Landgericht Stade
Urt. v. 28.11.2006, Az.: 1 S 47/06
absolute Fahrunsicherheit; absolute Fahruntüchtigkeit; alkoholbedingte Fahrunsicherheit; alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit; Alkoholeinfluss; Alkoholisierung; Alkoholisierungsgrad; alkoholtypisches Risiko; Anrechung; Anscheinsbeweis; Ausfallerscheinung; Außerachtlassung ; Beifahrer; Beweisanzeichen; Beweisergebnis; Blutalkoholgehalt; Blutalkoholkonzentration; Blutprobe; Blutprobenentnahme; Deliktsfähigkeit; Erforderlichkeit; Fahrfehler; Fahrtantritt; Fahrtüchtigkeit; Fahrunsicherheit; Fahruntüchtigkeit; Fehlen; Feststellung ; Grenzwert; Handeln auf eigene Gefahr; Indiz; Kenntnis; Kraftfahrer; Messung; Mitursache; Mitverschulden; Mitverschuldensanteil; neues Vorbringen; relative Fahrunsicherheit; relative Fahruntüchtigkeit; richterliche Überzeugung; Sorgfalt; Sorgfaltsbeachtung; Trunkenheitsfahrt; unangepasste Geschwindigkeit; Unfall; Unfallschaden; Unfallursache; Unfallursächlichkeit; Unfallverursachung; Ursächlichkeit; Verkehrsunfall; Verschulden; Verspätung; Verursachung; Verwirklichung; Zeugenangaben; Zeugenbeweis
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 28.11.2006
- Aktenzeichen
- 1 S 47/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53258
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 12.07.2006 - AZ: 5 C 465/05
Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB
- § 827 S 2 BGB
- § 249 BGB
- § 316 StGB
- § 529 Abs 1 ZPO
- § 531 Abs 2 ZPO
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Kläger und der Berufung der Beklagten das am 12. Juli 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bremervörde -5 C 465/05 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.158,75€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.04.2005 sowie nicht anrechenbare Vorverfahrenskosten in Höhe von 172,61 € zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen die Kläger 54 % und die Beklagte 46 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Die Kläger beantragen,
1. unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bremervörde vom 12.07.2006 die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 4.662,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.04.2005 sowie nicht anrechenbare Vorverfahrenskosten in Höhe von 302,53 € zu zahlen,
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Amtsgerichts Bremervörde vom 12,07.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
2. die Berufung der Kläger vom 11.08.2006 zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Kläger ist zulässig, hat in der Sache aber nur zu einem geringen Teil ( in Bezug auf die Höhe der nichtanrechenbaren Rechtsanwaltskosten) Erfolg. Im Übrigen ist die Berufung der Kläger ebenso wie die Berufung der Beklagten unbegründet.
Der Unfall vom 04.12.2004 gegen 04:35 Uhr, bei dem der Sohn der Kläger getötet worden ist, ist von dem ebenfalls bei dem Unfall getöteten Versicherungsnehmer … Beklagten schuldhaft durch einen Fahrfehler (Übermüdung und/oder unangepasster Geschwindigkeit) verursacht und verschuldet worden, so dass die Beklagte als Versicherungsgeberin dem Grunde nach verpflichtet ist, den unfallbedingt entstandenen Schaden zu ersetzen.
Es ist auch davon auszugehen, dass der Unfall jedenfalls auch darauf beruht, dass der Versicherungsnehmer … der Beklagten infolge von Alkoholeinfluss nicht mehr in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Dabei ist es im Ergebnis unschädlich, dass wegen der fehlenden Entnahme einer Blutprobe allein auf der Grundlage des Beweisergebnisses erster Instanz nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Blutalkoholgehalt des Versicherungsnehmers den Grenzwert von 1,1 vT zur absoluten Fahrunsicherheit erreicht hatte, also insoweit schon allein auf Grund der Höhe des Blutalkoholgehaltes bereits die Grundsätze des Anscheinsbeweises für die Unfallursächlichkeit der alkoholbedingten Fahrunsicherheit für den Unfall eingreifen ( vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. ; § 316 StGB, Rn. 69 m.w.N. ). Jedenfalls eignet sich der Anscheinsbeweis nach überwiegender Rechtssprechung dann zum Nachweis der (relativen) Fahrunsicherheit, wenn sich der Unfall unter Umständen ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (vgl. Hentschel, a.a.O., m.w.N. ). Ist relative Fahrunsicherheit festgestellt, so kann - wie bei absoluter Fahrunsicherheit - der Anscheinsbeweis auch zum Nachweis ihrer Ursächlichkeit für den Unfall herangezogen werden (vgl. Hentschel, a.a.O., m.w.N. ).
