Landgericht Stade
Urt. v. 16.02.2007, Az.: 2 O 508/06

Gerichtszuständigkeit bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück; Anfechtungsrechtlicher Rückgewähranspruch bzgl. eines Grundstücks

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
16.02.2007
Aktenzeichen
2 O 508/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 70465
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2007:0216.2O508.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 04.07.2006 - AZ: 3 O 38/06
AG Zeven - 25.07.2006 - AZ: 3 C 93/06
AG Zeven - 26.07.2006 - AZ: 3 C 93/06
LG Stade - 17.08.2006 - AZ: 3 O 38/06
LG Stade - 05.10.2006 - AZ: 3 O 98/06
AG Goslar - 20.11.2006 - AZ: 28 C 126/06
nachfolgend
OLG Celle - 17.01.2008 - AZ: 13 U 56/07

In dem Rechtsstreit
XXX
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX
Geschäftszeichen: XXX
gegen
Herrn XXX,
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX
wegen Duldung der Zwangsvollstreckung
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom
09.01.2007 durch den Richter XXX als Einzelrichter
für Re c h t erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt aufgrund eines vermeintlichen Anspruchs gegen den Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 11 AnfG in das Grundstück XXX, XXX, Flur XXX, Flurstück XXX der Gemarkung XXX eingetragen beim Amtsgericht XXX, Grundbuch von XXX, Blatt XXX.

Die Klägerin ist Inhaberin einer Gesamtforderung in Höhe von 13.732,15 € aus mehreren vorläufig vollstreckbaren Urteilen (3 O 98/06, 3 O 38/06, 3 C 93/06) sowie einem Kostenfestsetzungsbeschluss (3 O 38/06) des Landgerichts Stade bzw. des Amtsgerichts Zeven gegen die Ehefrau des Beklagten Frau XXX. Soweit die vorgenannten Urteile nur gegen Sicherheitsleitung für vorläufig vollstreckbar erklärt wurden, wurde diese jeweils von der Klägerin erbracht.

Zwangsvollstreckungsversuche gegen die Ehefrau und Schuldnerin blieben jedoch erfolglos.

Die Klägerin behauptet, dass die Schuldnerin das o.g. Grundstück im Dezember des Jahres 2005 in anfechtbarer Weise zum Zwecke der Gläubigerbenachteiligung an den Beklagten übertragen habe. Sie ist daher der Ansicht, dass der Beklagte aus den gegen seine Ehefrau und Schuldnerin bestehenden Titeln gemäß § 11 AnfG zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das übertragene Grundstück verpflichtet ist.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, wegen der vollstreckbaren Forderungen der Klägerin in Höhe von derzeit 13.732,15 € aufgrund des Urteils des Landgerichts Stade Az. 3 O 38/06 vom 17. August 2006, des Urteils des Landgerichts Stade Az. 3 O 98/06 vom 5. Oktober 2006, des Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stade, Az. 3 O 38/06 vom 17. August 2006 und des Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts Zeven, Az. 3 C 93/06 vom 24. Juli 2006 die Zwangsvollstreckung in das Grundstück XXX, XXX, Flur XXX, Flurstück XXX der Gemarkung XXX, eingetragen beim Amtsgericht XXX, Grundbuch von XXX, Blatt XXX zu dulden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteilen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig, da gemäß § 24 ZPO ausschließlich das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk die belegene Sache ist.

Dies gilt auch für die hier vorliegende Anfechtungsklage, die mit dem Eigentum an einer unbeweglichen Sache im Zusammenhang steht, so dass die örtliche Zuständigkeit des angerufenen LG Stade zu verneinen ist.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass diese Rechtsfrage in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten (vgl. Huber, AnfG, § 13 Rn. 35 mit Nachweisen zu beiden Meinungen).

