Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 25.03.2004, Az.: 2 A 1624/00
Artgerechte Haltung; Fluchttiere; Schaf; Schafhaltung; Tierschutz; Zwangsgeldandrohung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 25.03.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 1624/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50611
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 TierSchG
- § 2 TierSchG
- § 16a S 2 Nr 1 TierSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Verwendung von Tauen (hier mit einer Länge von ca. 4 m), die Schafen als Einfanghilfe um den Hals gebunden werden, kann untersagt werden.
Tatbestand:
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1999 erließ der Beklagte eine tierschutzrechtliche Anordnung unter anderem mit dem Inhalt, dass der Kläger verpflichtet werde, die Taue an den auf der Weide Ecke S. (...) Straße/(...) weidenden Schafe unverzüglich und auf Dauer zu entfernen (1.), und dass die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200 DM angedroht werde, falls er dieser Anordnung bis zum 18. Oktober 1999 nicht nachkomme (4.). Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung der unter Nr. 1 genannten Maßnahme an (3.). Mit Bescheid vom 15. Oktober 1999 forderte der Beklagte die Tochter des Klägers auf, die angeordneten Maßnahmen zu dulden. (...)
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. (...)
Die Klage ist aber unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten zu Nr. 1 und Nr. 4 (Zwangsgeldandrohung bezüglich der Anordnung zu Nr. 1) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist nicht rechtswidrig gewesen (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Die Anordnung zu Nr. 1 ist - wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt worden ist - zutreffend auf § 16 a Sätze 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Mai 1998 (BGBl. I S. 1105, ber. S. 1818) gestützt worden.
Gemäß § 16 a TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen (Satz 1). Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen (Satz 2 Nr. 1). Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss nach § 2 Nr. 1 TierSchG das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen und darf gemäß Nr. 2 die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. § 2 Nr. 2 TierSchG erfordert es nicht, dass es in jedem Fall zu Schmerzen, vermeidbaren Leiden oder Schäden der Tiere gekommen sein muss. Ausreichend ist vielmehr eine entsprechende Gefahrenprognose der zuständigen Behörde, bei der der hypothetische Geschehensverlauf - bei unterstelltem Nichteinschreiten der Veterinärbehörde - zu berücksichtigen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2002 - 1 S 1900/00 -, RdL 2002, 220 ff., zu einem Pferdehaltungsverbot, nachdem weniger belastende Einzelanordnungen keine nachhaltige Besserung der Pferdehaltung brachten; vgl. auch Lorz, TierSchG, Komm., 4. Aufl. 1992, § 2 Rdnr. 25, der ausführt, die Einschränkung der Bewegungsmöglichkeit dürfe in keinem Fall zu Schmerzen führen). Für Einschränkungen der Bewegung eines Tieres ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - wie der Kläger zu Recht geltend macht - § 2 Nr. 2 TierSchG die speziellere Regelung gegenüber Nr. 1, auch wenn die in der zuletzt genannten Regelung genannten Grundbedürfnisse die Bewegungsmöglichkeit erfassen. Damit dürfen nach der gesetzgeberischen Wertung zwar die Bewegungsbedürfnisse eines Tieres bis zu der in Nr. 2 umschriebenen Grenze eingeschränkt werden, nicht hingegen seine anderen in Nr. 1 angesprochenen Grundbedürfnisse (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 <36 f.> = NJW 1999, 3253 ff.). Die Kammer teilt aber nicht die Auffassung des Klägers, Leiden, die sich die Tiere untereinander zufügten, wenn die Taue sich einmal verheddert hätten, fielen nicht unter § 2 Nr. 2 TierSchG, weil in dieser Norm bewusst das Passiv verwendet werde. Denn auch wenn sich Taue verheddern, die Tieren vom Tierhalter angelegt worden sind, und sich die Tiere deshalb untereinander Leiden zufügen, ist dafür das Verhalten des Tierhalters ursächlich. Ihm ist deshalb auch das Zufügen entsprechender Leiden zuzurechnen. Abgesehen davon hat ein Tierhalter als Verantwortlicher auch die Pflicht, Leiden zu verhindern, die sich Tiere ggfls. untereinander zufügen, soweit ihm dies zumutbar ist. Für die nähere Bestimmung der in § 2 TierSchG genannten Pflichten der Tierhalter ist daneben auch der allgemeine Zweck des Gesetzes heranzuziehen, „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen" (§ 