Landgericht Stade
Urt. v. 16.11.2006, Az.: 3 O 177/06
Räumung Mieträumlichkeiten; Kündigung keine unzulässige Rechtsausübung; Zwangsvollstreckung trotz Masseunzulänglichkeit
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 16.11.2006
- Aktenzeichen
- 3 O 177/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53412
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- BGB §§ 546, 242
- InsO § 210
Amtlicher Leitsatz
Räumung; Kündigung keine unzulässige Rechtsausübung trotz Zwangsvollstreckung bei Masseunzulänglichkeit.
In dem Rechtsstreit
XXX
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: XXX,
Geschäftszeichen: 529-06/g
gegen
XXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: XXX
Geschäftszeichen: 06/10680
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 19.10.2006 durch die Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin am 16.11.2006
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Beklagte wird verurteilt, die im Erdgeschoss des Hauses XXX-Straße XXX, XXX Cuxhaven, gelegenen Gewerberäume mit einer Größe von ca. 603 qm mit sofortige Wirkung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
- 2.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
- 3.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Der Streitwert wird auf 75.249,28 € (74.249,28 € für den Klageantrag und 1.000,00 € für den Widerklageantrag) festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten, als Insolvenzverwalter über das Vermögen von XXX, auf Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen im Erdgeschoss des Hauses XXX-Straße XXX in Cuxhaven in Anspruch. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen von XXX Stolle ist am 01.10.2003 eröffnet und der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
Nach dem zu Grunde liegenden Mietvertrag war seitens des Beklagten eine monatliche Miete in Höhe von 6.187,44 €, jeweils fällig zum dritten Werktag eines Monats, zu begleichen.
Bereits im Jahr 2005 kam es zu Mietrückständen. In dem daraufhin geführten Rechtsstreit vor dem Landgericht Stade - Aktenzeichen 3 O 148/05 - haben die Parteien sich dahingehend vergleichsweise geeinigt, dass die Parteien darin übereinstimmen, dass zum 15.09.2005 ein Mietrückstand in Höhe von 11.795,27 € besteht und dieser Rückstand in monatlichen Raten, beginnend zum 01.10.2005, in Höhe von 2.500,00 € zu zahlen ist und der gesamte Betrag fällig und zu verzinsen ist, wenn der Beklagte mit einer oder mehreren Raten länger als 14 Tage in Rückstand gerät.
Auf diesen Mietrückstand in Höhe von 11.795,27 € hat der Beklagte im Oktober 2005 eine Rate in Höhe von 2.500,00 € gezahlt.
Nachdem es auch im Jahre 2006 zu Rückständen in Höhe von 24.749,76 € gekommen ist, forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 30.05.2006 auf, die rückständigen Mieten für März bis Juni 2006 in dieser Höhe binnen 2 Wochen zu zahlen und kündigte nach Fristablauf mit Schreiben vom 15.06.2006 wegen Zahlungsrückstandes fristlos unter Aufforderung des Beklagten zur Räumung bis zum 30.06.2006. Mit Schreiben vom 19.06.2006 übersandte die Klägerin an den Beklagten unter Wiederholung ihrer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsrückstandes eine berichtigte Forderungsaufstellung.
Mit Schriftsatz vom 25.08.2006 hat die Klägerin das Mietverhältnis nochmals fristlos gekündigt, nachdem sich der Beklagte auch mit den Mieten für Juli und August 2006 in Rückstand befunden hat.
Die Klägerin ist der Ansicht, bei dem Mietrückstand in Höhe von 11.795,27 € handele es sich um Altmasseverbindlichkeiten, denen die Kündigungssperre des § 112 InsO nicht entgegenstünde. Im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung der Klägerin vom 15. bzw. 19.06.2006 habe sich der Beklagte für den Monat April 2006 mit einem Teilbetrag in Höhe von 2.046,11 € und für die Monate Mai und Juni 2006 in Höhe von jeweils 6.187,44 € sowie in Höhe von 9.295,27 € für Altmasseverbindlichkeiten in Verzug befunden. Die Kündigung der Klägerin vom 15. bzw. 19.06.2006 sei nicht nur auf die Rückstände aus Neumasseverbindlichkeiten, sondern auch auf Rückstände aus Altmasseverbindlichkeiten gestützt worden. Dass die Klägerin unstreitig eine Kontenpfändung wegen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 durchgeführt habe, die nach § 210 InsO unzulässig gewesen sei, sei nicht treuwidrig, da die Klägerin lediglich versucht habe, ihre berechtigten Forderungen zu realisieren.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die im Erdgeschoss des Hauses XXX-Straße XXX, XXX Cuxhaven gelegenen Gewerberäume mit einer Größe von ca. 603 qm mit sofortiger Wirkung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Kündigung für unwirksam. Bereits zum 30.03.2006 habe die Klägerin unberechtigterweise gekündigt. Diese Kündigung sei unwirksam gewesen, da sie sich auf Mietrückstände vor dem 25.10.2005 beziehen würde und somit vor einem Zeitpunkt, in dem der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit im Insolvenzverfahren über das Vermögen von XXX angezeigt habe.
