Landgericht Stade
Urt. v. 23.03.2006, Az.: 4 O 303/03
Geburtsschadensrecht und Sorgfaltspflichten einer Hebamme bei der Geburtsleitung; Pflicht einer Hebamme zur Überprüfung einer ärztlichen Diagnose; Zuführung zum Arzt bei eindeutigen patholigischen Verhältnissen
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 23.03.2006
- Aktenzeichen
- 4 O 303/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 39096
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2006:0323.4O303.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB
- § 831 BGB
Amtlicher Leitsatz
Das Urteil des Landgerichts Stade vom 23.3.2006, welchem ein Vergleich vor dem Oberlandesgericht Celle nachfolgte, handelt vom Geburtsschadensrecht. Insbesondere ging es darum, welche Sorgfaltspflichten eine Hebamme bei der Geburtsleitung treffen.
Das Landgericht war der Auffassung, dass eine Hebamme nicht zur Überprüfung einer ärztlichen Diagnose verpflichtet sei. Sie müsse bei eindeutigen pathologischen Verhältnissen aber dafür Sorge tragen, dass die Patientin einem Arzt zugeführt wird. Wenn die Patientin dies selber veranlasse, bestehe für die Hebamme keine weitere Verpflichtung, für die Zuziehung eines Arztes zu sorgen.
Die Entscheidung scheint zur Veröffentlichung geeignet, da die Frage dieser vom Landgericht zu entscheidenden Sorgfaltsmaßstäbe in einer Vielzahl von Fällen auftreten könnte.
In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade
auf die mündliche Verhandlung vom 21.02.2006
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht S.,
den Richter am Landgericht K. und
die Richterin am Landgericht B.
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist wegen der Kostenforderung gegen Sicherheitsleistung, in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schmerzensgeld und Feststellung gegenüber den Beklagten geltend wegen ärztlicher Behandlungsfehler bzw. Versäumnissen der Beklagten zu 2) bei ihrer Tätigkeit als Hebamme.
Die Klägerin wurde am 06.11.1997 in der gynäkologischen Abteilung des M.-L. Krankenhauses Z. dessen Trägerin die Beklagte ist, von einem gesunden Mädchen entbunden. Bei der Begutachtung der Nachgeburt kamen dem für die Beklagte zu 1) tätigen Arzt Dr. G. Zweifel hinsichtlich der Vollständigkeit der Placenta. Der von ihm informierte Chefarzt Dr. W. veranlasste eine sog. Placentamilchprobe, die negativ verlief und damit für die Vollständigkeit der Nachgeburt sprach. Der Wochenbettverlauf verlief unauffällig, die Gebärmutter war gut kontrahiert, es gab keine verstärken Blutungen. Für den 10.11.1997 ist im Krankenblatt der Klägerin dokumentiert: "sonografischer Verdacht auf Placentarest im Fundus." Es erfolgte am 11.11.1997 eine Kürettage, am 12.11.1997 wurde die Klägerin nach erneuter Ultraschalluntersuchung (Sonografie) nach Hause entlassen. Dabei wurde ein "noch kleiner echoreicher Bezirk im Fundus" festgestellt. Der Befund des bei der Kürettage gewonnenen Materials trägt das Datum 13.11.1997; darin heißt es, "dieser Befund ersetzt den alten Befund von 14.11.1997." Es wurden Blut, Fibrin und Eihautanteile mit. Nekrose gefunden, Placentagewebe wurde, nicht nachgewiesen (vgl. Anl. K 6 Bl., 46 d.A.).