1 Satz 1 TierSchG; vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999, a.a.O. <36>). Der Gesetzgeber versteht dabei unter dem Wohlbefinden des Tieres das Freisein von Schmerz und Leiden. Er geht davon aus, dass das Wohlbefinden des Tieres im Wesentlichen auf einem ungestörten, artgemäßen sowie verhaltensgerechten Ablauf der Lebensvorgänge beruht, und definiert Schmerz und Leiden als Reaktionen des Tieres auf Einwirkungen jeder Art, die zur nachhaltigen Beeinträchtigung des Wohlbefindens oder zusätzlich zu Abwehrreaktionen von Seiten des Tieres führen. Leiden im Sinne des Tierschutzgesetzes sind alle nicht bereits vom Begriff des Schmerzes umfassten Beeinträchtigungen im Wohlbefinden, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauern (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 2000 - 3 C 12.99 -, DVBl 2000, 1061 f., tw. unter Hinweis auf BTDrs. VI/2559, S. 9 f.). Außerdem gilt generell, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf (§ 1 Satz 2 TierSchG; zum Begriff „vernünftig“ vgl. BayObLG, Beschluss vom 5. Mai 1993 - 4 St RR 29/93 -, NJW 1993, 2760 [BayObLG 08.04.1993 - 3 ObOWi 13/93] <2761>, das die Auffassung vertritt, synonyme Begriffe seien „nachvollziehbar“ und „billigenswert“). Den vorstehenden Ausführungen lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber dem (ethisch begründeten) Tierschutz zwar trotz des Art. 20 a GG keineswegs absolute Priorität beimisst und dass das Tierschutzgesetz nicht anstrebt, Tieren jegliche Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens zu ersparen. Der Tierschutz stellt aber einen Gemeinwohlbelang dar, dem auch in der Bevölkerung ein hoher Stellenwert beigelegt wird. Der Gesetzgeber hat dem dadurch Rechnung getragen, dass er Tiere nicht als Sachen, sondern als - Schmerz empfindende - Mitgeschöpfe versteht und sie durch besondere Gesetze geschützt wissen will (vgl. neben § 1 TierSchG auch § 90 a Satz 1 und 2 BGB; vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 -, BVerfGE 104, 337 <351> = NJW 2002, 663 ff. und Beschluss vom 20. Juni 1978 - 1 BvL 14/77 -, BVerfGE 48, 376 <389>; Tillmanns, Tierschutz durch Rechtsverordnung - Die Hennenhaltungsverordnung auf dem Prüfstand des BVerfG, NVwZ 2002, 1466 <1468>).
Weder das Tierschutzgesetz noch Rechtsverordnungen auf der Grundlage des § 2 a Abs. 1 TierSchG enthalten spezielle Regelungen über die Haltung von Schafen. Nach Auffassung des Gerichts kann jedoch insbesondere auf die „Empfehlungen für die ganzjährige Weidehaltung von Schafen“ des Tierschutzdienstes Niedersachsen - Arbeitsgruppe „Schafhaltung“ - (herausgegeben im Januar 1997) zurückgegriffen werden. In diesen Empfehlungen ist laut Vorwort von Praktikern, Wissenschaftlern und Behördenvertretern unter Federführung des Tierschutzdienstes umfassendes Sach- und Fachwissen zusammengetragen worden. Unter Nr. 14 „Einfangen und Festsetzen“ (S. 27 f.) wird u.a. ausgeführt, Schafe besäßen einen ausgeprägten Herdentrieb, den sich der Schafhalter beim Einfangen zunutze machen solle. In Behandlungsanlagen oder -korridoren könnten Schafe sehr gut für regelmäßig notwendige Arbeiten eingefangen und festgesetzt werden. Gelegentlich kämen zum Herausfangen einzelner Schafe einzelner Schafe aus einer Herde Bein- oder Halsfanghaken zum Einsatz. Um genügend nah an die zu fangenden Schafe heranzukommen, könnten diese entweder mit Futter angelockt oder durch einen auf die Fixierung von Schafen dressierten Hund „gebannt“ werden. Für Behandlungen am Einzeltier werde das Schaf auf die Hinterkeulen gesetzt. In dieser Lage verhalte es sich ruhig. Da diese Position Atmung und Kreislauf des Tieres belaste, solle sie bei hoch tragenden oder voll gefressenen Schafen vermieden werden. Darüber hinaus hat das Gericht auch keinen Anlass, an der Richtigkeit der fernmündlich geäußerten Stellungnahme der Frau Dr. P. (...) vom Niedersächsischen Tierschutzdienst zu zweifeln. Nach einem Vermerk vom 12. Oktober 1999 teilte sie bezüglich der Einfanghilfe für freilaufende Schafe mittels dünner, ca. vier Meter langer Stricke, die den Tieren um den Hals geknotet und von ihnen hinterhergezogen würden, mit, die Methode werde in der Literatur nicht empfohlen. Schafe seien Fluchttiere, so dass solche Stricke besonders gefährlich seien. Die Methode werde weder in den Europaratsempfehlungen noch in den Niedersächsischen Empfehlungen zur Schafhaltung als geeignet erwähnt. Sie sei daher zu verbieten und die Stricke seien unverzüglich zu entfernen.
