Landgericht Stade
Beschl. v. 04.04.2006, Az.: 7 T 135/05
Auskunftspflicht eines Insolvenzschuldners zur Ermittlung des Marktwertes der Masse, insbesondere hinsichtlich des Alters und der Laufleistung eines Oldtimers; Erfüllung der Obliegenheiten der Insolvenzordnung während der Wohlverhaltensperiode als Voraussetzung der Restschuldbefreiung eines Schuldners
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 04.04.2006
- Aktenzeichen
- 7 T 135/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 39928
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2006:0404.7T135.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cuxhaven - 13.06.2005 - AZ: 12 IN 78/03
- nachfolgend
- BGH - 14.01.2010 - AZ: IX ZB 80/06
- LG Stade - 18.06.2010 - AZ: 7 T 64/10
- BGH - 21.07.2011 - AZ: IX ZB 135/10
Rechtsgrundlagen
- § 97 InsO
- § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO
- § 291 Abs. 1 InsO
In der Beschwerdesache
...
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade
durch
die Richterin am Landgericht Borchardt als Einzelrichterin
am 04.04.2006
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 30.06.2005 wird der Beschluss des Amtsgerichts Cuxhaven vom 13.06.2005 aufgehoben.
Dem Schuldner wird die Restschuldbefreiung versagt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdegegner.
Der Beschwerdewert wird auf 655,81 € festgesetzt.
Gründe
I
Über das Vermögen des Schuldners lief ein Regelinsolvenzverfahren.
Der Schuldner ist Vater der Beschwerdeführerin. Er und die Mutter der Beschwerdeführerin, ..., waren bis zum Sommer des Jahres 2000 Lebensgefährten. Danach trennten sich die beiden. Im Rahmen der Trennung gelangte der Schuldner in den Besitz eines Kfz der Marke GM-Chevrolet USA. Bezüglich dieses Fahrzeuges war im September 1997 ein Wertgutachten eingeholt worden, in dem ein Marktwert von 36.000 DM festgestellt wurde. Dieses Gutachten, das dem Gericht in den auf Antrag der Beschwerdeführerin beigezogenen Akten 3 O 249/01 LG Stade vorliegt, ist vom Sachverständigen an die Mutter der Beschwerdeführerin gerichtet. Aus dem Gutachten ergibt sich weiter, dass der Beschwerdeführer den Auftrag erteilt hatte und auch bei der Besichtigung des Fahrzeuges anwesend war. Der Schuldner übereignete das Fahrzeug im Juni 2001 an die Mutter. In einem Prozesskostenhilfeverfahren (3 O 249/01 LG Stade) suchte die Mutter der Beschwerdeführerin um Prozesskostenhilfe für eine Herausgabeklage gegen die Mutter des Schuldners nach. Diese wurde versagt. In dem Verfahren ging das Landgericht aufgrund des vorgelegten Gutachtens von einem Streitwert über 10.000 DM aus. Die Mutter des Schuldners ließ von ihrem Anwalt ausführen, dass das Fahrzeug bei Übereignung einen Wert von maximal 6.000 DM gehabt haben dürfte.
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurde der Schuldner von dem Insolvenzverwalter unter dem 07.07./04.08.2003 aufgefordert, ihm über die Vorgänge um die Übereignung des Kfz GM Chevrolet USA Bericht zu erstatten und auch mitzuteilen, wie es damals zu einer Übereignung gekommen sei. Wegen des Inhaltes der beiden Anschreiben wird auf die Fotokopien Bl. 192 und 193 der Akten verwiesen.
In dem dem ersten Anschreiben beigefügten Fragekatalog beantwortete der Schuldner die Frage nach dem Baujahr mit 1951, nach der Kilometerleistung mit 8 Millionen km und die Frage nach der Bezahlung des Fahrzeuges mit 'komplett bezahlt'. Zu der Frage, welchen Wert er dem Fahrzeug damals beigemessen habe, gab er 1.500 € an und ergänzte diese Angabe mit der Ausführung, 'das Fahrzeug war in sehr schlechtem Zustand und nicht fahrbereit!'. Außerdem gab er an, dass er das Fahrzeug bei der Trennung von seiner Lebensgefährtin als Ausgleich für den Hausrat bekommen und es an seine Mutter weitergegeben habe, weil sie ihn mit Wohnung und Essen unterstütze.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den ebenso wie auf den übrigen Akteninhalt zur näheren Darstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt, wenn er während Wohlverhaltensperiode die Obliegenheiten derInsolvenzordnung erfüllt und die Restschuldbefreiung nicht zuvor nach §296 ff InsO versagt wird. Außerdem hat es die Wohlverhaltensperiode auf 5 Jahre festgesetzt, beginnend mit der Verfahrenseröffnung am 22.04.2003.
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie führt u.a. aus, dass dem Schuldner die Erteilung der Restschuldversicherung zu versagen sei. Selbst wenn das Fahrzeug technische Mängel aufgewiesen hätte, habe es doch einen "Liebhaberwert", der mit Zeitablauf eher noch höher liegen dürfte. Der Wert sei noch heute mit 10.000 € anzusetzen. Das Fahrzeug sei im übrigen angemeldet. Der Schuldner habe, nachdem das Fahrzeug aus den USA nach Deutschland verschifft worden sei, Arbeiten durchführen lassen und hierfür 12.000 DM gezahlt.
Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass die Wohlverhaltensperiode nach der Rechtsprechung des BGH auf 6 Jahre festzusetzen sei.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landgericht vorgelegt.
II
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§290, 289 Abs. 2, 6 InsO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden.
Sie ist auch begründet.
Voraussetzung für eine Ankündigung der Restschuldbefreiung nach §291 Abs. 1 InsO ist, dass der §290 InsO nicht gegeben sind. Hierfür ist im Rahmen des §290 Abs. 1 Nr. 5 InsO wiederum Voraussetzung, dass der Schuldner nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich ihm obliegenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat.
Eine solche Verletzung liegt vor, wenn er gegen seine Auskunftspflichten gem. §97 InsO verstoßen hat.
Durch die in §97 InsO normierte Auskunftspflicht sollen die Beteiligten die für die Masseverwertung erforderlichen Informationen erhalten. Dazu gehören auch die Informationen, anhand derer geprüft werden kann, ob eine Insolvenzanfechtung in Betracht kommt. Der redliche Schuldner muss deswegen alle Umstände mitteilen, die für eine Prüfung auch der Frage einer möglichen Insolvenzanfechtung von Bedeutung sind.
Im vorliegenden Fall hat der Schuldner auf die Anfrage des Insolvenzverwalters vom 07.07.03/04.08.03 zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht. Denn der Schuldner kannte das Sachverständigengutachten aus dem Jahr 1997, das mit einem Marktwert von 37.000 DM endete. Diese Kenntnis ergibt sich bereits daraus, dass er selbst das Gutachten - wenn auch für seine damalige Lebensgefährtin - in Auftrag gegeben hat und bei der Begutachtung durch den Sachverständigen anwesend war.
Aufgrund dieser Kenntnis hätte der Beschwerdeführer nicht lediglich den von ihm geschätzten Wert von 1.500 € angeben dürfen. Zu einer vollständigen Auskunft wäre es vielmehr erforderlich gewesen, dem Insolvenzverwalter mitzuteilen, dass das Fahrzeug von Sachverständigen noch im Jahre 1997 auf 37.000 DM geschätzt worden sei, es aber dennoch jetzt einen geringeren Wert habe, weil es in einem schlechten Zustand sei. Durch eine solche Angabe hätte der Schuldner den Insolvenzverwalter in die Lage versetzt, eigenständig zu prüfen, ob er weitere Ermittlungen zum Wert des Fahrzeuges für sinnvoll erachtete oder nicht. Die Angabe des Schuldners jedoch war geeignet, von vornherein den Eindruck zu erwecken, es handele sich um ein Fahrzeug, dessen Lebensdauer bereits aufgrund seines Alters und der Laufleistung überschritten war und bei dem jegliche weitere Ermittlung zu einem möglicherweise vorhandenen Wert die aufgewendete Zeit nicht lohne.
Dies gilt umso mehr, als echte Oldtimer durch Zeitablauf und Gebrauch in der Regel nicht den Wertverlust aufweisen, von dem der Schuldner hier ausgegangen ist. Es müssen über den normalen Verschleiß weitere Umstände hinzutreten, die eine solche Wertminderung bedingt haben. Solche hat der Schuldner jedoch nicht angegeben. Selbst die Mutter des Schuldners hat den Wert des Fahrzeugs im Prozesskostenhilfeverfahren 3 O 249/01 noch mit maximal 6.000 DM angegeben, also etwa mit dem doppelten Wert, den nunmehr der Schuldner angesetzt hat.
Zugunsten des Schuldners kann nicht davon ausgegangen werden, dass er in dem Fragekatalog des Insolvenzverwalters ausdrücklich nur danach gefragt worden ist, welchen Wert er selbst dem Fahrzeug damals beigemessen hat. Denn dem Insolvenzverwalter ging es ausweislich des Anschreibens, mit dem der Fragekatalog zugesandt worden ist, eindeutig um den Wert des Fahrzeuges. In diesem Anschreiben hat der Insolvenzverwalter den Schuldner ausdrücklich gebeten, ihn über den damaligen Wert des Fahrzeuges zu unterrichten. Danach wollte der Insolvenzverwalter aber gerade nicht lediglich Angaben erlangen, aus denen sich die Wertvorstellung des Schuldners ergibt, sondern auch Kenntnis über alle dem Schuldner bekannten objektiven Anhaltspunkte für den Wert erhalten.
Weitere Voraussetzungen sind für die Versagung der Restschuldbefreiung nicht erforderlich. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Pflichtverletzung des Schuldners die Befriedigungsaussichten der Gläubiger vermindert hat.
Es handelt sich im vorliegenden Fall auch nicht nur um eine unwesentliche Pflichtverletzung. Denn es standen hinsichtlich des Fahrzeuges ganz erhebliche Werte im Raum. Der Schuldner hat auch in der Folgezeit seine Angaben nicht etwa selbst berichtigt oder noch vorgetragen, warum die Wertminderung des Fahrzeuges tatsächlich innerhalb 4 Jahren in der von ihm angegebenen Höhe eingetreten ist.
III
Die Kostenentscheidung folgt aus §91 ZPO analog.
Der Beschwerdewert ergibt sich aus §3 ZPO (Höhe der angemeldeten Forderung der Beschwerdeführerin).