Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.06.2019, Az.: VgK-20/2019
Abschluss eines Vertrags über eine Brandwache und Brandbekämpfungsleistungen
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 12.06.2019
- Aktenzeichen
- VgK-20/2019
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 52237
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 6 GWB
- § 134 GWB
- § 135 GWB
Verfahrensgegenstand
de-facto-Vergabe: Brandschutz ("Bauteilkühlgruppe") bei den XXX
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) werden auf XXX € festgesetzt.
- 3.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Die Antragsgegnerin ist von der Entrichtung ihres Kostenanteils persönlich befreit.
- 4.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben einander jeweils die zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für den Antragsteller und die Antragsgegnerin erforderlich.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin hat mit der Beigeladenen am 26.07.2017 einen Vertrag über eine Brandwache und Brandbekämpfungsleistungen geschlossen. Der Beauftragung der Beigeladenen ging kein formales Vergabeverfahren voraus. Auftragsbeginn war der XXX.2018. Die Laufzeit des Vertrages beträgt ein Jahr, mit einer möglichen Verlängerung um jeweils ein Jahr, wenn nicht eine Partei mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten den Vertrag schriftlich kündigt. Der Auftragswert überschreitet den nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB maßgebliche Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen.
Die Vergabekammer bat mit E-Mail vom 13.05.2019 die örtlich zuständige Polizeidirektion XXX um eine Stellungnahme, ob es in Niedersachsen Institutionen aus den privilegierten Anbieterkreisen gemäß der Entscheidung des EuGH (Urteil vom 21.03.2019, C 465/17) gibt, die solche Dienstleistungen anbieten. Die Auskunft vom 12.06.2019 lautete, dass der Träger der Werkfeuerwehr in der Regel einen Anerkennungsbescheid erhalte, aus dem die zu erfüllenden Anforderungen hervorgehen. Beim Aufbau einer Werkfeuerwehr, oder im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung ergeben sich unter Umständen Anpassungsbedarfe, die auch kurzfristig (zur Sicherstellung eines genehmigungskonformen Betriebes, auch aus z.B. dem Bau- oder Immissionsschutzrecht) umgesetzt werden müssen. Hierbei ist dann zwischen Unternehmen/Werkfeuerwehr und Aufsichtsbehörde zu klären, auf welchem Wege dieser umgesetzt wird. Dies kann auch die Beauftragung eines Dienstleisters sein. Die Vergabe von Werkfeuerwehrdienstleistungen kann nur in Ab- und Zustimmung mit der Überwachungsbehörde erfolgen Es gebe in Niedersachsen mindestens zwei Fälle in Städten mit Berufsfeuerwehren, bei denen die Leistungen der Werkfeuerwehr durch die Stadt mit ihrer Berufsfeuerwehr auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung auch die Leistung der Werkfeuerwehr erbracht werde.
Der Antragsteller begründet seinen Nachprüfungsantrag wie folgt:
Der Antragsteller sei in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da eine "de-factoVergabe" nach § 135 GWB, d.h. eine Vergabe ohne Durchführung eines transparenten Vergabeverfahrens, vorliege. Die Beauftragung eines Auftragnehmers im Rahmen einer "de-factoVergabe" sei unzulässig und stelle einen Verstoß gegen die vergaberechtlichen Prinzipien der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs dar. Die Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin hätte Vergaberecht beachten und den Auftrag EU-weit bekannt machen müssen. Die Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union über die Absicht einen Auftrag zu vergeben sei unterblieben. Zudem fehle es an den Voraussetzungen der Privilegierung des § 135 Abs. 3 GWB. Es liege ein Verstoß gegen § 134 Abs. 1 Nr. 2 GWB vor, der zur Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages führe. Ein unter bewusster und gewollter Außerachtlassung der nach vergaberechtlichen Vorschriften zwingend erforderlichen Ausschreibung der Leistung geschlossener Vertrag sei nichtig, da er gegen die Grundwerte des Vergaberechts verstoße. Zudem sei dieser Vertrag sittenwidrig nach § 138 BGB.
Der Nachprüfungsantrag sei nicht wegen eines bereits auf das Angebot erteilten Zuschlags unzulässig. Ein Verstoß gegen § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB führe zur Unwirksamkeit, soweit dies in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt werde.
Darüber hinaus sei das Recht des Antragstellers auch nicht nach § 135 Abs. 2 GWB verwirkt. Nach dieser Vorschrift kann die Unwirksamkeit des Vertrages zwar grundsätzlich nur festgestellt werden, "wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen. Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist."
Die vorliegende Angabe, dass "zurzeit kein Bedarf für die durch den Antragsteller angebotene Dienstleistung bestehe, da die Antragsgegnerin "vertraglich gebunden" sei, reiche nicht aus. Unklarheiten, ob und wann ein Vertrag geschlossen wurde, gehen zu Lasten der ausschreibenden Stelle.
Eine Rüge im Sinne von 160 Abs. 3 Satz 1 GWB sei in der vorliegenden Fallkonstellation, dass die Unwirksamkeit eines Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB geltend gemacht werde, gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB entbehrlich.
