Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 22.07.2004, Az.: 1 A 1381/03
Gebührensatzung für die Benutzung von abflusslosem Grundstücksabwasser; Entsorgung durch Abfahrt von Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen bei Sammelgruben ; Bedeutsame Unterschiede im Leistungsbereich und Kostenbereich bei dezentraler höherer Konzentration ; Eigene aufgesonderte Kalkulationen bei einheitlich öffentlicher Einrichtung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 22.07.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 1381/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 22965
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2004:0722.1A1381.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- NULL
Rechtsgrundlage
- § 5 KAG
Verfahrensgegenstand
Gebühren für Fäkalschlammbeseitigung
Prozessgegner
Samtgemeinde Am Dobrock
Samtgemeindebürgermeister, Am Markt 1, 21781 Cadenberge, - 60.7-66 46 15-mey
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Wenn die Abwasserbeseitigung aus Hauskläranlagen und abflusslosen Gruben als eine einheitlich öffentliche Einrichtung betrieben wird, sind jeweils eigene, auf gesonderten Gebührenkalkulationen beruhende Gebührensätze erforderlich.
- 2.
Das gilt selbst dann, wenn ein beauftragter Privatunternehmer für die Entsorgung des Fäkalschlamms und des Abwassers aus abflusslosen Gruben auf Grund eines Vertrages einen einheitlichen Preis berechnet.
- 3.
Der Satzungsgeber ist im Gebührenrecht gehalten, typische und wesentliche Unterschiede im Leistungsbereich auch bei der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen, es kann jedoch nicht verlangt werden, dass jeder denkbare (untypische) Einzelfall bei der Bildung der Gebührensätze seinen Niederschlag findet.
In der Verwaltungsrechtssache hat
das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2004 durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schmidt,
den Richter am Verwaltungsgericht Klinge,
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. von Kunowski sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstückes in E., das mit zwei Häusern bebaut ist. Er wendet sich gegen einen Gebührenbescheid der Beklagten, mit dem er zu Kosten der Fäkalschlammabfuhr herangezogen wurde.
Am 25. Februar 2003 wandte sich die Firma Abwasser-Service F., G., an die Beklagte mit der Bitte, die Fäkalschlammabfuhr in der 9. Woche 2003 vorzunehmen. Es sei in allen drei Kammern alles abzusaugen, nämlich Schwimm- und Bodenschlamm, wegen einer Sanierung der Anlage. Die Beklagte beauftragte daraufhin die Firma H., Großenwörden, mit der Fäkalschlammabfuhr und bat diese, die Firma I. über den Abfuhrtermin in Kenntnis zu setzen. Tatsächlich erfolgte die Abfuhr am 03. März 2003. Die Firma J. bescheinigte, dass 20 cbm Fäkalschlamm abgefahren worden seien.
Mit Bescheid vom 08. Mai 2003 zog die Beklagte den Kläger zur Gebühren heran. Dabei wurden 21,60 Euro als Grundgebühr und 628,00 Euro für die Abfuhr von 20 cbm berechnet. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger schriftlich Widerspruch ein. Er meinte, dies müsse ein Irrtum sein, ein Kubikmeter könne nicht mehr als 31,00 Euro kosten. Es habe sich um ganz normales Klärgrubenwasser gehandelt.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, den Widerspruch zurückzuweisen. Die Gebührenkalkulation sei im Januar 2001 wiederum neu vorgenommen worden. Nach der beschränkten Ausschreibung habe der günstigste Anbieter, die Firma H., den Auftrag erhalten. Bei der Berechnung habe sich ergeben, dass die Abfuhrkosten in Höhe von 14,53 Euro sowie die Schlammbehandlungskosten in Höhe von 16,87 Euro gerechtfertigt seien, sodass insgesamt eine Gebühr pro Kubikmeter von 31,40 Euro in der Satzung vom 29. März 2001 festgesetzt worden sei. Bei der Anlage auf dem Grundstück des Klägers habe es sich eindeutig um eine Kleinkläranlage gehandelt, sodass die Anwendung der Gebühren für abflusslose Sammelgruben nicht in Betracht kommen konnte.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2003 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte. Er hätte jedes Jahr den Klärschlamm abholen lassen. Dabei habe es sich immer nur um 2 cbm Schlamm gehandelt. Der Rest sei normales Abwasser gewesen, für das nicht die Klärschlammgebühr berechnet werden könne. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 10. Juni 2003 mit, dass es technisch nicht möglich sei, bei der Abfuhr von Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen den Schwimm- und Bodenschlamm und das Wasser aus der Zwischenschicht getrennt abzufahren. Eine differenzierte Gebührenrechnung sei daher nicht möglich. Mit Bescheid vom 28. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück. Dabei berief sie sich auf die in dem zitierten Schreiben genannten Gründe.