Die Klägerin wurde am 15.11.1997 das erste Mal von der Beklagten zu 2) zu Hause besucht. Es wurden weitere Besuche für den 19. und 22.11. vereinbart. Am 17.11.1997 bekam die Klägerin Fieber, am Abend des 18.11.1997 hatte sie 40,6 Grad Fieber. Die Beklagte zu 2) stellte am 19.11.1997 eine Temperatur von 39,6 Grad fest und eine gerötete und harte Brust. Sie vermutete eine Mastitis und verordnete Paracetamol und Wickel. Am 22.11.1997 wurde von der Beklagten zu 2) bei ihrem nächsten Besuch eine subfebrile Temperatur von 37,5 Grad festgestellt. Am 27.11. stieg das Fieber bei der Klägerin erneut an und ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich. Am 28.11.1997 wurde die Klägerin gegen 18.00 Uhr von ihrem Mann und ihrer Mutter in das M.-L.-Krankenhaus in Z. gebracht. Sie war apathisch und konnte sich nicht kontrolliert bewegen. Die Verdachtsdiagnose lautete auf Puerperalfieber. Sie wurde nach gynäkologischer Untersuchung auf die internistische Station und schließlich in die neurologische Abteilung des D.-Krankenhauses R. verlegt. Dort wurde ein septisches Krankheitsbild mit begleitender meningialer Reizung festgestellt, die linke Brust soll leicht gerötet und induriert gewesen sein. Unter einer Breitbandantibiotika-Therapie ging die Entzündungssymptomatik zurück. Die Klägerin wurde am 18.12.1997 entlassen, und befand sich vom 02.01. bis 23.01.1998 zu einer Anschlussheilbehandlung im Reha-Zentrum S..
Die Klägerin behauptet, die Ärzte des M.-L.-Krankenhauses Z. hätten ihre therapeutische Aufklärungspflicht verletzt, indem sie es unterlassen hätten, sie bzw. den nachbehandelnden Arzt darauf hinzuweisen, dass möglicherweise ein Placentarest im Uterus verblieben sei. Die Klägerin hätte darüber aufgeklärt werden müssen, dass jedes uncharakteristische Infektionszeichen einerärztlichen Diagnose und Therapie zuzuführen sei. Es handele sich um einen groben Verstoß gegen den medizinischen Standard, der ursächlich für den weiteren Krankheitsverlauf bei der Klägerin geworden sei. Sie leide weiter unter einer Schwäche der rechten Hand, einer Gangstörung sowie Sprechstörungen und Schluckstörungen.
Der Beklagten zu 2) wirft die Klägerin vor, dass sie die seit dem 17.11.1997 bestehenden erhöhten Temperaturen nicht einer kausalen Diagnose und Therapie zugeführt habe. Sie habe lediglich die Symptome behandelt. Die Klägerin behauptet, sie habe nach der Entlassung aus der Klinik anhaltende Bauchschmerzen gehabt und die Beklagte zu 2) darauf angesprochen. Diese habe geantwortet, es handele sich um Nachwehen. Die Klägerin behauptet weiter, am Abend des 20.11. sei die Beklagte zu 2)über das anhaltende Fieber der Klägerin informiert worden und sie habe den Ehemann aufgefordert, Paracetamol aus dem Krankenhaus, wo sie Dienst hatte, zu holen. Sie sei auch am 28.11.1997 mittags bei der Klägerin gewesen und, habe lediglich homöopathische Mittel verabreicht.
Die Klägerin bestreitet, dass am 19.11.1997 mit der Beklagten zu 2) über die Konsultation des Hausarztes gesprochen worden sei; sie bestreitet des werteren, dass ihr von der Beklagten zu 2) geraten worden sein soll, bei Verschlechterung den Gynäkologen oder das Krankenhaus aufzusuchen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 2.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den infolge der fehlerhaften Behandlung nach der Entbindung am 06.11.1997 in der Vergangenheit entstandenen und in Zukunft noch entstehenden materiellen sowie zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Grund sachlicher und zeitlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritteübergegangen sind bzw. übergehen werden.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 1) beruft sich auf das im Schlichtungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 05.06.2000, wonach die behandelnden Ärzte sorgfältig und umsichtig gehandelt hätten. Es habe keine Veranlassung angesichts des Sonografiebefunds vom 12.11.1997 bestanden, weitere diagnostische Maßnahmen oder zumindest eine entsprechend Aufklärung der Klägerin zu veranlassen. Von einem bestehen gebliebenen Verdacht auf Placentareste in der Gebärmutterhöhle habe keine Rede sein können. Die Klägerin habe sich im Anschluss an ihre Entlassung aus dem Krankenhaus in die Hände einer erfahrenen Hebamme begeben. Diese, die Beklagte zu 2), habe die Klägerin am 19.11.1997 noch darauf hingewiesen, bei weiterem Fortbestehen des Fiebers den Frauenarzt hinzuzuziehen bzw. sich an das Krankenhaus zu wenden.
