Landgericht Stade
Urt. v. 04.07.2006, Az.: 3 O 38/06
Untergang eines Mietzinszahlungsanspruchs durch Zahlung einer Bürgschaft bei unklarer Tilgungsbestimmung; Folgen einer unklaren Tilgungsbestimmung im Zusammenhang mit einer Bürgschaft
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 04.07.2006
- Aktenzeichen
- 3 O 38/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 52121
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2006:0704.3O38.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- AG Zeven - 25.07.2006 - AZ: 3 C 93/06
- AG Zeven - 26.07.2006 - AZ: 3 C 93/06
- LG Stade - 17.08.2006 - AZ: 3 O 38/06
- LG Stade - 05.10.2006 - AZ: 3 O 98/06
- AG Goslar - 20.11.2006 - AZ: 28 C 126/06
- LG Stade - 16.02.2007 - AZ: 2 O 508/06
- OLG Celle - 17.01.2008 - AZ: 13 U 56/07
Rechtsgrundlage
- § 366 Abs. 2 BGB
In dem Rechtsstreit
XXX d. d. Gesellsch. XXX
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX
Geschäftszeichen: 10534-60057/VK/AK
gegen
XXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX
Geschäftszeichen: 00281-06
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 08.06.2006 durch die Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin
für R e c h t erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.852,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2006 zu zahlen.
- 2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- 4.
Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Tatbestand
Die im Urkundsprozess klagende Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung des Pachtzinses für den Monat Februar 2006 in Anspruch. Zwischen den Parteien besteht ein Pachtvertrag vom 05.04.2002 über den Betrieb eines Hotels und einer Gaststätte mit Saalbetrieb in XXX. Der monatliche Pachtzins beträgt seit Januar 2006 5.452,00 € incl. gesetzlicher MwSt. Zudem ist für die Betriebswohnung eine Miete in Höhe von 400,00 € monatlich zu zahlen. Beides ist jeweils fällig zum 3. Werktag eines Kalendermonats. Dies ergibt sich aus dem seitens der Klägerin vorgelegten Pachtvertrages, Bl. 3 ff d.A..
Die Klägerin hat vor Pachtbeginn eine Bankbürgschaft über 25.000,00 € von der Sparkasse Rotenburg-Bremervörde ausgestellt bekommen. Aus dieser Bürgschaft hat die Klägerin die Sparkasse wegen Mietrückstände in Anspruch genommen. Mit Fax vom 13.03.2006 hat die Beklagte hinsichtlich des Bürgschaftsbetrages eine Zahlungsbestimmung dahingehend vorgenommen, dass rückständige Mieten vorrangig ausgeglichen werden sollen. Daraufhin hat die Sparkasse Rotenburg-Bremervörde mit bestätigter Überweisung vom 13.03.2006, durchgeführt am 14.03.2006, eine Zahlung in Höhe von 25.000,00 € an die Klägerin geleistet.
Die Klägerin hat die geleisteten 25.000,00 € auf rückständige Miete und Pacht für den Monat Oktober 2005 in Höhe von 4.292,00 €, November 2005 in Höhe von 4.692,00 €, Dezember 2005 in Höhe von 4.692,00 €, Januar 2006 in Höhe von 5.852,00 € und März 2006 in Höhe 5.852,00 € verrechnet. Offen ist nach dieser Verrechnung der Pachtzins für den Monat Februar 2006, den die Klägerin mit ihrer am 09.02.2006 bei Gericht eingegangenen Klage, die am 16.02.2006 zugestellt worden ist, geltend macht.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass nach dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 13.03.2006 die Verrechnung der gezahlten 25.000,00 € nur darauf bezogen war, rückständige Mieten und Pachten zu verrechnen. Dies sei seitens der Klägerin unternommen worden. Es sei keine ausdrückliche Bestimmung getroffen worden, dass auch die Februarmiete durch die Zahlung von 25.000,00 € gemeint worden sei. Mangels eines eindeutigen Vorbehaltes gelte die Zweifelsregelung des § 366 Abs. 2 BGB. Da im Zeitpunkt der Zahlung sowohl die März- als auch die Februarmiete und -pacht zur Zahlung fällig gewesen seien, sei die Schuld zu tilgen, die dem Gläubiger eine geringere Sicherheit biete. Im Zeitpunkt der Zahlung im März 2006 sei aber bereits das Verfahren hier rechtshängig gewesen, weshalb die Februarpacht für die Klägerin eine größere Sicherheit gegeben hätte, als die noch nicht rechtshängig gemachte Pacht bzw. Miete für März.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.852,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und
hilfsweise
die Rechte der Parteien im Nachverfahren vorzubehalten.
