Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 02.07.2004, Az.: 1 B 938/04

Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle ; Beeinträchtigung des Eigentums und der Ruhe durch den Flugbetrieb; Erweiterung des Flugsektors; Wiederaufnahme des Modellflugbetriebes

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
02.07.2004
Aktenzeichen
1 B 938/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 15215
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:0702.1B938.04.0A

Verfahrensgegenstand

Luftverkehrsrecht

Prozessführer

Herr A

Rechtsanwälte B.

Prozessgegner

Bezirksregierung Weser-Ems,
Theodor-Tantzen-Platz 8, 26122 Oldenburg

Rechtsanwalt D.

Sonstige Beteiligte

Herr C.

Redaktioneller Leitsatz

Ist anzunehmen, dass eine Beeinträchtigung des Eigentums und der Ruhe durch den Flugbetrieb nicht gegeben war, so ist eine rechtlich zu berücksichtigende Beeinträchtigung subjektiver Rechte durch die Aufnahme des Flugbetriebes in dem durch die Erlaubnis genehmigten Umfang nicht zu erwarten.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
am 2. Juli 2004
beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag des Antragstellers wird die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Aufstiegserlaubnis vom 07. Juli 2003 in der geänderten Fassung vom 06. Februar 2004 wiederhergestellt, soweit der Widerspruch den erweiternden Bescheid vom 06. Februar 2004 betrifft.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 2/3, die Antragsgegnerin und der Beigeladene je zu 1/6.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Beigeladene ist ein Modellflugverein, der auf den Flurstücken E. ein Modellfluggelände betreibt. Die erforderliche Aufstiegserlaubnis hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 07. Juli 2003 erteilt. Während des Genehmigungsverfahrens gab es verschiedene Bedenken des Landkreises F., weil in dem gesamten Bereich zwischen G. und dem H., insbesondere unmittelbar westlich neben dem Fluggelände, in größerem Umfang Wachteln vorkommen. Mit Bescheid vom 07. Juli 2003 erteilte die Antragsgegnerin die beantragte Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle mit und ohne Verbrennungsmotoren bis zu 25 kg Gesamtmasse. Die Genehmigung ist bis zum 31. Juli 2005 befristet. In ihr wurden die Flugsektoren festgelegt, wobei im Interesse des Schutzes der Natur eine Einschränkung gegenüber dem Antrag erfolgte. Im Übrigen sind der Erlaubnis zahlreiche Auflagen beigefügt worden, die insbesondere die Flugsicherheit, den Schutz der Natur, die Versicherung und anderes zum Gegenstand haben. Gegen die Genehmigung legte der Beigeladene hinsichtlich einiger Auflagen Widerspruch ein. Dieser betraf die Größe des Flugsektors und die festgesetzten Schallpegel. Während des Widerspruchsverfahrens half die Antragsgegnerin diesem Widerspruch durch Bescheid vom 6. Februar 2004 dadurch ab, dass sie den Flugsektor in nördlicher Richtung um einen Bereich mit einer Tiefe von 300 m erweiterte.

2

Anfang März 2004 legte der Antragsteller, der eine ehemalige Hofstelle bewohnt, die sich in nordwestlicher Richtung in einer Entfernung von etwa 500 m von dem Modellfluggelände entfernt befindet, Widerspruch gegen die dem Beigeladenen erteilten Erlaubnisse ein. Über diesen Widerspruch ist noch nicht entschieden worden.

3

Unter dem 05. Mai 2004 ordnete die Antragsgegnerin auf den Antrag des Beigeladenen hin die sofortige Vollziehung ihrer Bescheide an. Dabei stellte sie die Interessen des Beigeladenen und des Widerspruchsführers gegenüber und kam zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Beigeladenen an einer zügigen Inanspruchnahme der Erlaubnis höher zu bewerten sei.

4

Der Antragsteller hat am 01. Juni 2004 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er meint, der Sofortvollzug sei nicht rechtmäßig angeordnet und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Die Erlaubnisse seien rechtswidrig, weil sie die nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigten. Eine plausible Begründung für den Sofortvollzug sei nicht vorgelegt worden. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass der mit den Rechtsstreitigkeiten verbundene Zeitaufwand von dem Genehmigungsinhaber in Kauf genommen werden müsste.

5

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 02. März 2004 gegen die am 07. Juli 2003 erteilte Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle in der Fassung der Aufstiegserlaubnis vom 06. Februar 2004 wiederherzustellen.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

7

Sie verteidigt die ergangenen Bescheide.

8

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

den Antrag abzulehnen.

9

Er meint insbesondere, dass eine Beeinträchtigung des Antragsstellers aufgrund der Lage und der der Genehmigung hinzugefügten Auflagen ausgeschlossen erscheint.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie auf den Inhalt des Verfahrens 1 B 1028/04 Bezug genommen.

11

II.

Der Antrag hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.

12

Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei der Entscheidung sind einerseits die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren, andererseits aber die Gewichtung der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen und zu werten. Soweit sich bereits bei der in dem auf vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Überprüfung des angefochtenen Bescheides ergibt, dass dieser erkennbar rechtswidrig ist, ist regelmäßig die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geboten, während diese bei erkennbarer Rechtmäßigkeit des Bescheides abzulehnen ist. In einem Falle, in dem der Ausgang des Hauptverfahrens offen ist oder in dem eine Beweisaufnahme erforderlich sein kann, wird regelmäßig auf die Abwägung der sich gegenüber stehenden Interessen abzustellen sein.