Der Kläger hat durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26. August 2003 Klage erhoben. Er hält die erhobenen Gebühren für nicht gerechtfertigt. Es habe sich lediglich auf dem Grund der Kleinkläranlage Fäkalschlamm befunden, der Rest sei Abwasser gewesen, für das nicht die gleichen Kosten entstünden wie für Fäkalschlamm. Die Beklagte habe nicht im Einzelnen begründet, warum eine getrennte Abfuhr technisch nicht möglich sei. Die Satzung der Beklagten sei zu beanstanden, wenn sie keine differenzierte Gebühr für Fäkalschlamm und Abwasser festsetze.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 20003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die ergangenen Bescheide und die diesen zu Grunde liegende Satzung. Diese setze entsprechend der Forderung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts eine gesonderte Gebühr für die Beseitigung von Fäkalschlamm aus Hauskläranlagen und für die Beseitigung von Abwasser aus abflusslosen Sammelgruben fest. Die Gebühr für einen Kubikmeter Abwasser aus abflusslosen Sammelgruben betrage 17,60 Euro, weil die Schlammbehandlungskosten entsprechend niedriger seien. Eine Trennung des Grubeninhaltes einer Kleinkläranlage sei nach der bestehenden Rechtslage nicht vorgeschrieben und sei in der Ausschreibung auch nicht gefordert worden. Deshalb seien die Fahrzeuge der auftragnehmenden Firma auch nicht dafür ausgestattet, eine entsprechende Trennung vorzunehmen. Dementsprechend sei unter dem Begriff Schlamm aus Kleinkläranlagen auch nach der DIN 4261 die Mischung des gesamten Grubeninhaltes, bestehend aus Bodenschlamm, Schwimmschlamm und Abwasser zu verstehen. Die Firma J. habe dementsprechend auch durch Schreiben vom 19. November 2003 bestätigt, dass eine Trennung von Schlamm und Wasser bei der Abfuhr nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen.
Der Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2003 findet seine Grundlage in § 5 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) i.V.m. der Satzung der Samtgemeinde Am Dobrock, Landkreis Cuxhaven, über Gebühren für die Beseitigung von Abwasser aus Grundstücksabwasseranlagen (Gebührensatzung für Grundstücksabwasseranlagen) vom 29. März 2001 (Amtsblatt des Landkreises Cuxhaven Nr. 26 vom 05.07.2001, S. 235). Nach § 2 dieser Satzung beträgt die Benutzungsgebühr bei der Entsorgung von abflusslosen Sammelgruben für jede Abfahrt (Grundgebühr) 21,60 Euro und für jeden eingesammelten Kubikmeter Abwasser aus abflusslosen Sammelgruben 17,60 Euro. Bei der Entsorgung von Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen beträgt die Benutzungsgebühr für jede Abfahrt (Grundgebühr) 21,60 Euro und für jeden eingesammelten Kubikmeter Fäkalschlamm 31,40 Euro. Die Gebührensatzung unterscheidet danach lediglich zwischen der Abfuhr aus Kleinkläranlagen und aus abflusslosen Sammelgruben. Diese Unterscheidung hat ihre Ursache darin, dass es sich um bedeutsame Unterschiede im Leistungs- und Kostenbereich zwischen diesen beiden dezentralen Kläranlagen handelt, weil der Fäkalschlamm aus Hauskläranlagen eine wesentlich höhere Schmutzkonzentration und einen erheblich höheren Verschmutzungsgrad aufweist, der intensive und aufwändige Entsorgungsleistungen mit entsprechenden Kosten mit sich bringt. Für die Entsorgung des Abwassers aus abflusslosen Gruben reicht ein wesentlich geringerer Aufwand aus. Die dabei erbrachte Leistung ähnelt im Wesentlichen derjenigen, die für die Reinigung des Abwassers aus der zentralen Schmutzwasserkanalisation erforderlich ist. Daher entstehen bei der Aufbereitung des Abwassers aus abflusslosen Gruben niedrigere Kosten als für die Entsorgung von Fäkalschlamm. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat daher in seinem Urteil vom 09. Mai 1995 (Nds. VBl. 1995, 255, Nds. Rpfl 1995, 358 = NST-N 1995, 248 = dng 1996, 62) die Forderung erhoben, dass jeweils eigene, auf gesonderten Gebührenkalkulationen beruhende Gebührensätze erforderlich sind, wenn die Abwasserbeseitigung aus Hauskläranlagen und abflusslosen Gruben als eine einheitlich öffentliche Einrichtung betrieben wird. Dies gelte selbst dann, wenn ein beauftragter Privatunternehmer für die Entsorgung des Fäkalschlamms und des Abwassers aus abflusslosen Gruben auf Grund eines Vertrages einen einheitlichen Preis berechnet.
