Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 31.03.2004, Az.: 11 A 1675/03
Algerien; Apostasie; Diabetes mellitus Typ I; Gefahrenlage; Homosexualität; Konvertit; krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis; Wiederaufgreifen des Verfahrens
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 31.03.2004
- Aktenzeichen
- 11 A 1675/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50549
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 6 AuslG
- § 53 Abs 4 AuslG
- § 51 Abs 3 VwVfG
- § 51 Abs 2 VwVfG
- § 51 Abs 1 VwVfG
- Art 9 EMRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ein rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber aus Algerien, der unter diabetes mellitus Typ I leidet, kann trotz behaupteter Mittellosigkeit jedenfalls dann nicht ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Feststellung eines zielstaatsbeogenen krankheitsbedingten Abscheibungshindernisses nach § 53 VI 1 AuslG verlangen, wenn die Ausländerbehörde ihm einen Kühlkoffer mit einem Insulinvorrat für 5 Jahre zur Verfügung stellt.
2. Ein Wiederaufgreifen ist auch nicht wegen der zwischenzeitlich bewusst gewordenen Homosexualität und des Übertritts zum christlichen Glauben geboten.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Der Kläger, ein algerischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit, wendet sich gegen das versagte Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Nach erfolglosem Asylverfahren unter Alias-Namen (Urteil des VG Braunschweig vom 11. April 2002 - 4 A 73/02 -, bestätigt durch Nds. OVG, Beschluss vom 23. Mai 2002 - 4 LA 200/02 -) beantragte er am 6. September 2002 - ebenfalls unter Alias-Namen - beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) das Wiederaufgreifen seines Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, er leide - wie erst jetzt festgestellt - unter Diabetes Mellitus Typ I (ärztliches Attest von Dr. S. vom 30. August 2002), den er infolge der eigenen wirtschaftlichen Situation und derjenigen seiner Angehörigen in Algerien nicht angemessen behandeln könne. Im Falle einer Abschiebung nach Algerien würde er wegen des Verdachts auf Desertion oder Wehrdienstentziehung in Polizeigewahrsam genommen, verhört und mehrere Tage lang festgehalten (vgl. Gutachten von amnesty international - ai - vom 28. September 2001 an VG Schwerin). Die Haftdauer werde sich verlängern, da er - wie im Erstverfahren angegeben - keinen Wehrdienst abgeleistet habe. Angesichts der katastrophalen Haftbedingungen und der psychischen Belastung, der er hierbei ausgesetzt wäre, drohe ihm ohne regelmäßige Insulingaben der Tod.
Mit am 23. April 2003 zugestelltem Bescheid vom 15. April 2003 lehnte das Bundesamt eine Abänderung seines Asylerstbescheides vom 7. Februar 2002 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab. Zugleich wies es darauf hin, dass es keiner erneuten Abschiebungsandrohung bedürfe. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Klägers erfülle nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen. Diabetes Mellitus sei eine häufig auftretende Erkrankung, die in Algerien behandelbar sei. Das Fehlen von finanziellen Mitteln zur Weiterbehandlung der Erkrankung sei nicht von ihm im Rahmen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zu berücksichtigen, sondern von der Ausländerbehörde bei der Abschiebung zu prüfen. Die Gefahr, bei einer Abschiebung in Polizeigewahrsam zu geraten, sei bereits Gegenstand des Asylerstverfahrens gewesen. Auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen komme aus diesen Gründen nicht in Betracht.
Zwischenzeitlich teilte die Ausländerbehörde der Stadt Delmenhorst mit, dass sie dem Kläger einen Kühlkoffer mit Insulin für fünf Jahre zur Verfügung stelle und Abschiebungsmaßnahmen einleite, falls er nicht freiwillig ausreise. Daraufhin suchte er - wiederum unter Alias-Namen - am 13. Oktober 2003 und erneut am 24. November 2003 wegen veränderter Umstände (zwischenzeitliches Bekenntnis zur Homosexualität, Konversion zum christlichen Glauben der evangelischen Kirchengemeinschaft sowie erforderliche Neueinstellung des Diabetes mellitus Typ I) erfolglos um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach (Beschlüsse der Kammer vom 21. Oktober 2003 - 11 B 3755/03 - und 4. Dezember 2003 - 11 B 4675/03 -).