13

Hinsichtlich der dem Beigeladenen am 07. Juli 2003 erteilten Genehmigung geht die Kammer bereits in diesem Verfahren davon aus, dass der Widerspruch des Antragstellers voraussichtlich zurückgewiesen wird. Dabei braucht die Frage nicht entschieden zu werden, ob die Erlaubnis insoweit bereits bestandskräftig geworden ist. Tatsächlich hat der Antragsteller jedenfalls Widerspruch erst eingelegt, nachdem der Flugsektor in nördlicher Richtung vergrößert wurde. Daraus ist unabhängig von der Frage, ob dem Antragsteller die erteilte Erlaubnis in ihrem Wortlaut bekannt war, jedenfalls zu schließen, dass eine Beeinträchtigung seines Eigentums und seiner Ruhe durch den Flugbetrieb vor Erweiterung des Flugsektors nicht gegeben war. Angesichts der örtlichen Lage ist es nahezu auszuschließen, dass der Antragsteller die Aufnahme des Flugbetriebes nicht bemerkt hätte. Tatsächlich entspricht es nach Auffassung der Kammer in diesem vorläufigen Verfahren auch der Rechtslage, dass eine rechtlich zu berücksichtigende Beeinträchtigung subjektiver Rechte des Antragstellers durch die Aufnahme des Flugbetriebes in dem durch die Erlaubnis vom 07. Juli 2003 genehmigten Umfang nicht zu erwarten ist. Das Grundstück des Antragstellers liegt in nordwestlicher Richtung, während sich der seinerzeit genehmigte Flugsektor im Wesentlichen in den Bereich von Süden bis Südwesten des geplanten Modellfluggeländes erstreckte. Schon von der Lage her ist es nahezu ausgeschlossen, dass auf dem Grundstück des Antragstellers die sich aus der auf dem Bundesimmissionsschutzgesetz beruhenden Sportanlagen-Lärmschutzverordnung ergebenden zulässigen Lärmgrenzen überschritten werden. Dies ergibt sich bereits bei überschlägiger Prüfung aus dem in dem Verfahren vorgelegten Gutachten vom 24. Oktober 2002 des Modellflug-Sachverständigen Klaus Böckmann, dem noch ein Flugraum zugrunde lag, der sich wesentlich weiter in den Bereich des Grundstückes des Antragstellers erstreckte. Nachdem die Antragsgegnerin mit der der Erlaubnis hinzugefügten Auflage Nr. 1 den Flugsektor insoweit in nördlicher Richtung ganz erheblich, wenn auch aus Gründen des Naturschutzes eingegrenzt hat, ergibt sich, dass eine rechtlich relevante Beeinträchtigung des Antragstellers bei Einhaltung der Bedingungen, die nach der ursprünglichen Genehmigung festgelegt waren, nahezu ausgeschlossen ist. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nur ihn in seinen subjektiven Rechten verletzende Beeinträchtigungen geltend machen kann, dürfte damit schon in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren feststehen, dass sein Widerspruch insoweit keinen Erfolg haben wird. Daher kann auch der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches insoweit nicht erfolgreich sein.

14

Hinsichtlich des Bescheides des Antragsgegners vom 06. Februar 2004 hält die Kammer den Ausgang des Hauptverfahrens derzeit für offen. Es ist möglicherweise denkbar, dass im Widerspruchsverfahren die Einholung eines weiteren Gutachtens für erforderlich gehalten wird. Die Kammer stützt ihre Entscheidung deshalb insoweit in diesem auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahren ausschließlich auf eine Abwägung der sich gegenüber stehenden Belange. Dem Interesse des beigeladenen Vereins an der Wiederaufnahme des Modellflugbetriebes kommt zwar ein gewisses Gewicht zu, diesem wird jedoch in einem nicht unerheblichen Umfang dadurch Genüge getan, dass er die Erlaubnis vorläufig weiter in dem Umfang nutzen kann, wie sie durch den Bescheid vom 07. Juli 2003 genehmigt wurde. Insoweit ist es dem Antragsteller auch ohne weiteres zuzumuten, die Bestandskraft des angefochtenen Bescheides abzuwarten, weil eine Beeinträchtigung nach Ansicht der Kammer ohnehin kaum gegeben sein dürfte und weil er die sich insoweit möglicherweise ergebenden Belästigungen auch bereits in dem Zeitraum von Juli 2003 bis März 2004 hingenommen hat, ohne sie zu beanstanden. Dem Beigeladenen ist es dagegen zuzumuten, seinen Betrieb zunächst lediglich in dieser Form wiederaufzunehmen und die mögliche Bestandskraft des Bescheides hinsichtlich des im nördlichen Bereich befindlichen Flugsektors abzuwarten.

15

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1, 154 Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO. Es erschien billig, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser als notwendig Beigeladener in das Verfahren einbezogen werden musste und zudem einen eigenen Antrag gestellt hat. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller mit seinem Antrag die Einstellung des gesamten Flugbetriebes erreichen wollte, obwohl eine rechtlich relevante Beeinträchtigung hinsichtlich des größeren Teils nicht gegeben ist, hat er die Kosten des Verfahrens diesem Anteil entsprechend zu tragen.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 13 a.F., 72 Nr. 2 n.F. GKG, wobei für dieses vorläufige Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte des Regelstreitwertes erkannt wurde.

Schmidt
Lassalle
Leiner