Aus dieser Entscheidung kann der Kläger jedoch nicht herleiten, dass bei der Entsorgung einer Kleinkläranlage zwischen dem darin enthaltenen Klärschlamm und dem darin zweifellos ebenfalls zwangsläufig enthaltenen Abwasser im Falle einer vollständigen Entsorgung unterschieden wird. Der Satzungsgeber ist zwar im Gebührenrecht, wie das Oberverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, gehalten, typische und wesentliche Unterschiede im Leistungsbereich auch bei der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen, es kann jedoch nicht verlangt werden, dass jeder denkbare (untypische) Einzelfall bei der Bildung der Gebührensätze seinen Niederschlag findet. Typischerweise wird aus Kleinkläranlagen lediglich der Fäkalschlamm, d.h. der Bodenschlamm entsorgt, sodass die Kalkulation der Gebührensätze sich auf diesen Bestandteil bezieht. Dass eine Kleinkläranlage vollständig entsorgt wird, dürfte nur selten und ausnahmsweise, zum Beispiel im Falle der Sanierung der Anlage, in Betracht kommen, sodass dies nicht in der allgemeinen Regelung bei der Festlegung des Gebührenmaßstabes zu berücksichtigen ist. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass es nicht gerechtfertigt wäre, wegen derart selten vorkommender Einzelfälle technische Einrichtungen vorzuhalten, die eine getrennte Abfuhr bzw. ein getrenntes Abpumpen ermöglichen, weil dies eine nicht unerhebliche Gebührenerhöhung für alle anderen (typischen) Fälle zur Folge haben würde. Im vorliegenden Fall war die vollständige Entleerung der Kleinkläranlage ausnahmsweise von der von dem Kläger beauftragten Firma I. für den Kläger veranlasst worden, dessen Anlage saniert werden sollte. Ein derartiger Einzelfall kann nicht zu einer Gebührenreduzierung führen. Tatsächlich sind aus der Kleinkläranlage des Klägers 20 cbm Inhalt abgefahren worden. Dieser Inhalt muss als Inhalt einer Kleinkläranlage und damit als Schlamm behandelt und abgerechnet werden.
Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass selbst im Falle eines Erfolges der Klage die Bescheide nur in Höhe von 248,40 Euro aufzuheben gewesen wären, weil der Kläger die Gebühr hinsichtlich 2 cbm nach eigenem Vortrag als Fäkalschlammgebühr zu entrichten hätte, während er hinsichtlich der restlichen 18 cbm jedenfalls die Gebühr zu entrichten gehabt hätte, die für die Entsorgung abflussloser Gruben geschuldet wird. Insoweit hätte die Klage im äußersten Falle wegen 18 cbm in Höhe der Differenz von 13,80 Euro pro Kubikmeter Erfolg haben können, wobei noch die Grundgebühr für die zweite Abfahrt in Höhe von 21,60 Euro zusätzlich zu erheben gewesen wäre.
Hier ist die Klage jedoch in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 711, 708 Nr. 11 ZPO. Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist bei dem
Verwaltungsgericht Stade,
Am Sande 4a, 21682 Stade oder
Postfach 3171, 21670 Stade,
innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Verwaltungsgericht einzureichen.
Der Antrag und die Begründung müssen von einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit der Befähigung zum Richteramt oder einer nach § 67 Abs. 1 Sätze 3 bis 7 VwGO zur Vertretung berechtigten Person als Bevollmächtigtem eingereicht werden.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 649,60 Euro festgesetzt