Die Behauptungen zu den gesundheitlichen Folgen bei der Klägerin bestreitet die Beklagte zu 1) mit Nichtwissen.
Die Beklagte zu 2) bestreitet, am 20.11.1997 über weiter bestehendes Fieber informiert worden zu sein. Sie bestreitet, dass sie am 28.11.1997 bei der Klägerin gewesen sei. Im Übrigen hätte dies nichts geändert, denn am 28.11.1997 abends sei die Klägerin ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie habe an Hand der Symptome von einer Mastitis ausgehen können, die sich durch ihre Behandlung gebessert habe. Sie habe die Klägerin darüber belehrt, sich bei jeder Regelwidrigkeit, insbesondere beim Auftreten von Fieber, zu melden. Die Beklagte zu 2) hat auf die Wochenbettdokumentation hingewiesen, aus der sich ergebe, dass ihr am 19.11.1997 mitgeteilt worden sei, dass die Klägerin bereits ihren Hausarzt informiert hatte. Die Beklagte zu 2) habe deshalb davon ausgehen können, dass die Klägerin bereits ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hatte.
Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 01.07.2004 durch Vernehmung der Zeugen F. D. G. A. und P. A.; wegen der Beweisthemen wird auf den Beschluss vom 01.07.2004 und wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.07.2004 Bezug genommen. Gemäß Beschluss vom 24.11.2005 ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Beklagten zu 2) als Partei; wegen des Beweisthemas wird auf den genannten Beschluss und wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.02.2006 Bezug genommen.
Gemäß Beweisbeschluss vom 29.07.2004 und 14.03.2005 hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten; wegen der Beweisthemen wird auf die genannten Beschlüsse und wegen des Beweisergebnisses wird, auf die Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. A. T. T. vom 15.09.2004 und vom 27.04.2005 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Eine Haftung der Beklagten zu 1) aus positiver Forderungsverletzung des Behandlungsvertrages bzw. aus §§823, 831 BGB scheidet aus, weil eine Pflichtverletzung der die Klägerin behandelnden Ärzte nicht festgestellt werden kann (1).
Eine Haftung der Beklagten zu 2) ist ebenfalls nicht gegeben, weil die Beklagte zu 2) davon ausgehen konnte, dass die Klägerin den Hausarzt informiert hatte (2).
1.
Aus dem nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. T. vom 15.09.2004 folgt, dass das bei der Klägerin aufgetretene septische Krankheitsbild hinsichtlich seiner Ursache völlig ungeklärt ist. Die größte Wahrscheinlichkeit spricht allerdings dafür, dass eine hochfieberhafte Mastitis Ausgangspunkt der schadensursächlichen, wenn auch nicht sicher nachgewiesenen Septikämie gewesen ist.
Die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) haben nach Auffassung des Sachverständigen, der sich die Kammer anschließt, nicht gegen Behandlungsstandards verstoßen. Am fünften postpartalen Tag wurde bei der Klägerin eine Kürettage durchgeführt, um der diagnostischen Unsicherheit bzgl. der Frage der Vollständigkeit der Placenta zu begegnen. Nach einer solchen Kürettage sind stets echorelche Bezirke im Fundus uteri zu erkennen, wobei es sich zumeist um kleinere Mengen geronnenen Blutes handelt. Der Sachverständige hält insbesondere, eine spezifische, die Möglichkeit der Retention eines Placentaanteils betreffende Aufklärung unter Zugrundelegung des in der klinischen Routineüblichen Sorgfaltsstandards nicht für geboten. Da die Klägerin von einer Hebamme betreut wurde, konnten die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) davon ausgehen, dass bei Auftreten pathologischer Symptome diese die notwendigen weiteren Maßnahmen veranlassen würde.
