Landgericht Stade
Urt. v. 17.01.2006, Az.: 3 O 268/04
Beendigung; Dienstvertrag; Ruhegeld
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 17.01.2006
- Aktenzeichen
- 3 O 268/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53385
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 04.10.2006 - AZ: 9 U 19/06
- BGH - 11.10.2007 - AZ: II ZR 248/06
Rechtsgrundlagen
- § 157 BGB
- § 611 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Beendigung eines Dienstvertrages und der damit entstehende Anspruch auf Ruhegeld setzt kein aktives Tun voraus.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 78.406,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2004 auf 6.533,90 € und auf weitere 71.872,84 € seit dem 27.05.2005 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Ruhegehalt in Höhe von 75 % seiner bis zum 16.06.2004 gezahlten Bezüge zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Ruhegeld aus einer betrieblichen Altersversorgung in Anspruch.
Der Kläger war in der Zeit vom 01.06.1989 bis 16.06.2004 Vorstandsvorsitzender der Beklagten. Zuletzt wurde er durch Beschluss des Aufsichtsrates der Beklagten vom 08.07.1998 für die Zeit vom 01.06.1999 bis 31.05.2004 als Vorstand bestellt. Auf der Grundlage eines Beschlusses des Aufsichtsrates setzte der Kläger sein Anstellungsverhältnis über den 31.05.2004 bis zum 16.06.2004 fort. Zwischen den Parteien besteht ein am 10.03.1989 geschlossener Anstellungsvertrag, der zuletzt am 10.01.2001 geändert worden ist. In § 6 des Vertrages ist u.a. folgendes geregelt:
„Tritt ein Versicherungsfall im Sinne des Berufsunfähigkeitsbegriffs der G. AG bzw. des Angestelltenversicherungsgesetzes ein oder wird das Vertragsverhältnis aus einem von Herrn K. nicht zu vertretenen Grund beendet oder scheidet Herr K. im Einvernehmen mit der Gesellschaft aus dieser aus, garantiert die Gesellschaft Herrn K. bzw. seinen anspruchsberechtigten Hinterbliebenen nach Ablauf der vereinbarten Dauer des Dienstverhältnisses nachfolgende Versorgung“.
Diese Altersversorgung beläuft sich auf 75 % der dem Kläger zustehenden Jahresbezüge, welche sich zuletzt auf 104.542,32 € beliefen.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe nach Beendigung seines Anstellungsverhältnisses bei der Beklagten, d.h. ab dem 17.06.2004 ein Ruhegeldanspruch zu. Er behauptet, bei den damaligen Vertragsverhandlungen im Jahre 1989 habe er unmißverständlich deutlich gemacht, dass für ihn eine Übernahme des Postens als Vorstandsvorsitzender bei der Beklagten nur dann in Betracht käme, wenn ihm vertraglich eine den Beamten auf Zeit vergleichbare Rechtsposition auf einen Ruhestandsbezug gewährt werden würde, nachdem sein Anstellungsverhältnis bei der Beklagten ende. Da das Ruhegehalt, wie auch die Vorstandsbezüge, in monatlichen Teilbeträgen auszuzahlen seien, ergäbe sich aus § 6 des zugrundeliegenden Dienstvertrages ein monatlicher Anspruch in Höhe von 6.533,90 €.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 78.406,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2004 auf 6.553,90 € und auf weitere 71.872,84 € seit dem 27.05.2005 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Ruhegehalt in Höhe von 75 % seiner bis zum 16.06.2004 gezahlten Bezüge zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kläger habe zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Anspruch auf Zahlung des Ruhegehaltes. Diesen Anspruch könne er frühestens mit Erreichung des 65. Lebensjahres geltend machen. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen und Unterzeichnung des Anstellungsvertrages des Klägers sei niemals die Rede davon gewesen, dass dem Kläger bereits vor Erreichen des 65. Lebensjahres ein Ruhegehalt gezahlt werden würde, wenn dieser vorzeitig bei der Beklagten ausscheiden würde. Über die Dienstverträge des Klägers habe es auch nie eine Abstimmung und einen Beschluss im Aufsichtsrat gegeben. Die Dienstverträge des Klägers seien lediglich wiederholt in den Aufsichtsratssitzungen bis 1992 angesprochen worden. Außerdem seien die Anstellungsverträge auch nicht wirksam, da sich der Aufsichtsrat seit 1992 nicht mehr damit beschäftigt und dementsprechend keine Beschlüsse des Gesamtaufsichtsrates, die für die Rechtswirksamkeit erforderlich seien, vorliegen würden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C., T. und A.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005 (Bl. 204 ff d.A.).
Entscheidungsgründe
Der Kläger kann die Beklagte in dem ausgeurteilten Umfang auf Zahlung von altersunabhängigem Ruhegeld in Anspruch nehmen.