Der Kläger hat bereits am 7. Mai 2003 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend trägt er vor, erst kurz vor der mündlichen Verhandlung habe er das Vertrauen gewonnen, seine wahre Identität preiszugeben, die sich aus der vorgelegten Kopie seines Führerschein erschließe. Einen Pass habe er nicht, wolle er sich aber nunmehr besorgen. Weitere Unterlagen, die seine Identität belegten, habe er beim Standesamt Syke eingereicht um eine Lebenspartnerschaft mit dem deutschen Staatsangehörigen Peter D. eintragen zu lassen. Trotz des angebotenen Kühlkoffers mit einem Insulinvorrat liege ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG vor. Er könne in Algerien nicht die vor jeder Injektion des lebensnotwendigen Insulins erforderliche Ermittlung des Blutzuckerwerts durchführen, was zu schwerwiegenden Schädigungen führe (Ärztliche Atteste von Dr. S. vom 20. Mai und 28. April 2003). Wegen ständiger Schwankungen seiner Blutzuckerwerte sei die Gefahr solcher Schädigungen beachtlich. Die Schwankungen würden durch die erforderliche Neueinstellung im S.-A. Stift in der Zeit vom 12. bis 17. November 2003 (vgl. Aufnahmebescheinigung vom 12. November 2003, Entlassungsbericht vom 17. November 2003 und Bericht an den Hausarzt des Antragstellers vom 18. November 2003) und die Eintragungen in seinen Diabetikerpass belegt. Auch die Haltbarkeit des Insulinsvorrats sei problematisch. Außerdem sei nach Verbrauch des Vorrats sein Leben bedroht, weil er wegen seiner Mittellosigkeit und der zu erwartenden Arbeitslosigkeit in Algerien die Behandlungs- und Medikationskosten nicht aufbringen könne. Schließlich drohten ihm der sichere Tod oder schwerwiegende Verletzungen während der zu erwartenden Inhaftierung nach einer zwangsweisen Rückführung. Unabhängig davon lägen wegen seiner erst zwischenzeitlich erkannten homosexuelle Neigung sowie seines Übertritts zum christlichen Glauben Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 9 EMRK bzw. § 53 Abs. 6 AuslG vor. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass beide Umstände in Algerien - etwa auch durch die öffentliche Verhandlung und eine ablehnende Entscheidung des Gerichts - bekannt würden. Seine homosexuelle Neigung könne sein Freund, mit dem er eine eingetragene Lebenspartnerschaft anstrebe, bestätigen. Sein religiöses Existenzminimum sei in Algerien nicht gewährleistet (vgl. Stellungnahme seines Pastors O. vom 27. März 2004).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bestehen.
Die Beklagte beantragt nach Aktenlage,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid, die ergänzenden Stellungnahmen des Einzelentscheiders und die Beschlüsse des Gerichts im vorläufigen Rechtsschutz.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakten 11 B 3755/03 und 4675/03 sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Weiter wird verwiesen auf Auskünfte, Gutachten, Stellungnahmen und Presseberichte, die auf Bl. 61 ff. der Gerichtsakte aufgeführt und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann die - im Wege des Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG - begehrte Schutzgewährung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bzw. § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 9 EMRK nicht verlangen. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes erweist sich auch nach dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) im Ergebnis als rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Darin ist auch zutreffend von der erneuten Anordnung aufenthaltsbeendender Entscheidungen abgesehen worden (entsprechend § 71 Abs. 5 AsylVfG).
Zwar scheitert der Wiederaufnahmeantrag des Klägers entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht bereits an den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG. Beschränkt ein im Asylerstverfahren unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber - wie hier - seinen erneuten Antrag beim Bundesamt auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG, setzt die Bescheidung dieses Antrags nicht voraus, dass sich die Rechtslage in einer § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG genügenden Weise geändert hat (Nds. OVG, Urteil vom 1. März 2001 - 1 L 593/02 - AuAS 2001, 140 und Beschluss vom 28. August 2002 - 1 LA 167/02 - unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 - BVerwGE 111, 77). Vielmehr hat das Bundesamt gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob die bestandskräftige Entscheidung über (das Fehlen der) Abschiebungshindernisse für die Zukunft Bestand haben kann. Dem korrespondiert ein Anspruch des Ausländers auf fehlerfreie Ermessensausübung. Seine Begünstigung hierdurch rechtfertigt sich daraus, dass hier „nur“ die Feststellung von Abschiebungshindernissen in Rede steht, welche die Vollziehbarkeit der Ausreiseaufforderung unangetastet lassen und nach der Rechts- (u.U. anders als nach der Tatsachen-)lage lediglich einen zeitlich begrenzten Aufschub gewähren (Nds. OVG, a.a.O.). Die gegenteilige Entscheidung des Bundesamtes ist hier aber unbeachtlich, weil es auch inhaltliche Aussagen zum Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG getroffen und seine Versagung des Wiederaufgreifens zusätzlich auch auf Ermessenserwägungen gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG gestützt hat. Im Ergebnis lassen sich keine bedeutsamen Rechts- oder Ermessensfehler feststellen. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im gerichtlichen Verfahren ist nicht hinreichend glaubhaft, dass der Kläger ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und gegebenenfalls die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG verlangen kann.