Auch das von der Klägerin eingeholte Gutachten - des Dr. V. vom 18.12.2002 gibt der Kammer keinen Anlass, den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. T. nicht zu folgen. Dr. V. sieht in der Unterlassung einer adäquaten Information der Patientin bzw. des behandelnden Frauenarztes und der Hebamme den einzigen eindeutigen Fehler der Geburtsklinik. Dass diese Information jedoch stattgefunden hat, ergibt sich daraus, dass die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2004 erklärt hat, dass sie gewusst habe, dass der Verdacht bestand, dass die Placenta nicht vollständig ausgestoßen worden war. Nach der Kürettage sei ihr gesagt worden, dass sei in Ordnung und sei könne am nächsten Tag entlassen werden. Auch in der Wochenbettdokumentation der Beklagten zu 2) findet sich der Hinweis auf die durchgeführte Kürettage. Selbst wenn man abweichend von des Sachverständigen Prof. Dr. med. T. eine Information der Patientin verlangen würde, wäre diesem Erfordernis genüge getan.
2.
Eine Haftung der Beklagten zu 2) ist ebenfalls nicht gegeben.
Der Sachverständige Prof. Dr. med. T. hat zwar in seinem Gutachten vom 15.09.2004 ausgeführt, dass am 19.11.1997 bei der Klägerin eindeutig pathologische Verhältnisse vorlagen, die die Hebamme nicht eigenverantwortlich behandeln durfte. Sie habe deshalb gegen anerkannte Behandlungsrichtlinien verstoßen und auch grob fehlerhaft gehandelt. Die Beklagte zu 2) habe hier eindeutig ihre Kompetenz überschritten und hätte dafür Sorge tragen müssen, dass die Klägerin unmittelbar einem gynäkologischen Facharzt zugeführt wurde oder ein Krankenhaus aufsuchte. Auch die Verabredung eines weiteren Hausbesuches, erst drei Tage später, am 22.11.1997, hält der Sachverständige für fehlerhaft; es wäre am nächsten Tag eine klinische Kontrolle nötig gewesen. Der Sachverständige ist der Auffassung, dass es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte zu 2) die Klägerin noch einmal am 28.11.1997 aufgesucht hat. Zur Frage der Kausalität hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei einer rechtzeitigen Vorstellung der Klägerin beim Frauenarzt am 19.11.1997 dieser höchst unwahrscheinlich eine Gebärmutterentzündung festgestellt hätte. Viel wahrscheinlicher sei es, dass der Frauenarzt zur Diagnose einer Mastitis gelangt wäre und auf Grund derer eine antibiotische Behandlung eingeleitet hätte. Wäre dies geschehen, hätte zumindest mit einfacher Wahrscheinlichkeit eine Sepsis in der tatsächlich sich realisierenden Form vermieden oder klinisch deutlich abgemildert werden können, mit der Folge, dass erschwerende Umstände der Sepsis, wie sie in dem Befall des zentralen Nervensystems zu sehen sind, nicht oder in geringerem Umfang eingetreten wären. Trotz dieser eindeutig festgestellten Behandlungsfehler der Beklagten zu 2) scheidet ihre Haftung auf Grund der Darlegungen des Sachverständigen in dem ergänzenden Gutachten vom 27.04.2005 aus. Der Sachverständige hat dort ausgeführt, dass für den Fall, dass eine Vorstellung, der Klägerin beim Hausarzt erfolgt ist, die Beklagte zu 2) ihrer Berufspflicht genügte getan und die Verantwortung für die weitere Behandlung der Klägerin in die Hände eines Arztes gelegt hätte.
