Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 01.10.2019, Az.: VgK-35/2019

Ausschreibung der thermischen Verwertung anfallenden Klärschlamms in einer Monoklärschlammverbrennungsanlage europaweit im nicht offenen Verfahren nach den Vorgaben der VgV

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
01.10.2019
Aktenzeichen
VgK-35/2019
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 43806
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
xxxxxx, Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren "Thermische Klärschlammverwertung in einer Monoklärschlammverbrennungsanlage"
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Magill im schriftlichen Verfahren beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war sowohl für die Antragsgegnerin als auch für die Beigeladene notwendig.

Begründung

I.

Die Antragsgegnerin hat mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2018 die thermische Verwertung des bei der xxxxxx anfallenden Klärschlamms in einer Monoklärschlammverbrennungsanlage europaweit im nicht offenen Verfahren nach den Vorgaben der VgV ausgeschrieben.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene gaben jeweils ein Angebot ab. Die Antragsgegnerin beabsichtigte nach einer ersten Angebotsprüfung sowie durchgeführten Bietergesprächen, mangels einheitlichem Verständnis der Vorgaben für die Abgabe der Anlage B5 "Energieabnahme am Standort bzw. Neuberechnung der CO2-Gutschrift" aus den vertragsgegenständlichen Klärschlämmen das Vergabeverfahren insoweit isoliert in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

Die jetzige Beigeladene rügte erfolglos die beabsichtigte, isolierte Zurückversetzung des Vergabeverfahrens und reichte sodann einen Nachprüfungsantrag (VgK-22/2019) bei der Vergabekammer ein. Sie trug vor, dass die Vorgaben zur Ermittlung der CO2-Gutschrift klar seien und keiner Konkretisierung bedurften, weshalb kein sachlicher Grund für eine Rückversetzung vorgelegen habe. Außerdem sei das Angebot der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen nicht von den Vergabeunterlagen abgewichen.

Der der damaligen Beigeladenen und jetzigen Antragstellerin übermittelten, teilweise geschwärzten Fassung des Nachprüfungsantrages war insoweit Folgendes zu entnehmen:

Das Angebot der Antragstellerin ist hingegen nicht vom Verfahren auszuschließen. Hinsichtlich der abgenommenen xxx wurden nur diejenigen Mengen angegeben, die die vertragsgegenständlichen Klärschlämme betreffen. Maßgebend hierfür ist die prognostizierte Energiebilanz zum Zeitpunkt des Leistungsbeginn.

Die damalige Beigeladene und jetzige Antragstellerin hat im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens VgK-22/2019 ihr Recht auf Akteneinsicht nicht wahrgenommen, obwohl ihr dies mit Schriftsatz der Vergabekammer vom 18.06.2019 ausdrücklich angeboten wurde.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Nachprüfungsverfahrens VgK-22/2019 wurde zunächst das Verständnis der jeweiligen Partei in Bezug auf die Vorgaben des Energiekonzeptes, insbesondere in Bezug auf die Vorgaben zur Ermittlung der CO2-Gutschrift erläutert. Des Weiteren wurde problematisiert, welche Menge bzw. welcher Anteil der Wärmemenge aus der Heißwasserproduktion die damalige Antragstellerin in ihrem Konzept zur Ermittlung der CO2-Gutschrift zugrunde legen durfte. Das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 04.07.2019 lautet insoweit wie folgt:

"Zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin bleibt streitig, welche Menge bzw. welcher Anteil der Wärmemenge aus der Heißwasserproduktion der Antragstellerin der in ihrem Konzept zugrunde gelegten CO2-Gutschrift zugrunde gelegt werden darf. Beide verweisen auf den Anhang 5 zu Anlage B5 des Angebotes der Antragstellerin und dort insbesondere auf die Tabelle auf Seite 4 und den vorletzten Absatz der Seite 5 und die Angabe im Formular selbst, Anlage B5. Die Antragsgegnerin erläutert, dass sie die in der Summe in der Zusammenfassung und im Ausblick dargestellte Mindestmenge als plausibel dargestellt gewertet hat. Demgegenüber reicht es ihrer Meinung nach nicht aus, dass die Antragstellerin nunmehr auf den letzten Absatz des Anhanges 5 verweist, wo dargestellt wird, dass die komplette ausgekoppelte Wärme auch entsprechend abgenommen werden kann. Würde die komplette auskoppelbare Wärme angesetzt werden können, würde sich der entsprechende Anteil der Behandlung der verfahrensgegenständlichen Klärschlammmenge erhöhen und insofern auch die CO2-Gutschrift zugunsten des Angebotes der Antragstellerin erhöhen. Die Abnahme dieser höheren Menge müsse die Antragstellerin dann aber auch plausibel darstellen.

Die Vergabekammer wird zu entscheiden haben, ob diese Erklärung im letzten Absatz des Anhangs 5 ausreichend ist, oder wie die Antragsgegnerin meint, dass dieses nur als Zusage zu werten ist und nicht als plausible Darstellung hinsichtlich einer Nutzung der kompletten ausgekoppelten Wärmemenge. Letztlich kommt es nach Auffassung der Antragsgegnerin darauf an, ob eine derartige Zusage schon deshalb ausreicht, weil in den Vertragsunterlagen diese Zusage im Falle der Nichteinhaltung pönalisiert wird."

Die jetzige Antragstellerin und damalige Beigeladende beantragte in der mündlichen Verhandlung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen auszuschließen und das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung des Angebotes der damaligen Beigeladenen und jetzigen Antragstellerin fortzuführen. Sie vertrat jedoch abweichend zur Antragsgegnerin die Auffassung, dass die Antragsgegnerin keinen Anlass hatte, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen. Vielmehr sei sie gehalten gewesen, das Angebot der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung auszuschließen. Die Vorgaben der Antragsgegnerin hinsichtlich der im Rahmen der Energiekonzepte für die CO2-Gutschriften berücksichtigungsfähigen, abnehmbaren elektrischen und thermischen Energie seien aus dem Bieterhorizont eindeutig gewesen. Davon sei die damalige Antragstellerin und jetzige Beigeladene in ihrem Energiekonzept abgewichen.

Mit Beschluss vom 10.07.2019 wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, das Vergabeverfahren vollständig in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen, die beteiligten Bieter des Vergabeverfahrens erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern und dabei die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Der Antrag der damaligen Beigeladenen und jetzigen Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen auszuschließen, wurde zurückgewiesen.

Die Vergabekammer ging in ihrem Beschluss vom 10.07.2019 sowohl auf die Rechtsfolge der Frage ein, ob die Vorgaben in Bezug auf die Angabe von Frischdampf bei der Ermittlung der CO2-Einsparung klar waren, welche Menge bzw. welcher Anteil der Wärmemenge aus der Heißwasserproduktion aus der Brüdenkondensation bei der CO2-Gutschrift zugrunde gelegt werden darf und ob ein Ausschluss des Angebots der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen erforderlich war. Im Einzelnen:

"Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene und ein weiterer, im Teilnahmeverfahren ausgewählter Bieter erhalten dadurch die Möglichkeit, sich mit neuen Angeboten und damit auch ggf. (im Fall der Antragstellerin notwendigerweise) überarbeiteten Energiekonzepten am Vergabeverfahren zu beteiligen. Daher gibt die Vergabekammer noch nachfolgende Hinweise:

- Soweit zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin streitig ist, welche Menge bzw. welcher Anteil der Wärmemenge aus der Heißwasserproduktion der Antragstellerin aus der Brüdenkondensation der in ihrem Konzept auszuweisenden CO2-Gutschrift zugrunde gelegt werden darf, ist die Antragsgegnerin nach Auffassung der Vergabekammer zurecht von der seitens der Antragstellerin im Angebot ausführlich plausibilisierten Mindestmenge ausgegangen.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin haben in der mündlichen Verhandlung auf den Anhang 5 zu Anlage B5 des Angebotes der Antragstellerin und dort insbesondere auf die Tabelle auf Seite 4 und den vorletzten Absatz der Seite 5 und die Angabe im Formular selbst, Anlage B5, verwiesen. Dabei hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sie die dort ausgeführten Details und insbesondere die konkreten Zahlen als Betriebsgeheimnis betrachtet und deshalb nachvollziehbar nicht der Beigeladenen eröffnen möchte. Die Vergabekammer sieht deshalb auch im Beschluss von einer Offenlegung dieser Angaben ab.

Die Antragsgegnerin hat erläutert, dass sie die in der Summe in der Zusammenfassung und im Ausblick dargestellte Menge als plausibel dargestellt gewertet hat. Demgegenüber reicht es ihrer Meinung nach nicht aus, dass die Antragstellerin nunmehr auf den letzten Absatz des Anhanges 5 verweist, wo in Aussicht gestellt wird, dass auch die komplette ausgekoppelte Wärme entsprechend abgenommen werden kann. Würde die komplette auskoppelbare Wärme angesetzt werden können, würde sich der entsprechende Anteil der Behandlung der verfahrensgegenständlichen Klärschlammmenge erhöhen und insofern auch die CO2-Gutschrift zugunsten des Angebotes der Antragstellerin erhöhen.

