auch die Dokumente "Grundausstattung" sowie "Technische Daten" ein, welche in der Fußzeile jeweils den Hinweis "Technische Änderungen vorbehalten" enthielten.

Im Rahmen der Prüfung und Wertung der Angebote kam der Antragsgegner zu dem Ergebnis, dass durch den im vorgenannten Hinweis enthaltenen Vorbehalt im Dokument "Grundausstattung" abweichende Vertragsbedingungen eingeführt werden und das Angebot daher nicht zuschlagsfähig ist. Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB, versandt am 08.04.2019, teilte der Antragsgegner der Antragstellerin daher mit, dass das Angebot gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV aufgrund von Änderungen an den Vergabeunterlagen von der weiteren Wertung auszuschließen war.

Die Antragstellerin rügte mit anwaltlichem Schreiben vom 10.04.2019 ihren Ausschluss vom Vergabeverfahren. Das eingereichte Dokument "Grundausstattung" stamme aus September 2018. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht sicher gewesen, ob noch technische Änderungen vorgenommen werden. Durch das Ausfüllen des Leistungsverzeichnisses konkretisiere sich jedoch das Angebot der Antragstellerin. Der in der Fußzeile enthaltende Hinweis beziehe sich nicht auf die tatsächlich durch das Ausfüllen des Leistungsverzeichnisses angebotene Kehrmaschine. Ein Ausschluss komme daher nicht in Betracht.

Der Antragsgegner half der Rüge mit anwaltlichem Schreiben vom 12.04.2019 nicht ab. Durch den Zusatz "Technische Änderungen vorbehalten" in den Dokumenten "Grundausstattung" sowie "Technische Daten" übertrage der Bieter das ihm obliegende Risiko einer fehlerhaften Angebotsgestaltung auf den Auftraggeber. Mit derartigen Vorbehalten versehene Angebote würden das vergaberechtliche System von Angebot und Annahme ändern und seien daher nicht zuschlagsfähig. Zudem führe die Antragstellerin in ihrer Rüge aus, die eingereichten Datenblätter würden sich nicht auf die angebotene Kehrmaschine beziehen. Ziffer 8.1 des Leistungsverzeichnisses fordere dies jedoch, weshalb auch der Ausschlussgrund des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV erfüllt sei.

Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.04.2019 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. §§ 160 ff. GWB.

Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig.

Alle Zulässigkeitsvoraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Insbesondere habe sie die Rechtsverstöße rechtzeitig gerügt.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Die angebotene Leistung sei in dem von der Antragstellerin ausgefüllten Leistungsverzeichnis abschließend beschrieben. Weiter habe der Antragsgegner das Einreichen des Dokuments "Grundausstattung" mit Angebotsabgabe nicht gefordert. Das Dokument stelle keinen Teil des Angebots dar und könne somit keine Änderung der Vergabeunterlagen hervorrufen. Schließlich liege - mangels Erfordernis, eine Beschreibung der Grundausstattung einzureichen - auch kein Fall des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vor.

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Es werden gem. § 168 Abs. 1 GWB geeignete Maßnahmen getroffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern; insbesondere wird dem Antragsgegner untersagt, einen Zuschlag zu erteilen.

  2. 2.

    Hilfsweise wird beantragt, andere geeignete Maßnahmen anzuordnen, um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens herzustellen.

  3. 3.

    Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwenigen Auslagen der Antragstellerin trägt der Antragsgegner.

  4. 4.

    Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls unbegründet.

Die Antragstellerin sei gemäß Ziffer 8.1 des Leistungsverzeichnisses verpflichtet gewesen, bereits mit dem Angebot ein technisches Datenblatt vorzulegen. Dadurch sei das technische Datenblatt integraler Bestandteil des Angebots der Antragstellerin und müsse sich auf exakt das angebotene Produkt beziehen. Mit dem Änderungsvorbehalt in der Fußzeile der technischen Datenblätter bringe die Antragstellerin zum Ausdruck, dass es ihr hinsichtlich der darin genannten Spezifikationen und Angaben an einem unbedingten rechtlichen Bindungswillen fehle.

Obendrein sei der technische Vorbehalt auf dem Datenblatt als Beifügung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu werten, deren Beifügung nach einhelliger Auffassung zu einem zwingenden Angebotsausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV führe.

