Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 07.08.2019, Az.: VgK-19/2019

Ausschreibung von Leistungen des Rettungsdienstes (Notfallrettung, qualifizierter Krankentransport und Komponenten des erweiterten Rettungsdienstes) europaweit im offenen Verfahren in drei Regionallosen

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
07.08.2019
Aktenzeichen
VgK-19/2019
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 56356
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der Bietergemeinschaft xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:

xxxxxx, Verfahrensbevollmächtigte:
xxxxxx,
- Beigeladener -
wegen
Durchführung von Aufgaben des Rettungsdienstes auf dem Gebiet des Landkreises xxxxxx -Los 3: xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Sozialwirt Tiede und den ehrenamtlichen Beisitzer Rechtsanwalt Dr. Roeder auf die mündliche Verhandlung vom 18.07.2019 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens der Vergabekammer werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner und dem Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war sowohl für den Antragsgegner als auch für den Beigeladenen notwendig.

  5. 5.

    Die bislang entstandenen Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde vor dem OLG Celle -13 Verg 4/19 - einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners und des Beigeladenen hat ebenfalls die Antragstellerin zu tragen. Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat das OLG Celle mit Beschluss vom 25.06.2019 auf bis zu xxxxxx € festgesetzt. Die Festsetzung der zu entrichtenden Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2018 die Durchführung von Leistungen des Rettungsdienstes (Notfallrettung, qualifizierter Krankentransport und Komponenten des erweiterten Rettungsdienstes) europaweit im offenen Verfahren in drei Regionallosen ab dem 01.07.2019 für die Dauer von 8 Jahren mit einer 2 x 1-jährigen Verlängerungsoption ausgeschrieben. Streitgegenständlich ist vorliegend das Regionallos 3 für die Durchführung von Rettungsdienstleistungen im Bereich xxxxxx und xxxxxx.

Die Entscheidung, die Rettungsdienstleistungen im europaweiten Verfahren nach den Vorgaben des Kartellvergaberechts zu beschaffen, erging auf der Basis eines 33-seitigen Rechtsgutachtens, das die jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners in dessen Auftrag im Jahr 2017 fertigte. Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken im Zusammenhang mit der sog. Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Auf das Gutachten vom 14.06.2017 wird insoweit Bezug genommen.

Die Vergabekammer Niedersachsen hatte mit bestandskräftigem Beschluss vom 22.01.2019 - VgK-01/2019 - zum gleichen Vergabeverfahren festgestellt, dass der seinerzeit von einem anderen Bieter gestellte Nachprüfungsantrag unzulässig ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB seien hier erfüllt.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urt. v. 21.03.2019- C-465/17-die Umsetzung der europarechtlichen Bereichsausnahme der § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB im Grundsatz und hinsichtlich der Erstreckung auf sog. qualifizierte Krankentransporte bestätigt, die Anforderungen an die Einstufung gemeinnütziger Dienste als begünstigtem Bieterkreis jedoch konkretisiert.

Im seinerzeit laufenden Vergabeverfahren rügte der Beigeladene eine nicht sachlich gerechtfertigte Standorteinengung, nach der es ihm nicht möglich sei, innerhalb des im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Radius eine Immobilie zu finden. Der Beigeladene bat um Bestätigung, dass der von ihm gewählte Standort den Anforderungen der Ausschreibung entspricht.

Nach interner Abwägung, half der Antragsgegner mit Schreiben vom 04.10.2018 der Rüge ab und teilte dem Beigeladenen mit, dass er den von ihm benannten Standort anbieten könne, auch wenn dieser ca. 150 Meter außerhalb des vorgegebenen Suchraumes liege, da dieser Abstand zum Suchraum in Bezug auf die Hilfsfristen noch tolerierbar sei und unmittelbar und damit ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung angefahren werden könne. Der vorab beauftragte Sachverständige teilte mit Mail vom 04.10.2018 in der gutachterlichen Stellungnahme mit, "dass der vorgeschlagene Standort... grundsätzlich als potentieller Standort der Rettungswache xxxxxx in Betracht zu ziehen ist. Durch die verkehrsgünstige Lage, direkt an der xxxxxx, ist nur eine geringe Verzögerung gegenüber dem empfohlenen Standortbereich zu erwarten."

Der Beauftragungsvertrag zwischen Antragsgegner und Beigeladenem datiert auf den 18.02.2019.

Mit Schreiben vom 15.04.2019 rügte die Antragstellerin die Erweiterung des Suchraumes für den Beigeladenen und forderte den Antragsgegner auf, den Zuschlagempfänger auszuschließen, weil dessen Angebot nicht den Vorgaben des Auswahlverfahrens entspreche.

Mit Schreiben vom 25.04.2019 teilte der Antragsgegner mit, dass die Rüge unzulässig und unbegründet sei. Eine Abhilfe bzw. der Ausschluss des Zuschlagbieters und die Aufhebung des geschlossenen Vertrages kämen nicht in Betracht.

Mit anwaltlichen Schriftsatz vom 02.05.2019 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens.

Die genannten Rettungsdienstleistungen unterlägen zwar der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB, jedoch habe der Auftraggeber formal nach GWB ausgeschrieben. Dies geschah (so die VK Lüneburg in der Entscheidung vom 22.01.2019, AZ VgK-01/2019) wegen der rechtlichen Unsicherheit vor der Entscheidung des EuGH und der VK Südbayern. Die VK Südbayern habe ausgeführt, dass die Bereichsausnahme nicht eingreife, wenn das Vergabeverfahren gleichermaßen für Hilfsorganisationen als auch für private Unternehmen geöffnet sei (VK Südbayern, B. v. 14.02.2017 - Az.: Z3-3/3194). Vorliegend habe sich der Antragsgegner somit vollständig dem GWB-Vergaberecht unterworfen. Gerade die divergenten Entscheidungen der Vergabekammern habe die Antragstellerin bewogen, aus Gründen der Rechtssicherheit den Nachprüfungsantrag zu stellen.

Die Vergabekammer teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 03.05.2019 mit, dass die Prüfung gemäß § 163 Abs. 2 Satz 1 GWB ergeben habe, dass der Nachprüfungsantrag offensichtlich unzulässig sei. Das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren nach dem 4. Teil des GWB sei für den antragsgegenständlichen Auftrag nicht eröffnet, weil die von der Antragstellerin als unzulässige de-facto-Vergabe beanstandete Beauftragung mit Leistungen der Notfallrettung, des qualifizierten Krankentransports und des erweiterten Rettungsdienstes als Dienstleistungen zur Gefahrenabwehr unter die allgemeine Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB fallen. Der 4. Teil des GWB finde daher vorliegend keine Anwendung. Die Vergabekammer habe daher gemäß § 163 Abs. 2 GWB entschieden, den Nachprüfungsantrag nicht dem Auftraggeber zu übermitteln.