Die Antragstellerin müsste daher im Rahmen eines neuen Angebotes nach Zurückversetzung des Vergabeverfahrens nach Auffassung der Vergabekammer näher präzisieren und plausibel darstellen, wie sie gewährleisten will, dass die komplette ausgekoppelte Wärme entsprechend abgenommen werden kann. Die bloße Zusicherung genügt nicht.

...

b. Da die von der Antragstellerin in ihrem Energiekonzept ausgewiesenen, fehlerhaften Ansätze bezüglich der für die wertungsrelevanten CO2-Gutschriften zu berücksichtigenden, abnehmbaren Energie aus der verfahrensgegenständlichen Klärschlammverbrennung nach der nicht zu beanstandenden Feststellung der Antragsgegnerin zumindest maßgeblich auch auf eine mangelnde Eindeutigkeit ihrer bisherigen Vorgaben für die Energiekonzepte beruhen, war und ist die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung der Beigeladenen dagegen weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Antragstellerin wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen.

Gemäß § 53 Abs. 7 S. 1 VgV sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig. Das betreffende Angebot ist gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend von der Wertung auszuschließen. Der Regelungszweck dieser Vorschriften besteht darin, das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages mit übereinstimmenden Willenserklärungen zu gewährleisten (OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 02.12.2014 -11 Verg 7/14 = VergabeR 2015, Seite 591 ff., 595). Der öffentliche Auftraggeber braucht sich nicht auf einen Streit über den Inhalt des Angebots bzw. des gegebenenfalls abgeschlossenen Vertrages einzulassen. Gleichermaßen betrifft diese Regelung jedoch auch die Transparenz des Vergabeverfahrens und die Gleichbehandlung der Bieter: Dadurch, dass jeder Bieter nur das anbieten darf, was der öffentliche Auftraggeber auch tatsächlich nachgefragt hat, und sich keinen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen darf, dass er von den Ausschreibungsvorgaben abweicht (Ausnahme: Nebenangebot), ist gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Hinsicht miteinander vergleichbar sind (BGH, Urteil vom 16.04.2002 - X ZR 67/00). Andernfalls wäre es dem Auftraggeber nicht möglich, unter sämtlichen Angeboten dasjenige zu ermitteln, dass im Vergleich zu den anderen das wirtschaftlichste im Sinne des § 127 GWB ist (vgl. von Wietersheim in: Ingenstau/Korbion, VOB, 20. Aufl., § 13 VOB/A, Rn. 12, m. w. N; Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 VgV, Rn. 50, m. w. N.).

Wie bereits aus dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV deutlich wird, kommt es bei diesem Tatbestand auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit einer Änderung der Vergabeunterlagen nicht an (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2015 -13 Verg 12/14 = VergabeR 2015, S. 580 ff., 587, m. w. N.; Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 16 VOB/A-EU, Rn. 60). Der Bieter ist vielmehr ohne Einschränkungen an die in den Vergabeunterlagen im Einzelnen präzisierte Nachfrage des öffentlichen Auftragebers gebunden (vgl. Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 VgV, Rn. 56).

Hält der Bieter Aussagen oder Anforderungen in den Vergabeunterlagen für unklar oder auslegungsbedürftig, so muss er den Auftraggeber darauf hinweisen und eine Klärung herbeiführen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Mehrdeutigkeit für den Bieter nicht erkennbar war und er sie subjektiv auch nicht erkannt hat (vgl. Frister in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 6. Aufl., § 16 VOB/A, Rn. 15; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.07.2012 -11 Verg 6/12).

Voraussetzung für den Angebotsausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ist aber in jedem Fall, dass der Auftraggeber die verbindlichen Bedingungen des Auftrags eindeutig festgelegt hat. Gegebenenfalls sind die Vergabeunterlagen anhand der für Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 und 157 BGB) nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, auszulegen (vgl. Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 16 VOB/A-EU, Rn. 66; BGH, Urteil vom 31.01.2017 -X ZR 93/15; Urteil vom 07.01.2014 - X ZB 15/13). Maßgeblich ist die Sicht eines fachkundigen und mit einschlägigen Aufträgen vertrauten Bieters (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 14.10.2016 - 7 Verg 4/16; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.04.2016-15 Verg 1/16).

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin, wie oben unter II. 2 a erörtert, nach Prüfung der Bieterkonzepte zu Recht davon ausgegangen ist, dass ihre Vorgaben im Hinblick auf die Bieterkonzepte nicht eindeutig im Sinne des § 121 GWB gewesen sind.

Das Angebot der Antragstellerin war und ist daher nicht gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Angebotswertung auszuschließen."

Gegen den Beschluss der Vergabekammer hat die damaligen Antragstellerin und jetzige Beigeladene sofortige Beschwerde beim OLG Celle (13 Verg 8/19) eingereicht. Die jetzige Antragstellerin war am Beschwerdeverfahren ebenfalls als Beigeladene beteiligt.

Eine selbstständige, sofortige Beschwerde legte sie nicht ein.

Die jetzige Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Die ihr am 16.08.2019 vom OLG gewährte Akteneinsicht umfasste unter anderem den in Teilen geschwärzten Vergabevermerk sowie eine in Teilen geschwärzte rechtliche Stellungnahme der Bevollmächtigten der Beigeladenen zur weiteren Vorgehensweise vom 15.04.2019.

Das OLG teilte im Rahmen eines Hinweisbeschlusses vom 20.08.2019 mit, dass die sofortige Beschwerde unbegründet sein dürfte und die damalige Antragstellerin und jetzige Beigeladene eine Rücknahme der sofortigen Beschwerde erwägen solle.

In Bezug auf einen möglichen Ausschluss des Angebots der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen erörtert das OLG zunächst, ob dieser darauf gestützt werden könne, dass die Antragstellerin in der vorliegenden Konstellation bei der Ermittlung der CO2-Gutschrift nur den (anteilig) erzeugten Strom berücksichtigen durfte. Im Einzelnen (Seite 4 sowie Seite 14 des Hinweisbeschlusses):

"[...]

Dieser mögliche Vergaberechtsfehler dürfte die Antragstellerin aber jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzen, weil die Vergabeunterlagen allenfalls im Sinne der Zielsetzung der Auftraggeberin dahin eindeutig auszulegen sein dürften, dass die Antragstellerin in der vorliegenden Konstellation bei der Ermittlung der CO2-Gutschrift nur den (anteilig) erzeugten Strom berücksichtigen durfte, so dass ihr Angebot ohne eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens zwingend von der Wertung auszuschließen sein könnte. Ob die Vergabeunterlagen eindeutig (im Sinne der Auftraggeberin) auszulegen sind oder ob insoweit eine vergaberechtlich unzulässige Unklarheit verbleibt, bedürfte deshalb in der vorliegenden Verfahrenssituation keiner Klärung.

[...]

c) Sofern die vorstehende Auslegung demgegenüber eindeutig wäre, wäre das Angebot der Antragstellerin nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Auszuschließen sind hiernach Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Änderungen in diesem Sinne liegen immer dann vor, wenn das Angebot von den in den Vergabeunterlagen genannten Vorgaben abweicht (Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 Rn. 53, 56 m.w.N.), wie dies hier der Fall wäre."

Des Weiteren führt das OLG auf Seite 14 ff. des Hinweisbeschlusses aus, ob ein Ausschluss des Angebots der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen aufgrund von ggf. klaren Vorgaben der Antragsgegnerin dahin gehend, dass eine mögliche externe Strom- und Wärmenutzung nicht zu 100 % den vertragsgegenständlichen Klärschlämmen zugerechnet werden könne, sondern nur die anteilige Strom- und Wärmenutzung, die dem Anteil der vertragsgegenständlichen Klärschlämme an der jährlichen Gesamtkapazität der Anlage entspreche, erforderlich gewesen wäre:

"[...]

a) Die Vergabeunterlagen waren insoweit hinreichend eindeutig. Der entsprechende Grundsatz hätte zwar klarer formuliert werden können. Die Unterlagen wurden aber insoweit von keinem Bieter falsch verstanden. Der Ansatz der abzunehmenden Menge an thermischer Energie des Heißwassers aus der sog. Brüdenkondensation in Höhe von xxxxxx MWh/a bei der Ermittlung der CO2-Gutschrift entsprach vielmehr aus einem anderen Grund nicht den Vorgaben der Auftragsunterlagen.

[...]