Sie ist der Ansicht, durch die Zahlung über 25.000,00 € sei auch die Februarpacht ausgeglichen worden. Die am 13.03.2006 getroffene Tilgungsbestimmung hinsichtlich des gezahlten Betrages sei dahingehend getroffen worden, dass die rückständigen Mieten einschließlich der Miete für Februar 2006, verrechnet werden sollten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Urkundsprozess zulässig und auch begründet.
Die Beklagte haftet als Pächterin auf Grund des Pachtvertrages auf Zahlung des monatlich zu entrichtenden Pacht- bzw. Mietzinses, der für den Monat Februar 2006 insgesamt 5.852,00 € beträgt. Dieser ist jeweils fällig zum 3. Werktag des Kalendermonats, wie sich aus dem vorgelegten Pachtvertrag ergibt, so dass sich die Beklagte seit spätestens 06.02.2006 sich mit den Zahlungen in Verzug befindet.
Dieser Anspruch ist nicht durch die Zahlung aus der Bürgschaft in Höhe von 25.000,00 € zum 14.03.2006 untergegangen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus der in dem vorgelegten Telefax vom 13.03.2006 getroffenen Tilgungsbestimmung nicht, dass zwangsläufig die rückständigen Mieten einschließlich Februar 2006 getilgt werden sollten. Die Auslegung der von den Parteien vorgelegten Urkunden unter Berücksichtigung von Erfahrungssätzen und dem sich aus dem Akteninhalt ergebenden Indizien ist auch im Urkundsprozess zulässig und geboten (vgl. BGH NJW 1995, 1683, 1684 [BGH 22.03.1995 - VIII ZR 191/93] m.w.N. Die Tilgungsbestimmung lässt jedoch nicht erkennen, auf welche Rückstände die Summe von 25.000,00 € verrechnet werden sollte. Die Tilgungsbestätigung lautet lediglich dahingehend, dass offene Miet- und Pachtzinsen getilgt werden sollen. Offen waren im Zeitpunkt der Zahlung jedoch offene Pacht- und Mietzinsforderungen auch für Februar und März 2006. Der Bürgschaftsbetrag in Höhe von 25.000,00 € hat nicht ausgereicht, um sämtliche Forderungen zu tilgen. Eine Tilgungsbestimmung in der Art und Weise, dass nur die älteste Forderung zu tilgen ist, hätte nahegelegen, ist jedoch von der Beklagten nicht vorgenommen worden. Mangels einer Tilgungsbestimmung, die ausdrücklich bestimmt, auf welche Forderungen zu leisten ist, wenn der Befrag in Höhe von 25.000,00 € nicht ausreicht, konnte die Klägerin die Zahlung wie von ihr vorgenommen auf die Märzpacht/Miete verrechnen. Insoweit gilt die Regelung des § 366 Abs. 2 BGB. Da im Zeitpunkt der Zahlung sowohl die März- als auch die Februarmiete und Pacht zur Zahlung fällig waren und der Betrag in Höhe, von 25.000,00 € nicht ausgereicht hat, um sämtlich Miet- und Pachtzahlungen zu tilgen, durfte die Klägerin eine Verrechnung auf die Schuld vornehmen, die ihr eine geringere Sicherheit bietet. Im Zeitpunkt der Zahlung war dieser Rechtsstreit bereits über die Februarpacht rechtshängig, weshalb diese Schuld für die Klägerin eine größere Sicherheit bietet.
Da die Beklagte dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat, war ihr die Ausführung ihrer Rechte nach § 599 Abs. 1 im Nachverfahren vorzubehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 4, 711 Satz 1 ZPO.