Ein Wiederaufgreifen (selbst bei präkludiertem Vorbringen) und gegebenenfalls die Feststellung des begehrten Abschiebungshindernisses kommen in Betracht, wenn der Ausländer anderenfalls einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben, insbesondere einer extremen Gefahrensituation im Sinne der Rechtsprechung zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG ausgesetzt wäre und die geltend gemachte Gefahr zuvor behördlich oder gerichtlich noch nicht geprüft worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1999 - 1 C 6.99 - NVwZ 2000, 204). Eine extreme Gefahrenlage in diesem Sinne ist etwa dann anzunehmen, wenn die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer unzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat so gravierend ist, dass der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, stetige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 - InfAuslR 1998, 409; Urteil vom 19. November 1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249, 258 und Urteil vom 4. Juni 1996 - 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 m.w.N.). Zwar bedeutet dies nicht, dass der Ausländer im Falle einer Rückführung gleichsam am Tag der Rückkehr dem Tode ausgesetzt sein muss, vielmehr besteht eine berücksichtigungsfähige Gefahr auch dann, wenn ihm mangels jeglicher Lebensgrundlage der baldige sichere Tod droht (BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1999 - 9 B 617.98 -, InfAuslR 1999, 265). Dies gilt sowohl für die Fälle, in denen eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Herkunftsstaat - etwa wegen des geringen Versorgungsstandards - generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Steht etwa eine notwendige Behandlung und Medikation zwar allgemein zur Verfügung, ist sie dem betroffenen Ausländer aber individuell aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich, liegt eine unter § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG fallende zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben vor (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 - DVBl. 2003, 463). Allerdings tritt die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann ein, wenn die Nichterreichbarkeit der medizinischen Versorgung den einzelnen Ausländer betrifft, weil er einer Bevölkerungsgruppe angehört, die den sich aus einer eingeschränkten medizinischen Versorgungslage ergebenden Gefahren ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1998 - 9 C 36.97 - und Beschluss vom 29. April 2002 - 1 B 59.02 - juris).
Hiervon ausgehend lässt sich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine derartige extreme Gefahrensituation infolge der Diabetes-Mellitus-Erkrankung des Klägers und seiner Behandlungsbedürftigkeit nicht annehmen. Den ärztlichen Attesten von Dr. S. vom 20. Mai und 28. April 2003 sowie vom 30. August 2002 lässt sich zwar entnehmen, dass der Kläger unter einem Diabetes Mellitus Typ I leidet und auf regelmäßige Insulingaben (derzeit 3 bis 5 mal täglich zu den Mahlzeiten: Actrapid HM und 2 mal täglich als Basisinsulin: Protaphan HM) angewiesen ist, ohne die er ins diabetische Koma geriete und versterben würde. Ferner wird bescheinigt, dass sich der erst Anfang letzten Jahres festgestellte Krankheitszustand seit Sommer 2002 verschlechtert habe, die körpereigene Insulinproduktion nachlasse, die Medikation erhöht worden und die Stoffwechseleinstellung noch nicht optimal gelungen sei. Der Kläger bestimme vor jeder Mahlzeit die Menge an Kohlehydraten, messe seinen aktuellen Blutzuckerspiegel und lege dann selber die zu injizierende Menge Insulin fest. Diese Methode habe gegenüber einer monatlichen Überprüfung des Blutzuckerspiegels und Festlegung der zu injizierenden Insulinmenge durch den behandelnden Arzt - wie beispielsweise in Algerien praktiziert - den Vorteil, dass etwaige Blutzuckerentgleisungen frühzeitig vom Patienten selbst festgestellt und korrigiert werden könnten und u.a. lebensbedrohliche Folgeschäden in späteren Jahren vermindert würden.