Das Angebot der Antragstellerin entspricht insoweit aber deshalb nicht den Vorgaben in der Darstellung des Leistungskriteriums Nr. 3 in den Ausschreibungsunterlagen, weil eine CO2-Gutschrift hiernach nicht in dem Umfang wertungsrelevant sein sollte, als Energie erzeugt wird, sondern nur das konkrete "standortspezifische Potential in der externen Energienutzung" honoriert werden sollte, das darin liegt, dass die erzeugte Energie auch abgenommen werden kann. Die mögliche Abnahme war nach Satz 1 der Darstellung dieses Leistungskriteriums "zu beschreiben" und "ausführlich zu erläutern". Die Angaben waren "zu plausibilisieren" (vgl. auch den Hinweis der Vergabekammer auf S. 16 f. des angefochtenen Beschlusses). Eine derartige Beschreibung, Erläuterung und Plausibilisierung der Abnahme der durch die Brüdenkondensation erzeugten thermischen Energie hat die Antragstellerin in dem vorstehend in Bezug genommenen Anhang 5 zum Angebotsschreiben Anlage B 5 aber nur für eine Teilmenge von xxxxxx MWh/a vorgenommen, die gegenüber der insoweit insgesamt erzeugten thermischen Energie von xxxxxx MWh/a deutlich zurückblieb.

Die Antragstellerin hätte deshalb insoweit nur den Bruchteil dieser plausibilisierten Energieabnahme ansetzen dürfen, der dem Verhältnis der streitgegenständlichen Klärschlämme zur Gesamtkapazität der Anlage entsprach. Ausweislich des Anhangs 6 zum Angebotsschreiben Anlage B 5 beläuft sich dieses Verhältnis auf xxxxxx t_TS/h gegenüber xxxxxx t_TS/h, so dass anstelle des Wertes von xxxxxx MWh/a nur ein Wert von wohl xxxxxx MWh/a hätte angesetzt werden dürfen.

[...]

Dieser bei isolierter Betrachtung zwingend vorzunehmende Angebotsausschluss wirkte sich im Ergebnis allerdings nicht aus, wenn das Vergabeverfahren wegen einer Unklarheit der Unterlagen betreffend die Abgabe von Frischdampf zur externen Nutzung ohnehin wirksam in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt wird.

[...]

Ist das Vergabeverfahren aber aufgrund einer (anderen) vergaberechtlich unzulässigen Unklarheit ohnehin in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und können damit neue Angebote eingereicht werden, wirkt sich der bisherige Verstoß gegen § 53 Abs. 7 S. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV nicht weiter aus, so dass auch der Ausschluss des entsprechenden Angebotes der Abgabe eines neuen Angebotes nach Zurückversetzung nicht entgegenstünde."

Nach gewährter Akteneinsicht und dem Hinweisbeschlusses des OLG rügte die jetzige Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 22.08.2019, dass das Angebot der jetzigen Beigeladenen nicht vom Verfahren ausgeschlossen wurde. Dem Hinweisbeschluss des OLG sei in Bezug auf das Angebot der jetzigen Beigeladenen zu entnehmen, dass diese in ihrem Energiekonzept eine thermische Energieerzeugung der Anlage aus der Brüdenkondensation von insgesamt xxxxxx MWh/a angegeben habe. Allerdings habe die jetzige Beigeladene nur für eine Teilmenge von xxxxxx MWh/a plausibel dargelegt, dass diese tatsächlich abgenommen werde und damit zu einer CO2-Einsparung führe. Als Grundlage für die Berechnung der CO2-Einsparung habe die jetzige Beigeladene sodann xxxxxx MWh/a angesetzt, was dem Verhältnis der verfahrensgegenständlichen Klärschlämme zur Gesamtkapazität der Anlage entspreche. Sie hätte hier aber nur eine Menge von xxxxxx MWh/a ansetzen dürfen, was der Teilmenge entspreche, für die sie plausibel dargelegt habe, dass diese Mengen auch tatsächlich zu einer CO2-Einsparung führen würden. Damit habe die jetzige Beigeladene laut Hinweisbeschluss des OLG die Vergabeunterlagen geändert und hätte gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden müssen.

Am 26.08.2019 legte die jetzige Antragstellerin eine Anschlussbeschwerde ein.

Mit anwaltlichem Schreiben von 30.08.2019 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sich ihrer Auffassung nach eine Beantwortung der Rüge erledigt habe, da durch die jetzige Antragstellerin eine Anschlussbeschwerde vor dem OLG erhoben wurde. Die jetzige Antragstellerin vertrat hingegen die Auffassung, dass erst wenn in dem anhängigen Nachprüfungsverfahren eine rechtskräftige Entscheidung ergangen sei, geprüft werden könne, ob die Rüge noch erforderlich wäre.

Den Hinweisbeschluss des OLG nahm die damalige Antragstellerin und jetzige Beigeladene zum Anlass, ihre sofortige Beschwerde am 02.09.2019 zurückzunehmen. Die Anschlussbeschwerde der jetzigen Antragstellerin ging damit unter. Der Beschluss der Vergabekammer ist damit bestandskräftig.

Die Antragsgegnerin erwidert mit anwaltlichem Schreiben vom 03.09.2019, dass der Rüge der jetzigen Antragstellerin nicht abgeholfen werde.

Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.06.2019 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. §§ 160 ff. GWB.

Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.

Im Kostenbeschluss des OLG vom 16.09.2019 wird ausgeführt, dass die (damalige) Antragstellerin des Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 10.07.2019 verlustig und die Anschlussbeschwerde der Beigeladenen wirkungslos ist.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grundlage der Vergabeakten, des Nachprüfungsantrags und der Antragserwiderung teilte die Vergabekammer der Antragstellerin mit Hinweis vom 17.09.2019 mit, dass der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig ist und somit keine Aussichten auf Erfolg hat. Die vorgetragene, streitbefangene Frage war bereits Gegenstand des nunmehr bestandkräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 10.07.2019. Die Streitfrage wurde in dem vorgenannten Beschluss abschließend beschieden. Die insoweit eingelegte Anschlussbeschwerde ist durch die Rücknahme der sofortigen Beschwerde der xxxxxx wirkungslos (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 16.09.2019 -13 Verg 8/19). Neue Tatsachen oder Sachverhaltsänderungen, die im Einzelfall eine erneute Überprüfung rechtfertigen würden, liegen nicht vor.

Die jetzige Antragstellerin teilte die Rechtsauffassung der Vergabekammer nicht.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig.

Die Antragstellerin sei antragsbefugt und insbesondere in ihren Rechten verletzt. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, wodurch sich ihre Chancen auf den Zuschlag reduziert hätten, da sie im Falle des Ausschlusses als einziger Bieter im Verfahren verblieben wäre. Des Weiteren wäre im Falle der Rückversetzung neben der Beigeladenen ein weiterer Bieter erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern, so dass sich die Antragstellerin mit Unternehmen im Wettbewerb befände, die bei ordnungsgemäßen Verlauf zwingend hätten ausgeschlossen werden müssen.

Ferner stehe ihrer Antragsbefugnis auch kein identischer Streitgegenstand entgegen. Es handele sich um einen neuen Streitgegenstand, der nicht Gegenstand des mittlerweile abgeschlossenen Nachprüfungsverfahrens VgK-22/2019 gewesen sei. Denn Gegenstand des vorgenannten Nachprüfungsverfahrens sei die Feststellung der Verletzung subjektiver Rechte der damaligen Antragstellerin und jetzigen Beigeladenen gewesen. Nunmehr sei zu beurteilen, ob die subjektiven Rechte der jetzigen Antragstellerin verletzt seien. Bei mehreren Nachprüfungsverfahren mehrerer Bieter fehle es an der sachlichen Identität. Die insoweit von der Antragsgegnerin zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, da es sich um Fälle handele, in denen derselbe Bieter erneut ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet habe.

Und selbst für den Fall, dass die Vergabekammer annehme, dass der Wechsel der Rolle der Beteiligten nicht erheblich sei, bestehe jedenfalls keine sachliche Identität der Streitgegenstände. Gegenstand des Verfahrens VgK-22/2019 sei die Frage gewesen, ob die isolierte Rückversetzung des Verfahrens wegen des von der Antragsgegnerin behaupteten Klarstellungsbedarfs bzgl. der Vorgaben des Leistungskriteriums 3 die damalige Antragstellerin und jetzige Beigeladene in ihren Rechten verletzt habe. Es sei hingegen nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens VgK-22/2019 gewesen, dass die Beigeladene im Angebot bei der Ermittlung der CO2-Einsparung Wärmemengen berücksichtigt habe, deren Abnahme sie nicht plausibel nachgewiesen habe. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass sich die damalige Antragstellerin und jetzige Beigeladene, die Antragsgegnerin und die Vergabekammer zu diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung am 04.07.2019 am Tisch des Vorsitzenden ausgetauscht haben. Denn ein Aspekt sei anhand von Unterlagen ohne die Antragstellerin besprochen worden, da es sich laut damaliger Antragstellerin bei den Unterlagen um ihre Geschäftsgeheimnisse gehandelt habe. Dies werde auch durch das Protokoll zur mündlichen Verhandlung bestätigt. Der dort in Bezug genommene Anhang 5 zu Anlage B5 des Angebots der jetzigen Beigeladenen sei der jetzigen Antragstellerin nicht bekannt. Und der Sachverhalt sei im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch nicht für sie erkennbar gewesen. Schließlich habe die Antragstellerin auch allen weiteren Unterlagen aus dem Verfahren VgK-22/2019 nicht entnehmen können, dass eine Änderung der Vergabeunterlagen durch die Beigeladene stattgefunden habe. Zudem sei unerheblich, ob der zugrunde liegende Sachverhalt im Verfahren VgK-22/2019 erörtert wurde, denn er war jedenfalls im ersten Verfahren kein Streitgegenstand.

