Landgericht Stade
Urt. v. 05.10.2006, Az.: 3 O 98/06

Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des Mietzins bei Ausübung des Vermieterpfandrechts

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
05.10.2006
Aktenzeichen
3 O 98/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 52122
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2006:1005.3O98.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 04.07.2006 - AZ: 3 O 38/06
AG Zeven - 25.07.2006 - AZ: 3 C 93/06
AG Zeven - 26.07.2006 - AZ: 3 C 93/06
LG Stade - 17.08.2006 - AZ: 3 O 38/06
nachfolgend
AG Goslar - 20.11.2006 - AZ: 28 C 126/06
LG Stade - 16.02.2007 - AZ: 2 O 508/06
OLG Celle - 17.01.2008 - AZ: 13 U 56/07

In dem Rechtsstreit
XXX vertr. d. d. Gesellsch. XXX und XXX,
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX
Geschäftszeichen: 10534-60149/VK/AK
gegen
Frau XXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 28.08.2006 durch die Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin am 05.10.2006
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.852,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2006 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung des monatlichen Pachtzinses für den Monat April 2006 in Höhe von 5.452,00 € zuzüglich 400,00 € Miete für eine Betriebswohnung in Anspruch.

Zwischen den Parteien bestand ein Pachtvertrag vom 05.04.2002, in dem der Pachtzins mit einer Staffelmiete in § 2 des zu Grunde liegenden Vertrages geregelt ist. Die Pacht/Miete war danach monatlich im voraus bis zum 3. Werktag des Monats zu leisten.

Mit Schreiben vom 10.03.2006 hat die Klägerin das Pachtverhältnis fristlos gekündigt.

Mit dieser Klage macht die Klägerin rückständigen Mietzins für den Monat April 2006 nebst Zinsen geltend. Von ihrem Antrag im Urkundsverfahren zu entscheiden, hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.852,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet nicht die Forderung der Klägerin, beruft sich aber auf ein Zurückbehaltungsrecht. Die Beklagte ist der Ansicht, da die Klägerin mit Schreiben vom 10.03.2006 nicht nur die Kündigung erklärt hat, sondern auch ihr Vermieterpfandrecht an den von der Beklagten eingebrachten Gegenständen Gebrauch gemacht hat, stünde ihr gegenüber der Klagforderung ein Zurückbehaltungsrecht zu. Die eingebrachten Gegenstände hätten insgesamt einen Wert von 31.652,00 €.

In dem jenseits der am 12.09.2006 nachgelassenen Erklärungsfrist am 13.09.2006 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin äußerst hilfsweise beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, 5.852,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2006 an die Klägerin zu zahlen, davon 4.000,00 € Zug um Zug gegen Herausgabe der Gegenstände, die gemäß der Liste der Beklagten vom 23.01.2006 ihr Eigentum sind und dem Vermieterpfandrecht unterliegen.

  2. 2.

    Festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der Pfandgegenstände in Annahmeverzug befindet.

Die Klägerin hat insoweit ausgeführt, dass sie die Gegenstände zur Abholung bereit gestellt habe, die Beklagte jedoch zur Abholung nicht erschienen sei.

Entscheidungsgründe

Die Beklagte war zur Zahlung in dem ausgeurteilten Umfang zu verurteilen. Der geltend gemachte Betrag für die Pacht/Miete für den Monat April 2006 ist zwischen den Parteien unstreitig seitens der Beklagten zu leisten.

Der Beklagten steht auch kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich dieser Pacht/Mietforderung aus § 273 ZPO zu.

Ein solches Zurückbehaltungsrecht nach § 273 ZPO folgt nicht daraus, dass die Klägerin ein Vermieterpfandrecht hinsichtlich der von der Beklagten in dem verpachteten Objekt zurückgelassenen Gegenstände geltend gemacht hat.

Die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses und die des Vermieters als Pfandgläubiger zur Rückgabe des Pfandes beruhen zwar auf demselben rechtlichen Verhältnis. Der Zweck des Zurückbehaltungsrechtes besteht darin, den Schuldner davor zu schützen, einseitig auf die Gefahr hin, die Gegenleistung nicht zu erhalten, leisten zu müssen. Dies trifft aber für den Fall des Vermieterpfandrechtes nicht zu. Das Vermieterpfandrecht entsteht erst dann, wenn der Vermieter bereits seine Leistung erbracht hat und somit in Vorleistung getreten ist. Das Verhalten des Mieters, der seine Verpflichtung, die Zahlung von Miete und Pacht, nicht erbringt, ist nicht vertragstreu. Erst durch die fehlende Vertragstreue kommt es zur Entstehung des Vermieterpfandrechtes. Bei dem Vermieterpfandrecht handelt es sich um ein gesetzliches Pfandrecht, wie auch bei dem Werkunternehmerpfandrecht nach § 631 BGB. Im Gegensatz zum Werkunternehmerpfandrecht, das dem Werkunternehmer ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der eingebrachten Sache, an der der Werkunternehmer sein Werk vorgenommen hat, gibt, ist die Sachlage beim Vermieterpfandrecht. Denn der Werkunternehmer hat gegenüber dem Besteller einen Vergütungsanspruch aus § 631 BGB, der erst bei Abnahme des Werkes nach § 641 BGB fällig ist. Das Zurückbehaltungsrecht gibt dann dem Werkunternehmer die Möglichkeit, seine eigene Leistung gegenüber dem Besteller zurückzuhalten, bis dieser seine vertragliche Verpflichtung zur Entrichtung des Werklohnes erfüllt hat. Genau diese Möglichkeit besteht für den Vermieter nicht, da er bereits seine Leistung - die Gebrauchsüberlassung der Mietsache - erfüllt hat. Würde man hinsichtlich des Vermieterpfandrechtes dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht gewähren, würde dies den vertragsuntreuen Mieter begünstigen, zumal der Wert der eingebrachten Gegenstände nicht zwingend dem Wert der Miet- bzw. Pachtzinsforderung entsprechen muss. In diesem Fall wäre dann, eine Beweisaufnahme dazu erforderlich, welchen Wert die eingebrachten Gegenstände haben. Der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der in seinem Eigentum stehenden Gegenstände wird auch nicht gefährdet, wenn eine Zug um Zug Verurteilung nicht erfolgt. Denn wenn der Schuldner nicht zahlt, verbleiben die Gegenstände beim Gläubiger und dieser kann sie verwerten und sich aus dem Verwertungserlös hinsichtlich seiner Forderung befriedigen. Zahlt der Schuldner, hat der Gläubiger kein Recht mehr zum Besitz und ist zur Herausgabe verpflichtet.

Auch hinsichtlich der Gegenstände, die nicht der Beklagten, sondern Eigentum der Schwiegermutter der Beklagten sein sollen, wie die Beklagte behauptet, kann die Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Es würde den schutzwürdigen Belangen des Pfandgläubigers zuwider laufen, wenn dieser zunächst klären müsste, ob der Verpfänder dem Eigentümer gegenüber im Zeitpunkt der Rückgabe der Pfandsache noch zum Besitz an diesen berechtigt ist. Der Pfandgläubiger darf die Klärung der Rechtsbeziehung zwischen dem Verpfänder und dem Dritten den Verpfänder überlassen. Hierdurch wird der Eigentümer in vorliegendem Fall die Schwiegermutter der Beklagten nicht rechtlos gestellt, da er sich mit seinem Herausgabebegehren direkt an den Verpfänder, in diesem Fall den Vermieter, wenden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.