Weiter sei die Angabe des technischen Vorbehalts unmissverständlich und keiner Auslegung durch andere Angaben im Angebot zugänglich, weshalb eine Aufklärung nicht in Betracht gekommen wäre. Eine Aufklärung und anschließende "Beseitigung" des Änderungsvorbehalts hätte zu einer unzulässigen, nachträglichen Änderung das Angebots geführt.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin werde die angebotene Leistung nicht erst durch das ausgefüllte Leistungsverzeichnis konkretisiert, da die Eintragungen im Leistungsverzeichnis nur einen Bruchteil der technischen Spezifikationen der angebotenen Kehrmaschine betreffen würden. Vielmehr habe das geforderte Datenblatt die Funktion, die angebotene Leistung und die Angaben im Leistungsverzeichnis zu verifizieren. Der Änderungsvorbehalt auf dem Datenblatt beziehe sich auf alle in den Datenblättern genannten Spezifikationen. Der technische Änderungsvorbehalt stelle somit eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, der zwingend zum Ausschluss führe.

Schließlich bleibe unklar, ob die eingereichten Datenblätter mit Stand September 2018 sich überhaupt auf das angebotene Produkt beziehen. Sofern dies nicht der Fall sei, würden die konkret auf das angebotene Produkt bezogenen Datenblätter mit der Ausschlussfolge des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV im Angebot fehlen.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grundlage der Vergabeakten, des Nachprüfungsantrags und der Antragserwiderung wies die Vergabekammer die Antragstellerin daraufhin, dass sie ihre Rechtsauffassung nicht teile und forderte die Antragstellerin zur Stellungnahme auf.

Die Antragstellerin entgegnet auf die Antragserwiderung sowie den Hinweis der Vergabekammer, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalte. Der Antragsgegner habe in Ziffer 8.1 des Leistungsverzeichnisses lediglich das Einreichen eines technischen Datenblattes gefordert. Den Ausschreibungsunterlagen sei nicht zu entnehmen, dass sich das technische Datenblatt auf die konkret angebotene Maschine beziehen müsse und der Inhalt des Datenblatts Teil der geschuldeten Leistung werden solle.

Vielmehr handele es sich ausweislich der Angaben im Leistungsverzeichnis unter Ziffer 8.1 bei dem Datenblatt nicht um eine Mindestanforderung, da es nicht als K.-o.-Kriterium ausgewiesen werde. Das Datenblatt könne daher nicht als geforderte Unterlagen i.S.v. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV gewertet werden. Selbst wenn die Antragstellerin das Datenblatt gar nicht eingereicht hätte, stelle dies demzufolge keinen Ausschlussgrund dar.

Sofern man annähme, das Datenblatt stelle eine "geforderte Unterlage" dar, habe der Antragsgegner die Unterlage nach § 56 Abs. 2 VgV nachfordern und/oder vervollständigen lassen können. Dem Vergabevermerk könne nicht entnommen werden, dass der Auftraggeber das ihm insoweit zustehende Ermessen ausgeübt habe.

Ferner werde der Auftragsgegenstand in Ziffer 1.1 bis 7.4 des Leistungsverzeichnisses i. S. v. § 121 GWB beschrieben. Aus dem Leistungsverzeichnis ergebe sich daher nicht, dass das Datenblatt mehr als nur Informationszwecken dienen solle, insbesondere da es kein K.-o.-Kriterium darstelle. Die Reichweite des vorzulegenden Datenblattes könne Ziffer 8.1 des Leistungsverzeichnisses nicht eindeutig entnommen werden, weshalb die Leistungsbeschreibung insoweit unklar sei, wenn sie in dem vom Antragsgegner und der Vergabekammer verstandenen Sinn angewandt werde. Ein insoweit auf die Änderung der Vergabeunterlagen gestützter Angebotsausschluss verstoße jedoch gegen den Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz.

Weiter stelle der Antragsgegner mit der Formulierung "Mit dem Angebot..." in Ziffer 8. des Leistungsverzeichnisses klar, dass sich die einzureichenden Unterlagen nach Ziffer 8.1 - 8.3 des Leistungsverzeichnisses nicht auf das Angebot selbst auswirken, sondern daneben einzureichen seien. Das Datenblatt sei somit nicht Bestandteil des Angebots.