Ein solcher Anspruch ergibt sich § 6 Nr. 1 Abs. 1 des Dienstvertrages, wonach das Ruhegeld an den Kläger zu zahlen ist, wenn das Vertragsverhältnis aus einem vom Kläger nicht zu vertretenen Grund beendet worden ist. Dies ist hier gegeben, da das Anstellungsverhältnis durch Zeitablauf zum 16.06.2004 beendet worden ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt eine Beendigung im Sinne des § 6 Nr. 1 Abs. 1 des Dienstvertrages kein aktives Tun einer der Vertragsparteien, etwa in Form einer Kündigungserklärung, voraus. Dies kann auch nicht aus der gewählten Formulierung „wird beendet“ hergeleitet werden. Ein Rechtsverhältnis kann ebenso durch Zeitablauf beendet werden, wie es auch durch aktives Verhalten beendet werden kann. Außerdem wird aus dem zusätzlichen Erfordernis, des vom Kläger nicht zu vertretenen Grundes sowie einem Vergleich mit den weiteren Anspruchsgründen im Sinne von § 6 Nr. 1 Abs. 1 des Dienstvertrages deutlich, dass dem Kläger nur für den Fall ein Ruhegehalt nicht zustehen sollte, dass er sich gegenüber der Beklagten ein Verhalten zu Schulden kommen lassen würde, welches die Beklagte zu einer einseitigen Vertragsauflösung berechtigen würde. Das Ende des Beschäftigungsverhältnisses durch Zeitablauf entspricht normativ dem einvernehmlichen Ausscheiden aus der Gesellschaft und erfordert insbesondere kein Verschulden des Klägers.
Die seitens der Beklagten geäußerten Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit des Anstellungsvertrages, da sich der Aufsichtsrat seit 1992 nicht mehr mit den Dienstverträgen des Klägers beschäftigt habe und entgegen § 84 Abs. 1 Satz 1 und 5 Aktiengesetz Änderungen nicht vom Gesamtaufsichtsrat beschlossen worden und deshalb rechtswidrig seien, berühren die Ruhegehaltsregelung hinsichtlich des Dienstvertrages vom 10.03.1989 nicht.
Dem Kläger steht auch bereits schon vor Erreichen des 65. Lebensjahres ein Anspruch auf Zahlung des Ruhegehaltes zu. In dem zugrundeliegenden Vertrag ist die hier zu beurteilende Frage, ob das Ruhegehalt auch unabhängig vom tatsächlichen Alter des ausscheidenden Klägers gezahlt werden sollte, nicht ausdrücklich geregelt. In dem Vertrag ist keinerlei Regelung darüber getroffen, ob die Versorgung an den Eintritt des 65. Lebensjahres gekoppelt ist oder aber nicht. Soweit der Kläger behauptet hat, er habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen stets verdeutlicht, dass für ihn eine Beschäftigung bei der Beklagten nur dann in Betracht käme, wenn er einem Beamten hinsichtlich der Versorgung gleichgestellt wäre, ergibt sich daraus nicht eine altersunabhängige Zahlung des Ruhegehaltes. In § 4 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung von 1987 waren 3 Alternativen für den Eintritt eines Ruhegehaltes vorgesehen. Zum einen eine Dienstzeit von mindestens 5 Jahren, Krankheit des Beamten sowie Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. § 4 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz ist im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 zu lesen, wonach ein Anspruch auf Ruhegehalt grundsätzlich erst mit Beginn des Ruhestandes selbst entsteht. Der Ruhestand tritt regelmäßig mit Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze, d.h. mit Eintritt des 65igsten Lebensjahres ein. § 4 Beamtenversorgungsgesetz geht von dem Fall aus, dass der Beamte die erforderliche Dienstzeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz abgeleistet haben wird. Davon gingen jedoch die Parteien bei Vertragsschluss gerade nicht aus. Vielmehr erfolgte die Bestellung des Klägers als Vorstandsvorsitzender der Beklagten, den aktienrechtlichen Vorschriften gemäß jeweils nur auf 5 Jahre. Die Parteien gingen mithin von einer begrenzten Beschäftigungsdauer aus, sodass die Vorschriften für Beamte auf Zeit entsprechend anzuwenden sind.
Ein sofortiger Versorgungsanspruch nach Beendigung des Dienstverhältnisses ergibt sich auch nicht aus dem in § 13 Nr. 2 des Dienstvertrages geregelten Wettbewerbsverbot. Zwar bestehen etwaige Entschädigungsansprüche aus einem Wettbewerbsverbot neben den garantierten Versorgungsbezügen, dies geht jedoch auch für die Zeit nach Eintritt des 65. Lebensjahres des Klägers.