Mit Schriftsatz vom 05.06.2019 wird ergänzend vorgetragen, dass aus der vorherigen Beauftragung des Antragstellers als Subunternehmer für die Beigeladene, aufgrund der Hinweise zu einem kurzfristigen Bedarf, der Antragsteller über die konkreten vertraglichen Beziehungen, insbesondere die tatsächliche Vertragsdauer, im Unklaren gelassen worden sei. Der Antragsteller, der sich nur selten an Ausschreibungen beteilige und daher über keine vertieften vergaberechtlichen Kenntnisse verfüge, habe annehmen können, dass es sich lediglich um dringliche, kurzfristige Aufträge handele, die ggf. zudem den Schwellenwert nicht überschritten hätten. Ein begründeter Verdacht über eine langfristige Beauftragung der Beigeladenen habe vielmehr erst ab der E-Mail der Antragsgegnerin vom XXX 2019 bestanden. Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist nach § 135 Abs. 2 S. 1 GWB könne vor diesem Hintergrund nicht zu einer Rechtssicherheit für die Antragsgegnerin führen. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes der de-facto-Vergabe, da der vorgenannte Fristablauf anderenfalls die Billigung einer bewussten Umgehung von Vergaberecht zur Folge hätte.
Zwar könne ein "wirksam" erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden. Vorliegend wäre der erteilte Zuschlag nicht nur als unwirksam, sondern auf Grund des Vorliegens einer de-factoVergabe, d.h. einer Auftragserteilung ohne jegliche Beachtung von Vergaberecht, sogar als nichtig anzusehen. Zwar wäre für eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB neben der bewussten Missachtung von Vergaberecht grundsätzlich auch ein kollusives Zusammenwirken mit dem Auftragnehmer notwendig, allerdings könne die Information, dass es sich lediglich um kurzfristige Beauftragungen handeln solle, bereits als bewusste Fehlinformation gewertet werden.
Weiterhin ergebe sich die Nichtigkeit von Verträgen nicht nur bei kollusivem Verhalten. Zum einen könne sich die Nichtigkeit auch aus dem Beihilferecht ergeben, sobald von einer verbotenen staatlichen Beihilfe ausgegangen werden könne, wenn die de-facto-Vergabe über dem Marktpreis erfolge. Ferner käme eine Nichtigkeit auch in Betracht, wenn beide Vertragspartner die Tatsachen, welche die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen. Dies wäre der Fall, wenn es offenkundig sein müsse, dass der Verzicht auf ein Vergabeverfahren rechtswidrig sei. Darüber hinaus könne eine Nichtigkeit des Vertrages auch angenommen werden, wenn mehrere erhebliche Verstöße gegen das Vergaberecht vorlägen. Festzustellen seien hier folgende erhebliche Verstöße:
* keine Auftragsbekanntmachung,
* keine Bieterinformation,
* Verstoß gegen die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit,
* keine Tariftreueerklärung nach§ 4 NTVergG ersichtlich,
* kein Einbezug der VOL/B in den Vertrag,
* keine Berücksichtigung einer Haftpflichtversicherung oder zur Zahlung einer Vertragsstrafe,
* kein Ausschluss des Angebots der Antragsgegnerin auf Grund der Beifügung eigener AGB.
Sollte die Vergabekammer zu einem anderen Ergebnis kommen, wären zumindest die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da diese mit ihrer unzureichenden Auskunft den Anlass für den streitgegenständlichen Nachprüfungsantrag gegeben habe.
Grundsätzlich seien auf unbestimmte Dauer geschlossene Verträge zulässig, allerdings stehe es im Widerspruch zum Wettbewerbsgrundsatz, dass hierdurch die künftige Vergabe öffentlicher Aufträge vermieden werde. Würde man den Vertragsschluss als zulässig erachten, würde folglich ein dauerhafter, unbefristeter Zustand der Vergaberechtswidrigkeit herbeigeführt. Vor dem Hintergrund dieses weiteren eklatanten Vergaberechtsverstoßes sei der Schluss auf die Nichtigkeit des Vertrages zulässig.
Die Antragsgegnerin habe sich anscheinend bewusst dagegen entschieden, zeitnahe Fristen zur Vertragskündigung zu nutzen, um den rechtswidrigen Zustand zu beenden.
Der Antragsteller beantragt,
- 1.
festzustellen, dass ein mit der Beigeladenen geschlossener Vertrag zum Brandschutz ("Bauteilkühlgruppe") unwirksam ist;
- 2.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Brandschutz im Rahmen eines europaweiten Vergabeverfahrens mit vorheriger Vergabebekanntmachung neu zu vergeben;
- 3.
hilfsweise, eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die rechtswidrige Beauftragung der Beigeladenen festzustellen,§ 168 Abs. 2 Satz 2 GWB;
- 4.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers für notwendig zu erklären;
- 5.
der Antragsgegnerin die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen;
- 2.
hilfsweise: den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen;
- 3.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären;
- 4.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Antragstellerin stelle den Sachverhalt im Wesentlichen zutreffend dar. Allerdings lasse sie unerwähnt, dass sie als Nachunternehmerin der Vertragspartnerin der Antragsgegnerin, tätig gewesen sei. Sie habe seit Juli 2018 bei dem hier in Rede stehenden Auftrag Leistungen für die Beigeladene bei der Antragsgegnerin erbracht. Die Antragstellerin wisse somit spätestens seit Juli 2018 von der Beauftragung der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin.