Abgesehen davon sei der Vorbehalt im Datenblatt erforderlich, um widerspruchsfrei abweichende Anforderungen im Leistungsverzeichnis zu ermöglichen. Der Antragsgegner habe den Vorbehalt somit falsch interpretiert und hätte - sofern seiner Meinung nach eine Änderung der Vergabeunterlagen vorliege - zunächst eine Aufklärung gemäß § 15 Abs. 5 VgV veranlassen müssen, da die Antragstellerin im Übrigen erkläre, sich an das Leistungsverzeichnis zu halten.

Des Weiteren werde aus dem eingereichten Datenblatt klar, dass es sich nur um eine Grundausstattung handele und es zu Abweichungen kommen könne, insbesondere auf Wunsch des Auftraggebers. Hinsichtlich der "Ladetechnik" und der "Geräuschreduktion" habe bereits eine Anpassung der Angaben des Datenblatts durch das ausgefüllte Leistungsverzeichnis der Antragstellerin stattgefunden; abweichende Angaben im Datenblatt seien durch das Leistungsverzeichnis konkretisiert worden.

Auch der im Rahmen der Wertung angekündigte Testbetrieb zeige, dass sich die im Fall der Beauftragung zu erbringende Leistung an der konkret getesteten Kehrmaschine - ähnlich einem Kauf nach Probe - orientiere.

Letztlich seien die Datenblätter nicht veraltet. Zudem ergebe sich aus den Eintragungen der Antragstellerin auf Seite 1 des Leistungsverzeichnisses (Angabe des Typs der angebotenen Kehrmaschine: xxxxxx) und dem Datenblatt (xxxxxx), dass sich das Datenblatt auf das angebotene Produkt beziehe.

Die Vergabekammer hat die Frist zur Entscheidung mit Verfügung vom 14.05.2019 bis zum 27.05.2019 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 16.05.2019 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht aufgrund von unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen von der weiteren Wertung gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Lieferauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 GWB, für den gem. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 221.000 € gilt. Der vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzte Auftragswert (Vergabeakte, Bl. 15) wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner ihr Angebot wegen vermeintlicher Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen hat. Sie habe ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben.

Die angebotene Leistung sei in dem von der Antragstellerin ausgefüllten Leistungsverzeichnis abschließend beschrieben. Weiter habe der Antragsgegner das Einreichen des Dokuments "Grundausstattung" mit Angebotsabgabe nicht gefordert. Das Dokument stelle keinen Teil des Angebots dar und könne somit keine Änderung der Vergabeunterlagen hervorrufen. Schließlich liege - mangels Erfordernis, eine Beschreibung der Grundausstattung einzureichen - auch kein Fall des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vor.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags rechtzeitig zu rügen.

Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 GWB muss der Bieter einen geltend gemachten Verstoß vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber dem Auftraggeber rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Informationsschreiben vom 08.04.2019 mitgeteilt, dass das Angebot gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV aufgrund von Änderungen an den Vergabeunterlagen von der weiteren Wertung auszuschließen war.

Die Antragstellerin rügte mit anwaltlichem Schreiben vom 10.04.2019 ihren Ausschluss vom Vergabeverfahren. Die Rüge der Antragstellerin erfolgte innerhalb der Frist von zehn Kalendertagen und damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht aufgrund von unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen von der weiteren Wertung gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen, weil sich die Antragstellerin auf dem ihrem Angebot beigefügten Dokument "Technische Daten" in der Fußzeile jeweils ausdrücklich technische Änderungen vorbehalten hat.

Gemäß § 53 Abs. 7 Satz 1 VgV sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig. Das betreffende Angebot ist gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend von der Wertung auszuschließen. Der Regelungszweck dieser Vorschriften besteht darin, das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages mit übereinstimmenden Willenserklärungen zu gewährleisten (OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 02.12.2014 -11 Verg 7/14 = VergabeR 2015, Seite 591 ff., 595). Der öffentliche Auftraggeber braucht sich nicht auf einen Streit über den Inhalt des Angebots bzw. des gegebenenfalls abgeschlossenen Vertrages einzulassen. Gleichermaßen betrifft diese Regelung jedoch auch die Transparenz des Vergabeverfahrens und die Gleichbehandlung der Bieter: Dadurch, dass jeder Bieter nur das anbieten darf, was der öffentliche Auftraggeber auch tatsächlich nachgefragt hat, und sich keinen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen darf, dass er von den Ausschreibungsvorgaben abweicht (Ausnahme: Nebenangebot), ist gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Hinsicht miteinander vergleichbar sind (BGH, Urteil vom 16.04.2002 - X ZR 67/00). Andernfalls wäre es dem Auftraggeber nicht möglich, unter sämtlichen Angeboten dasjenige zu ermitteln, dass im Vergleich zu den anderen das wirtschaftlichste im Sinne des § 58 Abs. 2 VgV, § 127 GWB ist (vgl. Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 VgV, Rn. 50, m. w. N.).

Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen liegen immer dann vor, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet, als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt. In solchen Fällen ist nicht gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder Hinsicht miteinander vergleichbar sind, vgl. Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2017, § 57 VgV Rn. 50 ff. Irrelevant ist, ob sich die Änderungen in den Vergabeunterlagen selbst manifestieren oder in anderer Weise, etwa dadurch, dass in einem zusätzlichen Begleitschreiben Vorbehalte oder Einschränkungen (diese Angebot gilt unter der Annahme, dass ...) formuliert werden, vgl. Voppel in Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, 4. Auflage 2018, §53 Rn. 33.

Wie bereits aus dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV deutlich wird, kommt es bei diesem Tatbestand auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit einer Änderung der Vergabeunterlagen nicht an (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2015 -13 Verg 12/14 = VergabeR 2015, S. 580 ff., 587, m. w. IM.). Der Bieter ist vielmehr ohne Einschränkungen an die in den Vergabeunterlagen im Einzelnen präzisierte Nachfrage des öffentlichen Auftraggebers gebunden (vgl. Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 VgV, Rn. 56).

Aus diesem Grund stellt es z. B. auch eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, wenn ein Bieter dem Angebot seine eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt. Dass der betreffende Bieter daneben allgemein und pauschal das Leistungsverzeichnis anerkennt, bewahrt ihn grundsätzlich nicht vor dem Ausschluss eines Angebots. Denn im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Angebotsunterlagen ist sein Angebot regelmäßig so zu verstehen, dass seine individuelle und vom Leistungsverzeichnis abweichende Vorgabe maßgeblich sein soll (vgl. Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/ Prieß, VgV, § 57 VgV, Rn. 56). Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Dies ist bei einem technischen Produktdatenblatt nicht der Fall, da es nicht etwa Lieferfristen, Zahlungsziele, Haftungsbeschränkungen des Herstellers oder Lieferanten regelt, sondern lediglich die technische Ausstattung des angebotenen Produkts beschreibt.

Vorliegend ist die Antragstellerin in ihrem Angebot allerdings bereits dadurch von den Festlegungen des Antragsgegners in den Vergabeunterlagen abgewichen, weil sie sich auf dem ihrem Angebot beigefügten Dokument "Technische Daten" in der Fußzeile jeweils ausdrücklich technische Änderungen vorbehalten hat.

Behält sich die Antragstellerin technische Änderungen in ihrem Angebot vor, überträgt sie das grundsätzlich ihr obliegende Risiko einer fehlerbehafteten Angebotsgestaltung auf die Auftraggeberseite. Dies entspricht weder dem vergaberechtlichen System von Angebot und Annahme noch dem Willen des Auftraggebers. Insoweit deckt sich das Angebot nicht mit den Vergabebedingungen, so dass eine Änderung der Vergabeunterlagen gegeben ist, vgl. VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2018, 3 VK LSA 63/18.

Gemäß Ziffer 8.1 des Leistungsverzeichnisses war mit dem Angebot ein technisches Datenblatt einzureichen. Das vom Bieter einzureichende Datenblatt hatte damit entgegen der Auffassung der Antragstellerin eben nicht lediglich eine unverbindliche, "rein informelle" Funktion. Es diente vielmehr dazu, dem Antragsgegner im Rahmen der Angebotswertung die Prüfung zu ermöglichen, ob das angebotene Produkt den Vorgaben der Ausschreibung entspricht.

Das von der Antragstellerin mit Angebotsabgabe eingereichte Dokument "Technische Daten" enthält in der Fußzeile jeweils den Hinweis "Technische Änderungen vorbehalten". Das technische Datenblatt wurde mit Angebotsabgabe Bestandteil des von der Antragstellerin eingereichten Angebots. Folglich gab die Antragstellerin ihr Angebot nicht verbindlich, sondern nur unter Vorbehalt ab.