Auf Grund der durchgeführten Parteivernehmung der Beklagten zu 1) ist die Kammer der Auffassung, dass der Vermerk in der Wochenbettdokumentation unter dem 19.11. in der Rubrik allgemein Befund "inf HA", bedeutet, dass der Beklagten zu 2) gesagte wurde, dass der Hausarzt informiert worden sei. Die Beklagte zu 2) hat in ihrer Parteivernehmung am 21.02.2006 zunächst bekundet, dass der Vermerk in der Wochenbettdokumentation unter dem 15.11. in der Spalte Beratung "HB 12.8" heiße. Sie hat dann weiter ausgeführt, dass der Vermerk unter dem 19.11. in der Rubrik allgemein Befund "maddelig, müde, kaputt" heiße; "inf HA" hinter der Klammer heiße: Information Hausarzt. Dieser Vermerk sei von ihr aufgenommen worden, weil die Angehörigen ihr gesagt hätten, dass der Hausarzt informiert wurde. Dies habe die Mutter gesagt. Eine Erinnerung daran, dass etwas dazu gesagt worden wäre, was der Hausarzt gesagt oder veranlasst hatte, hatte die Beklagte zu 2) nicht mehr. Sie hat weiter ausgesagt, sie habe diesen Vermerk aufgenommen in der Annahme, dass der Hausarzt in irgendeiner Weise reagiert habe. Auf die Frage, ob der Vermerk auch heißen könne, dass der Hausarzt, informiert werdensolle, hat die Beklagte zu 2) bekundet, dass dies nicht zutreffe. Sie habe in Erinnerung, dass ihr gesagt wurde, dass die Klägerin am Abend zuvor Fieber mit 40,6 Grad hätte und dass ihr im Zusammenhang damit berichtet worden sei, dass der Hausarzt informiert Wurde. Sie sei davon ausgegangen, dass dem Hausarzt auch geschildert worden sei, dass die Klägerin hohes Fieber hatte, wie ihr dies auch geschildert wurde. Die Beklagte zu 2) hat auf weitere Frage ausgesagt, die Mutter der Klägerin habe gesagt: "Der Hausarzt ist informiert."
Zur Person des Hausarztes hat die Beklagte zu 2) bekundet, sie sei der Meinung, dass der Hausarzt Dr. M. gewesen; es könne auch sein, dass gesagt wurde: "Dr. M. wurde informiert."
Bei der Vernehmung hat die Beklagte zu 2) einen ruhigen, zurückhaltenden Eindruck gemacht; ihre Schilderungen und Antworten waren eher wortkarg und es war keine Tendenz zu erkennen, ihrer Aussage etwas hinzuzufügen, was sie nicht konkret erinnerte. Dass sie sich nach dem Zeitablauf von mehr als 8 Jahren nicht mehr an Einzelheiten des Geschehens erinnern konnte, spricht nicht gegen den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben; insbesondere wenn man berücksichtigt, dass sich derartige Situationen im beruflichen Alltag der Beklagten zu 2) wiederholen.
Die Kammer ist auch der Auffassung, dass der Vermerk in der Wochenbettdokumentation unter dem 19.11.1997 tatsächlich "HA" bedeutet. Dies ergibt sich aus einem Vergleich z.B. mit der Eintragung unter dem 15.11. in der Rubrik Beratung; das dortige "H" für Hämoglobin weist das selbe Schriftbild wie das "H" in der Eintragung unter dem 19.11. auf. Auch der Vorwurf der Klägerin, dass sich die Beklagte zu 2) auf diesen Eintrag erst nach Vorliegen des für sie ungünstigen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. T. vom 15.09.2004 besonnen habe, trifft nicht zu; bereits im Schriftsatz vom 16.07.2004 (Bl. 260 ff. d.A.) hat die Beklagte zu 2) auf diesen Umstand hingewiesen. Anhaltspunkte für eine Manipulation der Wochenbettdokumentation durch die Beklagte zu 2) haben sich nicht ergeben.
Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass der Beklagten zu 2) deshalb nicht geglaubt werden könne, weil sie unrichtige Angaben zu dem Hausbesuch bei der Klägerin am 28.11.1997 gemacht habe. Die dazu von der Kammer vernommenen Zeugen G. und P. A. haben zwar bekundet, dass die Beklagte zu 2) am 28.11. auf Anforderung bei der Klägerin gewesen sei. Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussage der Zeugin G. A. ergeben sich daraus, dass sie bekundet hat, dass sie ihren Schwiegersohn an diesem Tag nicht telefonisch erreicht habe, während dieser, der Zeuge ... D. bekundet hat, dass seine Schwiegermutter ihn angerufen und berichtet habe, dass die Hebamme bei seiner Frau gewesen sei. Auf der anderen Seite hat er bekundet, dass er zur normalen Zeit nach Hause gekommen sei und erst dann seine Frau in Krankenhaus gebracht habe, was angesichts des schlechten Zustands der Klägerin nicht plausibel erscheint. Es spricht einiges dafür, dass die Zeugen sich bzgl. des Datums dieses Besuches geirrt haben. So ergibt sich aus den von dem Gutachter der Schlichtungsstelle Dr. K. ausgewerteten Unterlagen, dass die Zeugin G. A. den Gynäkologen Dr. O. am fünften Tag nach der stationären Entlassung informiert habe und dieser die Beklagte zu 2) zur Patientin gesandt habe (Bl. 95 d.A.). Die Zeugin G. A. hat in ihrer Zeugenvernehmung vor der Kammer den Anruf bei Dr. O. für den 28.11.1997 bekundet.
Ein entscheidender Gesichtspunkt, der gegen die Aussagen der Zeugen G. und P. A. spricht, ist der Umstand, dass die Beklagte zu 2) diesen Besuch vom 28.11.1997 nicht in der Wochenbettdokumentation aufgeführt und demnach auch nicht abgerechnet hat.
Der erwähnte Umstand, dass von der Mutter der Klägerin der Gynäkologe Dr. O. informiert worden sein soll, spricht auch dafür, dass die Angehörigen der Klägerin wegen deren schlechten Zustandes nicht nur den Gynäkologen, der nicht bereit gewesen sein soll, zur Klägerin zu kommen, informiert haben, sondern auch den Hausarzt und dass sie dies der Beklagten zu 2) berichtet haben. Der Vater der Klägerin, der Zeuge P. A., hat bekundet, dass der von der Beklagten zu 2) erwähnte Dr. M. sein Hausarzt gewesen ist. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2006 ausgeführt hat, hatte der Vater der Klägerin seinen Hausarzt um Rat gefragt, als die Klägerin noch im Krankenhaus gelegen hatte. Von daher ist es durchaus plausibel, dass der Vater der Klägerin seinen Hausarzt bereits um Rat gefragt hatte, solange die Klägerin noch zu Hause lag.
Die Kammer sieht keine Notwendigkeit, die Krankenunterlagen betreffend die Klägerin des inzwischen verstorbenen Dr. M. für den fraglichen Zeitraum beizuziehen. Unterstellt, in den Krankenunterlagen findet sich ein Vermerk über eine Beratung im Zeitraum 17. bis 22.11.1997, wäre die Aussage der Beklagten zu 2) vollen Umfanges bestätigt. Unterstellt, es findet sich kein Eintrag über eine Beratung der Klägerin, wäre dies lediglich ein Indiz, das gegen die Aussage der Beklagten zu 2) sprechen könnte. Der Kammer würde dieses Indiz jedoch nicht genügen, um der Aussage der Beklagten zu 2) nicht zu folgen; es bleiben nach den Bekundungen der Klägerin und des Zeugen P. A. in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2006 Zweifel daran, dass der Hausarzt des Vaters der Klägerin die Beratung der Klägerin in den Krankenakten vermerkt hat.
Die Beklagte zu 2) durfte sich allerdings angesichts ihrer Verpflichtung, sich auf die Betreuung der normalen Schwangerschaft und des nicht pathologischen Wochenbettes zu beschränken, mit diesem Hinweis beschränken und war nicht verpflichtet ihrerseits nachzufragen, welche Maßnahmen der Hausarzt ergriffen hatte. Zu einer Überprüfung einer evtl. ärztliche Behandlung ist die Hebamme nicht verpflichtet; sie muss bei eindeutig pathologischen Verhältnissen dafür Sorge tragen, dass die Patientin einem Arzt zugeführt wird. Wenn die Patientin dies selber veranlasst, besteht für die Hebamme keine weitere Verpflichtung.
Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge aus §91 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §709 ZPO.