Auch die zweite Kündigung, die zum 30.06.2006 erfolgt sei, sei unwirksam, da nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit sämtlich Mietrückstände, bei denen es sich um Neumasseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO handele, beglichen worden seien. Nicht gezahlt worden seien unstreitig die Mieten für Mai und Juni 2006. Für den Monat April seien unstreitig 4.141,33 € gezahlt worden. Die Klägerin selbst habe die Zahlung der Mietrückstände für die Monate Mai und Juni jedoch unmöglich gemacht, da sie unstreitig Vollstreckungsmaßnahmen wegen ihrer Ansprüche aus dem Vergleich vor dem Landgericht Stade, Aktenzeichen 3 O 148/05, und dem hierzu gehörenden Kostenfestsetzungsbescheid durchgeführt habe . Beide Ansprüche seien Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, da sie vor der Masseunzulänglichkeitsanzeige begründet worden seien. Bei solchen Ansprüchen sei nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Zwangsvollstreckung nach § 210 InsO untersagt, weshalb der Beklagte Erinnerung eingelegt habe und das Amtsgericht Cuxhaven die Kontenpfändung aufgehoben habe. Über das Konto könne jedoch nicht weiter verfügt werden, da die Entscheidung noch nicht rechtskräftig sei. Es sei ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB, wenn die Klägerin hierdurch trotz Zahlungsunwilligkeit die Mietzahlungen unmöglich mache. Im Übrigen erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit eigenen Forderungen des Beklagten. Er habe zum 15.10.2004 der Klägerin für 6.000,00 € eine mit Elektrogeräten und Tresen ausgestattete Einbauküche sowie zehn Konferenztische und zwanzig Stühle der Marke Thonet verkauft. Außerdem habe die Klägerin den Werbepylon für 12.000,00 € übernommen. Eine Zahlung hierauf habe die Klägerin nicht geleistet.
Die Räumung der Mieträume würde eine Betriebsfortführung außerdem unmöglich machen und den Arbeitsplatzverlust von zwanzig Arbeitnehmern bedeuten. Es könne der Klägerin auch nicht um eine anderweitige Vermietung der Mieträume gehen, da sich diese als unvermietbar erwiesen hätten.
Nachdem die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits an den angemieteten Parkplätzen Zettel angebracht hat mit der Aufschrift. "Für diesen Parkplatz wird seit 6 Monaten keine Miete bezahlt !!! Die Benutzung ist untersagt ! Der Eigentümer !"., hat der Beklagte Widerklage mit dem Ziel der Nutzungseinräumung an den Parkplätzen und Entfernung der Zettel erhoben . Nachdem der Kläger diese Zettel entfernt und die Nutzung der Parkplätze wieder ermöglicht hat , haben die Parteien die Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin kann den Beklagten auf Räumung der Mieträume in Anspruch nehmen.
Nach § 11 des zu Grunde liegenden Mietvertrages ist die Klägerin zur vorzeitigen Kündigung des Mietvertrages berechtigt, wenn der Mieter die ihm nach diesem Vertrag obliegende Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt.
Es kann insoweit dahinstehen, ob die Kündigung vom 15. bzw. 19.06.2006 wirksam ist. Denn die Klägerin hat erneut das Mietverhältnis mit Schreiben vom 25.08.2006 (Anlage K 7, Bl. 43 d.A.) wegen Zahlungsrückstandes mit der restlichen Miete für April 2006 in Höhe von 2.046,11 € und den Mieten für die Monate Mai bis August des Jahres in Höhe von jeweils 6.187,44 € gekündigt. Dass die Mieten für Juli und August auch nicht gezahlt worden sind, ist seitens des Beklagten nicht bestritten worden. Dieser Zahlungsverzug ist nach dem zu Grunde liegenden Mietvertrag ausreichend für eine außerordentliche Kündigung.
Die Kündigung stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 242 BGB in der Kündigung dar. Daraus, dass die Klägerin durch die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen wegen ihrer Ansprüche aus dem Vergleich vor dem Landgericht Stade, Aktenzeichen 3 O 148/05, eingeleitet hat, liegt keine unzulässige Rechtsausübung. Zwar ist es zutreffend, dass die Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden sind nach § 210 InsO untersagt ist. Dass die Klägerin dennoch versucht hat, im Wege der Zwangsvollstreckung ihre Interessen durchzusetzen, kann nicht als treuwidrig angesehen werden.
Außerdem stand es dem Beklagten frei, umgehend Rechtsmittel gegen die Kontenpfändung einzulegen.
Dass der Beklagte auf Grund der Kontenpfändung auch die weiteren monatlichen Mieten nicht entrichten konnte, war von ihm darzulegen und zu beweisen. Einen entsprechenden Beweisantritt hat der Beklagte nicht erbracht.
Die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung mit Forderungen aus der Übereignung von diversen Einrichtungsgegenständen greift nicht. Das Vorbringen des insoweit ebenfalls beweisbelasteten Beklagten ist zu unsubstantiiert. Insbesondere hat er nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, wann eine Einigung der Parteien hinsichtlich des Erwerbs der Gegenstände erfolgt sein soll.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 91 a ZPO.
Nachdem die Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist , war insoweit nur noch über die Kosten nach § 91 a ZPO zu entscheiden. Dies führt dazu , dass dem Beklagte auch insoweit die Kostenlast trifft, da er mit der Widerklage unterlegen gewesen wäre.
Nachdem die Klage auf Räumung der Gewerberäume begründet ist, stellt die begehrte Gewährung der Nutzung der zu den Mieträumlichkeiten gehörenden Parkplätze eine Forderung dar, die auf Grund des Räumungsurteils sofort zurückgewährt werden müsste. Hierin würde eine unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB zu sehen sein, da dem Beklagten etwas zugesprochen werden würde, was er umgehend zurückzugewähren hätte.
Anders verhält es sich hingegen hinsichtlich der seitens der Klägerin verteilten Zettel, die sie zwischenzeitlich entfern hat. Die Anbringung von Zetteln war von vornherein unberechtigt und hätte seitens der Klägerin nicht erfolgen dürfen. Insoweit wäre der Widerklageantrag erfolgreich gewesen.
Dass der Teil der Widerklage hinsichtlich der Anbringung der Zettel erfolgreich gewesen wäre, wirkt sich kostenrechtlich nicht aus, weshalb dem Beklagten insgesamt die Kosten aufzuerlegen waren.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.