Ausweislich des Abschlussberichtes von PHM … vom 30.12.2004 (BI. 53 ff d. BA) ereignete sich der Unfall wie folgt:
Ein (unstreitig vom Versicherungsnehmer … der Beklagten gelenkter) BMW Kombi, der mit 5 Personen besetzt war, kam in Höhe einer Einmündung und Beginn einer Rechtskurve nach links über die Gegenfahrbahn hinaus mit den linken Rädern auf asphaltierten Untergrund von der Fahrbahn ab. Um nicht über die Einmündung hinaus in eine Baumreihe zu fahren, riss der Fahrer das Steuerrad nach rechts, übersteuerte dieses, worauf sich das Fahrzeug quer stellte und in dieser Stellung nach rechts von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug stieß nun mit enormer Wucht in Höhe der Fahrertür mit der linken Fahrzeugseite gegen einen Straßenbaum, wo er total zerstört und stark deformiert zum Stillstand kam.
Es kann davon ausgegangen werden, dass einem nüchternen (fahrtüchtigen) Fahrer ein derartiger Fahrfehler nicht unterlaufen wäre, zumal keinerlei Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden (Fuchs, s. BI. 78 d. BA) vorliegen.
Zudem steht auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme erster Instanz fest, dass der Versicherungsnehmer … der Beklagten vor dem Unfall erhebliche Mengen Alkohol (Cola-Korn) zu sich genommen hat und auch Ausfallerscheinungen in Form von Schwanken beim Gehen sowie nicht mehr sauberer Aussprache hatte. Das sind deutliche Anzeichen für eine bestehende Fahruntüchtigkeit.
Es kann offen bleiben, ob auf Seiten der Beklagten durch das Unterlassen der Einholung einer Blutprobe die Grundsätze der Beweisvereitelung erfüllt sind oder nicht.
Denn insoweit letztlich fehlt es an der Ursächlichkeit der Unterlassung für die zu treffenden Feststellungen.
Entgegen der Auffassung der Kläger kann die Frage, ob ein Kraftfahrer alkoholbedingt fahruntüchtig ist, nicht nur an der konkreten Feststellung seines Alkoholisierungsgrades gemessen werden. Die Feststellung der durch Alkohol verursachten Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers durch den Tatrichter ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn nach der Tat eine Blutprobe nicht entnommen und deshalb eine BAK als Grundlage für weitere Beweiserwägungen nicht ermittelt werden konnte (OLG Düsseldorf, NZV1990,198f ). Auch in diesen Fällen kann sich die Überzeugung von der (relativen) Fahruntüchtigkeit des Täters aus den vom Tatrichter festgestellten Beweisanzeichen ergeben. Solche Beweisanzeichen liegen hier in dem erheblichen Alkoholgenuss des Versicherungsnehmers vor der Fahrt; dem schwankenden Gang und der unsauberen Sprache vor.
An die Feststellungen des Amtsgerichts zu den für die bestehende Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmers der Beklagten zugrunde liegenden Tatsachen ist die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 ZPO gebunden, da konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen nicht vorliegen und auch neue, berücksichtigungsfähige Tatsachen nicht vorliegen.
Entscheidend für diese Feststellungen ist, wie das Wort "insbesondere" in dem angefochtenen Urteil verdeutlicht, die Aussage der Zeugin …Diese hat erstinstanzlich ausgesagt, dass sie in dieser Nacht im … als Bedienung beschäftigt gewesen war. Sie habe die beiden auch privat gekannt, besser noch den Geschädigten …Die 8eiden seien ca. 3 bis 4 Stunden am Tresen gewesen.