Trotz der derart attestierten Erkrankung und Behandlungsbedürftigkeit ist der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr des baldigen sicheren Todes oder schwerster Verletzungen im Falle einer Rückkehr nach Algerien ausgesetzt. Die notwendige Behandlung der Krankheit auf landestypischem Niveau ist - was der Kläger selbst nicht ernsthaft bezweifelt - in Algerien möglich. Sie ist ihm entgegen seiner Auffassung auch unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse zugänglich. Nach der Erkenntnislage (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. September 2002, S. 12; Stellungnahme der deutschen Botschaft in Algier vom 14. Mai 2002 an VG Köln) ist in Algerien eine kostenlose medizinische Behandlung in staatlichen Krankenhäusern aufgrund einer allgemeinen Sozialversicherung möglich. Diese Sozialversicherung ermöglicht sogar Kostenrückerstattung bei Behandlung in privaten Einrichtungen. Häufig auftretende chronische Erkrankungen (u.a. Diabetes) werden in aller Regel auch in öffentlichen medizinischen Einrichtungen ständig und ggf. langfristig behandelt. Der Kläger ist jung, verfügt über eine Schulbildung (Mittelschule und Vorbereitung auf das Abitur), eine Berufsausbildung zum Floristen/Gärtner und ist auch nach eigenem Vorbringen nicht in der Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt. Trotz der allgemeinen Schwierigkeiten auf dem algerischen Arbeitsmarkt dürfte es ihm - wie vor seiner Ausreise - möglich sein, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Er kehrt auch in einen Familienverband (Eltern und Brüder) zurück, der ihm Unterstützung bieten kann. Die behauptete Mittellosigkeit seiner Angehörigen ist nicht ansatzweise belegt und angesichts seiner ständig wechselnden Angaben in den Asylverfahren und der späten Preisgabe seiner wahren Identität nicht glaubhaft. Die grundsätzliche Versorgung mit dem lebensnotwendigen Insulin wird hier auch für die erste Zeit nach der Rückkehr (mit zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung und Arbeitssuche) dadurch sichergestellt, dass die Stadt Delmenhorst ihm einen Kühlkoffer mit Insulin für fünf Jahre aushändigen wird. Jedenfalls in einer derartigen Zeitspanne dürfte es ihm möglich sein, wirtschaftlich in seinem Heimatland wieder Fuß zu fassen und insbesondere eine Krankenversicherung zu erlangen. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus der Insulinbereitstellung der Stadt Delmenhorst kein negativer Rückschluss auf die dargestellte medizinisch Versorgungssituation in Algerien ziehen. Der Stellungnahme der deutschen Botschaft in Algier vom 19. Februar 2003 an die Stadt Delmenhorst lässt sich zwar entnehmen, dass der Kläger die Kosten für das benötigte Insulin nicht von staatlichen Kassen bezahlt oder erstattet bekommt, sondern allenfalls von karitativen Stiftungen, wobei allerdings Engpässe auftreten könnten. Diese Einschätzung bezieht sich aber ersichtlich auf die Prämisse in der Anfrage der Stadt Delmenhorst, dass der zurückkehrende Diabetiker noch nicht krankenversichert ist. Die Einschätzung in o.g. Erkenntnismitteln wird dadurch nicht in Frage gestellt.
Das Gericht geht weiter davon aus, dass der Kläger entsprechend den allgemeinen algerischen Verhältnissen die notwendigen Mittel zur Injektion des Insulins sowie eine regelmäßig Kontrolle des Blutzuckerwerts erlangen kann. Sowohl in den Abteilungen der Diabetologie der Krankenhäuser als auch in algerischen Labors können regelmäßig Blutwerte kontrolliert werden (Stellungnahme der deutschen Botschaft in Algier vom 14. Mai 2002 an VG Köln). Selbst wenn - wie vom Kläger behauptet - Testgeräte oder Teststreifen in Algerien nicht oder nur mit hohem Kostenaufwand zu erlangen wären, könnte der Kläger seinen Blutzuckerwert jedenfalls in regelmäßigen Abständen in den genannten Einrichtungen untersuchen lassen, ohne dass ihm eine extreme Gefahr i.S. von § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG droht. Auch der behandelnde Arzt Dr. S. hält in seinem Attest vom 20. Mai 2003 eine Kontrolle derart für möglich, dass der behandelnde Arzt die zu injizierende Insulinmenge festlegt und den Blutzuckerspiegel monatlich überprüft. Er empfiehlt aber die im Bundesgebiet zurzeit übliche individuelle Blutzuckerwert-Bestimmung vor jeder Mahlzeit, um u.U. lebensbedrohliche Folgeerkrankungen in späteren Jahren (Herzerkrankung, Erblindung) besser zu vermeiden. Folglich attestiert er gerade nicht, dass ohne eine individuelle Blutzuckerwert-Bestimmung vor jeder Mahlzeit dem Kläger der baldige sichere Tod oder eine schwerste Verletzung drohte. Vielmehr würde der Kläger dem gleichen Risiko von langfristig auftretenden Folgeerkrankungen unterliegen, wie dies bei einer Vielzahl anderer algerischer Diabetiker der Fall ist.
