Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 12.07.2004, Az.: 6 A 694/03
Vorläufige Veranlagung eines Kammerbeitrages für das Jahr 2003; Anforderungen für eine Kammerzugehörigkeit; Höhe des Grundbeitrages eines Kammermitgliedes
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 12.07.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 694/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 17898
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2004:0712.6A694.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO
- § 3 Abs. 2 IHKG
- § 3 Abs. 3 IHKG
Verfahrensgegenstand
Kammerbeitrag
Redaktioneller Leitsatz
- I)
Zur Industrie-und Handelskammer, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, gehören natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere nicht rechtsfähige Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie - und Handelskammer entweder eine gewerbliche Zulassung oder eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten.
- II)
Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie -und Handelskammern werden u.a. durch Beiträge der Kammerzugehörigen aufgebracht. § 3 Abs. 3 S. 1 IHKG bestimmt, dass als Beiträge Grundbeiträge und Umlagen erhoben werden. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden, wobei insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden sollen.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
am 12. Juli 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Wermes,
die Richterin Reccius sowie
die ehrenamtlichen Richter Herr D. und Herr E.
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Kostenvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die vorläufige Veranlagung zu einem Kammerbeitrag für das Jahr 2003.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG.
Mit Bescheid vom 14. März 2003 setzte die Beklagte für das Jahr 2003 vorläufig den nach der Haushaltssatzung vorgesehenen Grundbeitrag in Höhe von 178,00 EUR als IHK - Beitrag gegen die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG fest.
Dagegen legte die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG am 03. April 2003 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. April 2003 zurückwies.
Daraufhin hat die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG mit einem am 06. Mai 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, die die Klägerin fortführt.
Am 18. September 2003 firmierte die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG zunächst als Energie und Umwelt EU GmbH & Co Naundorf KG, die dann im November 2003 den Namen der Klägerin erhielt.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage vor, der angefochtene Beitragsbescheid sei rechtswidrig, weil die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG eine reine Vorratsgesellschaft gewesen sei, die nicht gewerblich tätig geworden sei. Aus der Erklärung des Finanzamtes Cuxhaven vom 6. Mai 2003 gehe hervor, dass die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG nicht zur Gewerbesteuer veranlagt worden sei. Damit sei nach dem Gesetzeswortlaut des IHKG eine Kammerzugehörigkeit nicht gegeben. Die Auffassung der Beklagten, dass sich die objektive Gewerbesteuerpflicht gem. § 2 GewStG ergebe, sei für die Anwendung des IHKG nicht relevant. der Gesetzeswortlaut sei insofern eindeutig. Darüber hinaus entspreche es auch dem Sinn und Zweck der Kammerzugehörigkeit, lediglich am Geschäfts- und Wirtschaftsverkehr teilnehmende Wirtschaftssubjekte in der Kammer interessensmäßig vertreten zu lassen. Eine Vorratsgesellschaft, die insoweit weder gewerblich noch geschäftlich tätig sei, bedürfe einer solchen Interessenvertretung nicht.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2003 und ihren Widerspruchsbescheid vom 04. April 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es komme bei der Frage der Kammerzugehörigkeit allein auf die Frage der objektiven Gewerbesteuerpflicht an. Die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG habe der objektiven Gewerbesteuerpflicht unterlegen. Ihr sei nach der Mitteilung des Finanzamtes Cuxhaven vom 2. Mai 2002 eine Steuernummer erteilt worden. Es komme nicht darauf an, ob das Finanzamt auf die Abgabe von Steuererklärungen für das Jahr 2001 verzichtet habe. Das Finanzamt Cuxhaven habe unter dem 4. Juli 2003 bestätigt, dass die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG gewerbesteuerpflichtig im Sinne des § 2 GewStG sei.
Wegen des Weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Gründe
Da die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte die Kammer gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. März 2003 und ihr Widerspruchsbescheid vom 04. April 2003 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, wie es für eine erfolgreiche Klage erforderlich wäre (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Für die in dem angefochtenen Bescheid erhobene Vorauszahlung auf den Kammerbeitrag findet sich die Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 und 3 IHKG in der Fassung vom 27.11.2003 (BGBl.. I S. 2304) i.V.m. § 6 der Haushaltssatzung der Beklagten für das Haushaltsjahr 2003 vom 5. Dezember 2002. Gemäß § 3 Abs. 2 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern u.a. durch Beiträge der Kammerzugehörigen aufgebracht. § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG bestimmt, dass als Beiträge Grundbeiträge und Umlagen erhoben werden. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden, wobei insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden sollen.
Gemäß § 6 Abs. 1 der Beitragsordnung der Beklagten vom 25. November 1998, zuletzt geändert am 5. Februar 2003, kann der Grundbeitrag gestaffelt werden. Zu den Staffelungskriterien gehören insbesondere Art und Umfang sowie die Leistungskraft des Gewerbetriebes. Berücksichtigt werden der Gewerbeertrag, die Handelsregistereintragung, das Erfordernis eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs, der Umsatz, die Bilanzsumme und die Beschäftigtenzahl. Der Gewerbeertrag ist danach nur eines von mehreren Kriterien für die Bestimmung der Höhe des Grundbeitrages. Die Staffelung und die Höhe der Grundbeiträge legt die Vollversammlung in der Haushaltssatzung fest.
Gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 5 der Haushaltssatzung vom 5. Dezember 2002 erhebt die Beklagte von Kammerzugehörigen, die im Handelsregister eingetragen sind, mit einem Verlust in unbestimmter Höhe, weder mit Verlust noch Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb oder Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb bis 25.564,59 EUR einen Grundbeitrag in Höhe von 178,00 EUR.
Entgegen der Auffassung der Klägerin gehörte die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG bereits zum Zeitpunkt der Beitragserhebung zur Beklagten und war damit beitrags- und vorausleistungspflichtig.