Weiter sei die jetzige Antragstellerin nicht durch die Tatsache, dass sie im Verfahren VgK-22/201 9 einen eigenen Antrag als Beigeladene gestellt habe, an der Einleitung eines eigenen Nachprüfungsverfahrens gehindert. Grundlage des Antrags der jetzigen Antragstellerin als Beigeladene im vorherigen Verfahren sei gewesen, dass die jetzige Beigeladene mit ihrem Angebot die Vergabeunterlagen geändert hätte und deshalb auszuschließen wäre, wenn die Vergabeunterlagen zu der Frage eindeutig gewesen seien, ob Frischdampf bei der Ermittlung der CO2-Einsprung angesetzt werden könne. Die Verletzung der subjektiven Rechte der Antragstellerin liege in diesem Verfahren im unterlassenen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen, obwohl diese zu hohe Wärmemengen aus der Brüdenkondensation der Ermittlung der CO2-Einsparung zugrunde gelegt habe, was eine Änderung der Vergabeunterlagen und somit einen zwingenden Ausschlussgrund darstelle. Dieser Aspekt sei im Beschluss der Vergabekammer vom 10.07.2019 nicht thematisiert worden. Erstmals das OLG habe diesen Aspekt mit seinem Hinweisbeschluss in das Verfahren eingeführt.

Weiter habe sie die Rechtsverletzung auch fristgemäß gerügt. Sie habe erst mit Gewährung der Akteneinsicht am 16.08.2019 Kenntnis davon erlangt, dass die Beigeladene als Grundlage für die Berechnung der thermischen Energie aus der Brüdenkondensation eine Menge angesetzt habe, die sie nicht plausibel dargelegt habe, weshalb nur eine Teilmenge hätte berücksichtigt werden dürfen. Die Beigeladene habe dadurch die Vergabeunterlagen geändert, weshalb die Antragsgegnerin sie gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vom Verfahren hätte ausschließen müssen. Dieser Aspekt stehe unabhängig von der im Rahmen des ersten Nachprüfungsverfahrens thematisierten Frage, ob Frischdampf bei der Ermittlung der CO2-Einsparung angesetzt werden durfte. Die Antragstellerin hätte entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht aus dem die Rückversetzung ankündigenden Schreiben der Antragsgegnerin vom 26.04.2019 von diesem Umstand Kenntnis erlangen können.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Der Hinweisbeschluss des OLG lege sehr detailliert dar, dass das Angebot der Beigeladenen die Vergabeunterlagen geändert habe. Dies ergebe sich ebenso aus der rechtlichen Stellungnahme der Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 15.04.2019. Dort werde ausgeführt, dass die Beigeladene eine eindeutige Vorgabe in Bezug auf die Ermittlung der Wärmeabgabe nicht beachtet habe. Es handele sich dabei um eine Änderung der Vergabeunterlagen im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV, die grundsätzlich - für sich allein betrachtet - zum Ausschluss führe.

Des Weiteren könne die streitige Frage, ob der Frischdampf bei der Ermittlung der CO2-Einsparung angesetzt werden durfte, nicht den unterbliebenen Ausschluss des Angebots rechtfertigen. Der zwingende Ausschlussgrund könne nicht deshalb entfallen, dass die Vergabeunterlagen zu einem anderen Punkt nicht eindeutig gewesen seien, selbst wenn sich auch der andere Punkt auf das Ergebnis im jeweiligen Zuschlagskriterium auswirke. Und selbst wenn die Vergabeunterlagen bezüglich der Berücksichtigung des Frischdampfes nicht eindeutig gewesen wären, hätte die Beigeladene vom Vergabeverfahren durch die Ansetzung von zu hohen Werten zur thermischen Energie als Grundlage der Ermittlung der CO2-Einsparung ausgeschlossen werden müssen.

Erst nach Ausschluss des Angebots der Beigeladenen auf der ersten Wertungsstufe hätte die Antragsgegnerin prüfen dürfen, ob Gründe für eine Rückversetzung vorgelegen haben. Dies sei nicht der Fall gewesen, da in der Bewertung, ob Frischdampf bei der Ermittlung der CO2-Einsparung angesetzt werden durfte, Antragstellerin und Antragsgegnerin vom selben Verständnis ausgingen. Ein Grund für die Rückversetzung habe demnach nicht vorgelegen, weshalb eine solche rechtswidrig wäre. Durch die Prüfung der Antragsgegnerin, ob Gründe für eine Rückversetzung vorgelegen haben, obwohl das Angebot der Beigeladenen auszuschließen gewesen wäre, werde die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.

Schließlich habe die Antragstellerin aus den ihr bekannten Aktenbestandteilen Anzeichen entnommen, die auf weitere Änderungen der Vergabeunterlagen durch die Beigeladene schließen. Es werde daher um Überprüfung durch die Vergabekammer gebeten.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB;

  2. 2.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen vom Verfahren auszuschließen und das Verfahren mit der Angebotswertung fortzusetzen;

  3. 3.

    hilfsweise geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechte der Antragstellerin zu wahren;

  4. 4.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen;

  5. 5.

    festzustellen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat;

  6. 6.

    festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung der Bevollmächtigten notwendig war.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen sowie

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig.

Die Antragstellerin sei insbesondere nicht antragsbefugt, da sie mit ihrem Nachprüfungsantrag die Überprüfung bzw. Neubewertung von Tatsachen, die bereits Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gewesen seien, begehre. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handele es sich um denselben Streitgegenstand. Sie sei mit ihrem Antrag bereits rechtskräftig unterlegen, so dass über diesen bereits rechtkräftig entschieden worden sei. Die Rechtskraft sei maßgeblich für die Beteiligten, falls es in einem späteren Verfahren um dieselbe Rechtsfolge gehe, da verhindert werden solle, dass wiederholt prozessiert und widersprechend entschieden werde. Die Rechte der jetzigen Antragstellerin können nicht durch die Antragsgegnerin verletzt werden, wenn es die Antragstellerin unterlasse, gegen den sie belastenden Beschluss eine sofortige Beschwerde einzulegen. Diesen Rechtsverlust habe die Antragstellerin zu vertreten.

Weiter liege in keinem Fall ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin vor, da die vorgebrachten Tatsachen bereits rechtshängig gewesen seien und die Vergabekammer hierüber rechtkräftig entschieden habe. Die Antragstellerin habe ihr Begehren bereits geltend gemacht habe. Ein darüber hinausgehender Anspruch, diesen Antrag in einem eigenen Nachprüfungsverfahren zu wiederholen, scheitere daher am berechtigten Interesse. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehle immer dann, wenn eine identische, nochmalige Prüfung der Tatsachen vorgenommen werden solle. Im hiesigen Verfahren würden jedoch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel, die eine erneute Prüfung rechtfertigen würden, vorliegen. Und auch wenn die Antragstellerin keine detaillierten Kenntnisse über das Angebot der Beigeladenen gehabt hätte, seien diese Tatsachen von der Vergabekammer von Amts wegen ermittelt und die Rechte der Antragstellerin somit gewahrt worden.

Der Beschluss der Vergabekammer sei durch die Rücknahme der sofortigen Beschwerde vor dem OLG formell bestandskräftig. Bestandskräftige Beschlüsse würden materielle Rechtskraft entfalten, so dass - wie vorliegend - zurückgewiesene Rügen in einem späteren Nachprüfungsverfahren derselben Beteiligten hinsichtlich desselben Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht mehr zu beachten seien. Die Rechtskraft des Beschlusses und die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages stünden zudem im Einklang mit Art. 2 Abs. 9 2. UA der der sog. Rechtschutzmittel-Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG vom 11.12.2007. Danach werde festgelegt, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssten, dass die Entscheidungen der Nachprüfungsstellen wirksam durchgesetzt werden können. Die unabhängige Stelle treffe ihre Entscheidungen in einem Verfahren, in dem beide Seiten gehört werden; ihre Entscheidungen seien in der von den einzelnen Mitgliedstaaten jeweils zu bestimmenden Weise rechtsverbindlich.