Damit wird zugleich deutlich, dass sich selbst bei gegenteiliger Einschätzung der extremen Gefahrenlage die die Gruppe (der Diabetiker mit geringem oder keinem Einkommen) insgesamt treffende schlechte medizinische Versorgungslage konkret in der Person des betroffenen Klägers realisieren würde, so dass nach den oben genanten Grundsätzen ohnehin die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG einträte. Es würde sich nämlich nicht um ihn allein treffende und allein in seiner Person liegende Gründe handeln, sondern vielmehr in erster Linie um typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage, die in der Person und in den - unterstellten - Lebensverhältnissen der Gruppe begründet wären. Nach der gesetzlichen Regelung des § 53 Abs. 6 AuslG entscheidet in diesen Fällen nicht das Bundesamt und damit auch nicht das Verwaltungsgericht über ein Vorliegen von Abschiebungshindernissen. Maßgeblich ist allein die politische Entscheidung des Innenministeriums, da - nach den hiesigen Feststellungen - auch die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht vorliegen. Das Verwaltungsgericht hat diese Aufgaben- und Verantwortungszuweisung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bis zur Grenze des Eintritts verfassungswidriger Verhältnisse - die hier nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sind - zu respektieren.
Selbst unter Berücksichtigung von Rückkehrerkontrollen lässt sich eine extreme Gefahr i.S. von § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG für den diabetes-mellitus-erkrankten Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit annehmen. Zwar muss der Kläger auch nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. September 2002, S. 12 damit rechnen, im Falle seiner Abschiebung nach Eintreffen auf dem Flughafen Algier in vorrübergehenden Polizeigewahrsam genommen zu werden. Zweck ist die Feststellung der Identität und die Prüfung, ob der Abgeschobene einer Straftat (Terrorismus) verdächtig ist. Bei Verdacht auf Desertion kann sich die Dauer des Gewahrsams wegen der Prüfung der Frage eines möglichen Geheimnisverrats auf über zwei Wochen ausdehnen. Anders als in der Stellungnahme von ai (vom 28. September 2001 an VG Schwerin, Seite 3) findet sich jedoch keine Bestätigung dafür, dass die gesetzlich zulässige Frist einer Inhaftnahme von 12 Tagen routinemäßig überschritten wird. Das dort behauptete häufige Verschwinden-Lassen bzw. längerfristige geheime Inhaftieren wird nur an einem einzigen Fall belegt, in dem eine strafrechtliche Verurteilung des Betroffenen als Anhänger der FIS erfolgt war, also - anders als hier - Anhaltspunkte für eine gegen den algerischen Staat gerichtete Tätigkeit des Abgeschobenen gegeben waren. Mangels einer gesichert festgestellten Häufung von längerfristigen Inhaftierungen kann schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jedem abgeschobenen Rückkehrer in Algerien eine längerfristige Inhaftierung droht. Außerdem sprechen hier verschiedene Umstände jedenfalls gegen eine derartige längerfristige Inhaftierung des Klägers, wenn nicht sogar gegen jegliche Festnahme. Er hat sich nur relativ kurze Zeit im Ausland aufgehalten und nach eigenem Vorbringen weder hier noch in seinem Heimatland politische Aktivitäten entfaltet. Unter Berücksichtigung der Feststellungen im rechtskräftig abgeschlossenen Asylerstverfahren ist nicht wahrscheinlich, dass er von der algerischen Polizei der Desertion oder Wehrdienstentziehung verdächtigt wird. Dies ergibt sich nicht nur aus seinem unglaubhaften Vorbringen im Asylerstverfahren (vg. Urteil des VG Braunschweig vom 11. April 2002 - 4 A 73/02 -), sondern auch aus dem behaupteten Besitz eines Reisepasses. Denn nach der Erkenntnislage (vgl. Deutsches Orient-Institut - DOI -, Gutachten vom 29. April 1992 an VG Ansbach) wird Wehrdienstpflichtigen in Algerien vor Ableistung des Wehrdienstes regelmäßig kein Pass ausgestellt. Im Übrigen kann auch wegen des ständig wechselnden und gesteigerten Vortrags des Klägers sowie der späten Preisgabe seiner wahren Identität keine glaubhafte Gefährdung angenommen werden. Bestätigt wird diese Einschätzung nachträglich dadurch, dass - wie der ergänzenden Mitteilung der Ausländerbehörde zu entnehmen ist - unter dem Namen Y. B. ein Visum zum Zwecke eines LKW-Transportes beantragt worden ist.