Der Nachprüfungsantrag sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Ein wirksam erteilter Zuschlag könne von der Vergabekammer nicht aufgehoben werden. Ein auf Aufhebung des Zuschlags gerichteter Nachprüfungsantrag sei daher unstatthaft. Der Antragsteller könne einen Unwirksamkeitsgrund gemäß § 135 GWB nicht mehr geltend machen, da die Sechs-Monats-Frist nach § 135 Abs. 2 S. 1 GWB verstrichen sei. Auf die Kenntnis des Antragstellers vom Bestehen des Vertragsverhältnisses zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen komme es nicht an. Ob der Vertrag wirksam war, kann dahingestellt bleiben, da der Antragsteller eine etwaige Unwirksamkeit nicht mehr im Wege eines Nachprüfungsantrags geltend machen könne.
Die Unwirksamkeit des Auftrags der Antragsgegnerin an die Beigeladene setze nach § 135 Abs. 2 S. 1 GWB voraus, dass diese mit einem Nachprüfungsantrag "nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist". Dieses Zulässigkeitskriterium sei nicht erfüllt. Der Auftrag, dessen Unwirksamkeit festgestellt werden soll, wurde am 26.07.2017 zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossen. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit dieses Vertrages hätte somit spätestens zum 26.01.2018 im Wege der Nachprüfung bei der Vergabekammer gestellt werden müssen. Der Antragsteller habe den Antrag jedoch, nicht fristgerecht, erst am 08.05.2019 gestellt. Zudem sei dem Antragsteller spätestens seit Juli 2018 bekannt gewesen, dass das hier in Rede stehende Auftragsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen bestand.
Des Weiteren sei nicht relevant, wann der Vertragsschluss für den Antragsteller erkennbar gewesen sei. Für die sechsmonatige Frist komme es nicht darauf an, wann die Information der betroffenen Bieter über den Abschluss des Vertrages erfolgt sei. Die Sechs-Monats-Frist werde vielmehr mit dem Vertragsschluss in Gang gesetzt. Die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages könne in keinem Fall später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Diese Ausschlussfrist gilt auch für den Antragsteller, der nicht über den Vertragsschluss informiert worden ist. Spätestens mit Ablauf dieser Frist werde der geschlossene Vertrag daher endgültig wirksam und ein eventueller Verstoß gegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB sei rechtlich bedeutungslos.
Die erste Anfrage des Antragstellers bei der Stadt sei, nach ihren eigenen Angaben erst, am 08.03.2019 erfolgt. Zu diesem Datum wäre die Sechsmonatsfrist des § 135 Abs. 1 S. 1 GWB bereits abgelaufen, sodass selbst nach Ansicht des Antragstellers eine "vollständige" Beantwortung der Anfrage nicht zu einem fristgemäßen Nachprüfungsantrag innerhalb der Sechsmonats-Frist hätte führen können.
Der Nachprüfungsantrag sei somit unzulässig.
Der Nachprüfungsantrag sei darüber hinaus auch unbegründet. Es bestehe keine Rechtsverletzung nach § 97 Abs. 6 GWB, die vom Antragsteller erfolgreich geltend gemacht werden könnte.
Die Ausführungen des Antragstellers zur möglichen Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB seien hier nicht relevant, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben seien. Es bestehe vorliegend weder eine bewusste Missachtung des Vergaberechts, noch hätten die Parteien hier kollusiv eine Umgehung des Vergaberechts betrieben. Hierzu habe der Antragsteller auch nicht vorgetragen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Trotz erkennbar vergaberechtswidrigen Verhaltens der Antragsgegnerin steht der Vergabekammer nicht das gesetzliche Werkzeug zur Verfügung, um die Antragsgegnerin zu zwingen, sich künftig vergaberechtskonform zu verhalten. Die Bereichsausnahme gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB umfasst zwar auch die Brandverhütung gemäß CPV Code 75251110-4, entfaltet hier aber keine Wirkung, weil kein Anbieter erkennbar ist, der sich auf die Bereichsausnahme berufen könnte. Die Möglichkeit der Feststellung der Unwirksamkeit eines geschlossenen Vertrages verfällt sechs Monate nach Vertragsschluss. Im deutschen Recht fehlt eine dem § 21 Abs. 6 VgV gleichgelagerte Vorschrift, welche die Dauer vergaberechtswidrig zustande gekommener unbefristeter Verträge begrenzt. Die Vergabekammer kann nicht über die Sittenwidrigkeit oder einen etwaigen Verstoß eines Vertrags gegen EU-Beihilferecht befinden.
1. Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags gerichtete Nachprüfungsantrag ist unzulässig.
Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin i. S. des § 99 Nr. 2 GWB. Sie ist eine GmbH im Eigentum zweier Gebietskörperschaften. Sie ist aufgrund der gewählten Betriebsform als selbständige GmbH kein Sondervermögen der Gebietskörperschaften gemäß § 99 Nr. 1 GWB. Nur Gemeinde und Landkreis sind Gebietskörperschaften gemäß § 99 Nr. 1 GWB (§ 2 Abs. 2 NKomVG). Die Antragsgegnerin ist eine juristische Person des privaten Rechtes, wenn auch im alleinigen Eigentum der Gebietskörperschaften Stadt und Kreis. Bei einer GmbH im kommunalen Eigentum handelt es sich nicht um deren Sondervermögen gemäß § 130 NKomVG bzw. § 98 Nr. 1 GWB. Der in § 130 NKomVG definierte Begriff des kommunalen Sondervermögens umfasst nur die wirtschaftlichen Einrichtungen. Gemäß § 136 Abs. 3 NKomVG sind die Einrichtungen der Kommune nicht identisch mit den in § 136 Abs. 2 NKomVG genannten kommunalen Unternehmen.
Nach § 99 Nr. 2 GWB sind auch andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, öffentliche Auftraggeber, wenn Stellen, die unter Nr. 1 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihre zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmen. Die Antragsgegnerin ist zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Das Allgemeininteresse ergibt sich aus dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze, Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Nach § 1 KHG ist Zweck des Gesetzes die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Gemäß § 9 KHG fördern die Länder auf Antrag des Krankenhausträgers Investitionskosten, darunter insbesondere für die Errichtung von Krankenhäusern für die Erstausstattung mit notwendigen Anlagegütern, für die Wiederbeschaffung von Anlagegütern und weitere im Einzelnen genannte Positionen. Somit handelt es sich bei dem Betrieb eines zu errichtenden Krankenhauses auch in der Form eines privatrechtlichen Unternehmens nicht um eine auf Gewinnerzielung gerichtete gewerbliche Tätigkeit, sondern um eine im Wesentlichen mit öffentlichen Mitteln geförderte und ermöglichte Aufgabe zur Versorgung der Bevölkerung gemäß § 1 KHG.
Die Vergabekammer nimmt an, dass Kreis und Stadt die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Gesellschafterstellung voll haftend und daher überwiegend finanzieren.
Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gern. § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind.
Es gilt der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 26.07.2017 als Beginn des eigentlich erforderlichen Vergabeverfahrens gültige Schwellenwert. Es handelt sich um eine Dienstleistung. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB galt gern. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2017 ein Schwellenwert von 209.000 €. Ob der maßgebliche Schwellenwert überschritten ist, richtet sich nach der Höhe der vom Auftraggeber an den Dienstleister für die Erbringung der Dienstleistung im Laufe des Vertrags zu leistenden Vergütung. Dabei bestimmt § 3 Abs. 11 Nr. 2 VgV, dass bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit der 48fache Monatswert netto (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 VgV) zugrunde zu legen ist. Nach dem der Vergabekammer vorliegenden Vertrag mit der Beigeladenen übersteigt der 48fache Netto-Monatswert den Schwellenwert.
Der Antragsteller ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Er hat ein Interesse am Auftrag und beschreibt die Verletzung von Rechten, weil eine echte de-facto-Vergabe, also eine Vergabe ohne jegliche Einhaltung des Vergaberechts im 4. Teil des GWB, stattgefunden habe. Er erhebt die unter I. dargestellten Beanstandungen. Auf der Ebene der Zulässigkeitsprüfung geht es nur darum, ob der Nachprüfungsantrag der Vergabekammer ermöglicht, einen konkreten Sachverhalt aus der Vergabeentscheidung auf einen möglichen Vergabeverstoß prüfen zu können. Es genügt daher für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können.
Verstöße gegen drittschützende Verfahrensvorschriften, hier die Bekanntgabe und die Einhaltung der Informations- und Wartefrist vor Erteilung des Zuschlags, sind für die Schadensdarlegung geeignet.
Eine fahrlässige Fehlannahme zur Unterschreitung des Schwellenwertes ist wie auch sonst die Wahl des richtigen Vergabeverfahrens und die Missachtung der Informationsund Wartefrist unmittelbar drittschützend im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB. Nach dieser Vorschrift haben Unternehmen einen Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden. Die Überschreitung des Schwellenwertes ist die sachliche Voraussetzung dafür, dass der Antragsteller vergaberechtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Die Regelung ist aus diesem Grunde unmittelbar drittschützend.
Ob dem Antragsteller durch die falsche Verfahrenswahl tatsächlich ein Schaden zugefügt worden ist, bleibt grundsätzlich der Prüfung der Begründetheit vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).