Die in der Rechtsprechung insbesondere vom OLG Celle (MDR 1986, 1031) eingenommene Auffassung, die daran anknüpft, dass der auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück gerichtete anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch ein schuldrechtlicher Anspruch sei, haftet zu sehr am Wortlaut des Gesetzes und berücksichtigt nicht hinreichend den Zweck der besonderen Gerichtsstände der §§ 20 ff. ZPO. Diese sind gerade eingeführt, um Schwierigkeiten, die mit der Klage im allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten verbunden sind, auszuräumen (vgl. Zöller, § 20 Rn. 1). Geht es um die Duldung der Zwangsvollstreckung in ein besonderes Grundstück, so liegt es deshalb besonders nahe, die Klage bei dem Gericht zu führen, in dessen Bezirk sich auch das zuständige Grundbuchamt befindet und die Eintragungen vorgenommen werden. Dies erleichtert die gegebenenfalls erforderliche Beiziehung der Grundakten oder im Falle des Erlasses einstweiliger Verfügungen die Durchführung eines Eintragungsersuchens nach § 941 ZPO. Besonders deutlich wird dies in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem sich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten im Ausland befindet.

Hinzu kommt, dass gerade im Bereich anfechtbarer Rechtshandlungen nach dem AnfG Vermögensverschiebungen in das Ausland, u.a. auf Scheinfirmen oder andere dubiose Gesellschaften, auch hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens unter Umständen nicht hinreichend wirksam begegnet werden könnte, wenn man nicht für hierauf beruhende Ansprüche auf Duldung der Zwangsvollstreckung den Gerichtsstand des § 24 ZPO annimmt.

Demgegenüber genießt der Schutz des Beklagten, dem der allgemeine Gerichtsstand dient, insbesondere im Fall des § 24 ZPO keinen Vorrang, weil der Grundstückseigentümer ohnehin alle dinglichen Eintragungen am Ort des Grundstücks abwickeln muss und durch eine Prozessführung an diesem Ort deshalb nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.

Im Übrigen unterscheidet § 24 ZPO nicht zwischen Klagen aus persönlichen Forderungsrechten und solchen, denen dingliche Ansprüche zugrunde liegen. Die Begründung der gegenteiligen Rechtsauffassung, nach der § 24 ZPO in Fällen der vorliegenden Art keine Anwendung finden soll, weil es sich um die Geltendmachung eines den Anfechtungsgegner lediglich obligatorisch verpflichtenden Anspruchs handelt, vermag das Gericht nicht zu überzeugen. Denn es kommt bei § 24 ZPO nicht auf den Klagegrund, sondern ausschließlich auf den Klageantrag an (vgl. RGZ 71, 176; 91, 369; 143, 236; Huber, AnfG, § 13 Rn. 35). Auch ist unzweifelhaft die Klage gemäß § 1147 BGB auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück gemäß § 24 ZPO im Gerichtsstand der belegenen Sache zu erheben

Der Antrag der Klägerin geht vorliegend ebenfalls auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück. Zwar ist der Anspruch gestützt auf die Vorschriften des AnfG, doch berührt die Klage letztlich im Ergebnis die Stellung des Beklagten als Eigentümer des streitigen Grundstücks. Die Klägerin verfolgt mit der Anfechtung der Grundstücksübertragung so gestellt zu werden, als ob die Eigentumsübertragung unwirksam und der Schuldner noch Eigentümer des Grundstücks wäre. Denn gemäß § 11 AnfG hat derjenige, der anfechtbares Vermögen des Schuldners erlangt hat, dieses dem Gläubiger zur Verfügung zu stellen, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Im Verhältnis zum Anfechtungsgläubiger muss sich der Anfechtungsgegner damit so behandeln lassen, als gehöre dieser Gegenstand noch dem Schuldner.

Das Gericht schließt sich deshalb der inzwischen wohl herrschenden Ansicht (vgl. OLG Hamm NZI 2002, 575 [OLG Hamm 28.03.2002 - 27 W 7/02]; LG Hamburg MDR 1972, 55; RGZ 15, 386; RGZ 20, 403; Gerhard EWiR 1998, 1016, Huber, AnfG, § 13 Rn. 35) an, dass nicht auf den Klagegrund, sondern auf den Klageantrag abzustellen ist, so dass das angerufene Landgericht Stade nicht als gem. § 24 ZPO örtlich zuständiges Gericht zuständig war. Ausschließlich zuständig ist vielmehr das Landgericht Braunschweig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Grundstück belegen ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.