Ferner hätte die Antragstellerin bereits Seite 2 des Rückversetzungsschreibens der Antragsgegnerin vom 26.04.2019 entnehmen können, dass es in Bezug auf die Ermittlung der CO2-Gutschrift aus den vertragsgegenständlichen Klärschlämmen zu unterschiedlichen Angaben in den Angeboten gekommen sei. Spätestens jedoch in der mündlichen Verhandlung habe die jetzige Antragstellerin Kenntnis erlangt. Dies sei Seite 3 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung zu entnehmen. Dort werde ausgeführt, dass es zwischen der Antragsgegnerin und der damaligen Antragstellerin streitig bleibe, welche Menge bzw. welcher Anteil der Wärmemenge aus der Heißwasserproduktion die damalige Antragstellerin in ihrem Konzept in Bezug auf die CO2-Gutschrift zugrunde legen durfte. Somit habe die Antragstellerin in Kenntnis der Umstände als Beigeladene den Ausschluss des Angebots der damaligen Antragstellerin beantragt. Es könne jedoch auch dahin stehen, ob sie tatsächlich Kenntnis hatte, denn in jedem Fall habe sich die Vergabekammer auf Seite 16 in ihrem Beschluss vom 10.07.2019 mit den Tatsachen auseinandergesetzt.

Die Antragstellerin habe gegen den Beschluss der Vergabekammer keine eigenständige sofortige Beschwerde eingelegt, obwohl sie mit ihrem Antrag unterlegen war. Erst aufgrund des Hinweisbeschlusses des OLG habe sie eine unselbstständige Anschlussbeschwerde erhoben, die sich allerdings durch die Rücknahme der sofortigen Beschwerde der damaligen Antragstellerin erledigt habe.

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen und

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig.

Der Antragstellerin fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, da über den hier beanstandeten vermeintlichen Vergaberechtsverstoß bereits eine rechtskräftige Entscheidung der zuständigen Vergabekammer vorliege, die der Zulässigkeit entgegenstehe. Ein Antragsteller sei nach der einschlägigen vergaberechtlichen Rechtsprechung der Nachprüfungsinstanzen nicht antragsbefugt, soweit er sich mit seinem Nachprüfungsantrag gegen ein Verhalten des Auftraggebers wende, wenn die Vergabekammer über den ersten Nachprüfungsantrag abschließend entschieden habe. Den Antrag der Antragstellerin erneut zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens zu machen, sei mit den Grundsätzen des Vergabeverfahrens und dem Beschleunigungsgrundsatz nicht vereinbar.

Weiter handele es sich bei den vor den Vergabekammern durchzuführenden Nachprüfungsverfahren nach herrschender Meinung um Verwaltungsverfahren. Somit sei es sachgemäß bei Zweifeln und Regelungslücken auf die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und dessen Grundsätze über die Behandlung von Verwaltungsakten zurückzugreifen. Nach § 121 Nr. 1 VwGO würden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden wurde, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden. In nachfolgenden Prozessen sei die Rechtskraft der vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung stets von Amts wegen zu beachten. Bei identischem Streitgegenstand sei der Folgeprozess wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig, so dass die Rechtskraft als von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis fungiere (ne bis in idem). Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin umfasse dasselbe Vergabeverfahren, mit dem sich die Vergabekammer bereits befasst habe, sowie identische Anträge und Argumente seitens der Antragstellerin. Somit stelle der rechtskräftige Beschluss der Vergabekammer ein Prozesshindernis für das nunmehr angestrebte Nachprüfungsverfahren dar.

Darüber hinaus resultiere aus der Bestandkraft des Beschlusses auch das fehlende Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Es lägen keine neuen Argumente vor. Vielmehr berufe sich die Antragstellerin erneut darauf, dass die Beigeladene die Vergabeunterlagen geändert habe und daher nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen sei. Auf eben diese Rechtsfrage nehme jedoch bereits der Beschluss der Vergabekammer vom 10.07.2019 unter Ziffer 2 lit. b), Seite 19, ausdrücklich Bezug. Die Vergabekammer habe sich zur Wahrung der Rechtsschutzinteressen der Antragstellerin vollumfänglich mit deren Anträgen und Rechtschutzbegehren auseinandergesetzt.

Überdies sei zu beachten, dass die Antragstellerin ob der geplanten Zurückversetzung des Verfahrens sowieso keinen Zuschlag erhalten hätte. Aufgrund der gravierenden Mängel hätte der Zuschlag auf der Grundlage des bisherigen Verfahrens auch nicht erteilt werden können. Dem stehe auch ein etwaiger Ausschlussgrund einer Rechtsverletzung nach § 97 Abs. 1 GWB nicht entgegen, wenn das Verfahren an anderen gravierenden Vergabefehlern leide. Allein wegen der rechtskräftigen Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens könne die Antragstellerin kein Rechtsschutzinteresse an dem Ausschluss der Beigeladenen bezogen auf das ursprüngliche Verfahren geltend machen. Aufgrund der sonstigen Fehlerhaftigkeit des Verfahrens sei auch ihr jede Chance auf den Erhalt des Zuschlages versagt.

Letztlich ergebe sich auch nichts anderes aus der Rechtsmitteleinlegung der Antragstellerin. Für die Rücknahme der sofortigen Beschwerde fehle es zwar an einer gesetzlichen Regelung im Vergaberecht, jedoch seien nach überwiegender Rechtsauffassung die Regelungen über die Berufungsrücknahme gemäß § 516 Abs. 3 ZPO entsprechend heranzuziehen. Nach dem Grundgedanken des § 567 Abs. 3 ZPO sei die Anschlussbeschwerde unselbstständig und von der Hauptbeschwerde abhängig. Damit werde auch die Anschlussbeschwerde nach Rücknahme der Hauptbeschwerde gegenstandslos, § 524 Abs. 4 ZPO analog. Durch die Rücknahme der sofortigen Beschwerde werde die zuvor ergangene Entscheidung der Vergabekammer bestandskräftig und vollstreckbar. Diese gesetzliche Folge greife auch vorliegend und könne nicht durch die wiederholte Rechtsschutzsuche zu demselben Verfahrensgegenstand unterlaufen werden.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakten Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Der Antragstellerin fehlt es an der notwendigen Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 GWB, da die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag auf einen Sachverhalt stützt, der bereits Gegenstand des bestandkräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 10.07.2019, VgK-22/2019, war und keine neuen Tatsachen oder Sachverhaltsänderungen vorliegen, die eine erneute Überprüfung rechtfertigen würden.

Die Vergabekammer ist zwar zuständig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 221.000 € gilt. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftragswert wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist aber nicht gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Zwar hat sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag und macht eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie vorträgt, dass die Antragsgegnerin es versäumt habe, das Angebot der Beigeladenen vom Verfahren auszuschließen, um infolgedessen, ohne das Erfordernis der Zurückversetzung des Verfahrens, den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen.

Allerdings war entgegen der Auffassung der Antragstellerin die von ihr aufgeworfene Streitfrage bereits Gegenstand des auch ihr gegenüber bestandskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 10.07.2019, VgK-22/2019, so dass der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt in denjenigen Fällen, in denen eine identische nochmalige Prüfung vorzunehmen ist; ein Rechtschutzbedürfnis fehlt nicht, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen (Vavra in: Beck'scher Vergaberechtskommentar Bd. 1, 3. Auflage 2017, GWB §176 Rn. 10).

Der Beschluss der Vergabekammer vom 10.07.2019 ist unstreitig bestandkräftig. Bei einer Rücknahme der sofortigen Beschwerde erwächst der vorangegangene Beschluss der Vergabekammer in (formeller) Bestandskraft. Wird die Hauptbeschwerde zurückgenommen, zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, verliert die unselbständige Anschlussbeschwerde analog § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung (Vavra in: Beck'scher Vergaberechtskommentar Bd. 1, 3. Auflage 2017, GWB § 171 Rn. 28).

Die damalige Antragstellerin und jetzige Beigeladene nahm ihre sofortige Beschwerde vor dem OLG am 02.09.2019 zurück. Die von der jetzigen Antragstellerin und damaligen Beigeladenen am 26.08.2019 erhobene unselbstständige Anschlussbeschwerde ist somit wirkungslos (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 16.09.2019 -13 Verg 8/19).

Der von der Antragstellerin im hiesigen Verfahren vorgetragene Streitgegenstand ist identisch mit Teilen des Streitgegenstandes aus dem vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-22/2019. Der Beschluss einer Vergabekammer entfaltet materielle Rechtskraft, so dass zurückgewiesene Rügen in späteren Vergabenachprüfungsverfahren derselben Beteiligten um dieselbe Vergabe grundsätzlich nicht mehr zu beachten sind (OLG Celle, Beschluss vom 05.09.2003 -13 Verg 19/03). Materiell umfasst die Bestandskraft von Beschlüssen jedenfalls den Entscheidungsgegenstand, also die Inhalte mit denen sich die Entscheidung der Vergabekammer befasst hat. Entscheidend ist, ob der Sachverhalt, über den entschieden wurde, bereits vollumfänglich bekannt war, und eben keine Sachverhaltsänderungen vorliegen, die Anlass zu einer erneuten Überprüfung geben würden. Das bedeutet, dass nicht nur der Tenor (die Entscheidungsformel), sondern auch die Entscheidungsgründe samt der zugehörigen tatbestandlichen Feststellungen der Entscheidung zwingend zugrunde zu legen sind (vgl. VK Münster, Beschluss vom 13.03.2012 - VK 2/12; VK Bund, Beschluss vom 09.02.2012 -VK 3 -6/12).