Die beiden hätten 7 Tabletts Cola-Korn mit jeweils 10 Cola-Korn sowie 20 Jägermeister Red Bull bestellt. Auf einem Tablett hätten sich jeweils 10 Cola-Korn befunden.
Den überwiegenden Teil der Getränke hätten der Geschädigte … und derjenige getrunken, der auch in der Nacht tödlich verunglückt sei. Es sei ab und zu mal jemand hinzu gekommen, der auch mittrank. Das meiste aber hätten, die beiden getrunken.
Die Jägermeister Red Bull habe hauptsächlich der Geschädigte … bestellt. "Ich kann definitiv sagen, dass … und … beide von den Cola-Korn und Jägermeister Red Bull tranken. Sie standen ja direkt vor mir vor dem Tresen.
Sie haben an dem Abend auch "rumgegrölt" und gesungen.
Ich kann mich insbesondere auch an folgendes erinnern:
Die beiden tranken den Jägermeister Red Bull in besonderer Weise. Der Jägermeister wurde in ein kleines Glas gefüllt. Dieses Glas wurde in das größere Glas mit dem Red Bull geworfen. Dies geschah bei den beiden aus größerer Höhe, was einen "Riesen-Schweinkram" gab. Der ganze Tresen schwamm.
Ich stellte alkoholbedingte Ausfallerscheinungen bei … fest. Von Tablett zu Tablett wurde er betrunkener.
Als er mich bat, sie nach Hause zu fahren, merkte ich auch an seiner Sprache, dass er betrunken war.
Zu einem späteren Zeitpunkt habe ich die beiden ja auch weggehen sehen vom Tresen. Am Gang konnte man erkennen, dass beide betrunken waren. Beide waren ziemlich am Schwanken. Beide hatten zuvor auch nicht mehr sauber gesprochen."
Diese detaillierten Angaben der Zeugin … verdeutlichen, dass sie das Geschehen aufmerksam verfolgt und ein gutes Erinnerungsvermögen an den Vorfall hatte, auch wenn im Zeitpunkt ihrer Aussage vor dem Amtsgericht am 21.06.2006 das Geschehen in der Nacht vom 03./04.12.2004 schon etwa 1 1/2 Jahre zurücklag. Die von den Klägern gegen die Überzeugungskraft der Aussage der Zeugin … in der Berufungsbegründung vorgebrachten Bedenken begründen keine konkreten Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO.
Die Zeugin … hat ihre Beobachtungen aus einer guten Position heraus gemacht. Ein ca. 10m langer Tresen ist überschaubar. Entgegen der Darstellung der Kläger hat die Zeugin … nicht bekundet, dass sie gleichzeitig bis zu 100 Gäste - in unterschiedlicher Zusammensetzung - zu bedienen hatte. Vielmehr hat sie bekundet: "ich schätze in der fraglichen Nacht habe ich ca. 300 Gäste bedient, von Mitternacht bis 4:00 Uhr morgens vielleicht 50 bis 100 Gäste". Das ist entgegen der Ansicht der Kläger weder "völlig ausgeschlossen" noch denkgesetzwidrig.
Auch soweit die Zeugin … die konkrete Anzahl der vom Versicherungsnehmer der Beklagten getrunkenen Gläser Alkohol nicht beziffert hat, kann jedenfalls festgestellt werden, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten mehrfach und insgesamt einen erheblich Anteil Alkohol zu sich genommen hat. So hat die Zeugin u.a. ausgesagt: "Ich habe ganz oft gesehen, dass … alkoholische Getränke trank. Er trank an dem Abend "wie der Teufel".
Der Umstand, dass die Erstaussage der Zeugin 1,5 Jahre später erfolgte, beeinträchtigt die Überzeugungskraft der detaillierten Aussage der Zeugin … nicht.
Dass die Zeugin … von dem tödlichen Verkehrsunfall von ihrem Exfreund fernmündlich unterrichtet worden ist, ist weder durch den Inhalt der Verkehrsunfallakte noch durch das übrige Beweisergebnis erster Instanz widerlegt.