Die Antragstellerin hat sich daraufhin mit Schriftsatz vom 09.05.2019 mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 Absatz 1 Satz 1 VwGO an das Verwaltungsgericht Lüneburg gewandt. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat sich mit Beschluss vom 16.05.2019 (6 B 46/19) für nicht zuständig erklärt und den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.

Zur gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Lüneburg gerichteten Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat dieses mit Beschluss vom 12.06.2019 -13 ME 164/19 -festgestellt, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes zu Recht abgelehnt hat.

Mit Beschluss vom 03.06.2019 hat die Vergabekammer Lüneburg den Antrag gemäß § 168 GWB als offensichtlich unzulässig i. S. d. § 163 Abs. 2 Satz 3 GWB zurückgewiesen.

Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle hat am 25. Juni 2019-13 Verg 4/19 - beschlossen, dass der Beschluss der Vergabekammer vom 3. Juni 2019 zum Geschäftszeichen VgK-19/2019 aufgehoben wird.

Die zulässige sofortige Beschwerde sei begründet, die Vergabekammer habe den Nachprüfungsantrag zu Unrecht als (offensichtlich) unzulässig zurückgewiesen. Das Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB sei statthaft. Die Bereichsausnahme sei nicht einschlägig, weil sich die Ausschreibung gleichermaßen an gemeinnützige Organisationen wie an gewerbliche Unternehmen richte. Entscheidend sei insoweit allein, ob der Auftraggeber einen Wettbewerb allein für solche gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen eröffne.

Die Vergabekammer wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Sache, einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, zu entscheiden. Zudem wurden mit Einreichung der Beschwerde folgende Eilanträge gestellt, über die die Vergabekammer in eigener Zuständigkeit zu entscheiden habe:

- Dem Antragsgegner wird im Wege einer vorläufigen Maßnahme nach § 169 Abs. 3 S. 1 GWB (analog) bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorläufig untersagt, den Vertrag mit dem Beigeladenen zur Durchführung des Rettungsdienstes auf dem Gebiet des Landkreises xxxxxx - Los 3: xxxxxx weiter zu vollziehen.

- Dem Antragsgegner wird im Wege einer vorläufigen Maßnahme nach § 169 Abs. 3 S. 1 GWB (analog) bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde aufgegeben, die Leistungen im Rahmen des Auswahlverfahrens gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 NRettDG zur Durchführung des Rettungsdienstes auf dem Gebiet des Landkreises xxxxxx - Los 3: xxxxxx interimsmäßig unter Beteiligung der Antragstellerin nur für den begrenzten Zeitraum zu vergeben, bis über die sofortige Beschwerde rechtskräftig entschieden worden ist.

Die Antragstellerin wendet sich mit dem Nachprüfungsantrag gegen die Vergabe des Auftrags zu Los 3 in der oben benannten Ausschreibung an den xxxxxx. In der Ausschreibung seien Regeln aufgestellt (u.a. bezogen auf den Suchraum, in welchem zwingend eine Rettungswache zu liegen hat) worden, die intransparent zugunsten dem beizuladenden xxxxxx abgeändert worden seien. Dies sei erst nach Zuschlag bekannt geworden. Es liege somit eine wesentliche Änderung und daher unzulässige de-facto-Vergabe vor.

Die Antragstellerin macht vorliegend eine Unwirksamkeit des zwischenzeitlich geschlossenen Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB aufgrund einer wesentlichen Änderung der Vergabeunterlagen geltend. Ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens sei ein vergaberechtswidrig geschlossener Vertrag zudem sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB.

Zur Sachverhaltsprüfung über die Ausweitung des Suchbereichs trägt die Antragstellerin vor, dass die vorgelegte Vergabeakte keine vollständige Dokumentation enthalte. So gehe aus dem Vergabevermerk nicht substantiiert hervor, warum der angebotene Standort des Beigeladenen geeignet sei. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsgegner nur unzureichend geprüft habe, inwieweit die Ausweitung des Suchbereichs den Anforderungen des Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatzes gerecht wird und der Standort des Beigeladenen geeignet sei. Andere Bieter bzw. Interessenten habe der Antragsgegner über die Ausweitung des Suchbereichs nachweislich nicht informiert. Der Antragsgegner habe damit die Vorgaben der Vergabeunterlagen einseitig zugunsten des Beigeladenen geändert. Ein weiterer Bieter sei aufgrund des fehlenden Nachweises eines geeigneten Grundstückes ausgeschlossen worden. Für den Beigeladenen galt an dieser Stelle offenbar ein anderer einseitig milderer Maßstab, ohne dass dieser allen Bietern offengelegt worden sei.

Die Antragstellerin sei vorliegend nicht präkludiert. Die Rüge der Antragstellerin sei rechtzeitig erfolgt. Bei intransparenten de-facto-Vergaben bestehe keine Rügeobliegenheit. Die Präklusionsvorschrift des § 160 Abs. 3 GWB finde zudem nur dann Anwendung, wenn ein Vergabeverfahren noch laufe.

Die intransparente Erweiterung der Standortvorgaben gegenüber den bekannt gemachten Vergabeunterlagen stelle eine wesentliche Änderung nach § 132 Abs. 1 GWB dar. Dem stehe nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Standortvorgaben zugunsten des Beizuladenden noch keine Beauftragung erfolgt sei. Das Vergabeverfahren war demnach soweit fortgeschritten, dass mindestens von einem vorvertraglichen Schuldverhältnis zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen ausgegangen werden müsse. Die Vorschriften des § 132 GWB seien hier übertragbar, obwohl die Änderungen der Vergabeunterlagen noch vor bzw. mit dem Vertragsschluss für den Leistungszeitraum vereinbart wurden. Es bestehe eine planwidrige Regelungslücke.

Darüber hinaus erscheine das nachträgliche Abgehen von den ursprünglichen Standortvorgaben zugunsten des Beizuladenden als ggf. kollusives Verhalten.

Zudem lasse sich die Vorgabe, dass sich die Rettungswache xxxxxx innerhalb des vorgegebenen Suchraums befinden müsse, als Eignungskriterium qualifizieren, denen der Beigeladene vorliegend nicht gerecht werden würde. Damit wäre der Beizuladende bereits ungeeignet und hätte vom Antragsgegner ausgeschlossen werden müssen. Die Änderung bei den Eignungsvorgaben sei auch nicht EU-weit bekanntgemacht worden. Der Auftraggeber habe gegen die Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz massiv verstoßen und rechtswidrig de facto beauftragt. Ferner ergebe sich aus § 30 Nr. 2 NRettDG i. V. m. BedarfVO die gesetzliche Grundlage für den Rettungsdienstbedarfsplan. Es sei unzulässig, im Rahmen der genannten Ausschreibung gegen Standort-Vorgaben zu verstoßen.