Die damalige Antragstellerin und jetzige Beigeladene führte bereits in ihrem Nachprüfungsantrag im Verfahren VgK-22/2019 auf Seite 25 aus, dass ihr Angebot nicht aufgrund der von ihr angegebenen Menge der abgenommenen thermischen Energie des Heißwassers aus der Brüdenkondensation vom Verfahren auszuschließen sei, da sie nur diejenigen Mengen angegeben habe, die die vertragsgegenständlichen Klärschlämme betreffen würden. Dabei ist unerheblich, dass für die damalige Beigeladene und jetzige Antragstellerin die Passage "thermischen Energie des Heißwassers aus der Brüdenkondensation" im Nachprüfungsantrag geschwärzt war. Denn zum einen führte die damalige Antragstellerin ebenfalls auf Seite 25 ihres Nachprüfungsantrages diesbezüglich aus:

"In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die xxxxxx mit ihrem Angebot in der Anlage B 5 Energiemengen angegeben hat, die die gesamte Monoklärschlammverbrennungsanlage betreffen und nicht nur die vertragsgegenständlichen Klärschlämme. Ein Abändern dieser Vorgaben würde ein unzulässiges Nachbessern bzw. Änderung des Angebotes darstellen. Aus diesem Grund ist das Angebot der xxxxxx zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen."

Aus diesem Vorwurf im Zusammenspiel mit dem Vortrag der damaligen Antragstellerin, dass ihr Angebot nicht vom Verfahren auszuschließen sei, war auch für die jetzige Antragstellerin und damalige Beigeladene von Anfang an verständlich, dass zwischen der damaligen Antragstellerin (und jetzigen Beigeladenen) und der Antragsgegnerin streitig war, welche Menge bzw. welcher Anteil der Wärmemenge aus der Heißwasserproduktion der Brüdenkondensation berücksichtigt werden darf. Die Streitfrage bezog sich insoweit auch nur auf die Höhe der anrechenbaren Menge und nicht auf eine in diesem Zusammen ggf. unklare Vorgabe in den Vergabeunterlagen.

Zum anderen wurde der dargestellte Sachverhalt entsprechend des Nachprüfungsantrags der damaligen Antragstellerin von der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung am 04.07.2019 aufgegriffen, um diesen weiter zu erörtern und zu konkretisieren. Dies ist dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung auf Seite 3, 2. Absatz zu entnehmen. Die jetzige Antragstellerin hat mit ihrer Bevollmächtigten an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Zunächst wurde versucht, der Vergabekammer anhand von fiktiven Zahlen zu erläutern, welche Mengen von der jetzigen Beigeladenen berücksichtigt werden durften. Da dabei von der Antragsgegnerin sowie der jetzigen Beigeladenen auf Anlage B5 des Angebotes der jetzigen Beigeladenen und dort insbesondere auf die Tabelle auf Seite 4 und den vorletzten Absatz der Seite 5 und die Angabe im Formular selbst, verwiesen wurde, entschied man sich, die unterschiedlichen Sichtweisen anhand der im Angebot der jetzigen Beigeladenen konkret genannten Zahlen sowie der dazu gehörigen Erläuterungen weiter zu diskutieren. Die jetzige Beigeladene wies daraufhin, dass sie die dort ausgeführten Details und insbesondere die konkreten Zahlen als Betriebsgeheimnis betrachtet und deshalb nachvollziehbar nicht der Beigeladenen eröffnen möchte (vgl. auch Seite 17 des Beschlusses vom 10.07.2019 der VK Niedersachsen, VgK-22/2019), weshalb am Tisch des Vorsitzenden ohne die jetzige Antragstellerin Einsicht in die originalen Angebotsunterlagen genommen wurde.

Auch wenn die jetzige Antragstellerin keinen Einblick in die Angebotsunterlagen der jetzigen Beigeladenen erhielt, war sie weiterhin im Sitzungssaal anwesend und konnte der Erörterung folgen. Zudem diktierte der Vorsitzende nach Abschluss der Erörterung für alle Beteiligten hörbar und im Protokoll dementsprechend wiedergegeben (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung, Verfahrensakte Band 2 der Vergabekammer):

"Die Antragsgegnerin erläutert, dass sie die in der Summe in der Zusammenfassung und im Ausblick dargestellte Mindestmenge als plausibel dargestellt gewertet hat. Demgegenüber reicht es ihrer Meinung nach nicht aus, dass die Antragstellerin nunmehr auf den letzten Absatz des Anhanges 5 verweist, wo dargestellt wird, dass die komplette ausgekoppelte Wärme auch entsprechend abgenommen werden kann. Würde die komplette auskoppelbare Wärme angesetzt werden können, würde sich der entsprechende Anteil der Behandlung der verfahrensgegenständlichen Klärschlammmenge erhöhen und insofern auch die CO2-Gutschrift zugunsten des Angebotes der Antragstellerin erhöhen. Die Abnahme dieser höheren Menge müsse die Antragstellerin dann aber auch plausibel darstellen."

Die Vergabekammer hatte daher ausweislich des Protokolls zu entscheiden:

"Die Vergabekammer wird zu entscheiden haben, ob diese Erklärung im letzten Absatz des Anhangs 5 ausreichend ist, oder wie die Antragsgegnerin meint, dass dieses nur als Zusage zu werten ist und nicht als plausible Darstellung hinsichtlicheiner Nutzung der kompletten ausgekoppelten Wärmemenge. Letztlich kommt es nach Auffassung der Antragsgegnerin darauf an, ob eine derartige Zusage schon deshalb ausreicht, weil in den Vertragsunterlagen diese Zusage im Falle der Nichteinhaltung pönalisiert wird."

Der jetzigen Antragstellerin war damit folglich - trotz Schwärzungen im Nachprüfungsantrag und ohne Einsicht in die genauen Zahlen und Details - spätestens mit der mündlichen Verhandlung der vorgenannte Sachverhalt vollumfänglich bekannt.

Die Vergabekammer vertritt daher die Auffassung, dass die damalige Beigeladene und jetzige Antragstellerin auch in Kenntnis des kompletten Sachverhalts ihren Antrag auf Ausschluss des Angebots der jetzigen Beigeladenen aufgrund von Änderungen an den Vergabeunterlagen gestellt hat.

In Bezug auf die nicht offen gelegten konkreten Mengenangaben im Angebot der jetzigen Beigeladenen vertritt die Vergabekammer die Auffassung, dass sie ordnungsgemäß im Sinne von § 165 Abs. 2 GWB von der Offenlegung absah. Die Vergabekammer hat danach die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. Eine Einsichtnahme in Einheitspreise, Kalkulationsgrundlagen und gegenständliche Inhalte von Wettbewerbsangeboten ist im Allgemeinen ausgeschlossen. Das Akteneinsichtsrecht soll in die Lage versetzen, das Vergabeverfahren auf geltend gemachte Rechtsverstöße zu überprüfen, nicht aber sollen Beteiligte mit seiner Hilfe vertiefende Marktkenntnisse oder Kenntnisse vom Leistungsvermögen der Wettbewerber verschafft werden (Dicks in: Ziekow/Völlink, 3. Aufl. 2018, GWB § 165 Rn. 10). Bei den konkreten Mengenangaben handelt es sich um wichtige, schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jetzigen Beigeladenen. Denn die Höhe der Mengenangabe der abgenommenen thermischen Energie des Heißwassers aus der Brüdenkondensation in Anlage B5 des Angebots sowie der dazugehörigen Erläuterungen der jetzigen Beigeladenen betreffen die Leistungsfähigkeit der Anlage der jetzigen Beigeladenen und waren nur einem eingeschränkten Personenkreis der jetzigen Beigeladenen bekannt. Zudem war zu berücksichtigen, dass die Mengenangaben im Rahmen des Leistungskriteriums 3 unter anderem für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots herangezogen werden sollten und damit im Rahmen einer erneuten Angebotsabgabe gegebenenfalls wieder zum Tragen kämen. Die Geheimhaltung diente damit im Wesentlichen auch dem Schutz eines fairen Wettbewerbs und dem Gleichbehandlungsgebot aller Bieter.

Die Vergabekammer entschied in ihrem Beschluss vom 10.07.2019 abschließend über den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der damaligen Beigeladenen und jetzigen Antragstellerin. Gemäß Ziffer 3. des Tenors wird der Antrag der (damaligen) Beigeladenen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der (damaligen) Antragstellerin auszuschließen, zurückgewiesen.