Während einer demnach allenfalls drohenden kurzfristigen polizeilichen Festnahme dürfte es dem Kläger aller Wahrscheinlichkeit nach möglich sein, eine krankheitsadäquate Medikation zu erlangen, zumal er über einen eigenen Insulinvorrat sowie über hier erworbene Kenntnisse der gesundheitsförderlichen Ernährungs- und Verhaltensweisen verfügt. Vor allem kann er durch seine freiwillige Ausreise eine Festnahme ganz vermeiden, die nach der o.g. Erkenntnismitteln lediglich den abgeschobenen Rückkehren droht.
Auch unter Berücksichtigung der Neueinstellung des Klägers im St.-Annen-Stift in der Zeit vom 12. bis 17. November 2003 und der im Diabetikerpass dokumentierten Schwankungen seiner Blutzuckerwerte lässt sich wegen der Diabetes-Mellitus-Erkrankung eine erforderliche extreme Gefahrensituation im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht annehmen. Die Angaben in dem Diabetikerpass beziehen sich auf das Jahr 2002 und Anfang 2003, geben also keinen Aufschluss über aktuelle Werte. Den weiteren vorgelegten Bescheinigungen (Aufnahmebescheinigung vom 12. November 2003, Entlassungsbericht vom 17. November 2003 und Bericht an den Hausarzt des Klägers vom 18. November 2003) lässt sich zwar entnehmen, dass der Kläger wegen erhöhter Blutzuckerwerte in den Tagen zuvor einer Neueinstellung seines Diabetes durch Fachärzte bedurfte. Die Neueinstellung konnte allerdings innerhalb weniger Tage erfolgreich durchgeführt werden. Laut Bericht des S.-A..-Stifts vom 18. November 2003 an die Hausärzte des Klägers waren nur geringe Korrekturen der Actrapid-Dosis notwendig. Unter Einhalten einer Diabetes-Reduktionskost waren die Blutzuckerwerte zuletzt gut eingestellt, so dass der Kläger auf eigenen Wunsch aus der stationären Betreuung entlassen wurde. Hieran zeigt sich, dass insbesondere das Ernährungsverhalten des Klägers einen großen Einfluss auf seine Blutzuckerwerte hat. Neue Erkenntnisse zu Art und Wahrscheinlichkeit von Folgeschäden bei unterbliebener oder verzögerter Neueinstellung (im Fall einer Rückkehr nach Algerien) wurden nicht unterbreitet. Die zuständige Ausländerbehörde der Stadt Delmenhorst signalisiert durch ihr Vorverhalten und die gegenwärtigen Anfragen vom 17. und 27. November 2003 an den Kläger die Bereitschaft, bei der Bereitstellung eines Kühlkoffers mit einem Insulin-Vorrat für fünf Jahre auch die im Rahmen der Neueinstellung erforderlichen Bedarfsänderungen zu berücksichtigen.