Hiervon ausgehend erfüllte die vom Kläger auf der im Bescheid genannten Weide betriebene Schafhaltung nicht die Anforderungen des § 2 Nr. 2 TierSchG. In der Vergangenheit kam es zumindest in einem Fall dazu, dass gerade wegen der Verwendung der oben beschriebenen Einfanghilfe die Möglichkeit eines Schafes zu artgemäßer Bewegung so eingeschränkt wurde, dass ihm Schmerzen, vermeidbare Leiden und Schäden zugefügt wurden. Insoweit wird auf das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 16. April 2003 Bezug genommen. In den Urteilsgründen heißt es sinngemäß unter anderem, das Amtsgericht Oldenburg habe am 2. Mai 2002 in seinem Urteil unter anderem ausgeführt, der Kläger habe für seine Tochter auf einer Schafweide in der S. (...) Straße in H. (...) mehrere Schafe gehütet. Als Hütehilfe habe er ein ca. vier Meter langes Tau verwendet, das er jeweils um den Hals der Schafe gebunden gehabt habe. Im August des Jahres 1999 habe sich der Kläger auf einer Hochzeit seines Sohnes und Taufe seines ersten Enkels in W. (...) befunden. Während dieser Zeit habe sich ein Schaf mit dem rechten Hinterbein in dem Tau verheddert, so dass das Bein abgeschnürt worden sei und das Bein unterhalb der Abschnürung abgestorben sei. Hierdurch habe bei dem Schaf eine schmerzhafte Amputation (Abstoßung) des abgestorbenen und abgefaulten Gewebes samt der Knochen eingesetzt. Da das Tier vom 15. August bis zum 21. Oktober 1999 länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden habe erdulden müssen, sei es auf Veranlassung des Veterinäramtes am 25. Oktober 1999 geschlachtet worden. Der Kläger räume den eigentlichen Sachverhalt ein, d. h., dass er die Amputation des Beines am 15. August 1999 festgestellt und eine tierärztliche Versorgung nicht für erforderlich gehalten habe. Er vertrete jedoch die Auffassung, dass das Tier in diesem Zeitraum keine erheblichen Schmerzen bzw. Leiden erlitten habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht davon überzeugt, dass das Tier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 b TierSchG habe ertragen müssen.