Im Rahmen der Auslegung des Vertrages ist die Interessenlage der Parteien und der mit dem Vertrag verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Ein Indiz gegen einen sofortigen Versorgungsanspruch ist darin zu sehen, dass die Beklagte schon nach Ablauf der ersten Dienstzeit des Klägers als Vorstandsvorsitzender zur Auszahlung eines Ruhegehaltes verpflichtet gewesen wäre. Zu dieser Zeit war der Kläger jedoch gerade erst 45 Jahre alt, so dass die Beklagte bereits 20 Jahre vor Eintritt des Rentenalters zur Zahlung von Versorgungsbezügen in erheblichem Umfang verpflichtet gewesen wäre. Maßgeblich kommt es jedoch darauf an, was die Parteien bei Abschluss des Vertrages gewollt und auch vereinbart haben. Hierzu hat die Kammer die Zeugen C., T. und A. vernommen. Die Zeugin C., die seit 1989 im Aufsichtsrat der AG nachgerückt ist und seit 1990 Aufsichtsratsmitglied der dann gegründeten Holding gewesen ist, hat dazu angegeben, dass bei den Aufsichtsratssitzungen über Fragen des Ruhegehalts gesprochen worden ist. Daraus habe sie entnommen, dass der Kläger eine Entschädigung haben sollte. Ihrer Erinnerung nach war bei den Verhandlungen des Klägers mit der AG im Rahmen der Verlängerung des Anstellungsvertrages im Jahre 2001 nicht über die Frage einer Pension o.ä. gesprochen worden. Sie habe aber die Regelung des Vertrages so verstanden, dass der Kläger von der Beklagten eine Leistung bekomme, wenn er aus der S. AG ausscheide, und zwar auch dann, wenn er vor Erreichen der Altersgrenze ausscheiden werde. Insoweit hat der Zeuge A., der damals Vorstandsvorsitzender gewesen ist, eindeutig und unmißverständlich erklärt, er habe zusammen mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Verhandlungen mit dem Kläger als zukünftigen Vorstandsvorsitzenden geführt. Dabei sei Einigkeit darüber erzielt worden, dass der Kläger die gleiche Versorgungszusage erhalten sollte, wie er, der Zeuge A., sie in seinem Anstellungsvertrag habe. In dem Vertrag des Zeugen A. war eine entsprechende Ruhegehaltsregelung, wie in dem Vertrag des Klägers enthalten. Der Zeuge A. hat auf Nachfrage erklärt, dass bereits damals erkannt worden sei, dass ein entsprechender Versorgungsanspruch des Klägers unter Umständen auch schon vor Erreichen des 65. Lebensjahres gegeben sein sollte. Der Zeuge hat insofern aber auch ausgeführt, dass die Beklagte seinerzeit, genauso wie der Kläger, davon ausgegangen seien, dass die Anstellungsverträge bis zum 65. Lebensjahr verlängert werden würden. Es sei aber auch im Gespräch gewesen, dass es einmal nicht zu einer Verlängerung kommen könne.
Die Würdigung dieser Zeugenaussagen führt zu dem Ergebnis, dass dem Kläger Ruhestandsbezüge zustehen sollten, wenn er ohne sein Verschulden das Anstellungsverhältnis vor dem 65. Lebensjahr beenden würde. Dass die Parteien bei Abschluss des Vertrages davon ausgegangen sind, dass der Kläger Vorstandsvorsitzender bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres bleiben würde und seine Verträge im 5-Jahres-Rhythmus verlängert werden würden, steht dem nicht entgegen. Denn nach der überzeugenden und nachvollziehbaren Aussage des Zeugen A. war den Parteien auch bewusst, dass im Falle der Nichtverlängerung Ruhegehalt mit dem Ausscheiden bei der Beklagten bezahlt werden müsse. Dem steht auch nicht entgegen, dass bei dem Zeugen A. eine vorzeitige Zahlung von Ruhegehalt aufgrund seines Alters bei Vertragsabschluss nicht mehr in Betracht kommen konnte, allenfalls noch für ein Jahr. Denn den Parteien war bei Abschluss des Vertrages zwischen Kläger und Beklagten ganz deutlich, dass der Kläger unter Umständen früher als vor seinem 65. Lebensjahr bei der Beklagten ausscheiden würde. Diese Situation hat man sich nicht gewünscht, sie aber dennoch gesehen und die entsprechende Regelung beibehalten.
Die Würdigung der Aussage des Zeugen T. führt zu keinem anderem Beweisergebnis. Der Zeuge T. hat erklärt, es sei über die Frage, ob Ruhegehalt vor Erreichen des 65. Lebensjahres gezahlt werden würde, wenn der Kläger ausscheidet, nicht gesprochen worden. Es sei im Hinblick auf die Verdienste des Klägers klar gewesen, dass er die S. AG nicht vor Erreichen des 65. Lebensjahres verlassen würde, sodass über diese Frage nicht gesprochen worden sei. Der Zeuge T. konnte sich anders als der Zeuge A. an den Anstellungsvertrag des Klägers jedoch nicht mehr genau erinnern, so konnte er beispielsweise auch nicht mehr sagen, ob darin ein Wettbewerbsverbot geregelt gewesen war.
Demgegenüber erinnerte sich der Zeuge A. sehr genau an den Gesprächsinhalt und die vertraglichen Regelungen.
Die Kammer ist deshalb aufgrund der Aussage des Zeugen A., die sich in den entscheidenden Bereichen mit denen der Zeugin C.t deckt, davon überzeugt, dass die Parteien die altersunabhängige Ruhegeldsregelung des Zeugen A., auf die der Kläger sehr viel Wert gelegt hat, nicht nur ausgesprochen sondern auch vereinbart haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.