Mangels konkreter Leistungsbeschreibung und damit Vergleichbarkeit des Angebots mit dem geschlossenen Vertrag ist es für die Antragsbefugnis auch irrelevant, ob das Angebot des Antragstellers im Verhältnis zu dem der Beigeladenen zuschlagsfähig gewesen wäre.
Die Antragsbefugnis des Antragstellers scheidet nicht wegen einer Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB (vgl. EuGH Urteil vom 21.03.2019, C 465/17) aus. Die hier zu vergebene Dienstleistung des Brandschutzes als Brandverhütung fällt unter die dort genannte Ausnahme des CPV Codes 7525110-4, sodass wie auch von der Vergabekammer Niedersachsen bereits entschieden (Beschluss vom 22.01.2019, VgK-01/2019, Beschluss vom 04.06.2019 VgK-19/2019, noch nicht bestandskräftig) grundsätzlich kein Anbieter die Vergabekammer um Rechtsschutz anrufen kann. Nach Auskunft des zuständigen XXX vom 12.06.2019 bieten in Niedersachsen zwei Berufsfeuerwehren Werksfeuerwehrdienste an. Berufsfeuerwehren gehören aber nicht zum privilegierten Kreis der gemeinnützigen Organisationen der Vereinigungen nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Somit konnte die Antragsgegnerin die Bereichsausnahme hier nicht nutzen. Daher hat sie keine Möglichkeit, sich aus diesem Grunde auf die Versagung des kartellrechtlichen Wettbewerbsschutzes zu berufen.
Eine Rügepflicht des Antragstellers bestand gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB nicht. Nach dieser Ausnahmevorschrift gilt die eigentlich bestehende Verpflichtung zur Rüge nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB.
Wird ein Vertrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, so liegt eine echte de-facto-Vergabe vor. Das Ziel einer Rüge, den Antragsgegner und öffentlichen Auftraggeber vom Vergabeverstoß abzuhalten wird nicht mehr erreicht, wenn der öffentliche Auftraggeber seinen Verstoß nicht mehr korrigieren kann. Eine Rüge ist sinnlos und damit entbehrlich, wenn der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag bereits erteilt hat (Maimann in: Kulartz/Kus/Porz/ Prieß, GWB-Vergaberecht, § 135 GWB, Rn. 33).
Die Vergabekammer entscheidet im schriftlichen Verfahren, wie sie zuvor gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB das Einverständnis aller Beteiligten eingeholt hat. Sie beruft sich wegen der Ausführungen zu 3. nicht auf die Unzulässigkeit oder offenkundige Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags.
Der Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Unwirksamkeit des mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrags ist nach § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB präkludiert. Danach kann die Unwirksamkeit nach § 135 Abs. 1 GWB nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der Betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als 6 Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist. Hier fehlt es an einer Information des Antragstellers durch den Antragsgegner, sodass es ausschließlich auf die Sechsmonatsfrist ankommt. Diese berechnet sich unabhängig von der Kenntnis des Antragstellers und der Möglichkeit der Kenntnis des Antragstellers ausschließlich nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.09.2013; Voppel in: Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, Anhang zu § 62 VgV, § 135 GWB, Rn. 64, 67). Da der mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag bereits vom 26.07.2017 datiert, lief die Feststellungsfrist nach § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB im Januar 2018 ab, sodass der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit hier verfristet ist. Ob es sich hierbei um ein Zulässigkeitsmerkmal oder um ein Begründetheitsmerkmal handelt, ist problematisch. Gnittke/Hattig (Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 135, Rn. 64) sieht es als Frage der Begründetheit des Nachprüfungsantrags an und bezieht sich auf die mögliche Erörterung von Rechtfertigungsgründen wie der besonderen Dringlichkeit einer Vergabe. Die Vergabekammer hält für den hier vorliegenden Fall die gegenteilige Auffassung von Maimann (Maimann in: Kulartz/Kus/Porz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 135 GWB, Rn. 46) für sachgerecht, weil die Präklusion hier nur als formales Verfahrenshindernis erörtert wurde, das einer Rechtsgüterabwägung vorgelagert ist. Die Antragsgegnerin hat nicht versucht, die Direktvergabe sachlich zu rechtfertigen.
2. Der weitere Antrag des Antragstellers, hilfsweise eine Rechtsverletzung der Antragsteller durch die rechtswidrige Beauftragung der Beigeladenen festzustellen, ist unzulässig, da im Vergabenachprüfungsverfahren Feststellungsanträge nur zulässig sind, wenn sich ein ursprünglich zulässiger Nachprüfungsantrag während des Nachprüfungsverfahrens erledigt (OLG Celle, Beschluss vom 07.03.2019, 13 Verg 1/19). Wie oben dargestellt, überwindet der Hauptantrag die Zulässigkeitshürden nicht, sodass es am zulässigen Nachprüfungsantrag fehlt. Darüber hinaus trat hier die Erledigung nicht erst während des Nachprüfungsverfahrens ein, sondern bestand bereits zu Beginn des Nachprüfungsverfahrens.
