Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 09.01.2002, Az.: 6 A 137/01

Abschiebung; Abschiebungsandrohung; Abschiebungshindernis; Ajanib; Aschnabi; Glaubhaftmachung; Glaubwürdigkeit; Maktoumeen; Maktumin; mittelbare Gruppenverfolgung; politische Verfolgung; Staatenlose; Staatsangehörigkeit; substantiierter Vortrag; Syrien; Verfolgungsprognose; Vorverfolgung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
09.01.2002
Aktenzeichen
6 A 137/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42325
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können eine vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die Kläger, die behaupten Kurden aus Syrien zu sein, reisten nach eigenen Angaben als Familie am 26.03.2001 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zur Begründung ihres am 04.04.2001 gestellten Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte führten sie im Wesentlichen aus:

2

Sie besäßen nicht die syrische Staatsangehörigkeit, sondern seien staatenlos. Sie hätten einen weißen Ausweis mit ihrem Foto und keinerlei sonstige Personalpapiere besessen. Sie hätten die Schule nicht besucht und Land bewirtschaftet, das auf den Namen ihres Nachbarn registriert gewesen sei. Der Kläger zu 1. sei regimekritischer Aktivitäten verdächtigt worden. Nachdem er beim Newrozfest am 21.03.2000 die kurdische Fahne gezeigt habe, sei er zwei Monate lang inhaftiert worden. Wegen zweier aus Europa zugesandten Videokassetten, die Darstellungen kurdischer Feiern enthielten, und die in ihrem Hause beschlagnahmt worden seien, hätten sie fliehen müssen.

3

Mit Bescheid vom 22.05.2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag als unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht gegeben seien. Außerdem forderte die Behörde die Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung auf und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen werde, die Abschiebung nach Syrien oder in ein aufnahmebereites sonstiges Land an.

4

Gegen den am 07.06.2001 zugestellten Bescheid haben die Kläger am 11.06.2001 Klage erhoben.

5

Die Kläger beantragen,

6

den Bescheid des Bundesamtes vom 22.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG vorliegen.

7

Die Beklagte beantragt (schriftlich),

8

die Klage abzuweisen.

9

In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ergänzende Ausführungen gemacht. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.01.2002 verwiesen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die den Beteiligten bekannte Liste der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens von Beteiligten verhandeln und entscheiden konnte, da es in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen hat (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG noch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des § 53 AuslG vorliegen.

12

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger tatsächlich auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Denn ihrem Begehren kann aus den nachfolgenden Gründen nicht entsprochen werden.

13

Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben politisch Verfolgte (Art. 16 a Abs. 1 GG). Dieses Individualgrundrecht kann in Anspruch nehmen, wer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland politische Verfolgung (erneut oder erstmals) zu befürchten hat. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden oder unmittelbar drohen, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfasst auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der freien Religionsausübung und ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch indessen nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. vom 24.06.1992 - 2 BvR 176/92 u.a., S. 12 f. des Abdrucks unter Hinweis auf BVerfGE 76, 143, 158). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ergeben, wenn der Asylbewerber sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und auch im Übrigen vergleichbaren Lage befindet, so dass seine (etwaige) Nichtbetroffenheit von ausgrenzenden Rechtsverletzungen eher als zulässig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 230). Eine solche sog. mittelbare Gruppenverfolgung liegt danach typischerweise vor bei Massenausschreitungen (Pogromen), die das ganze Land oder große Teile desselben erfassen, aber etwa auch dann, wenn unbedeutende oder kleine Minderheiten mit solcher Härte, Ausdauer und Unnachsichtigkeit verfolgt werden, dass jeder Angehörige dieser Minderheit sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht, wobei allerdings nicht ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend erfasst sein muss (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 232). Auch ohne Pogrome und diesen vergleichbare Massenausschreitungen liegt eine mittelbare Gruppenverfolgung immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe betroffen werden, so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden (BVerwG, Beschl. vom 24.09.1992, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 156; Urt. vom 05.07.1994, BVerwGE 96, 200, 203). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 02.08.1983, BVerwGE 67, 317 m. w. N.) wird eine solche von nichtstaatlicher Seite, insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen ausgehende Verfolgung dem Staat zugerechnet, wenn dieser die Verfolgung billigt oder fördert, ferner wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe Privater zu schützen. Dabei besteht die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten lückenlosen Schutz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder "Pannen" sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des öffentlichen Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall von dem Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare Verfolgung dann zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, vorkommende Fälle von Schutzverweigerung mithin ein von der Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten der Handelnden in Einzelfällen sind (BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24).