Der Umstand, dass die zu der Gruppe … und dem verstorbenen Sohn der Kläger gehörenden Personen zu dem Alkoholgenuss des Versicherungsnehmers der Beklagten nur wenig hätten aussagen können, beeinträchtigt die Überzeugungskraft der Aussage der Zeugin … nicht.
Die Aussage des Zeugen …, dass Herr … am Beginn des Abend Cola getrunken habe, und die Aussage des Zeugen …, dass er selbst bei der rundenweisen Bestellung für Herrn … Cola bestellt habe, stehen entgegen der Ansicht der Kläger nicht "im unlösbaren Widerspruch zu der Bekundung der Zeugin ... Vielmehr bezog sich die Aussage der Zeugin … zum Inhalt der bestellten7 Tabletts Cola-Korn sowie der 20 Jägermeister Red Bull auf die Bestellungen, die von … und … ausgingen, nicht auf die dem vorausgegangen einzelnen Bestellungen, mögen diese auch für mehrere Personen erfolgt sein. Dazu hat die Zeugin … vielmehr bekundet: "An die Bestellungen vor den 7 Tabletts Cola-Korn und den 20 Jägermeister Red Bull kann ich mich nicht genau erinnern. Ich meine, dass am Anfang einzelne Cola-Korn bestellt wurden, vielleicht auch Cola pur. Es war, glaube ich, dass aus der Gruppe um … und … heraus alle 5 bzw. 10 Minuten Bestellungen getätigt wurden. Das war denen dann wohl zu anstrengend. Jedenfalls wechselten sie dann zu Tabletts über."
Ein erheblicher Widerspruch kann auch insoweit nicht festgestellt werden, dass nach dem Anfangsgeschehen der Zeuge … nach seiner Aussage den weiteren Abend zumeist allein mit Herrn … verbracht haben will. Die Aussage des Zeugen … : "zumeist allein" ist bereits inhaltsarm, da konkrete Zeitangaben fehlen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge … auch ausgesagt hat, dass er "dann irgendwann richtig betrunken" gewesen sei. Seine Aussage bietet daher keine hinreichende Verlässlichkeit. Der Zeuge … hat u.a. bekundet: "Ich kann mich nicht erinnern, dass am Anfang ein sogenanntes "70er-Tablett" Cola-Korn bestellt wurde. Ausschließen will ich dies nicht. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon so betrunken, dass meine Erinnerungsfähigkeit getrübt ist".
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass - wie die Kläger meinen - "der Irrtum der Zeugin aus ihrer als besonders auffällig empfundenen Situation im Zusammenhang mit dem Jägermeister-Red Bull folge". Selbst wenn dem Versicherungsnehmer … das Getränk Jägermeister "zuwider" gewesen sein sollte, so erscheint es nicht ausgeschlossen, dass er (auch solche Getränke) im Verlauf des Abends und zunehmender Alkoholisierung zu sich genommen hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass auch die Zeugin … bekundet hat, nicht sagen zu können, ob … mehr von den bestellten Getränken getrunken hat als … Außerdem hat die Zeugin … ausgesagt, dass ihr auch … bereits zuvor bekannt gewesen sei, so dass auch deswegen nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Zeugin den … etwa mit einem anderen Teilnehmer der Gruppe verwechselt haben könnte.
Auf die Vernehmung der in der Berufungsbegründung der Kläger vom 14.09.2006 benannten Zeugen(… und …) kommt es deshalb nicht an.
Schließlich bedarf es zur Beurteilung von alkoholbedingten Auffälligkeiten (Sprachweise und Bewegung) nicht zwingend "genauerer Kenntnisse über die beschriebene Person, auch über deren nüchternen Verhalten". Ein schwankender Gang und auch Unsauberkeiten in der Aussprache können auch ohne genauere Kenntnisse wahrgenommen werden. Zudem hat die Zeugin … bekundet, sowohl … als auch … schon vor dem 03./04.12.2004 gekannt zu haben. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie als Bedienung in einer Diskothek von vornherein in der Beurteilung von alkoholbedingten Auffälligkeiten bei Gästen gänzlich unerfahren war.