Soweit sich der Kläger auf seinen zwischenzeitlichen Übertritt zum (evangelischen) christlichen Glauben und das zwischenzeitliche Bewusstwerden seiner Homosexualität beruft, stellt der Einzelrichter seine Zweifel, ob es sich lediglich um verfahrenstaktisch geschaffene Umstände handelt, angesichts der jüngst beim Standesamt Syke beantragten eingetragenen Lebenspartnerschaft, der angeboten Zeugenaussage des künftigen Lebenspartners und der Tauf- und sonstigen Bescheinigungen zugunsten des Klägers zurück. Dies gilt auch angesichts der nach mündlicher Verhandlung von der Ausländerbehörde übermittelten Visa-Unterlagen, in denen B. seinen Familienstand als verheiratet angegeben hat. Doch selbst bei unterstellter Homosexualität sowie Glaubensübertritt (Konversion) vom Islam zum Christentum aus tiefer innerer Überzeugung lässt sich eine extreme Gefahr i.S.v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht annehmen. Mangels staatlicher oder staatlich zurechenbarer Verfolgung von Homosexuellen oder Konvertiten in Algerien kommt eine (vorrangige) Schutzgewährung nach § 53 Abs. 1 - 4 AuslG - etwa gemäß § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 9 EMRK wegen Nichtgewährleistung des religiösen Existenzminimums - ebenso wenig in Betracht. Das ergibt sich aus Folgendem:
Männliche Homosexuelle unterliegen in Algerien keiner staatlichen Verfolgung (VG Oldenburg, Beschluss vom 3. April 2002 - 11 B 1269/902 - und VG Frankfurt, Beschluss vom 4. Februar 1999 - 14 G 50074/99.A (V) - juris). Nach dem Normgehalt der algerischen Strafbestimmungen - algerStGB Art. 33 und algerStGB Art. 338 - ist nicht die Veranlagung unter Strafe gestellt, sondern bestraft werden nur bestimmte Sexualpraktiken. Das Verbot der homosexuellen Betätigung, dass sich im Übrigen auf Männer beschränkt, zielt nicht auf eine Bestrafung des individuellen Verhaltens ab, sondern ist darauf gerichtet, die herrschenden Moral- und Ordnungsvorstellungen, die auch durch religiöse Vorschriften geprägt sind, zu schützen. Die Gefahr, dass der Kläger wegen seiner homosexuellen Veranlagung durch - nichtstaatliche - Kräfte, etwa fundamentalistische Extremisten verfolgt würde, droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Derartige gesellschaftliche Verfolgungstendenzen, die zudem in allen Landesteilen drohen müssten, werden in den Erkenntnismitteln nirgendwo dokumentiert. Der Kläger hat seine homosexuelle Neigung weder in seinem Heimatland noch im Bundesgebiet öffentlich gemacht. Lediglich in einem vertraulichen Gespräch mit dem Pastor i.R. Peter D., seinen Freund und künftigen Lebenspartner, hat er sich offenbar zu seiner zwischenzeitlich erkannten Neigung bekannt. Offensichtlich weiß nicht einmal seine Familie von diesem Umstand. Insofern dürfte es ihm möglich sein, in seiner Heimatstadt oder zumindest in großstädtischen Gebieten Algeriens unauffällig und unbehelligt von gesellschaftlichen Verfolgungstendenzen zu leben.
Entsprechende Überlegungen gelten hinsichtlich des unterstellten Übertritts des Klägers zum christlichen Glauben. Nach der Erkenntnislage (vgl. AA, Amtliche Auskunft vom 24. März 1999 an OVG Koblenz; Deutsches Orient-Institut - DOI -, Gutachten vom 19. Januar 1999 an OVG Koblenz; DOI, Gutachten vom 14. Juli 1996 an VG Hamburg; DOI, Gutachten vom 23. Juni 1994 an VG Gelsenkirchen; AA, Amtliche Auskunft vom 7. April 1994 an VG Stuttgart) besteht zwar die (theoretische) Gefahr einer Verfolgung durch islamistische Gruppen wegen des Glaubensübertritts, der sich ein Algerier allerdings wirksam entziehen kann, indem er seinen Glauben im privaten Bereich lebt und jedes Aufsehen vermeidet. Die algerische Verfassung erkennt zwar die freie Religionsausübung an (Art. 35) und algerische Behörden achten und schätzen die christliche und jüdische Religionsgemeinschaft („Buchreligionen“). Die freie Religionsausübung bezieht sich aber nicht auf das Recht des Muslim die Religion zu wechseln. Offiziell gibt es im Islam keine Austrittsmöglichkeit aus der Religionsgemeinschaft. Das gesellschaftliche Umfeld und der herrschende soziale Druck wirken sich in islamischen Ländern dahingehend aus, dass im Land selbst ein Übertritt zu einer anderen Religion für die Mehrzahl der Muslime nie in Frage käme. Es sind seltene Einzelfälle, in denen es zu solchen Übertritten kommt; finden sie im islamischen Herkunftsland statt, wird der Übertritt in der Regel vor der Gesellschaft verborgen. Der Abfall vom - hier islamischen - Glauben (Apostasie) ist kein Delikt gemäß algerischem Strafrecht (DOI, Gutachten vom 19. Januar 1999 und 23. Juni 1994). Algerien - wo der Islam Staatsreligion ist - stellt lediglich die Mission für nichtislamische Glaubensrichtungen unter Strafe. Allerdings ist das soziale Umfeld in Algerien muslimisch geprägt und stark von dem in der Religion verankerten Übertrittsverboten geprägt. Sollte ein Übertrittsfall bekannt werden, ist damit zu rechnen, dass radikale Islamisten dies ahnden und die entsprechende Person töten würden (DOI, a.a.O.; AA, Amtliche Auskunft vom 24. März 1999 an OVG Koblenz).