Die Vergabekammer würdigte den Streitgegenstand ebenfalls vollumfänglich in ihren Entscheidungsgründen. Insbesondere wird zunächst unter Ziffer II. 2. a. auf Seite 16 und 17 in Bezug auf den Streitgegenstand, welche Mengenangabe aus der Heißwasserproduktion der jetzigen Beigeladenen aus der Brüdenkondensation berücksichtigt werden könnte, entschieden:

"Soweit zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin streitig ist, welche Menge bzw. welcher Anteil der Wärmemenge aus der Heißwasserproduktion der Antragstellerin aus der Brüdenkondensation der in ihrem Konzept auszuweisenden CO2-Gutschrift zugrunde gelegt werden darf, ist die Antragsgegnerin nach Auffassung der Vergabekammer zurecht von der seitens der Antragstellerin im Angebot ausführlich plausibilisierten Mindestmenge ausgegangen.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin haben in der mündlichen Verhandlung auf den Anhang 5 zu Anlage B5 des Angebotes der Antragstellerin und dort insbesondere auf die Tabelle auf Seite 4 und den vorletzten Absatz der Seite 5 und die Angabe im Formular selbst, Anlage B5, verwiesen. Dabei hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sie die dort ausgeführten Details und insbesondere die konkreten Zahlen als Betriebsgeheimnis betrachtet und deshalb nachvollziehbar nicht der Beigeladenen eröffnen möchte. Die Vergabekammer sieht deshalb auch im Beschluss von einer Offenlegung dieser Angaben ab.

Die Antragsgegnerin hat erläutert, dass sie die in der Summe in der Zusammenfassung und im Ausblick dargestellte Menge als plausibel dargestellt gewertet hat. Demgegenüber reicht es ihrer Meinung nach nicht aus, dass die Antragstellerin nunmehr auf den letzten Absatz des Anhanges 5 verweist, wo in Aussicht gestellt wird, dass auch die komplette ausgekoppelte Wärme entsprechend abgenommen werden kann. Würde die komplette auskoppelbare Wärme angesetzt werden können, würde sich der entsprechende Anteil der Behandlung der verfahrensgegenständlichen Klärschlammmenge erhöhen und insofern auch die CO2-Gutschrift zugunsten des Angebotes der Antragstellerin erhöhen.

Die Antragstellerin müsste daher im Rahmen eines neuen Angebotes nach Zurückversetzung des Vergabeverfahrens nach Auffassung der Vergabekammer näher präzisieren und plausibel darstellen, wie sie gewährleisten will, dass die komplette ausgekoppelte Wärme entsprechend abgenommen werden kann. Die bloße Zusicherung genügt nicht."

Des Weiteren wird unter Ziffer II. 2. b. auf den Seiten 18 und 19 des Beschlusses hinsichtlich des Antrags der damaligen Beigeladenen und jetzigen Antragstellerin ausgeführt, dass ein Ausschluss des Angebots der (damaligen) Antragstellerin wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV nicht in Betracht kam. Denn die im Energiekonzept ausgewiesenen, fehlerhaften Ansätze der (damaligen) Antragstellerin bezüglich der für die wertungsrelevanten CO2-Gutschriften zu berücksichtigenden, abnehmbaren Energie aus der verfahrensgegenständlichen Klärschlammverbrennung beruhen nach der nicht zu beanstandenden Feststellung der Antragsgegnerin zumindest maßgeblich auch auf eine mangelnde Eindeutigkeit ihrer bisherigen Vorgaben für die Energiekonzepte. Im Einzelnen:

"[...] Voraussetzung für den Angebotsausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ist aber in jedem Fall, dass der Auftraggeber die verbindlichen Bedingungen des Auftrags eindeutig festgelegt hat. Gegebenenfalls sind die Vergabeunterlagen anhand der für Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 und 157 BGB) nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, auszulegen (vgl. Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 16 VOB/A-EU, Rn. 66; BGH, Urteil vom 31.01.2017 - X ZR 93/15; Urteil vom 07.01.2014 - X ZB 15/13). Maßgeblich ist die Sicht eines fachkundigen und mit einschlägigen Aufträgen vertrauten Bieters (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 14.10.2016 - 7 Verg 4/16; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.04.2016 -15 Verg 1/16).

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin, wie oben unter II. 2 a erörtert, nach Prüfung der Bieterkonzepte zu Recht davon ausgegangen ist, dass ihre Vorgaben im Hinblick auf die Bieterkonzepte nicht eindeutig im Sinne des § 121 GWB gewesen sind.

Das Angebot der Antragstellerin war und ist daher nicht gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Angebotswertung auszuschließen."

Die Vergabekammer nimmt damit Bezug auf ihre Erläuterungen unter Ziffer II. 2. a., die selbstredend nicht für sich betrachtet und isoliert für die Beurteilung der Rechtsverletzung der damaligen Antragstellerin gelten, sondern ebenfalls im Rahmen eines möglichen Ausschlusses des Angebots der damaligen Antragstellerin zu berücksichtigen sind. Allerdings war die Antragsgegnerin aufgrund ihrer unklaren Konzeptvorgaben in Bezug auf die Abgabe von Frischdampf zur externen Nutzung berechtigt, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen, jedoch entsprechend der Feststellung der Vergabekammer nicht nur isoliert für die Abgabe des Energiekonzeptes. Ein weiterer möglicher Ausschlussgrund, z.B. aufgrund von Mengenangaben, die nicht hinreichend plausibilisiert wurden, konnte sich damit nicht auswirken, weshalb ein Angebotsausschluss nicht in Betracht kam. Zudem bewirkt die erforderliche Zurückversetzung aufgrund der vergaberechtlich unzulässigen Unklarheit der Anforderungen, dass die jetzige Antragstellerin eine Zuschlagschance für das ursprüngliche Angebot nicht mehr geltend machen kann, da zunächst neue Angebote aufgrund überarbeiteter Vergabeunterlagen eingeholt und abgegeben werden müssen.

Ergänzende oder gar neue Tatsachen, die den vorgenannten Sachverhalt entscheidungserheblich konkretisieren oder einen neuen Sachverhalt hätten begründen können, konnte die jetzige Antragstellerin durch die Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren nicht erlangen. Denn im Rahmen der durch das OLG gewährten Akteneinsicht wurden der jetzigen Antragstellerin lediglich die genauen Mengenangaben aus dem Angebot der jetzigen Beigeladenen mitgeteilt. Weitere (neue) Angaben oder Tatsachen enthielt weder die rechtliche Stellungnahme vom 15.04.2019 noch der Vergabevermerk.

Im Übrigen ist auch dem Hinweisbeschluss des OLG vom 20.08.2019 kein anderer Sachverhalt oder eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen. Im Gegenteil (Seite 18 des Beschlusses):

"Ist das Vergabeverfahren aber aufgrund einer (anderen) vergaberechtlich unzulässigen Unklarheit ohnehin in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und können damit neue Angebote eingereicht werden, wirkt sich der bisherige Verstoß gegen § 53 Abs. 7 S. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV nicht weiter aus, sodass auch der Ausschluss des entsprechenden Angebotes der Abgabe eines neuen Angebotes nach Zurückversetzung nicht entgegenstünde."

An die bestandkräftige Entscheidung der Vergabekammer ist die jetzige Antragstellerin (und damalige Beigeladene) auch gebunden, so dass ein eigener Nachprüfungsantrag der Beigeladenen in derselben Sache unzulässig ist.

Die jetzige Antragstellerin machte bereits im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren von der Möglichkeit Gebrauch, ihre subjektiven Rechte zu verfolgen und effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Der Beigeladene erhält die gleiche Rechtsstellung wie die anderen Verfahrensbeteiligten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2000, -11 Verg 1/00, VergabeR 2001, 243). Er ist nicht auf die Rolle beschränkt, einen der Hauptbeteiligten, Antragsteller oder Antragsgegner, zu unterstützen, sondern kann Anträge oder sonstige Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Wahrnehmung eigener das Vergabeverfahren betreffender Interessen einsetzen (Jaeger in Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Auflage 2018, § 162 GWB, Rn. 9). Hat der Beigeladene einen von den Hauptparteien abweichenden Antrag gestellt, verfolgt er ein eigenständiges Rechtsschutzziel (Bungenberg in: Pünder/ Schellenberg, Vergaberecht 3. Auflage 2019, Rn. 22).

Die jetzige Antragstellerin hat im vorangegangenen Verfahren einen eigenen Antrag - auf Ausschluss des Angebots der jetzigen Beigeladenen vom weiteren Verfahren - gestellt und damit insoweit die Überprüfung der Verletzung ihrer subjektiven Rechte geltend gemacht. Die Rechtsstellung der Beigeladenen im Nachprüfungsverfahren steht der der Antragstellerin nur insoweit nach, dass sie auf eine Rücknahme des Nachprüfungsantrags durch die Antragstellerin keinen Einfluss hat, was im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kam. Da die jetzige Antragstellerin mit ihrem eigenständigen Antrag im erstinstanzlichen Verfahren unterlag, war ihre Rechtsstellung in Bezug auf die Einlegung von Rechtsmitteln mit der der damaligen Antragstellerin identisch. Sie hatte ebenso wie die damalige Antragstellerin die Möglichkeit, eine eigenständige sofortige Beschwerde beim OLG einzureichen. Die Hoheit über die Rücknahme ihrer Beschwerde und damit auch die Möglichkeit des Untergangs ihrer Beschwerde hätte dann alleinig bei ihr gelegen. Die jetzige Antragstellerin versäumte es jedoch, eine selbstständige Beschwerde einzulegen. Dieses Versäumnis jetzt durch die Einlegung eines Nachprüfungsantrags mit identischem Streitgegenstand des Vorgängerverfahrens VgK-22/2019 heilen zu wollen, widerspricht bei Vorliegen von bereits gewährtem Rechtsschutz dem für das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit an einer raschen Auftragsvergabe geltenden Beschleunigungsgrundsatz.