Das Aufnehmen solcher Vorbehalte in Katalogen und Bedienungsanleitungen scheint zwar durchaus bei vielen, wenn auch nicht bei allen Herstellern und Lieferanten üblich sein, wie auch eine einfache Google-Recherche der Vergabekammer bei unterschiedlichen Produkten bestätigt hat. Die Vergabekammer vertritt auch die Auffassung, dass etwa im Rahmen eines längerfristigen Rahmenvertrages zumindest Produktverbesserungen in der laufenden Produktion (etwa zur Fehlerbehebung) gerade auch im Interesse des Kunden liegen dürften. Bei Verträgen außerhalb von Vergaben der öffentlichen Hand sind derartige Änderungsvorbehalte in Katalogen (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 29.11.2007 -17 U 91/2007, zitiert nach Justiz-online) und Datenblättern i. d. R. unproblematisch.

Es wäre nach Auffassung der Vergabekammer vorliegend auch unschädlich gewesen, wenn die Antragstellerin auf dem Datenblatt oder im Angebotsanschreiben lediglich darauf hingewiesen hätte, dass das beigefügte Datenblatt lediglich eine Grundausstattung wiedergibt, das Produkt aber in der konkret angebotenen, LV-gemäßen - und ggf. teilweise leistungsfähigeren - Konfiguration geliefert wird. Wie die Prüfung der Vergabekammer ergeben hat, hat auch die Beigeladene ihrem Angebot ein Datenblatt beigefügt, das ausdrücklich lediglich die technische Ausstattung des Grundfahrzeugs beschreibt und auflistet. Dieses wie auch das Angebot im Übrigen enthält aber keinen Änderungsvorbehalt. Die Beigeladene hat somit ein vorbehaltsloses, vollständiges und wertbares Angebot eingereicht.

Der pauschale, von der Antragstellerin in ihrem Datenblatt verwendete Änderungsvorbehalt ist dagegen nicht mit §§ 53 Abs. 7 Satz 1, 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vereinbar.

Der Auftraggeber war entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch weder gehalten noch berechtigt, der Antragstellerin im Wege der Angebotsaufklärung gemäß § 15 Abs. 5 VgV Gelegenheit zu geben, ein Datenblatt ohne den Änderungsvorbehalt nachzureichen. Aufklärungsgespräche des öffentlichen Auftraggebers mit dem Ziel, etwaige Änderungen an den Vergabeunterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist zu korrigieren, stellen eine unzulässige Nachverhandlung im Sinne des § 15 Abs. 5 bzw. § 16 Abs. 9 VgV dar (vgl. BGH, Beschluss vom 18.09.2007, X ZR 89/04; OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2015 -13 Verg 12/14). Andernfalls würde die Bindung eines Bieters an sein Angebot nach Ablauf der Abgabefrist unterlaufen werden. Von den Vergabeunterlagen abweichende Angebote dürfen aus denselben Gründen auch nicht im Wege der Nachforderung nach § 56 Abs. 2 VgV abgeändert werden. Denn ein Angebot, das von den Vergabeunterlagen abweichende Angaben enthält, ist nicht unvollständig. Der Austausch der betreffenden Angaben durch solche, die ausschreibungskonform sind, wäre eine unzulässige Nachbesserung (Dittmann, a. a. O., § 57 VgV, Rn. 57).

Es liegt demnach eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen vor, so dass ein Ausschluss des Angebots gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV gerechtfertigt war.

Die Entscheidung des Antragsgegners ist daher nicht zu beanstanden.

Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Gegenstandswert wird auf xxxxxx € festgelegt. Dieser Betrag entspricht dem Angebotspreis (brutto) der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.

Aufwendungen des Antraqsgegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen.

Allerdings handelte sich bei der vorliegend entscheidenden Beurteilung der Frage, ob ein pauschaler Änderungsvorbehalt in dem vom Bieter mit Angebotsabgabe einzureichenden technischen Datenblatt zum zwingenden Angebotsausschluss führt, nicht um eine einfach gelagerte vergaberechtliche Rechtsfrage. Es erscheint zur Abarbeitung eines Nachprüfungsverfahrens daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Antragsgegner insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012, VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012, VgK-36/2012).

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
von dem Knesebeck
Kruse