Die Voraussetzungen für vorläufige Maßnahmen i. S. d. § 169 Absatz 3 GWB lägen vor. Ziel der Anträge nach § 169 Absatz 3 Satz 1 GWB sei es zu verhindern, dass der Antragsgegner den mit dem Beigeladenen geschlossenen Vertrag vollziehe und so irreversible Fakten schaffe. Es bedürfe der vorläufigen Maßnahmen, da die Antragstellerin von den Vergaberechtsverstößen erst nach dem Vertragsschluss erfahren habe und ein Zuschlagverbot nicht mehr habe ausgesprochen werden können. Vorläufigen Maßnahmen wären angemessen, die plakative Darstellung des Antragsgegners, dass die "Sicherstellung des öffentlichen Rettungsdienstes nicht mehr gewährleistet wäre" sei unzutreffend.

Der Antragsgegner habe auch keine Auskömmlichkeitsprüfung vorgenommen und dokumentiert. Es sei in der Entscheidungspraxis zwar nicht geklärt, von welcher Basis aus die Aufgreifschwelle zu berechnen sei, allerdings wären Angebote genau zu prüfen, wenn die Differenz im Bereich der Aufgreifschwelle liegt.

Der Antragsgegner verstoße zudem gegen das Transparenzgebot, indem er es unterlassen habe, die Bieterkonkurrenz darüber aufzuklären, dass er den Suchraum faktisch erweitere.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Unwirksamkeit des zwischen dem Antragsgegner und der xxxxxx geschlossenen Vertrages zur Erbringung von Aufgaben des Rettungsdienstes auf dem Gebiet des Landkreises xxxxxx - Los 3: xxxxxx festzustellen;

  2. 2.

    das Vergabeverfahren über die Vergabe von Aufgaben des bodengebundenen Rettungsdienstes auf dem Gebiet des Landkreises xxxxxx - Los 3: xxxxxx in den Stand vor der Angebotswertung zurückzuversetzen und die eingegangenen Angebote nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten;

  3. 3.

    hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ein neuerliches vergabekonformes Vergabeverfahren unter Beteiligung der Antragstellerin einzuleiten;

  4. 4.

    hilfsweise festzustellen, dass die Antragstellerin im Vergabeverfahren durch Vergabeverstöße des Antragsgegners in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern;

  5. 5.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;

  6. 6.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß § 182 Abs. 4 GWB einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

  2. 2.

    die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der dem Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen.

  3. 3.

    die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner erwidert wie folgt:

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig und zudem auch unbegründet, da der Antragsgegner rechtmäßig gehandelt habe. Aber selbst wenn die Zulassung des von dem Beigeladenen angebotenen Standortes rechtswidrig gewesen sein sollte, hätte dies - als bloßer Verfahrensfehler - nicht die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge. Es bestehe auch keine Veranlassung für die Anordnung vorläufiger Maßnahmen, da die hierfür erforderliche besondere Rechtfertigung nicht gegeben sei.

Durch den wirksam erteilten Zuschlag sei die Zuständigkeit der Vergabekammer gemäß § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht mehr gegeben.

Es handele sich nicht um eine de-facto-Vergabe, die Zulassung des Standorts sei vor Zuschlagserteilung und damit vor Vertragsschluss erfolgt, so dass es an dem für eine wesentliche Vertragsänderung bestehenden Vertrag fehle. Der Vertrag sei auf Grundlage des Angebots und damit mit dem angebotenen bzw. "geänderten" Standort in xxxxxx zustande gekommen. Die Zulassung des Standorts erfolgte während des Vergabeverfahrens. Die Zulassung des Standorts könne allenfalls einen Verfahrensfehler darstellen.

Eine analoge Anwendung von § 132 GWB auf den vorliegenden Fall scheide aus, da es an der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle. Für die Fälle kollusiven Zusammenwirkens bestünde und bestehe weiterhin die Regelung des § 138 BGB. Der Vertrag sei weder gemäß § 138 BGB noch aus anderen Gründen nichtig. Der Abschluss eines Vertrags gemäß § 138 BGB sei nur dann nichtig, wenn er gegen die guten Sitten oder gemäß § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoße.

Der behauptete Verstoß, dass sämtliche Bieter über die Zulassung des von dem Beigeladenen angebotenen Grundstücks hätten informiert werden müssen, betreffen unzweifelhaft Vorgaben, die allein für das Vergabeverfahren relevant gewesen seien. Derartige Vorgaben seien von vornherein ungeeignet, um eine Nichtigkeit des Vertrages nach Beendigung des Vergabeverfahrens zu begründen. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn gezielt bestimmte Unternehmen durch massive Vergaberechtsverstöße benachteiligt werden würden oder wenn der Auftraggeber mit dem Auftragnehmer kollusiv zusammenwirke. Gegenwärtig läge allerdings schon kein Vergaberechtsverstoß vor, da keine Verpflichtung zur Bekanntmachung der Beantwortung der Bieterfrage bestünde, ein Rechtsverstoß wäre nicht massiv genug, um die Nichtigkeit des Vertrages zu bewirken.

Der Auftraggeber sei nicht verpflichtet, sämtliche Bieter über die Zulassung des von dem Beigeladenen angebotenen Grundstücks zu informieren. Antworten auf Bieterfragen sind nur dann allen Bietern zur Kenntnis zu bringen, wenn sie über das individuelle Interesse des Fragenden hinaus auch für die übrigen Bewerber von Bedeutung sein können. Gibt die allseitige Bekanntmachung der Beantwortung Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Bieters preis, müsse der Auftraggeber die Beantwortung auf den fragenden Bieter beschränken. Der angebotene Standort hätte von keinem anderen Bieter genutzt werden können, so dass eine entsprechende Information für diese keine Relevanz gehabt hätte.

Die Vorgaben der Vergabeunterlagen seien nicht generell geändert worden. Der in den Vergabeunterlagen enthaltene Suchraum sei unverändert bestehen geblieben. Die Entscheidung habe ausschließlich auf der Prüfung des Standorts durch den Gutachter und damit auf objektiven wie sachgerechten Erwägungen beruht. Aus einer Information an alle Bieter hätten diese allenfalls die Information ziehen können, dass Anfragen zu Standorten außerhalb des Suchraums möglich sind und der Auftraggeber eine entsprechende (gutachterliche) Prüfung veranlasst. Weitergehende Informationen hätte der Auftraggeber in keinem Fall mitteilen dürfen, da anderenfalls der Angebotsinhalt und damit ein geschütztes Geschäftsgeheimnis des Beigeladenen offenbart worden wäre.