Gem. § 2 Abs. 1 IHKG gehören zur Industrie- und Handelskammer, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere nicht rechtsfähige Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer entweder eine gewerbliche Niederlassung oder eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten (Kammerzugehörige).
Entgegen der Auffassung der Klägerin erfüllte die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG im Beitragsjahr 2003 auch das Tatbestandmerkmal des § 2 Abs. 1 IHKG " sofern sie (die kammerfähigen Personen) zur Gewerbesteuer veranlagt sind.
Bei der Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG handelte es sich um eine Kommanditgesellschaft und damit um eine Handelsgesellschaft, die gemäß §§ 161, 162 Abs. 1 i.V.m. 106 HGB im Handelsregister eingetragen und als sog. Vorratsgesellschaft, d. h. eine nur zur Weiterveräußerung gegründete Gesellschaft, die mit Ausnahme der Verwaltung des eigenen Vermögens niemals selbst aktiv unternehmerisch tätig war (Schaub NJW 2003, S. 2125), nach § 2 GewStG objektiv der Gewerbesteuer unterliegt.
Die Gewerbesteuerpflicht der Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG gründet sich auf § 2 Abs. 1 GewStG, denn sie wurde ausweislich der Schreiben des Finanzamtes Cuxhaven vom 2. Mai 2002 und 4. Juli 2003 als gewerbesteuerpflichtige Betriebs KG i.S.v. § 2 GewStG geführt und - intern - zur Gewerbesteuer veranlagt, sodass deshalb grundsätzlich ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass sie auch ein Gewerbe betrieb (Nds. OVG, Urteil vom 27. November 1996 - 8 L 2549/95; BVerwG, Beschluss vom 06.Mai 1983, GewArch 1983, 260,261; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.Juli 1995 - 14 S 1872/94 -).
Der Zweck der Regelung in § 2 Abs. 1 IHKG besteht darin, das Beitragsverfahren nach dem IHKG zu vereinfachen und zu entlasten, indem bestimmten gewerbesteuerrechtlichen Tatbeständen insoweit Bindungswirkung beigelegt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 C 19.97 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 12). Diese Zwecksetzung hat nicht zur Folge, das Merkmal "zur Gewerbesteuer veranlagt" in § 2 Abs. 1 IHKG im Wortsinne zu verstehen und nur für die Fälle als erfüllt anzusehen, dass der betroffene Gewerbetreibende entweder tatsächlich Gewerbesteuer bezahlt oder zumindest ein einheitlicher Steuermessbetrag gem. § 14 GewStG durch das Finanzamt gegen ihn festgesetzt worden ist. Beide Voraussetzungen lagen bei der Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG nicht vor, doch kommt es für die Kammerzugehörigkeit hierauf nicht an. Nach einhelliger Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1977 - 1 C 35.73 - BVerwGE 55, 1 ff. [BVerwG 25.10.1977 - 1 C 35/73]; Nds. OVG, Urteil vom 20. Mai 1996 - 8 L 647/95 - GewArch 1996, 413 f. ; OVG Koblenz, Urteil vom 27. April 2004 - 6 A 10101/04.OVG - ), der sich die Kammer anschließt, ist für das Verständnis des Begriffs "zur Gewerbesteuer veranlagt" prägend, ob der beitragsrechtlich in Anspruch Genommene objektiv der Gewerbesteuerpflicht unterliegt. Dies ist dann der Fall, wenn unter Berücksichtigung der §§ 2 und 3 GewStG die Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach besteht. Dass sich diese Pflichtenlage zu einer Gewerbesteuerzahlungspflicht verdichtet hat, ist nicht erforderlich.
Aber selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG mangels gewerblicher Tätigkeit nicht der Gewerbesteuerpflicht unterlag, verhilft diese Auffassung der Klage nicht zum Erfolg.
Bei der Vorratsgesellschaft - als solche stellte sich die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG jedenfalls zum Zeitpunkt der Gründung dar - besteht der Unternehmensgegenstand in der Bereitstellung der Gesellschaft zur späteren Aufnahme eines Geschäftsbetriebs. Bis dahin erschöpft sich der Unternehmensgegenstand in der Verwaltung eigenen Vermögens (vgl. BGH, NJW 1992, 1824). Ob die Verwaltung dieses Vermögens bzw. die beabsichtigte Übertragung der Gesellschaftsanteile bereits eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, denn die Rechtsnachfolgerin der Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG ist im Jahre 2003 als Beteiligungsgesellschaft aktiv tätig geworden und unterlag damit im Jahr 2003 in jedem Fall der Gewerbsteuerpflicht i. S. des § 2 GewStG. Mithin bestand im Jahre 2003 für die Klägerin eine Veranlagung zur Gewerbesteuer und damit die für eine Beitragserhebung erforderliche Kammerzugehörigkeit. Der Grundbeitrag ist unteilbar, selbst wenn die Kammerzugehörigkeit nicht während des gesamten Haushaltsjahres bestanden hat (OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Mai 1996, Az: 8 L 647/95, GewArch 1996, 413-414), was das Gericht im vorliegenden Fall für die Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG bezogen auf das Haushaltsjahr 2003 offen lassen kann. Ausreichend ist, dass die Klägerin ausweislich der von der Klägerin eingereichten Auszüge aus dem Handelsregister mindestens seit dem 18. November 2003 als aktive Gesellschaft in Rechtsnachfolge der Energie und Umwelt EU GmbH & CO. Naundorf KG bzw. Energie und Umwelt EU GmbH & Co Helle Mühle KG existierte.
Gründe, die Berufung gem. § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird gem. § 13 Abs. 2 GKG a.F. auf 178,00 EUR festgesetzt.
Wermes
Reccius