Darüber hinaus ist Voraussetzung für den Erlass einer tierschutzrechtlichen Anordnung gemäß § 16 a Satz 2 Nr. 1 TierSchG in Fällen wie hier, dass eine Wiederholungsgefahr besteht. Insofern ist ergänzend Satz 1 der genannten Vorschrift heranzuziehen, in der von der Verhütung künftiger Verstöße die Rede ist. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Möglichkeit der vom Kläger gehüteten Schafe zu artgemäßer Bewegung so eingeschränkt war, dass die Gefahr bestanden hat, dass ihnen auch in Zukunft Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt worden wären, wenn der Kläger die Taue von den Schafen nicht entfernt hätte. Der Kläger gab selbst - teilweise allerdings in sich unstimmig - an, im Jahre 1998 hätten sich Taue einzelner Tiere um einen Baum gewickelt, und vor dem Vorfall, der zu der Verletzung des Lammes geführt habe, hätten sich die Taue einzelner Tiere miteinander vertörnt, keinesfalls aber die Taue aller Tiere und auch nicht des Öfteren. Bis zum Frühjahr 1999 sei es nicht zu Zwischenfällen oder Beanstandungen gekommen. Außerdem erklärte er sinngemäß, die von ihm gehaltenen Schafe hätten eine große Fluchtdistanz von etwa mindestens 12 m. Insofern hält das Gericht die Einschätzung des Beklagten für überzeugend, dass die Tiere dazu neigten, sich rasch und impulsiv von einer Störquelle zu entfernen, sobald sie sich einer Störung von außen gegenüber sähen, und sich darüber hinaus nicht nur aus Gründen der Flucht, sondern auch aufgrund anderweitiger Ursachen bewegten und damit der ständigen Gefahr unterlägen, sich in den Stricken zu verheddern. Dabei könnten Verwicklungen der Taue untereinander in Betracht kommen, aber auch mit Gegenständen auf dem betroffenen Grundstück wie etwa Bäumen, Unterständen und Stacheldrahtzäunen. Die Tiere unterlägen einem ständigen Bewegungsdrang - allein schon initiiert durch die regelmäßige Futtersuche -, weshalb eine permanente „latente“ Gefahr gegeben sei.
Diesen Erwägungen steht nicht entgegen, dass die vom Kläger verwendete Einfanghilfe in den „Empfehlungen für die ganzjährige Weidehaltung von Schafen“ nicht ausdrücklich verboten worden ist. Entspräche diese Art der Einfanghilfe der artgemäßen Bewegung der Schafe und wäre sie empfehlenswert, hätte auch Frau Dr. P. (...) nach Überzeugung des Gerichts eine andere als die oben dargestellte Stellungnahme abgegeben. Rechtlich unerheblich ist es, wenn das Anlegen der Schlepptaue durch den Kläger dem Mitglied der Gesamtarbeitsgruppe zur „Erstellung der Empfehlungen“, Herrn (...), Landwirtschaftskammer Weser-Ems, seit langem bekannt sein sollte.
Des Weiteren erklärten sowohl Frau Dr. P. (...) - wie oben bereits ausgeführt - als auch der Amtstierarzt des Beklagten, Dr. D. (...), anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge im Strafverfahren am 2. Mai 2002, Schafe seien Fluchttiere. Dem ist der Kläger zwar entgegen getreten. Das Gericht hat aber keinen Anlass, an den Angaben der beiden Tierärzte zu zweifeln. Selbst wenn die Definition in wissenschaftlicher Hinsicht aber umstritten wäre, würde sich aus den übrigen Gründen am Ergebnis nichts ändern.
Das Gericht teilt außerdem die Auffassung des Beklagten, dass die Differenzierung nach dem Alter der Tiere aus Tierschutzgründen nicht sachgerecht ist. Der Beklagte führte in diesem Zusammenhang im Wesentlichen aus, die geschilderte Gefahr des Verwickelns bestehe bei Tieren jeden Alters, auch wenn sie bei Lämmern größer sein möge als bei älteren Tieren. Sie sei aber keinesfalls ausgeschlossen. Insofern ist der Einwand des Klägers, der Unfall des Lammes am Ende der 32. Kalenderwoche, vermutlich am 13. August 1999, sei nicht relevant, weil nur über Taue an fast ausgewachsenen Tieren zu entscheiden sei, unerheblich. Abgesehen davon ist es jedenfalls zweifelhaft, ob die Angabe des Klägers in der Hauptverhandlung im Strafverfahren am 2. Mai 2002 zutreffend ist, das damals verletzte Tier sei am 25. Juni 1999 geboren worden, auch wenn seine Ehefrau am 25. Februar 2000 im Ermittlungsverfahren unter Hinweis auf ihre „Unterlagen“ eine entsprechende schriftliche Bestätigung abgegeben hatte. Denn nach einem Vermerk des o.g. Amtstierarztes teilte ihm der Kläger am 21. Oktober 1999 mit, das verletzte Schaf sei etwa im März 1999 geboren wurden. Der Kläger erklärte im Strafverfahren (s. Anl. zum Protokoll vom 27. Februar 2001) zwar sinngemäß, er habe damals auf die Frage nach dem Geburtstermin geantwortet „Ich weiß nicht, vielleicht im März, Sie werden das aber am Gebiss feststellen können.“ Der oben genannte Amtstierarzt bekundete aber in der Hauptverhandlung am 2. Mai 2002, er halte es für unwahrscheinlich, dass das Lamm im „Juli“ geboren worden sei. Das geschlachtete Schaf sei zu groß für dieses Alter gewesen. Die Geburt im März sei daher wahrscheinlicher. Darüber hinaus erklärte ein anderer Tierarzt des Beklagten, Dr. H. (...), am selben Tag sinngemäß, er schätze, dass das Tier im Frühjahr geboren worden sei.