Eine Entscheidung einer Vergabekammer entfaltet auch für Beigeladene eine Bindungswirkung (VK Münster, Beschluss vom 13.03.2012, VK 2/12; Dicks in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht 3. Auflage 2018, § 162 GWB Rn. 1; Horn/Hofmann in: Beck'scher Vergaberechtskommentar Bd. 1, 3. Auflage 2017, GWB § 162 Rn. 29), was insbesondere spätere Nachprüfungsanträge als Antragsteller in gleicher Sache hemmt (BeckOK VergabeR/Fett, 12. Ed. 30.05.2019, GWB § 162 Rn. 25). Durch die Beiladung wird im Interesse eines raschen Verfahrens sichergestellt, dass allen Betroffenen, die durch eine Entscheidung der VK in ihren Rechten tangiert würden, in einem einzigen Verfahren Rechtsschutz gewährt wird. Denn dadurch sind diese gehindert, im Anschluss ein weiteres Nachprüfungsverfahren in derselben Sache anzustrengen, in dem ihnen regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte (Kadenbach in Willenbruch/Wieddeking, § 162 GWB, Rn. 6).

Entgegen der Auffassung der jetzigen Antragstellerin wird die Einlegung des Nachprüfungsantrags nicht durch den von ihr vorgetragenen "Wechsel der Beteiligten" zulässig. Dem von der jetzigen Antragstellerin zitierten Beschluss des OLG Frankfurts vom 20.12.2000 -11 Verg 1/00 lag bereits ein anderer Sachverhalt zugrunde. Das OLG Frankfurt hatte zu entscheiden, ob ein Nachprüfungsantrag wegen Rechtshängigkeit eines weiteren Nachprüfungsverfahrens als unzulässig abgewiesen werden durfte. Demnach bewirkte die Beiladung der dortigen Antragstellerin in einem Parallelverfahren der dortigen Beigeladenen keine "Antragssperre" zu Lasten der dortigen Antragstellerin. In der vorliegenden Sache wurde hingegen über die von der jetzigen Antragstellerin behauptete und ihre Auftragschancen ggf. beeinträchtigende, vermeintliche Rechtsverletzung bereits mit bestandkräftigem Beschluss der Vergabekammer entschieden. Hingegen ist der Beschluss des OLG Celle vom 05.09.2003 -13 Verg 19/03 heranzuziehen. Das OLG Celle behandelte dort gerade - auch die hier relevante - Frage, ob Verfahrensgegenstände, die Bestandteil eines bestandskräftigen Beschlusses waren, in einem neuen Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden können. Dabei spielt keine Rolle, dass es sich jeweils um dieselbe Antragstellerin handelte. Denn die jetzige Antragstellerin stellte im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren einen eigenen Antrag und verfolgte damit ein eigenes Rechtsschutzziel. Der Wechsel von der (damaligen) antragstellenden Beigeladenen zur (jetzigen) Antragstellerin ist damit für die Beurteilung der Identität des Streitgenstandes unerheblich.

Die jetzige Antragstellerin erlangte weder durch die Aktensicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens noch durch den Hinweisbeschluss des OLG vom 20.08.2019 neue Tatsachen, die einen neuen, zu überprüfenden Sachverhalt begründen. Die aufgeworfene Streitfrage, ob ein Ausschluss des Angebots der jetzigen Beigeladenen aufgrund von Mengen- bzw. Wärmemengenangaben bei der Ermittlung der CO2-Gutschrift, deren Abnahme nicht plausibel nachgewiesen wurde, erforderlich gewesen wäre, wurde wie dargestellt bereits im Nachprüfungsverfahren VgK-22/2019 abschließend behandelt. Im Ergebnis wäre demnach nur noch eine identische, nochmalige Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen.

Der Nachprüfungsantrag ist somit unzulässig. Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

Wegen der Unzulässigkeit hat die Vergabekammer von ihrer gemäß § 166 Abs. 1 S. 3 2. Alt. GWB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage zu entscheiden.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Gegenstandswert wird auf xxxxxx € festgelegt.

Dieser Betrag entspricht dem von der Antragsgegnerin geprüften Angebotspreis der Antragstellerin (xxxxxx €/tOS netto zzgl. 19 % MwSt multipliziert mit der von der Antragsgegnerin geschätzten und vorgegebenen Menge von 56.000 maschinell entwässertem Klärschlamm p. a. für eine feste Vertragslaufzeit von 25 Jahren) und damit dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag. Eine Begrenzung des Gegenstandswertes auf den 48-fachen Monatswert in Anwendung des § 3 Abs. 11 Nr. 2 VgV war nach vorliegendem Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 20.08.2019 -13 Verg 8/19 - nicht angezeigt.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € ergibt sich nach der Gebührentabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €, die jedoch auf die Höhe xxxxxx festgesetzt wird.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Allerdings hat die Vergabekammer bei der Festsetzung der Gebührenhöhe zu berücksichtigen, ob der Aufwand hier ggf. geringer ausgefallen ist. Nach Auffassung des OLG Celle (Beschluss vom 07.03.2019 - 13 Verg 1/19) ist im Rahmen der Gebührenermittlung nach § 3 Satz 1 VwKostG auch das Äquivalenzprinzip zu wahren, so dass die Verwaltungsgebühr auch im Einzelfall in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der damit bezahlten Behördenleistung, also der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrensgegenstandes, stehen muss (BGH, Beschluss vom 25.10.2011 - X ZB 5/10). In dem vom OLG zu entscheidenden Fall war das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin nicht auf die Zuschlagserteilung, sondern nur auf die Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen gerichtet ist. Dieses (geringere) wirtschaftliche Interesse war sachgerecht dadurch zu berücksichtigen, dass eine Gebührenermäßigung nach § 182 Abs. 2 Satz 1 GWB erfolgte, wobei Maßstab die Ermäßigung der Gebühr um die Hälfte i. S. v. § 182 Abs. 3 S. 3 GWB war. Von einer weiteren Reduzierung ob der Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung wurde aufgrund einer (umfassend begründeten) Entscheidung - auch unter Berücksichtigung des geringen wirtschaftlichen Interesses - abgesehen. Der Senat führte klarstellend zudem aus, dass der Umstand der Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung für sich genommen - mithin ohne Berücksichtigung des grundlegenden Umstandes, dass kein primärer Rechtsschutz nachgesucht wird - regelmäßig keine Ermäßigung der Basisgebühr auf die Hälfte rechtfertigen dürfte. Im vorliegenden Fall ist das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin auf die Zuschlagserteilung gerichtet, weshalb eine Reduzierung der Gebühr um die Hälfte nicht in Betracht kam. Des Weiteren wurde zwar auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, allerdings wurde sich mit der Streitfrage im Rahmen der Zulässigkeit umfassend und ausführlich auseinander gesetzt, weshalb von einer Reduzierung wegen der entfallenden mündlichen Verhandlung abgesehen wurde. Gutachterkosten sind nicht angefallen. Somit wird die Gebühr auf xxxxxx € festgesetzt.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.

Aufwendungen der Antraqsqegnerin:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat Antragstellerin der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin regelmäßig nicht als notwendig ansehen.

Allerdings handelte sich vorliegend bereits von der Abwicklung des Vergabeverfahrens her um eine für die Antragsgegnerin überdurchschnittlich schwierige Auftragsvergabe, für die die Antragsgegnerin bereits für das Vergabeverfahren selbst die rechtsanwaltliche Begleitung durch den Verfahrensbevollmächtigten benötigte. Es erscheint zur Abarbeitung eines Nachprüfungsverfahrens dann auch angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für die Antragsgegnerin insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012, VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012, VgK-36/2012).

Aufwendungen der Beigeladenen:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors sind auch die Kosten der Beigeladenen erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen einer Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass eine Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10). Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn eine Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem sie selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008, 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen einer Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10). Hat sich eine Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 4. Auflage, § 182, Rdnr. 40; OLG Celle Beschluss vom 12.01.2012, 13 Verg 9/11).

Hier hat die Beigeladene sich mit schriftsätzlichem Vortrag aktiv am Verfahren beteiligt und eigene Anträge gestellt.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren war gemäß § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG für die Beigeladene antragsgemäß als notwendig anzuerkennen. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren in der ersten Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Beigeladene erforderlich.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
von dem Knesebeck
Magill