Eine Entscheidung aufgrund einer Prüfung durch einen sachverständigen externen Gutachter anhand objektiver Erwägungen spreche zudem gegen eine gezielte Benachteiligung anderer Bieter.

Eine Nichtigkeit wegen kollusiven Zusammenwirkens mit der Folge der Sittenwidrigkeit des Vertrages komme nicht in Betracht, da ein wettbewerbliches Verfahren durchgeführt wurde. Der Beauftragungsvertrag sei somit wirksam, die Vergabekammer unzuständig.

Dass der gegenständliche Vertrag allein deshalb nichtig sein solle, weil eine allgemeine Bieterinformation unterblieben sei, dass der Auftraggeber Standorte an der Grenze zu den vorgegebenen Suchräumen auf Tauglichkeit hin überprüfe, könne nicht genügen, um die Nichtigkeit eines rechtskräftig geschlossenen Vertrages zu begründen.

Zudem sei die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen auch präkludiert. Wenn das Vergabeverfahren als noch nicht beendet erachtet werden sollte, hätte der Antrag keine Aussicht auf Erfolg. Denn dann hätte die Antragstellerin den erkannten Verstoß innerhalb von 10 Kalendertagen rügen müssen. Aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr gehe eindeutig hervor, dass sich der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin spätestens am 03.04.2019 mit der Problematik auseinandergesetzt habe und spätestens am 04.04.2019 positive Kenntnis vorgelegen habe. Eine Rüge hätte somit spätestens am 14.04.2019 und nicht am 15.04.2019 erhoben werden müssen.

Der Nachprüfungsantrag sei zudem unbegründet, da der Vertrag wirksam geschlossen sei und kein Grund für dessen Nichtigkeit bestehe. Selbst wenn man das Verhalten des Antragsgegners in Bezug auf die Zulassung des Standortes des Beigeladenen als rechtswidrig erachten wolle, stelle dieses Verhalten weder eine de-facto-Vergabe, noch einen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz oder kollusives Zusammenwirken dar.

Für die Anordnung vorläufiger Maßnahmen gemäß § 169 Abs. 3 GWB bestehe keine Veranlassung. Eine besondere Rechtfertigung läge nur dann vor, wenn die Rechte der Antragstellerin derart gefährdet seien, dass sie durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gesichert werden müssten. Bei einer Abwägungsentscheidung, ob die Interessen der Antragstellerin die nachteiligen Folgen der begehrten Anordnung überwiegen, seien alle möglichen Interessen der Antragstellerin aber auch die betroffenen Allgemeininteressen zu berücksichtigen. Zwar habe das Primärinteresse des Bieters am Zuschlag einen herausragenden Rang, dies gelte allerdings dann nicht, wenn die durch die begehrte Anordnung eintretende Verzögerung geeignet sei, die Funktionsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des Auftraggebers spürbar zu beeinträchtigen. Sei eine Beeinträchtigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, überwiegt das Allgemeininteresse das Interesse der Antragstellerin an der Sicherung seiner Rechte.

Die Anordnung vorläufiger Maßnahmen scheide bereits deshalb aus, weil anderenfalls die Sicherstellung des öffentlichen Rettungsdienstes nicht mehr gewährleistet wäre. Die insoweit betroffenen besonders wichtigen Rechtsgüter der Gesundheit und des Lebens der Allgemeinheit überwiegen das Interesse der Antragstellerin an der Sicherung ihrer Rechte in einem Vergabeverfahren. Zudem habe der Antrag keine Aussicht auf Erfolg, da er sowohl unzulässig wie auch unbegründet sei, so dass auch aus diesem Grund die Anordnung vorläufiger Maßnahmen nicht in Betracht käme.

Der Beigeladene habe den Standort xxxxxx ertüchtigt, erforderliches Personal eingestellt sowie Rettungsmittel beschafft und pünktlich zum 01.07.2019 in Betrieb genommen. Am Standort xxxxxx sei die Rettungswache und die dazugehörigen Rettungsmittel vom bisherigen Leistungserbringer übernommen worden. Der von ihm in xxxxxx angebotene Standort sei ertüchtigt, das hierfür vorgesehene Rettungsmittel übernommen und entsprechend Personal eingestellt worden. Notwendige Verträge seien wirksam abgeschlossen worden. Investitionskosten seien getätigt worden und können nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass die Anordnung vorläufiger Maßnahmen bereits aus diesem Grund ausscheide.

Dies gelte umso mehr, als die Sicherstellung des Rettungsdienstes zwingend zum 01.07.2019 zu gewährleisten war, um das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung nicht zu gefährden. Die Anordnung vorläufiger Maßnahmen scheide wegen dem überwiegenden Allgemeininteresse an der unterbrechungsfreien Sicherstellung des öffentlichen Rettungsdienstes schon dem Grunde nach aus.

Die Anordnung vorläufiger Maßnahmen käme auch deshalb nicht in Betracht, weil der Nachprüfungsantrag eindeutig keine Aussicht auf Erfolg habe.

Der Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen und

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Beigeladenen für notwendig zu erklären.

Er verweist auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 25.06.2019. Danach erscheine es dem Senat insbesondere fraglich, inwieweit die weitere Vorbereitung der Vertragsdurchführung, die unmittelbar bevorsteht, und die Vertragsdurchführung selbst Rechte der Antragstellerin im Sinne des § 169 Abs. 3 Satz 1 GWB wesentlich weitergehend gefährden, als eine Gefährdung durch die bislang erfolgte Vorbereitung der Vertragsdurchführung ohnehin schon eingetreten ist. Vor diesem Hintergrund seien vorläufige Maßnahmen weder erforderlich noch angemessen, so dass insoweit eine Anordnung durch die Vergabekammer oder eine entsprechende Einigung der Beteiligten ausscheiden.

Der Beigeladene weist darauf hin, dass er bereits erhebliche Investitionen (Kauf von Rettungsmitteln, Umbau/Ausstattung von Rettungswachen ...) getätigt und Mitarbeiter eingestellt habe, so dass der Betrieb letztlich bereits aufgenommen worden sei, um die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsdienstleistungen ab dem 01.07.2019 sicherzustellen. Dabei wurden bereits Ausgaben von rund xxxxxx € getätigt, weitere Kosten für die vertragsgerechte Übernahme und Durchführung des Rettungsdienstes seien bereits veranlasst. Zusätzliche Kosten würden dann entstehen, wenn die Antragstellerin über den 30.06.2019 hinaus tätig werden würde. Hierfür gäbe es keine Notwendigkeit und keine Grundlage.