Ergänzend ist, ohne dass das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die nachfolgend inhaltlich im Wesentlichen wiedergegebenen Aussagen stützen muss, darauf hinzuweisen, dass eine Zeugin gegenüber dem Polizeikommissariat W. (...) am 11. November 1999 sogar sinngemäß bekundete, im Oktober 1999 habe sie gesehen, dass sich ein Schaf mit der Leine um einen Baum gewickelt gehabt habe. Sie habe veranlasst, dass das Schaf befreit worden sei. Eine andere Zeugin erklärte bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 18. November 1999, die zuerst genannte Zeugin habe mehrmals bei ihnen zu Hause angerufen, wenn ein Schaf sich auf der Weide des Klägers mit einem Tau verheddert gehabt habe. Letztmalig habe die (zuerst genannte) Zeugin im Oktober bei ihnen angerufen, weil wieder ein Schaf festgehangen habe. Sie sei dann zu der Weide des Klägers gegangen und habe das Schaf aus seiner Notlage befreit. Das Tau habe sich um einen Baum gewickelt. Mit ein paar Handgriffen habe sie das Schaf aber wieder befreien können. Ihre Mutter habe den Kläger zweimal angerufen, wenn etwas mit den Schafen gewesen sei. Der Kläger sei nicht auf die Hinweise ihrer Mutter eingegangen. Er habe sich kaum um die Tiere gekümmert. Die Versorgung mit Wasser sei meistens durch andere - konkrete genannte - Personen erfolgt. Aufgrund des Umstandes, dass die Schafe mit ca. 2 m langen Stricken gehalten würden, sei es mehrfach dazu gekommen, dass die Schafe sich an den Bäumen und Sträuchern verheddert hätten. Es sei auch zu Verletzungen an den Tieren gekommen. Ein Schaf habe sich dadurch am Huf verletzt gehabt. Die Entzündung am Huf habe ca. zwei Monate gedauert. Tierärztlich sei die Verletzung nach Aussage einer - von der Zeugin konkret genannten - Person nicht behandelt worden.
Soweit der Kläger geltend macht, bei kleineren Herden auf gepachteten Flächen sei die Anwendung von festen Hürden oder ähnlichen Behandlungsanlagen unwirtschaftlich, ist dem entgegen zu halten, dass nicht jede Erwägung der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung aus sich heraus ein „vernünftiger Grund“ im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG ist. Notwendig ist vielmehr auch insoweit ein Ausgleich zwischen den rechtlich geschützten Interessen der Tierhalter einerseits und den Belangen des Tierschutzes andererseits (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999, a.a.O., <37>). Hiervon ausgehend stellt es keinen vernünftigen Grund im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG dar, aus dem vom Kläger genannten Grund die von ihm praktizierte Einfanghilfe zuzulassen, wenn man berücksichtigt, dass sie in der Vergangenheit dazu führte, dass sich ein Schaf mit dem rechten Hinterbein in dem Tau verhedderte, so dass das Bein abgeschnürt wurde und es unterhalb der Abschnürung abstarb, und das Schaf schließlich getötet werden musste.
