Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 15.07.2004, Az.: 6 B 1113/04

Erheben von Gebühren für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen; Gebührenpflicht für die Benutzung eines Internats; Übernahme der Kosten auf Seiten des Ausbildenden

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
15.07.2004
Aktenzeichen
6 B 1113/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 15221
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:0715.6B1113.04.0A

Verfahrensgegenstand

Internatsgebühren;
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Prozessgegner

Landkreis Cuxhaven,
vertreten durch den Landrat, Vincent-Lübeck-Straße 2, 27474 Cuxhaven, - C. -

Redaktioneller Leitsatz

Für den Ausbildenden besteht keine Verpflichtung, dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden, erforderlich sind.

Das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
hat am 15. Juli 2004
beschlossen:

Tenor:

Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 90,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag hat keinen Erfolg.

2

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abgaben- und Kostenbescheide keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht kann in diesen Fällen jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung hierfür ist nach der auf das gerichtliche Verfahren analog anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. "Ernstliche Zweifel" im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen jedoch lediglich dann, wenn nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg des Rechtsmittelführers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen.

3

Bei Anlegung dieses Maßstabs bleibt dem Rechtsschutzantrag des Antragstellers der Erfolg versagt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides vom 20. Februar 2004 bestehen nicht. Das Klageverfahren - 6 A 1020/04 - wird daher voraussichtlich erfolglos sein.

4

Gemäß § 5 Abs.1 Satz 1 NKAG werden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren erhoben, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Diese Gebühren sind gemäß § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKAG nach Art und Umfang der Inanspruchnahme (Wirklichkeitsmaßstab) oder - wenn dies schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu bemessen, der nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf.

5

Nach Teil II § 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen der Berufsbildenden Schulen Cadenberge einschließlich des Berufsschulinternats vom 27. Juni 2001 (Amtsbl. LK Cux Nr. 27 vom 12. Juli 2001) besteht eine Gebührenpflicht für die Benutzung des Internats. In § 3 des Teils II der Satzung wird geregelt, wer die Gebühr schuldet. Danach schulden Personen die Gebühr, die Leistungen des Berufsschulinternates in Anspruch genommen haben, oder die für die vorgenannte Person eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben haben. Nach S. 2 dieser Vorschrift haften die Gebührenschuldner gesamtschuldnerisch für die Gebühr.

6

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist der Antragsgegner nicht verpflichtet, allein die in Insolvenz befindliche Fa. Mölle Bau GmbH, die für den Antragsteller unter dem 26. September 2003 eine Kostenübernahmeerklärung für die Gebühren abgegeben hat, in Anspruch zu nehmen. Die Kostenübernahmeerklärung hat jedenfalls gegenüber dem Antragsgegner nicht die Wirkung, dass der Antragsteller als Gebührenschuldner ausscheidet, sondern führt allein dazu, dass neben den Antragsteller ein weiterer Gebührenschuldner tritt. Dem Antragsgegner bleibt es danach unbenommen, den einen oder anderen Gebührenschuldner - ggf. wie vorliegend nach erfolgloser Heranziehung des Kostenübernehmers nacheinander - heranzuziehen.

7

Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg § 6 Abs. 1 Nr. 3 BBiG entgegen halten, denn die danach für den Ausbildenden bestehende Verpflichtung, dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden, erforderlich sind, ist hier nicht einschlägig.

8

Denn § 6 Abs. 1 Nr. 2 BBiG betrifft allein das Verhältnis zwischen dem Ausbildenden und dem Auszubildenden, nicht aber das hier allein interessierende Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner. Im Übrigen ist der Ausbildende nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BBiG nicht verpflichtet, dem Auszubildenden die Kosten für die Unterkunft, die anlässlich des Besuchs an einer auswärtigen Berufsschule entstanden sind, zu erstatten (vgl. LAG Schleswig Holstein, Urteil vom 21. Februar 1996, Ez.B. Nr. 4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BBiG; Herkert, Berufsbildungsgesetz, Kommentar, § 6 RN 11; § 12 RN 7).

9

Zu den vom Ausbildenden zu tragenden Ausbildungskosten gehören grundsätzlich nicht die im Zusammenhang mit dem Berufsschulunterricht entstehenden Kosten. Das Berufsbildungsgesetz geht für die Berufsausbildung vom Grundsatz des dualen Systems aus, das durch ein Zusammenwirken von betrieblicher und schulischer Ausbildung gekennzeichnet ist. Die in § 1 Abs. 5 BBiG und in § 3 Abs. 2 BBiG getroffenen Regelungen lassen keinen Zweifel daran, dass das Berufsbildungsgesetz die vertraglichen Regelungen zwischen Ausbildendem und Auszubildendem bei der Berufsausbildung nur insoweit ordnen will, als es sich um die betriebliche Berufsausbildung handelt (BAG, Urteil vom 16. Oktober 1974 - 5 AZR 575/73 - AP BBiG § 1 Nr. 1). Besucht der Auszubildende die staatliche Berufsschule, ist der "schulische" und nicht der betriebliche Bereich der Berufsausbildung betroffen. Im dualen Berufsbildungssystem müssen die Kosten für den theoretischen Ausbildungsteil grundsätzlich vom Auszubildenden selbst aufgebracht werden. Der Ausbildende hat selbst dann, wenn der Auszubildende am Blockunterricht einer auswärtigen staatlichen Berufsschule teilnehmen muss, diesem nicht die dadurch verursachten Fahrt-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten zu erstatten (BAG, Urteil vom 25. Juli 2002, Az: 6 AZR 381/00, DB 2003, 510-511; Gedon/Spiertz, Berufsbildungsrecht, Stand Juni 2002, § 5 BBiG Rn. 21 a).

10

Die Heranziehung des Antragstellers zu den geltend gemachten Gebühren stellt hiernach auch keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar. Insbesondere ist es nicht unverhältnismäßig, dass der Antragsteller letztlich das Risiko der Insolvenz seines Ausbildungsbetriebes tragen muss.

11

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war gem. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO abzulehnen, da es dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - wie dargelegt - an der hinreichenden Erfolgsaussicht mangelt.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 1 GKG a.F., wobei die Kammer 1/4 des streitigen Gebührenbetrages zugrunde gelegt hat.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 90,00 EUR festgesetzt.

Gärtner
Wermes
Reccius