Die vom Gericht einbezogene Erwägung, aus dem angeblichen Angebot an die Zeugin … das Fahrzeug zu führen, folge dessen Trunkenheit, ist nicht denkgesetzwidrig. Vielmehr kann ein derartiges Angebot eines Fahrers, der zuvor alkoholische Getränke zu sich genommen hat durchaus ein Indiz dafür sein, dass der Fahrer sich nicht mehr ausreichend fahrtüchtig fühlt bzw. insoweit zumindest eigene Bedenken hat.
Der Umstand, dass nach dem Vortrag der Kläger in der Berufungsbegründung vom 14.09.2006, "Herr … nie und auch nicht, weil er meinte nicht mehr fahren zu können, sein Fahrzeug einem Dritten überlassen" habe, ist unerheblich und daher nicht aufklärungsbedürftig, weil es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass Herr … von diesem Grundsatz als Folge eines Sinnenwandels aus konkretem Anlass eine Ausnahme machen wollte.
Soweit das Amtsgericht weiter ausgeführt hat, dass die Angaben der Zeugin … dadurch gestützt werden, dass der Betreiber der Diskothek, der Zeuge … am 04.12.2004 telefonisch gegen 04.26 Uhr der Polizei mitteilte, dass ein Herr … "sturzbetrunken" mit dem Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen das Gelände der Diskothek mit dem Fahrtziel … verlassen habe. Zudem habe der Zeuge die Polizei … bereits zuvor auf eine Trunkenheitsfahrt mit diesem Fahrzeug hingewiesen (s. Vermerk des Polizeibeamten vom 06.12.2004, BI. 12 d. BA ). Auch dies begründet keine konkreten Zweifel im Sinne von § 531 Ziffer 1 ZPO. Die Kläger haben dazu in der Berufungsbegründung vom 14.09.2006 nichts Konkretes vorgetragen.
Unabhängig davon kommt es für die Entscheidung der Frage, dass der Versicherungsnehmer … der Beklagten in erheblichem Umfang alkoholisiert und letztlich nicht mehr fahrtüchtig war, auf die zusätzlichen Angaben der Zeugen ... und … nicht mehr entscheidend an. Das Wort "insbesondere" in dem angefochtenen Urteil verdeutlicht, dass auch das Amtsgericht als entscheidend den Inhalt der Aussage der Zeugin … angesehen hat. Jedenfalls ist die Kammer nicht gehindert, bereits auf der Grundlage der Aussage der Zeugin … zu der Überzeugung zu kommen, dass der Versicherungsnehmer … der Beklagten bei Fahrtantritt nicht mehr ausreichend fahrtüchtig gewesen ist.
Es kommt daher für die Frage der alkoholbedingten Fahrunsicherheit des Versicherungsnehmers … der Beklagten entscheidend nicht mehr darauf an, ob Bedenken gegen die Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen … bestehen.
Vorsorglich sei dazu Folgendes angemerkt:
Derartige Bedenken ergäben sich nicht bereits daraus, dass der Zeuge … im Rahmen seiner Aussage vor dem Amtsgericht vom 28.04.2006 zu einem möglichen Parkplatzunfall des … kurz vor dem Betreten der Diskothek lediglich vage Angaben gemacht hat. Es ist weder bewiesen noch widerlegt, dass es auf dem Parkplatzgelände zu einer Berührung zwischen dem Pkw des … mit einem bereits geparkten Pkw gekommen ist oder nicht.
Die bereits auf der Grundlage der Aussage der Zeugin … feststehenden Beweisanzeichen sind bereits so stark, dass es für die Beurteilung der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmers … der Beklagten nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob zusätzlich zu den Angaben der Zeugin … feststeht, dass kurz vor Fahrtantritt der Zeuge … noch versucht hat, den … davon zu überzeugen, nicht mehr zu fahren oder ob der Zeuge … selbst beabsichtigt hatte, bei dem … mitzufahren. Auf die insoweit inhaltlich von einander abweichenden Angaben des Zeugen …in seiner Vernehmung durch das Amtsgericht am 28.04.2006 und der Angaben des Zeugen ... gegenüber der Zeugin … kommt es daher im Ergebnis nicht an.