Die tierschutzrechtliche Anordnung des Beklagten hat in seinem Ermessen gestanden, da § 16 a Satz 2 Nr. 1 TierSchG eine „Kann“-Vorschrift ist. Danach war die Maßnahme der Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen, wobei das Gericht nach § 114 VwGO lediglich die Einhaltung der Grenzen des behördlichen Ermessens nachprüfen kann und eine vom Beklagten gewählte Lösung hinnehmen muss, auch wenn es der Überzeugung wäre, dass eine andere Lösung besser oder zweckmäßiger wäre. Ein Ermessensfehler, der vom Gericht im Rahmen der durch § 114 VwGO vorgegebenen Grenzen zu überprüfen ist, liegt vor, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung von unzutreffenden tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn sie Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck des zu vollziehenden Gesetzes oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder allgemeiner Rechtssätze dabei keine Rolle spielen können oder dürfen, wenn sie umgekehrt Gesichtspunkte außer Acht lässt, die zu berücksichtigen wären, oder schließlich, wenn sie bei ihrer Entscheidung einzelnen an sich einschlägigen Gesichtspunkten ein Gewicht beimisst, dass ihnen nach objektiven, am Zweck des Gesetzes oder an sonstigen einschlägigen Rechtssätzen orientierten Wertungsgrundsätzen nicht zukommt. Auch sachfremde Erwägungen dürfen nicht ausschlaggebend sein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 114 Rdnr. 12 f.).
Ausgehend von diesem Maßstab sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Soweit der Kläger, dem gegenüber als Tierhalter zu Recht der angegriffene Bescheid erlassen worden ist, auch wenn er nicht Eigentümer der Tiere sein sollte, auf seine gesundheitlichen Beschwerden, sein Alter und den Grad seiner Behinderung hingewiesen hat, hat der Beklagte - teilweise im Klageverfahren - zutreffend entgegnet, dass es sich bei der Schafhaltung des Klägers um Liebhaberei handele und durchaus eine andere Möglichkeit in Betracht komme, die Schafe einzufangen. Angesichts des hohen Stellenwertes des Tierschutzes als Gemeinwohlbelang ist es nicht zu beanstanden, dass den Belangen des Tierschutzes deshalb der Vorzug gegenüber den Interessen des Klägers gegeben worden ist.
Ferner hätte auch das Kürzen der nachgezogenen Stricke auf 2 m aus den oben genannten Gründen nicht zu einer zuverlässigen Beseitigung der Gefahr für die Zukunft beigetragen. Ab einer bestimmten Länge würden Taue zwar nicht mehr die oben beschriebenen Gefahren verursachen. Das Gericht geht indes davon aus, dass derartige Taue für den Kläger nutzlos wären, weil er die Schafe dann auch dadurch einfangen könnte, indem er in deren Wolle fasste.
Die Androhung des Zwangsgeldes ist ebenfalls rechtmäßig gewesen. Insoweit nimmt das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO) und des den Beteiligten bekannten Beschlusses vom 20. Juni 2000 (2 B 2092/00) Bezug. In diesem Beschluss heißt es u.a.:
„Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes zur Durchsetzung mehrerer selbständiger Grundanordnungen wegen Unbestimmtheit rechtswidrig, da für den Verfügungsadressaten nicht erkennbar ist, welches Zwangsgeld in welcher Höhe für den Verstoß gegen welche Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht angedroht ist (VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 31. Januar 1997 – 2 A 4731/95 -; vgl. auch: VGH Kassel, NVWZ – RR 1995, 118; OVG Münster, NVWZ – RR 1993, 59). So verhält es sich hier jedoch nicht. Unter Zuhilfenahme des Tenors sowie der Begründung des angefochtenen Bescheides („jeweils“) interpretiert das Gericht den Regelungsgehalt entsprechend den §§ 133, 157 BGB dahingehend, dass für jede der unter den Ziffern 1 und 2 der Verfügung vom 14. Oktober 1999 auferlegten Verpflichtung jeweils entsprechend der Nummer 4 der angefochtenen Verfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 200 DM angedroht worden ist. Der Antragsgegner hat mit der Androhung des Zwangsgeldes auch sein Auswahl- und Erschließungsermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Wie jedes Verwaltungsverfahren steht auch das Zwangsverfahren unter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz verlangt, dass die angewandten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen müssen. Der Zweck der Zwangsmittel ergibt sich aus ihrem Charakter als Beugemittel. Hier war ein milderes, aber gleich effektives Zwangsmittel, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes begegnet angesichts der überragenden Bedeutung des Tierschutzes sowie der dem Antragsteller vorgeworfenen Handlungen bzw. Verstöße keinen rechtlichen Bedenken.“