14

Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Ursachenzusammenhang von Verfolgung/Flucht/Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60; Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 344), ist ferner von maßgeblicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm politische Verfolgung aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, aaO., 64 f.; Beschl. vom 10.07.1989, aaO., 344; BVerwG, Urt. vom 20.11.1990, BVerwGE 87, 152; Urt. vom 23.07.1991, DVBl. 1991, 1089). Für die Annahme einer drohenden Verfolgung ist entscheidend, ob aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die dazu erforderliche Zukunftsprognose hat auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und muss auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein (BVerwG, Urt. vom 03.12.1985, EZAR 202 Nr. 6). Sie hat die vom Asylbewerber geschilderten Ereignisse zu würdigen und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahme festzustellen (§§ 15, 25, 74 Abs. 2 AsylVfG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. vom 23.11.1982, BVerwGE 66, 237). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urt. vom 12.11.1985, EZAR 630 Nr. 13).

15

Dies setzt voraus, dass der Asylbewerber die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorträgt. Hierzu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Beschl. vom 18.09.1989, InfAuslR 1989, 350 m.w.N.). Dazu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen. Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen. Ändert der Asylsuchende in seinem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erwecken (BVerwG, Beschl. vom 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38; Beschl. vom 21.07.1989, Buchholz 402.24 § 1 AsylVfG Nr. 113). Zwar spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers zugleich auch gegen seine Glaubwürdigkeit; vielmehr ist bei der Wertung seiner Aussage zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen Asylantragstellung, der Anhörung im Verwaltungsverfahren, der schriftlichen Klagebegründung sowie ggf. der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht jeweils größere Zeiträume liegen können. Auch dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden. Grundlegende, für das Verlassen des Heimatlandes und den Asylantrag maßgebende Umstände im individuellen Lebensweg des Asylbewerbers bleiben jedoch im Normalfall zumindest in ihren wesentlichen Einzelheiten in Erinnerung. Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich hierauf beziehen, machen das Vorbringen des Asylbewerbers zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal in der Regel insgesamt unglaubwürdig. Vor allem für diejenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, ist ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier Tatsachenvortrag zu fordern. Dabei ist die wahrheitsgemäße Schilderung einer realen Verfolgung erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.

16

Nach diesen Grundsätzen haben die Kläger eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

17

Die Angaben der Kläger sind nicht glaubhaft. Die Kläger haben nicht glaubhaft machen können, als sog. Staatenlose in Syrien gelebt zu haben. Ihre diesbezüglichen Angaben sind bereits vom Bundesamt im angegriffenen Bescheid zu Recht für unglaubhaft erachtet worden. Das Gericht schließt sich dieser Beurteilung an und nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf den angefochtenen Bescheid Bezug. Durch ihre Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung haben der Kläger zu 1. und mit ihm die Klägerin zu 2., die dessen Angaben bestätigt hat, die bestehenden Zweifel an der Richtigkeit ihrer Angaben in einem Maße verstärkt, dass zusätzlich Zweifel aufgekommen sind, ob es sich bei den Klägern tatsächlich um Personen handelt, die in Syrien gelebt haben. Der Klägers zu 1. hat sich durch seine Angaben zur Überzeugung des Gerichts als eine Person erwiesen, die weder alltagsgebräuchliche Kenntnisse über die in Syrien für sog. Staatenlose oder Ausländer ausgestellten Ausweispapiere noch ein von jedem Syrer zu erwartenden Mindestmaß an Ahnung vom dortigen Registrierungswesen hat. Insbesondere auch die vom Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung behauptete Besserstellung der sog. Maktumin (Nicht-Registrierte) gegenüber den sog. Aschubi (als Ausländer Registrierte), zu denen er sich und seine Angehörigen rechnet, hat gezeigt, dass er mit den Lebensumständen in Syrien nicht vertraut ist. Von einem Kurden, der - und sei es unter einfachsten Bedingungen - im Nordosten Syriens gelebt hat, kann nach der Überzeugung des Gerichts erwartet werden, dass er weiß, dass die sog. Maktumin, die nicht als syrische Staatsbürger, aber im Unterschied zu den Aschubi noch nicht einmal als Ausländer registriert sind, gerade nicht höhere Bildungsabschlüsse erwerben und unbeschränkten Zugang zum Berufsleben in Syrien haben, wie der Kläger zu 1. indessen im Laufe der mündlichen Verhandlung angegeben hat, wobei offenbar geworden ist, dass er sich trotz der behaupteten orangeroten Ausweiskarte, die nur für sog. Registrierte (Nicht-Syrer) ausgegeben wird, für einen Nicht-Registrierten hält. Da der Kläger im Zuge der mündlichen Verhandlung andererseits stets bemüht gewesen ist, seine Angaben dem angenommenen Erwartungshorizont anzupassen und die gröbsten Mängel seiner erstaunlichen Aussagen zu bereinigen, hält das Gericht die andernfalls naheliegende Annahme hochgradiger geistiger Mängel für ausgeschlossen. Insoweit passt es auch ins Bild und spricht für eine wahrscheinlich türkische Herkunft der Kläger, dass beide erwachsenen Kläger bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt durchweg von "Soldaten" bzw. "Soldatenwache" gesprochen hat, wie es nach der Kenntnis des Gerichts, das in der Vergangenheit auch mit zahlreichen Asylverfahren von Kurden aus der Türkei befasst war, für Kurden insbesondere aus der Osttürkei üblich ist, wohingegen Kurden aus Syrien üblicherweise die dort aktiven Sicherheitsdienste (Geheimdienste) nennen.