Mit weiterem Schriftsatz führt der Beigeladene aus, dass der Zuschlag wirksam erteilt worden sei, daher sei der auf die Feststellung der Unwirksamkeit gerichtete Nachprüfungsantrag unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Vergabekammer sei aufgrund der Wirksamkeit des Zuschlags nicht zuständig. Der Vorwurf der Antragstellerin, der Beigeladene hätte kollusiv mit dem Antragsgegner zusammengewirkt, sei haltlos. Ohne dass es darauf ankäme, sei zudem der Nachprüfungsantrag präkludiert, da eine Rügeobliegenheit bereits ab 03.04.2019 bestanden habe.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 16.07.2019 die Anträge auf Eingreifen in das Vergabeverfahren durch Anordnung weiterer Maßnahmen gem. § 169 Abs. 3 GWB zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, dass die auf § 169 Abs. 3 Satz 1 GWB gestützten Anträge der Antragstellerin auf weitere vorläufige Maßnahmen zulässig, aber unbegründet sind. Unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen überwiege das Interesse des Antragsgegners und der Allgemeinheit an einer lückenlosen Wahrnehmung und Gewährleistung der Aufgaben des Rettungsdienstes die möglicherweise nachteiligen Folgen für die Antragstellerin durch fortlaufende Verringerung der ursprünglichen Vertragslaufzeit und damit Minderung des ursprünglichen Auftragsvolumens bis zum bestandskräftigen Abschluss des Nachprüfungsverfahrens und ggf. rechtskräftigen Abschluss eines sich ggf. anschließenden Verfahrens der sofortigen Beschwerde. Nach der im Rahmen der Entscheidung über die Eilanträge der Antragstellerin gebotenen Abwägung und der bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage habe der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Beauftragung der Beigeladenen mit den verfahrensgegenständlichen Aufgaben des Rettungsdienstes gerichtet ist, zudem keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Vielmehr sei überwiegend wahrscheinlich, dass der streitbefangene Auftrag im Wege eines wirksamen Zuschlags i. S. d. § 168 Abs. 2 GWB erteilt wurde.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 19.07.2019 hat die Vergabekammer die Frist für die Entscheidung in der Hauptsache gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB bis zum 13.08.2019 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte, die Verfahrensakten des OLG Celle zum Verfahren der sofortigen Beschwerde -13 Verg 4/19 - und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 18.07.2019 Bezug genommen.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, der darauf gerichtet ist, die Unwirksamkeit der Beauftragung des Beigeladenen mit den verfahrensgegenständlichen Aufgaben des Rettungsdienstes festzustellen, den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor der Angebotswertung zurückzuversetzen und die eingegangenen Angebote nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten sowie die hilfsweise gestellten Anträge sind unzulässig. Der streitbefangene Auftrag wurde im Wege eines wirksamen Zuschlags i. S, d. § 168 Abs. 2 GWB erteilt.

1. Zwar steht der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags nicht die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB entgegen. Das Oberlandesgerichts Celle hat mit Beschluss vom 25. Juni 2019 - 13 Verg 4/19 - entschieden, dass der Beschluss der Vergabekammer vom 3. Juni 2019 zum Geschäftszeichen VgK-19/2019 aufgehoben wird. Die Vergabekammer habe den Nachprüfungsantrag zu Unrecht als (offensichtlich) unzulässig zurück gewiesen. Das Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB sei statthaft. Diese Bereichsausnahme sei nicht einschlägig, weil sich die Ausschreibung gleichermaßen an gemeinnützige Organisationen wie an gewerbliche Unternehmen richte. Entscheidend sei insoweit allein, ob der Auftraggeber einen Wettbewerb allein für solche gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen eröffne (ebenso VK Südbayern, Beschluss v. 14.02.2017 - Az.: Z3-3/3194). Diese Entscheidung des OLG Celle ist bindend.

Es ist daher im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob - wovon das von der Antragstellerin parallel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angerufene OVG Lüneburg offenbar ausgeht - die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB überdies bei Rettungsdienstleistungsaufträgen in Niedersachsen sogar überhaupt keine Anwendung finden kann, weil eine auf gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen beschränkte Ausschreibung - so das OVG - nicht mit dem NRettDG vereinbar wäre. Das OVG hat diese Auffassung mit Beschluss v. 12.06.2019 -13 ME 164/19 - damit begründet, dass das NRettDG von einer Gleichrangigkeit gemeinnütziger und gewerblicher Anbieter ausgehe. Eine endgültige Entscheidung, ob eine entsprechende Beschränkung des Teilnehmerkreises überhaupt zulässig wäre, sei hier aber nicht erforderlich, weil eine derartige Beschränkung im vorliegenden Vergabeverfahren unstreitig nicht erfolgt ist.

2. Der streitbefangene Auftrag wurde jedoch im Wege eines wirksamen Zuschlags i. S. d. § 168 Abs. 2 GWB erteilt. Der Dienstleistungsvertrag zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen wurde ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte nach Durchführung eines offenen Vergabeverfahrens mit Vertrag vom 18.02.2019 geschlossen. Gemäß § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB kann ein wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden. Unter den Begriff des Zuschlags fällt jeder zivilrechtlich wirksame Vertragsschluss, mit dem ein öffentlicher Auftrag vergeben wird, selbst wenn dies unter Verstoß gegen eine Vergabebestimmung geschehen sollte, sofern dieser Verstoß nicht zur Nichtigkeit führt (Thiele in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 168 GWB, Rn. 36,37). Ein Zuschlag ist wirksam erteilt, wenn der Auftrag an einen Bieter erteilt wird und dieser Beauftragung das Angebot des Bieters in unveränderter Form zugrunde liegt. Maßgeblich ist der zivilrechtliche Vertragsschluss mit dem Bieter und nicht etwa eine im Vorfeld getroffene verwaltungsinterne Vergabeentscheidung der Vergabe stelle. Ein zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits erteilter, wirksamer Zuschlag kann von der Vergabekammer nicht aufgehoben werden. Ein auf Aufhebung eines wirksamen Zuschlags gerichteter Nachprüfungsantrag ist unstatthaft und daher unzulässig, weil er sich gegen ein bei seiner Einreichung schon beendetes Vergabeverfahren richtet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.12.2003 - Verg 37/03; Thiele, a. a. O., Rn. 44).