Doch selbst wenn unter Berücksichtigung weiterer Zeugenaussagen der Aussage des Zeugen … zu seinem Verhalten gegenüber dem … kurz vor Fahrtantritt nicht gefolgt werden könnte, so begründet dies noch keine konkreten Zweifel im Sinne von § 531 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO insoweit, als das Amtsgericht auch auf Grund der Aussage des Zeugen … zu der Überzeugung gekommen ist, dass der Versicherungsnehmer … der Beklagten in der Diskothek … in der Nacht vom 03./04.12.2004 Alkohol getrunken hat. Zwar hat der Zeuge … im Rahmen seiner Vernehmung durch die Polizei vom 20.12.2004 u.a. angegeben,
"dass bei diesem Trinken auch der … so wie wir anderen, auch mitgetrunken hat". Im Endeffekt seien alle "voll stramm" gewesen. Diese Angaben hat er dann im Rahmen seiner Vernehmung durch das Amtsgericht stellenweise relativiert und u.a. bekundet, eine konkrete Erinnerung an ein bestimmtes Trinken des Herrn … nicht zu haben. An anderer Stelle seiner Aussage vor dem Amtsgericht am 28.04.2006 hat der Zeuge … aber auch bekundet: "So wie ich das wahrgenommen habe, trank er (= …)auch mit".
Schließlich hat auch das Amtsgericht bei der Beurteilung der Aussage des Zeugen … durchaus berücksichtigt, dass dieser Zeuge möglicherweise verstimmt gewesen ist, weil er bei Herrn … nicht mitfahren konnte.
Nach alledem steht auch alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des … als (Mit-)Unfallursache fest.
Die Kläger müssen sich als Erbe ihres bei dem Unfall getöteten Sohnes jedoch ein Mitverschulden anrechnen lassen. Der verletzte bzw. getötete Beifahrer muss sich unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er die Alkoholisierung des Fahrers vor Fahrtantritt erkennen konnte und sich in dem Unfall ein alkoholtypisches Risiko verwirklicht ( vgl. OLG Köln, NJW-RR 2000, 1553; OLG Gelle, NJW-RR 2005, 752; OLG München, OLGR 1998, 107; OLG Oldenburg, DAR 1998, 277 f.; OLG Stuttgart, RuS 1976, 99 sowie OLG Celle, VersR 1978, 330 f ). Dabei ist entscheidend, ob es für den Kläger bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar war oder ob er wenigstens aufgrund aller gegebenen Umstände begründeten Anlass hatte, an der Fahrtüchtigkeit des … zu zweifeln ( vgl. dazu OLG Celle, VersR 1978, 330 f ). Zumindest letzteres ist hier der Fall. Auf Grund der Aussage der Zeugin … steht auch zur Überzeugung der Kammer fest, dass der von vornherein auch für die Rückfahrt von der Diskothek … als Fahrer vorgesehene … zusammen mit dem Sohn der Kläger … auf einer "Zechtour" unterwegs waren. In der Diskothek haben sowohl der Fahrer als auch der Beifahrer in einem Zeitraum von 3 -4 Stunden erhebliche Mengen an Alkohol zu sich genommen. Bereits aufgrund dieser, dem Beifahrer bekannten Umstände musste dieser davon ausgehen, dass … nicht mehr in der Lage war, auf dem Rückweg von der Diskothek das Kraftfahrzeug sicher zu führen, wie das sich sodann anschließende Unfallgeschehen auch in drastischer Weise verdeutlicht hat. Jeder vernünftig denkende und handelnde Mensch hätte sich an einer derartigen Zechtour des Fahrers erst gar nicht beteiligt oder hätte rechtzeitig dafür Sorge getragen, auf der Rückfahrt von der Diskothek nicht in dem Pkw des alkoholisierten Fahrers mitzufahren.
Bereits dieser Sorgfaltsverstoß des … aIs bereits vor Fahrtantritt vorgesehenen Beifahrers begründet ein erhebliches Mitverschulden des … an den unfallbedingt erlittenen tödlichen Verletzungen. Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, ob dem … zusätzlich noch die alkoholbedingten Ausfallerscheinungen (schwankender Gang; unsaubere Sprache) bei dem … aufgefallen waren oder aber ob … zu diesem Zeitpunkt bereits selbst so stark alkoholisiert war, dass er diese Ausfallerscheinungen nicht mehr hat erkennen können.