Hiervon ausgehend ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger wegen Konversion zum Christentum staatlicher oder gesellschaftlicher Verfolgung ausgesetzt wäre, in der Praxis äußerst gering. In den Erkenntnismitteln sind Fälle einer gesellschaftlichen Verfolgung nicht dokumentiert. Dem Kläger ist es möglich und zumutbar - wie allen anderen vergleichbaren algerischen Konvertiten - ihre getroffene Gewissensentscheidung in der Öffentlichkeit zu verbergen und allgemein jedes Aufsehen zu vermeiden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die im Bundesgebiet vollzogene Taufe den algerischen Behörden oder gar dem gesellschaftlichem Umfeld des Klägers bekannt wird. Durch sein eigenes zumutbares Verhalten vermag er bestehende Risiken zu minimieren. Durch ein solches Verhalten wäre der asylrechtlich nur geschützte Kernbereich der religiösen Betätigung, das sog. religiöse Existenzminimum, d.h. die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich, das Gebet, ggf. der Gottesdienst mit anderen Gläubigen sowie das Glaubensgespräch und das Glaubensbekenntnis im nichtöffentlichen Bereich gemäß den landestypischen Möglichkeiten, nicht betroffen. Von einem weitergehenden Schutz des religiösen Existenzminimums geht auch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 24. Mai 2000 - 9 C 34.99 - BverwGE 111, 223 = InfAuslR 2000, 461; Entscheidung vom 20. Januar 2004 - 1 C 9.03 - bislang lediglich als Pressemitteilung in juris verfügbar) nicht aus. Allerdings bedarf es nach der jüngsten Entscheidung (vom 20. Januar 2004 - 1 C 9.03 - bislang lediglich als Pressemitteilung in juris verfügbar) im Einzelfall fachgerichtlicher Feststellungen, welche Mindestanforderungen der Glaube des Klägers an sein religiöses Existenzminimum stellt und ob danach der Besuch von Gottesdiensten abseits der Öffentlichkeit und unabdingbar und ihm ohne Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit möglich ist. Hiervon ausgehend und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, insbesondere der Stellungnahmen des Pastors O. vom 27. März 2004 sowie des Pastor i.R. D. vom 10. November 2003, bleibt es bei der o.g. Einschätzung. Der christliche Glaube fordert keine besondere Haar- oder Barttracht oder besondere Kleidung, die den Kläger in der Öffentlichkeit erkennbar als Christen kennzeichnen würden. Christliche Gottesdienste der - wenn auch zahlenmäßig sehr kleinen - christlichen Gemeinden werden in Algerien toleriert (vgl. AA, Amtliche Auskunft vom 24. März 1999 an OVG Koblenz, Lagebericht vom 21. November 2003, S. 11; Algerien-Kurzinformation des Bundesamtes vom Januar 2004, S. 7 f.). Im Übrigen hat der Kläger ein Bedürfnis nach regelmäßiger Teilnahme an allgemeinen Gottesdiensten nicht glaubhaft gemacht, zumal er in Gesprächen mit einzelnen Christen und kleineren Gruppen zum christlichen Glauben gefunden haben will. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Algerien ist auch nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger infolge Nichtteilnahme am religiösen Leben der Muslime gegenüber Familie und sozialem Umfeld in einen unauflösbaren Erklärungsdruck geraten würde, dem er notfalls nicht einmal durch Wahl eines Wohnsitzes in großstädtischen Gebieten Algeriens ausweichen könnte.