Der Nachprüfungsantrag wäre also vorliegend nur dann statthaft und hätte Aussicht auf Erfolg, wenn der öffentliche Auftrag sich als von Anfang an unwirksam im Sinne des § 135 GWB erweist, weil er - wovon die Antragstellerin ausgeht - als unzulässige de-facto-Vergabe einzustufen ist oder aber wegen vermeintlich kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen, gemäß § 138 BGB nichtig ist.

Der durch die Vergabeakte dokumentierte Sachverhalt stützt diese Rechtsauffassung der Antragstellerin jedoch nicht:

a. Gemäß § 135 Abs. 1 GWB ist ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber gegen § 134 GWB verstoßen hat oder den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Vorliegend liegen keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Informations- und Wartefrist gemäß § 134 GWB vor. Der Antragsgegner hat den Zuschlag am 18.02.2019 nach Ab lauf der Informations- und Wartefrist auf das Angebot des Beigeladenen erteilt, das dieser im Rahmen des mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2018 eingeleiteten, offenen Vergabeverfahrens abgegeben hat. Das der Vergabekammer mit der Vergabeakte vorliegende Angebot des Beigeladenen datiert auf den 12.10.2018.

b. Die Antragstellerin macht gleichwohl vorliegend eine Unwirksamkeit des zwischen zeitlich geschlossenen Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB aufgrund einer wesentlichen Änderung der Vergabeunterlagen geltend, die der Antragsgegner vorgenommen habe, indem er ausschließlich dem Beigeladenen gestattet habe, einen Standort anzubieten, der außerhalb der Grenzen des vom Antragsgegner verbindlich festgelegten und vorgegeben Suchraums liegt. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass der Antragsgegner damit gegen § 132 GWB verstoßen habe, der auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden sei.

Eine direkte Anwendung des § 132 GWB scheidet vorliegend schon aufgrund des eindeutigen Wortlauts und Regelungsgehalt dieser Vorschrift aus. Gemäß § 132 Abs. 1 GWB erfordern wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren. Wesentlich in diesem Sinne sind Änderungen, die dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenden öffentlichen Auftrag unterscheidet. § 132 Abs. 1 Satz 3 GWB enthält in der Folge eine nicht abschließende Auflistung von Regelbeispielen für wesentliche Änderungen.

§ 132 GWB ist daher nur einschlägig, wenn die Änderung nach Erteilung des Auftrags an ein oder mehrere Unternehmen und vor Ablauf der hiernach vorgesehenen Laufzeit des Auftrags eintreten soll bzw. eingetreten ist. Änderungen vor Vertragsschluss werden nicht erfasst (Scharen in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., § 132 GWB, Rn. 9; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl., § 132 GWB, Rn. 11; Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 132 GWB, Rn. 21, 22). Eine Auftragsänderung im Sinne des § 132 GWB setzt daher einen Vertrag über die Abänderung eines wirksamen zustande gekommenen Auftrags voraus (Eschenbruch, a. a. O., Rn. 22). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da der Zuschlag auf das einzige und unveränderte Angebot des Beigeladenen im Rahmen des offenen Verfahrens erteilt wurde.

Die Rechtsauffassung der Antragstellerin, § 132 GWB sei ungeachtet des eindeutigen Wortlauts analog auch auf Vertragsverhältnisse wie im vorliegenden Fall anzuwenden, in denen zwar keine Änderung nach Vertragsabschluss vorliegt, in denen einem Bieter aber durch den Auftraggeber gestattet wurde, von eindeutigen und für alle Bieter verbindlich festgelegten Vorgaben abzuweichen, überzeugt nicht. Für eine analoge Anwendung des § 132 GWB fehlt es vorliegend bereits an der dafür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Normale Vergaberechtsverstöße beeinträchtigen nicht die Wirksamkeit des Zuschlags gemäß § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Nachprüfungsverfahren jedenfalls dann beendet, "wenn im Wege des Zugangs des Zuschlags des öffentlichen

Auftraggebers einem Bieter der Auftrag wirksam erteilt ist". Vor der "wirksamen Auftragserteilung" begangene Verstöße können mit dem Nachprüfungsverfahren nicht mehr beseitigt werden, sondern nur noch zu Schadensersatzansprüchen führen (BGH, Urteil vom 19,12.2000 - X ZB 14/00 BVFG, Urteil vom 29.07.2004 - 2BvR 2248/03 = NZBau 2004, S.564 ff., 565; Antweiler in: Beck'scher Vergaberechts Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl., § 168, Rn. 50; Thiele in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 168 GWB, Rn. 36,37).

Fälle, in denen nachträglich festgestellt wird, dass ein Zuschlag in einem Vergabeverfahren erteilt wurde, das nicht nur durch einen Vergabeverstoß behaftet ist, sondern in denen gezielt bestimmte Unternehmen durch massive Vergaberechtsverstöße benachteiligt werden oder wenn der Auftraggeber mit dem Zuschlagsbieter kollusiv zusammengewirkt hat, können dagegen nichtig im Sinne des § 134 BGB bzw. § 138 BGB sein (ZiekowA/öllink/Steck, 3. Aufl., § 168 GWB, Rn. 28; Reidt in: Reidt/Stickler/ Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 168 GWB, Rn. 37). Weder der eindeutige Wortlaut des § 132 GWB noch der erkennbare Wille des Gesetzgebers oder das Interesse eines lückenlosen Rechtsschutzes lassen daher vorliegend den Schluss auf eine planwidrige Regelungslücke zu. § 132 GWB findet daher auf den vorliegenden Fall auch keine analoge Anwendung. Würde man - der Rechtsauffassung der Antragstellerin folgend - § 132 GWB entgegen des ausdrücklichen Wortlauts auch auf nachträglich dem Bieter bekannt gewordene Vergaberechtsverstöße in einem seinerzeit noch laufenden Vergabeverfahren anwenden, würde zudem die grundsätzliche Regelung des § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB unterlaufen werden. Nach dem Grundgedanken dieser Regelung sind abgeschlossene Verträge zu erfüllen. Nachträgliche Eingriffe in diese Verträge sollen unterbleiben (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.10.2014 -13 Verg 8/14 = NZBau 2014, 780 ff., 781; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.07.2013 - VII-Verg 10/13; Antweiler, a. a. O, § 168, Rn. 50).

c. Der laufende Vertrag zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen ist jedoch auch nicht wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB oder aufgrund sittenwidrigen, andere Unternehmen gezielt benachteiligenden kollusiven Zusammenwirkens des Antragsgegners und dem Beigeladenen nichtig.