Das Amtsgericht hat auch insoweit zu Recht ausgeführt, dass die eigene Alkoholisierung des … diesen im Ergebnis nicht entlasten kann. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 827 Satz 2 BGB.
Den Umfang des Mitverschuldens des … hat das Amtsgericht zutreffend mit einem 1/3 bewertet. Es liegt ein sog. "Regelfall" im Sinne der Rechtsprechung vor ( vgl. OLG Celle in der Entscheidung NJW-RR.2005, 752). Es kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, dass von vornherein beabsichtigt war, dass auch der Fahrer an dem Abend "Alkohol" in erheblichem Umfang bzw. überhaupt zu sich nehmen würde. Vielmehr kann lediglich festgestellt werden, dass er im weiteren Verlauf des Abends im Beisein des … schließlich doch Alkohol in erheblicher Menge zu sich genommen hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass … bereits vor der Hinfahrt (anlässlich des sog. "Vorglühens") Alkohol in erheblicher Menge zu sich genommen hat, fehlen. Da den Fahrer in erster Linie die Pflicht trifft dafür Sorge zu tragen, sein Fahrzeug im Zustand der Fahrtüchtigkeit zu führen, erscheint es auch hier gerechtfertigt das Mitverschulden des … mit 1/3 zu bewerten. Dem … ist anzulasten nicht rechtzeitig die erforderliche Konsequenz aus dem anlässlich des Aufenthaltes in der Diskothek … erfolgten erheblichen Alkoholkonsums des … gezogen zu haben.
Das nunmehr in der Berufungsbegründung der Beklagten vorgetragene Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes durch … kann vorliegend bei der Bewertung des Mitverschuldensanteils des … gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Erstinstanzlich hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass … den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte. Die Voraussetzungen des sog. Anscheinsbeweises greifen zudem nicht ein. Die von der Beklagten in der Berufungsbegründung angeführte Entscheidung des BGH, NJW 1991, 230 f. [BGH 03.07.1990 - VI ZR 239/89] betrifft einen Fall in dem - im Unterschied zum vorliegend zur Entscheidung stehenden Fall - die dortigen Beklagten behauptet hatten, dass die Klägerin nicht angeschnallt gewesen ist und zudem durch hinzugezogene Sachverständige dargelegt war, dass die unfallbedingte Verletzung nach Kollisionsart und -schwere mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht entstanden wäre, wenn die dortige Klägerin zur Unfallzeit den Sicherheitsgurt getragen hätte. Eine derartige Ausgangslage ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, so dass auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vortrages der Beklagten eine hinreichende Grundlage für einen Anscheinsbeweis im Hinblick auf einen nicht angelegten Sicherheitsgurt fehlt.
Bei einem Drittel Mitschuld des … errechnet sich der der Höhe nach unstreitige Schaden der Kläger wie folgt:
Gesamtschaden (Kosten der Bestattung: 7.120,57 € + Bekleidungsschaden: 364,88 € + Kostenpauschale: 25,00 €): 7.510,45 €.
Davon sind auszugleichen 2/3 = 5006,97 €, abzüglich der bereits gezahlten 2.848,22 €, so dass noch zu zahlen sind 2.158,75 €.
Diesen Betrag hat aber bereits das Amtsgericht den Klägern zuerkannt, so dass die Berufung der Kläger diesbezüglich unbegründet ist.
Die Berufung der Beklagten ist insgesamt unbegründet.
Zum Verzugsschaden (nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten):
Bei einem Gegenstandswert von 2.158,75 € errechnet sich eine 1,6 Geschäftsgebühr von 257,60 E. Davon sind 50 %, also 128,80 €, nicht anrechenbar. Addiert man dazu noch die Pauschale von 20,00 € und auf den Gesamtbetrag 16 % MWST, also 23,81 €, so errechnen sich nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 172,61 €, die noch auszugleichen sind.
Da das Amtsgericht darauf aber nur 139,16 € zuerkannt hat, ist die Berufung der Kläger in Höhe des Differenzbetrages, also in Höhe von 33,45 € begründet.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 543, 708 Nr. 10, 713 ZPO.