3. Die Vergabekammer hat sich intensiv mit der nach Akteneinsicht auch vom Antragsteller thematisierten Möglichkeit befasst, ob ihm ein vor der Vergabekammer geltend zu machender und von der Vergabekammer gemäß § 168 GWB als Maßnahme zu verhängender Anspruch gegen die Antragsgegnerin zusteht, den vergaberechtswidrig zustande gekommenen Vertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt gemäß der Kündigungsoption in Ziffer 4.5 des Vertrags zu kündigen und danach ein Vergabeverfahren durchzuführen. Angesichts des erkennbar vergaberechtswidrigen Verhaltens der Antragsgegnerin bei zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis des einzuhaltenden Vergaberechts erscheint eine Maßnahme nicht fernliegend, um die Antragsgegnerin zu vergaberechtskonform Verhalten anzuleiten.
Eine klare Anspruchsgrundlage des Antragstellers für einen solchen ggf. durch Antragsänderung zu konkretisierenden Antrag gibt es allerdings weder im GWB, noch in der VgV. Jedoch findet sich in Erwägungsgrund 112 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU ein deutlicher Hinweis, dass eine solche Überführung vergaberechtswidriger Verträge in das Vergaberecht der Intention dem Sinne des EU-Rechts entspricht. Dort heißt es:
"Öffentliche Auftraggeber werden mitunter mit Umständen konfrontiert, die eine vorzeitige Kündigung öffentlicher Aufträge erfordern, damit aus dem Unionsrecht erwachsende Verpflichtungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe eingehalten werden. Die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass öffentliche Auftraggeber unter den im nationalen Recht festgelegten Bedingungen, über die Möglichkeit verfügen, einen öffentlichen Auftrag während seiner Laufzeit zu kündigen, wenn dies aufgrund des Unionsrechts erforderlich ist."
Insofern zeichnet sich, wie vom Antragsteller zutreffend dargestellt, eine Weiterentwicklung in der Rechtswahrnehmung zur Pressetextentscheidung des EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2008, Rn. 73, 74, "die Praxis der Vergabe eines unbefristeten öffentlichen Dienstleistungsauftrags an und für sich ist der Systematik und den Zielen der Gemeinschaftsvorschriften über öffentliche Dienstleistungsaufträge fremd. Eine solche Praxis kann auf lange Sicht den Wettbewerb zwischen potenziellen Dienstleistungserbringern beeinträchtigen und die Anwendung der Vorschriften der Gemeinschaftsrichtlinien über die Öffentlichkeit der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge verhindern. Trotzdem verbietet das Gemeinschaftsrecht bei derzeitigem Stand nicht den Abschluss unbefristeter Verträge") ab.
Allerdings hat die Richtlinie die Umsetzung gemäß dem Erwägungsgrund nicht selbst vornehmen wollen, sondern dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten. Aus Art. 73 der Richtlinie ergibt sich daher keine Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers, eine Rechtsgrundlage für die Kündigung vergaberechtwidrig zustande gekommener unbefristeter Verträge zu schaffen. Im nationalen Recht gibt es nur für Rahmenverträge eine in § 21 Abs. 6 VgV verbindlich vorgegeben Höchstdauer.
Die Rechtsprechung hat in den bisher allerdings ausschließlich zum alten Recht vor 2016 vorliegenden Entscheidungen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 17.02.2016, der Anspruch auf Kündigung eines unbefristeten Vertrags kann nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein; VK Hamburg, Beschluss vom 27.04.2006, VgK FB 2/06. Verzicht auf Kündigung ist kein neuer Auftrag) keine Verpflichtung zur Kündigung unbefristeter Verträge gesehen, selbst wenn damit Vergabe rechtswidrige Zustände aufrechterhalten werden.
Eine andere Auffassung vertraten bisher nur die VK Bund (VK Bund, Beschluss vom 08.04.2015; VK Bund, Beschluss vom 16.04.2015, VK 2 - 27/15, Der Abschluss unbefristeter Verträge sei nicht zulässig) und das OLG Naumburg (Beschluss vom 26.07.2012). Beide Entscheidungen der VK Bund wurden nicht bestandskräftig, allerdings hat das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 16.12.2015, Verg 24/15) die Aufhebung nicht auf eine andere Rechtsauffassung gestützt, sondern den Sachverhalt anders wahrgenommen.
Der Entscheidung des OLG Naumburg lag ein atypischer Sachverhalt zugrunde, weil die bereits ausgesprochene Kündigung eines Vertrages wieder zurückgenommen werden sollte. Der Leitsatz: "Der Antrag auf Verpflichtung, ein transparentes Vergabeverfahren durchzuführen, sei begründet" ist daher keine belastbare Grundlage für die Herleitung eines Anspruchs auf Kündigung des vergaberechtswidrig geschlossenen Vertrages.