Zwar geht die Vergabekammer entgegen der Auffassung des Antragsgegners davon aus, dass der Antragsgegner im seinerzeit laufenden Vergabeverfahren gegen den Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB und den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB verstoßen hat, indem er allein dem Beigeladenen auf seine Rüge unter Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Celle gestattet hat, sein Angebot unter Berücksichtigung eines Standortes außerhalb des für alle Bieter verbindlich festgelegten Suchraums zu unterbreiten. Der Antragsgegner hätte die Rüge des Beigeladenen wie eine Bieteranfrage zum Anlass nehmen müssen, alle Bieter darüber zu informieren, dass auch ein Standort außerhalb des Suchraums angeboten werden kann, wenn gewährleistet ist, dass die Rettungswagen von dort innerhalb der Maximalfrist gemäß NRettDG alle Einsatzorte innerhalb des verfahrensgegenständlichen Gebietsloses erreichen können. Diese Information wäre für die anderen Bieter im Verfahren durchaus von Bedeutung gewesen, weil sie dann zumindest die Möglichkeit gehabt hätten, gegebenenfalls einen wirtschaftlicheren Standort anzubieten. Die den Bietern vorenthaltene Information war zumindest potentiell kalkulationsrelevant.

Ein massiver, zur Nichtigkeit führender, sittenwidriger Vergaberechtsverstoß durch wettbewerbswidriges, kollusives Zusammenwirken zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen liegt indessen nicht vor. Denn der Antragsgegner hat dem Beigeladenen die Unterbereitung eines Angebotes unter Zugrundelegung eines Standortes außerhalb des festgelegten Suchraums ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte in nicht zu beanstandender Weise gestattet, um einer Rüge des Beigeladenen abzuhelfen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 01.10.2018 hatte der Beigeladene im seinerzeit laufenden Vergabeverfahren eine aus seiner Sicht sachlich nicht gerechtfertigte Standorteinengung gerügt. Es sei ihm nicht möglich, innerhalb des im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Radius eine Immobilie zu finden. Der Beigeladene bat um Bestätigung, dass der von ihm gewählte Standort, der am Rande, aber außerhalb des Radius des Suchraums liegt, den Anforderungen der Ausschreibung entspricht. Der Beigeladene hat sich in seiner Rüge auf einen Beschluss des OLG Celle vom 24.02.2015 -13 Verg 1/15 - berufen. Das OLG hatte entschieden, dass Standortvorgaben zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden seien. Vielmehr könnten diese vom Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt sein. Aufgrund der mit ihnen einhergehenden wettbewerbsbeschränkenden Wirkung seien Standortvorgaben aber nur zulässig, soweit sie aus sachlichen (einsatztaktischen) Gründen gerechtfertigt sind und nicht zu einer willkürlichen, diskriminierenden Beeinträchtigung des Wettbewerbs führen. Dabei komme es insbesondere darauf an, ob ein außerhalb der Standortvorgaben liegender Standort in Betracht kommt, von dem aus der Rettungsdienstbereich genauso schnell oder schneller noch innerhalb der Rettungsfrist angefahren werden kann, und ob es in dem für den Rettungswagenstandort vorgesehenen Bereich eine genügende Anzahl von Objekten gebe, die in Größe, Lage, Zuschnitt und Bebaubarkeit den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung gerecht werden kann.

Der Antragsgegner hat auf diese Rüge hin mit E-Mail vom 04.10.2018 (Bl. 413, 414 d. Vergabeakte) das Gutachterbüro xxxxxx, um Stellungnahme gebeten, ob es "rettungsdienstlich vertretbar und umsetzbar ist, die in xxxxxx vorgesehene Rettungswache am von der Beigeladenen angefragten Standort außerhalb des in xxxxxx empfohlenen Suchbereichs zu errichten." Dabei hat der Antragsgegner den Gutachter auch auf das zitierte Urteil des OLG Celle vom 24.02.2015 hingewiesen und das entsprechende Urteil der Mail beigefügt. Weiter heißt es in der Mail:

"Falls ein Ausweichen auf die oben genannte Adresse nicht vertretbar ist, ist es für uns wichtig, dies einsatztaktisch vernünftig begründen zu können."

Mit E-Mail vom gleichen Tage (Bl. 413 d. Vergabeakte) antwortete der Gutachter wie folgt:

"Als 1. gutachterliche Einschätzung kann ich Ihnen mitteilen, dass der vorgeschlagene Standort grundsätzlich als potentieller Standort der Rettungswache xxxxxx in Betracht zu ziehen ist. Durch die verkehrsgünstige Lage, direkt an der xxxxxx, ist nur eine geringe Verzögerung gegenüber dem empfohlenen Standortbereich zu erwarten. Eine detaillierte Überprüfung und kartographische Darstellung der räumlich-zeitlichen Erreichbarkeit aus dem Standort könnte, nach Beauftragung durch sie, frühestens ab dem 15.11.2018 durchgeführt werden."

Zu einer weiteren Beauftragung kam es jedenfalls nach der Dokumentation in der Vergabeakte nicht mehr. Ausweislich eines in der Vergabeakte (Blatt 412) enthaltenen Vermerks des Ordnungsamtes des Antragsgegners vom 04.10.2018 hat dieses das weitere Vorgehen abgewogen, hausintern abgestimmt und dem Landrat vorgeschlagen, der Einschätzung des Gutachterbüros zu folgen und den potentiellen Standort des Beigeladenen zuzulassen. Der Landrat sei dem Vorschlag gefolgt, die Bieteranfrage sei entsprechend beantwortet worden. Mit Schreiben vom 04.10.2018 (Bl. 423 d. Vergabeakte) teilte der Antragsgegner dem Verfahrensbevollmächtigten des Beigeladenen mit, dass er der Rüge abhelfe. Der Abstand zum Suchraum liege in einem in Bezug auf die Hilfsfristen noch tolerablen Bereich. Von diesem Standort könne die xxxxxx unmittelbar und damit ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung angefahren werden.

Für ein sittenwidriges, zur Nichtigkeit nach § 138 BGB führendes, kollusives Zusammenwirken zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen bietet der Sachverhalt daher keine Anhaltspunkte. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Rüge unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLG Celle geprüft und ihr nach einer kurzen gutachterlichen Stellungnahme selbst abgeholfen hat.

Der Vertrag zwischen dem Beigeladenen und dem Antragsgegner ist daher durch einen wirksam erteilten Zuschlag im Sinne des § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB geschlossen worden. Wird ein Vergabeverfahren durch einen wirksamen Beschluss abgeschlossen, ist ein dagegen gerichteter Nachprüfungsantrag unzulässig. Den nicht berücksichtigten Bietern fehlt die erforderliche Antragsbefugnis (vgl. Thiele in: Kulartz/Kus/ Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 168 GWB, Rn. 46; Byok in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 3. Aufl., § 114 GWB, Rn. 17; Kadenbach in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 168 GWB, Rn. 39).

d. Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob die Antragstellerin darüber hinaus - wovon der Antragsgegner ausgeht - mit ihrem Nachprüfungsantrag präkludiert ist. Die Vergabekammer weist deshalb lediglich ergänzend darauf hin, dass ihrer Auffassung nach die Voraussetzungen für eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht vorliegen.

Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 GWB muss der Bieter einen geltend gemachten Verstoß vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber dem Auftraggeber rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Mit Schreiben vom 15.04.2019 rügte die Antragstellerin die Erweiterung des Suchraumes für den Beigeladenen und forderte den Antragsgegner auf, den Zuschlagempfänger auszuschließen, weil dessen Angebot nicht den Vorgaben des Auswahlverfahrens entspreche.

Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr eindeutig hervorgehe, dass sich der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin spätestens am 03.04.2019 mit der Problematik auseinandergesetzt hat. Deshalb habe bei der Antragstellerin spätestens am 04.04.2019 positive Kenntnis vom vermeintlichen Vergaberechtsverstoß vorgelegen.

Die Antragstellerin hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass ihrer Auffassung nach nicht von einer Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB auszugehen ist. Positive Kenntnis in diesem Sinne könne allenfalls angenommen werden ab dem Zeitpunkt der Antwort des Antragsgegners auf eine Nachfrage der Antragstellerin vom 09.04.2019. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Prüfung und die Befassung des Verfahrensbevollmächtigten mit den Vorgängen auf ein Gerücht hin erfolgt seien, wovon die Antragstellerin im Nachgang zum Vergabeverfahren erfahren habe. Die Information besagte, dass der Suchraum zugunsten des Beigeladenen einseitig ausgeweitet worden sei. In der Folge habe die Antragstellerin am 09.04.2019 eine Nachfrage an den Antragsgegner zum Sachverhalt abgesetzt, die am 12.04.2019 ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte beantwortet wurde.

Es ist nach Auffassung der Vergabekammer nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin vor Absetzung der Rüge den ihr "zu Ohren gekommenen" Sachverhalt zunächst durch Rückfrage bei dem Antragsgegner verifizieren wollte. Die Voraussetzungen für eine Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB liegen nicht vor.

Der Nachprüfungsantrag war jedoch aufgrund des unter II. 2 a bis c erörterten, wirksam im Sinne des § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB erteilten Zuschlages als unzulässig zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin für das Los 3 zunächst xxxxxx €. Eine Differenzierung nach Brutto- oder Nettowerten entfällt, da nach § 4 Nr. 17b UStG die Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind, von der Entrichtung der Umsatzsteuer befreit sind. Bei der obigen Summe handelt es sich jedoch um einen Wert für 10 Jahre, also die vorgesehenen 8 Jahre Vertragslaufzeit zuzüglich der Verlängerungsoption von 2 Jahren. Gemäß Ziffer 13.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Seite 16 = Vergabeakte, Ordner I, Bl. 39) waren beim Preis ausdrücklich die Kosten für den Leistungszeitraum inkl. Verlängerungsoption anzugeben. Bei Dienstleistungen mit einer vorgesehenen festen Vertragslaufzeit ist grundsätzlich der gesamte Vertragszeitraum zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 18.03.2014 - XZB 12/13; OLG Celle, Beschl. v. 01.07.2014, 13 Verg 4/14; Thiele in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 182 GWB, Rn.8).

Die Verlängerungsoptionen sollen aber regelmäßig nur zu 50 % in die Wertberechnung einfließen (BGH, Beschluss vom 18.03.2014 - X ZB 12/13), weil keine Sicherheit besteht, dass die Option ausgeübt wird. Die Angebotssumme ist daher auf 9/10 (8 Jahre Mindestlaufzeit + 1 Jahr Option) zu mindern und wird daher auf xxxxxx € festgesetzt. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.

Aufwendungen des Antragsgegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen.

Allerdings handelte sich zumindest bei der Beurteilung der umstrittenen Frage, ob die Bereichsausnahme § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB im Falle der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung greift oder nicht, nicht um eine nicht einfach gelagerte vergaberechtliche Rechtsfrage. Der Antragsgegner hatte zudem seine Verfahrensbevollmächtigten ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte bereits zur Begleitung des Vergabeverfahrens hinzugezogen. Es erscheint zur Abarbeitung eines Nachprüfungsverfahrens daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Antragsgegner insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012, VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012, VgK-36/2012).

Aufwendungen des Beigeladenen:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors sind auch die Kosten des Beigeladenen erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen eines Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass ein Beigeladener sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg VV 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10 zit. nach ibr-online) Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn ein Beigeladener sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem er selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel ein Beigeladener in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschl. v. 27.08.2008 -13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen eines Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschl. v. 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hat sich ein Beigeladener in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass er eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 4. Auflage, § 182, Rdnr. 40; OLG Celle Beschluss vom 12.01.2012, 13 Verg 9/11).

Hier hat der Beigeladene sich mit schriftsätzlichem und mündlichem Vortrag aktiv am Verfahren beteiligt und eigene Anträge gestellt.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG für den Beigeladenen antragsgemäß als notwendig anzuerkennen. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren in der ersten Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für den Beigeladenen erforderlich.

Die in Ziffer 5 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht bezüglich des bisherigen Verfahrens der sofortigen Beschwerde folgt aus § 175 Abs. 2 GWB i. V. m. der entsprechend anzuwendenden Regelung des § 78 GWB. Mit Beschluss vom 25.06.2019 -13 Verg 4/19 - hat das OLG Celle entschieden, dass die Vergabekammer unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Sache, einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, zu entscheiden hat.

Die bislang entstandenen Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde vor dem OLG Celle hat ebenfalls die Antragstellerin zu tragen, da der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.

Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat das OLG Celle gemäß § 50 Abs. 2 GKG auf bis zu xxxxxx € festgesetzt. Die Festsetzung der zu entrichtenden Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.

Da der Antragsgegner und der Beigeladene sich durch die Einreichung von Schriftsätzen aktiv an dem Beschwerdeverfahren beteiligt haben, entspricht es der Billigkeit i. S. d. §§ 175 Abs. 2, 78 Satz 1 GWB, dass die Antragstellerin auch die diesbezüglich entstandenen gerichtlichen Auslagen zu erstatten hat. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist im Beschwerdeverfahren - ohnehin ein Anwaltsprozess - nicht gesondert auszusprechen (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., §175 GWB, Rn. 57).

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr für das Verfahren vor der Vergabekammer in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
Herr Tiede kann aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit nicht selbst unterschreiben.
Gause
Dr. Roeder