18

Abgesehen davon widersprechen wesentliche Angaben der Kläger dem, was sie gegenüber dem Bundesamt behauptet haben. Während sie damals behauptet und sogar näher ausgeführt haben, sie hätten weiße Staatenlosigkeitsausweise besessen, haben sie in der mündlichen Verhandlung nunmehr angegeben, sog. orangene Ausweise gehabt zu haben. Dieser Widerspruch lässt sich nicht - wie vom Kläger schließlich geltend gemacht - auf ein Missverständnis im Laufe der Anhörung durch das Bundesamt zurückführen. Wenn der Kläger bereits damals von seinem orangenen Ausweis gesprochen hätte, könnten seine auf Seite 10 seiner Anhörungsniederschrift dokumentierten Einlassungen nicht nachvollzogen werden.

19

Auch mit Blick auf die geschilderte Verfolgungsfurcht hat das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Angaben der Kläger glaubhaft sind. Ihre diesbezüglichen Einlassungen sind auch im Zuge der Befragung durch das Gericht nicht überzeugender geworden, sondern lebensfern und undetailliert geblieben, so nicht angenommen werden kann, sie würden auf Selbsterlebtem beruhen. Auch insoweit sowie zur fehlenden Verfolgungsgefahr wegen der (behaupteten) Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe sowie einer fehlenden Gefährdung trotz illegaler Ausreise und Asylantragstellung wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid Bezug genommen. Anhaltspunkte für eine sonstige erhebliche Gefährdung bestehen nicht.

20

Die Kläger erfüllen auch nicht die Voraussetzungen eines Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG.

21

Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 AuslG betrifft neben den Fällen der politischen Verfolgung i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG auch solche Fälle, in denen eine Anerkennung als Asylberechtigter nach den §§ 26a und 27 AsylVfG ausgeschlossen ist oder wegen selbst geschaffener (subjektiver) Nachfluchtgründe scheitert (§ 28 AsylVfG). Indem diese Regelung voraussetzt, dass der Ausländer im Herkunftsland von einer der genannten Rechtsgutverletzungen bedroht ist, lässt sie erkennen, dass eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dieser Rechtsgutverletzung bestehen muss und eine bloße, selbst durch Präzedenzfälle bestätigte Möglichkeit solcher asylerheblicher Nachteile nicht ausreiche (BVerwG, Beschl. vom 13.08.1990, Buchholz 402.25, § 28 AsylVfG Nr. 18).

22

Eine derartige beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr in ihr (angebliches) Heimatland besteht aus den bereits dargelegten Gründen nicht.

23

Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse i.S.d. § 53 AuslG nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, den Klägern drohten die in § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK genannten Gefahren. Nach diesen Vorschriften darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG) oder einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Strafe oder Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK) unterworfen zu werden. Voraussetzung für die Annahme eines Abschiebungshindernisses ist, dass konkrete und ernsthafte Gründe bzw. begründete Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der konkrete Betroffene werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Zielstaat der Abschiebung unmenschlich behandelt werden. Die theoretische Möglichkeit genügt hierfür allein nicht (EGMR, Urt. vom 30.10.1991, NVwZ 1992, 869; BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, 9 C 1.94; Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162). Anhaltspunkte für eine solchermaßen beachtliche Gefährdung liegen nicht vor. Soweit die Ausreise aus Syrien nicht genehmigt gewesen ist, muss zwar mit einer Strafverfolgung wegen illegaler Ausreise gerechnet werden (AA, Auskunft an das VG Saarlouis vom 26.04.2001). Selbst wenn dies jedoch zu einer Haftstrafe führen sollte, liegen indessen keine Erkenntnisse darüber vor, dass damit eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Sinne von § 53 AuslG verbunden wäre (vgl. AA, Lagebericht vom 08.02.2001; Auskunft vom 12.01.1999 an das VG Freiburg; DOI, Gutachten vom 26.02.1999 an das VG Freiburg).

24

Hinsichtlich der Regelungen des § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG ergibt sich dies aus dem Vorstehenden. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Lediglich dann, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG zusteht, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach den §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gebieten, ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass eine Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 199). Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dass die Kläger sich bei einer Rückkehr nach Syrien in einer solchen extremen Gefahrenlage befinden würde.

25

Da das Bundesamt die Kläger zu Recht nicht als Asylberechtigte anerkannt hat und sie keine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, hatte die Behörde sie gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen.

26

Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.