Weil der nationale Gesetzgeber trotz gleicher Wettbewerbsrelevanz davon abgesehen hat, eine dem § 21 Abs. 6 VgV gleichartige Regelung für unbefristete Verträge zu schaffen, selbst wenn sie erkennbar vergaberechtswidrig zustande gekommen sind, fehlt der Vergabekammer als Verwaltungsbehörde die für eine Maßnahme nach § 168 GWB erforderliche hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für eine Verpflichtung zur Kündigung des ohne erforderliches Vergabeverfahren geschlossenen Vertrags. Angesichts der Botschaft aus dem Erwägungsgrund 112 der RL 2014/24/EU mag die Vergabekammer noch nicht so weit gehen, eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen, die zur analogen Anwendung berechtigen würde. Eine Entscheidung der Vergabekammer als nachgeordneter Vergabeinstanz im Sinne des Antragsstellers würde die Antragsgegnerin zur Beschwerde ermuntern und gegenüber dem Antragsteller die Risiken einer sofortigen Beschwerde nicht zutreffend darstellen.
4. Die Vergabekammer vermag nicht über die Sittenwidrigkeit des Vertrags zwischen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin gemäß § 138 BGB zu befinden. Wie oben dargestellt hat die Vergabekammer ausschließlich die Aufgabe, in den Grenzen der § 160 ff. GWB Entscheidungen über die wettbewerbsrechtliche Entscheidung des Auftraggebers zu treffen. Die etwaige Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung ist eine zivilrechtliche Rechtsfrage, die von der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu entscheiden ist. Das gilt erst recht für die Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung im Verhältnis zu einem Drittbetroffenen. Für derartige Entscheidungen über ein bestehendes Vertragsverhältnis ist die Vergabekammer grundsätzlich nicht zuständig. Soweit die Literatur (Dreher/Hoffmann in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 135, Rn. 87; Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede GWB Vergaberecht, § 135, Rn. 149) auf Beispiele der vergaberechtspezifischen Rechtsprechung verweist, handelt es sich um alte Entscheidungen aus der Anfangszeit der Vergabenachprüfungsverfahren. Damals wurde wegen der unvollständigen Regelungen auf benachbarte Rechtsgebiete zurückgegriffen. Die Entscheidungen des OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Urteil vom 16.12.2015, 4 U 77/14) und des Landgerichtes Saarbrücken (Urteil vom 06.11.2014, 3 0 260/11) ergingen als Urteile in Zivilrechtsstreitigkeiten, nicht im Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss der Vergabekammer. Die für die Nichtigkeit erforderliche und faktisch sehr schwer nachzuweisende Schwelle der bewussten Missachtung des Vergaberechtes durch die Antragsgegnerin oder der kollusiven Zusammenarbeit zwischen Antragsgegnerin und Beigeladener hat der Antragsteller hier nicht überschreiten können.
5. Die Vergabekammer ist nicht befugt, aufgrund der möglichen Beihilferelevanz gemäß der Art. 107 ff. AEUV die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses festzustellen. Die vom Antragsteller zitierte Vorschrift des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bezieht sich ausschließlich auf das Verhältnis der Europäischen Kommission zum betroffenen Mitgliedsstaat, nicht aber auf das Verhältnis eines öffentlichen Auftraggebers zu Anbietern im Wettbewerb.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.
Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Da der Wert des mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrags nicht offenzulegen ist, das Angebot des Antragstellers ohne konkrete Leistungsbeschreibung abgegeben wurde, und nur den Zweck diente, die Leistungsbereitschaft zu zeigen, legt die Vergabekammer weder den Wert des tatsächlich geschlossenen Vertrages, noch den Wert des Angebots des Antragstellers zugrunde. Stattdessen legt sie einen fiktiven Wert von XXX € netto zugrunde, was einen Bruttoverfahrenswert von XXX € ergibt. Dies vorausgesetzt ergäbe sich eine Gebühr in Höhe von XXX €.
Zugleich berücksichtigt die Vergabekammer die Reduzierung des Aufwandes durch das schriftliche Entscheidungsverfahren. Es entfiel der Aufwand einer mündlichen Verhandlung. Nach Auffassung des OLG Celle (Beschluss vom 01.07.2014 - 13 Verg 4/14) ist eine Korrektur der nach dem Angebotswert ermittelten Gebühr aufgrund des § 3 BVwKostG zugrunde liegenden Kostendeckungsprinzips geboten, wenn der personelle und sachliche Aufwand im einzelnen Fall außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes steht (BGH Beschluss vom 25.10.2011 - X ZB 5/10, Tz. 14 a. E.). Hier konnte die Vergabekammer auf die mündliche Verhandlung verzichten. Das ist eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes, die sich zugunsten der jeweiligen Kostenschuldner in der Gebührenfestsetzung niederschlagen muss. Nach Auffassung des OLG Hamburg (OLG Hamburg, Beschluss vom 3. November 2008 1 Verg 3/08, Tz. 8) ist die nach der Gebührentabelle ermittelte Basisgebühr beispielsweise in einem Fall um ein Drittel zu reduzieren, in dem die Akten der Vergabestelle nicht beizuziehen waren und die Sache nicht mündlich verhandelt werden musste. Eine weitergehende Ermäßigung sei im Hinblick darauf, dass § 182 Abs. 3 GWB eine Reduzierung auf die Hälfte nur bei Rücknahme des Antrages vorsehe, nicht geboten. Da die Verfahrensbeteiligten hier mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden waren, die rudimentäre Vergabeakte die Einarbeitung nicht erleichterte, reduziert die Vergabekammer die Gebühren um 1/6 wegen der entfallenden mündlichen Verhandlung. Dies ergibt eine Gebühr in Höhe von XXX €. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag. Das Maß der Gebührenminderung entspricht der bei der Vergabekammer Bund üblichen Praxis. Gutachterkosten sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 3 und Satz 5 GWB. Der Begriff der Kosten umfasst neben den Gebühren auch die Auslagen der Vergabekammer. Grundsätzlich hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten zu tragen. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die Antragstellerin unterliegt im Nachprüfungsverfahren.
Gemäß § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB können jedoch Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Gemäß Satz 5 folgt die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat nach billigem Ermessen. Die Antragsgegnerin hat das Nachprüfungsverfahren überflüssiger Weise dadurch verursacht, dass sie der dem Antragsteller gegenüber nicht frühzeitig offenlegte, wann der Vertrag mit der Beigeladenen geschlossen wurde.
Dadurch musste der Antragsteller annehmen, dass die Frist des § 135 GWB noch nicht abgelaufen war, ein auf die Feststellung der Nichtigkeit der geschlossenen Vereinbarung gerichteter Nachprüfungsantrag also erfolgreich sein konnte. Aus diesem Grund sind die Gebühren der Vergabekammer zunächst der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Andererseits hat der anwaltlich vertretene Antragsteller nach Information über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht die aus dem Zivilprozessrecht bekannte Möglichkeit gewählt, den Nachprüfungsantrag für erledigt zu erklären, bzw. auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umzustellen. Dazu mag es sachliche Gründe geben, wie die Option einer sofortigen Beschwerde offenzuhalten. Da die Vergabekammer anders als im Zivilrecht keine nach Teilgebühren getrennte Kostenentscheidung treffen kann, behilft sie sich mit der Aufteilung der Gebühren auf Antragsteller und Antragsgegnerin zu jeweils gleichen Teilen.
Somit entspricht es sowohl Billigkeitsgründen gemäß § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB, als auch der Berücksichtigung eines durchaus signifikanten Verschuldens der Antragsgegnerin (vgl. Voppel in: Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, Anhang zu § 62 VgV, § 135 GWB, Rn. 71, Kostentragung AG bei Verstoß gegen Bekanntmachungspflicht) gemäß § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB, die Kosten Antragsteller und Antragsgegnerin zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Der Antragsteller hat somit einen Betrag in Höhe des von XXX € zu entrichten.
Der öffentliche Auftraggeber ist als Antragsgegner persönlich von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Die Voraussetzungen dieser Kostenbefreiung liegen in diesem Fall vor. Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.
Gemäß Ziffer 4 des Tenors sollen die wechselseitigen Auslagen gegeneinander aufgehoben werden. Da die Vergabekammer aber über Anwaltsgebühren keine Kostenfestsetzung trifft, ist dies gemäß § 182 Abs. 4 GWB, mit der Feststellung darzustellen, dass die notwendigen Auslagen jeweils zur Hälfte zu erstatten sind.
Da gemäß der Entscheidung zu Ziffer 3 Antragsteller und Antragsgegnerin die Kosten jeweils zur Hälfte zu tragen haben, soweit sie nicht persönlich von der Kostenentrichtung befreit sind, gilt diese Grundentscheidung auch für die Erstattung der jeweils eigenen Auslagen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ist sowohl für den Antragsteller, als auch für die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 1, 2 VwVfG notwendig.
Die anwaltliche Vertretung eines Antragstellers im Nachprüfungsverfahren ist von Rechtsprechung als regelmäßig notwendig anerkannt.
Die anwaltliche Vertretung der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VgV oder EU-VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können, so dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein wird, wenn der öffentliche Auftraggeber in einer ex ante zu Beginn eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.07.2013 - 11 Verg 7/13) zu erstellenden Prognose zu dem Ergebnis gelangt, dass auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10; OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2012 - Verg 8/11). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB umfasst, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen.
Hier ging es um komplexe Fragen des § 135 GWB. Die Antragsgegnerin verfügt über kein eigenes Rechtsamt, ist daher personell nicht ausreichend aufgestellt, um vergaberechtliche Fragen selbst bearbeiten zu können. Die anwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin war daher in diesem Fall geboten.
Die Beigeladene hat sich im Verfahren bisher nicht geäußert. Sie wird daher nicht mit Kosten belastet.
Der Antragsteller wird daher aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von XXX € unter Angabe des Kassenzeichens auf folgendes Konto zu überweisen: XXX
IV. Rechtsbehelf
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Gaus