Landgericht Stade
Urt. v. 24.05.2006, Az.: 2 O 212/04

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
24.05.2006
Aktenzeichen
2 O 212/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Rückabwicklung eines Kaufvertrages.

Der Beklagte bot dem Kläger, einem damals fast 68-jährigen, erfahrenen Amateurreiter, das streitgegenständliche Pferd – die Stute "K." - als Springpferd zum Kauf an. Bei einem Besichtigungstermin wurde dem Kläger das Pferd vorgeritten und er probierte es auch selbst aus. Im Anschluss daran wurde dem Kläger dann ein Gesundheitszeugnis vorgelegt, ausweislich dessen das Pferd eine Tonoperation hinter sich hatte, ihm ein Chip entfernt worden war und es einen leichten Stellungsfehler der Hufe aufwies. Diese Feststellungen wurden bei der Ankaufsuntersuchung vom 5.1.2004, die Voraussetzung für den Erwerb sein sollte, bestätigt.

Die Parteien einigten sich auf einen Kaufpreis von 19.000 €, wobei zu einem Betrag von 1.500 € der Kläger ein anderes Pferd in Zahlung nehmen sollte. In diesem Sinne wurde der Vertrag vollzogen und dem Kläger gegen Zahlung von 17.500 € und Übergabe des Pferdes „Z.“ das streitgegenständliche Pferd übergeben.

Mit Anwaltschreiben vom 8.4.2004 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger behauptet, die Stute "K." sei zum Übergabezeitpunkt am 07.01.2004 bereits als Springpferd für ihn als 68-jährigen Reiter ungeeignet gewesen. Die Stute habe dressurmäßig nur mit einem Gummichabon am Zügel geritten werden können, weil sie ansonsten den Kopf hochschlüge und nicht mehr am Zügel gehe; im Galopp gehe die Stute in jeder Biegung im Kontergalopp. Diese Rittigkeitsprobleme seien zum Übergabezeitpunkt vorhanden gewesen und würden bei der Stute permanent auftreten.

Des Weiteren seien die unter dem 11.06.2004 in der tierärztlichen Klinik für Pferde durch den Tierarzt S. attestierten Beeinträchtigungen bereits zum Übergabezeitpunkt vorhanden gewesen und hätten ebenfalls zur einer Nichteignung der Stute als Springpferd für ihn geführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die tierärztliche Bescheinigung, Bl. 14 d.A.

Schließlich habe die Stute „K.“ nach Belastungen ständig wiederkehrenden blutigen Nasenausfluss, der sie als Tunier-/Springpferd als ungeeignet erscheinen lasse. Dieser Ausfluss habe ebenfalls bereits zum Übergabezeitpunkt im Januar 2004 vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 19.000 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.4.2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes „K.“, Lebensnummer: (…).

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat durch Beweisbeschlüsse vom 14.9.2004 (Bl. 36 d.A.) und 14.9.2005 (Bl. 122 d.A.) in der Fassung des Beschlusses vom 19.10.2005 (Bl. 132 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung mehrerer Sachverständigengutachten. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. J. vom 16.5.2005 und 26.2.2006, das Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 16.5.2005 sowie dessen Ergänzungsgutachten vom 11.7.2005.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 437 Nr. 2, 326 Nr. 5, 346 BGB zu, da es an einem für die Geltendmachung dieses Gewährleistungsanspruches erforderlichen Mangel im Sinne des § 434 BGB bei Übergabe des Pferdes fehlt. Es steht vielmehr nach Würdigung der erhobenen Beweise fest, dass der Beklagte dem Kläger das Pferd frei von Mängeln übergeben hat.

Die Sachmängelfreiheit im Sinne des § 434 BGB richtet sich zunächst nach der vereinbarten Beschaffenheit. Diese Vorschrift findet seit der Schuldrechtsreform nunmehr auch auf den Kauf von Tieren Anwendung und ist auch im vorliegenden Fall anwendbar. Die hier zwischen den Parteien vereinbarten Kriterien hinsichtlich des Pferdes „K.“ sind im vorliegenden Fall erfüllt; demzufolge liegt keine negative Abweichung von der Beschaffenheitsvereinbarung vor.

Die Parteien haben sich über die Beschaffenheit des Tieres unstreitig dahingehend geeinigt, dass das Pferd als Springpferd geeignet sein sollte. Darüber hinaus haben die Parteien keine konkrete Vereinbarung getroffen, ob das Pferd für den Turniersport bzw. eine bestimmte Leistungsklasse geeignet sein soll. Schließlich liegt auch in der Tatsache, dass der Kläger ein zum damaligen Zeitpunkt 68-jähriger Reiter war, keine weitere konkludente Beschaffenheitsvereinbarung über das Pferd: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei einem 68-jährigen erfahrenen Reiter, der ein Springpferd sucht und dies auch zur Probe reitet, davon ausgegangen werden muss, dass er stattdessen ein „Lehrpferd“ sucht. Insbesondere reicht die Altersangabe für sich genommen nicht aus, um auf reiterliche Fähigkeiten und Schwächen schließen zu können. Der Beklagte durfte aufgrund der Erfahrung des Klägers und dessen Kaufvorstellungen vielmehr davon ausgehen, dass dieser ein geübter Reiter ist und ein Pferd mit den entsprechenden Hilfen zu springen versteht. Er war ohne besondere Vereinbarung nicht gehalten, dem Kläger nur ein Pferd anzubieten, welches praktisch ohne Anleitung und unabhängig von dem Verhalten seines Reiters jeden Parcours springt.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass das streitgegenständliche Pferd bei Übergabe an den Kläger als Springpferd tauglich und demzufolge mangelfrei war.

Der Beweiswürdigung waren unter anderem die im Rahmen der Beweisaufnahme eingeholten Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. K. und Dr. J. zugrunde zu legen. Das Gesuch des Klägers, die Sachverständigen gemäß § 406 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen, da die vorgetragenen Gründe es nicht rechtfertigen, die Sachverständigen als befangen anzusehen.

Der Umstand, dass Dr. J. nach Hinzuziehung insbesondere der Röntgenbilder sein Gutachten erstellt und dabei die Behauptungen des Klägers nicht bestätigt hat, rechtfertigt den Vorwurf der Unparteilichkeit nicht. Den Vorwurf der Parteilichkeit hat im Übrigen der Kläger selbst im weiteren Prozessverlauf nicht mehr aufrecht erhalten, weil er gleichzeitig eine Erweiterung des Beweisbeschlusses beantragt, dem Beweisbeschluss vom 14.9.2005 nicht widersprochen und sich mit dem Gutachten vom 26.2.2006 sachlich auseinandergesetzt hat, ohne den Vorwurf der Befangenheit zu erheben.

Auch gegen den Sachverständigen Dr. K. sind die Vorwürfe der Parteilichkeit nicht begründet. Sofern der Kläger dem Sachverständigen vorwirft, er habe gegen seinen Willen und ohne seine Kenntnis „Beweismaterial“ des Beklagten mit in seine Begutachtung mit einbezogen, hat der Sachverständige dies glaubhaft damit entschuldigt, dass er von dem entgegenstehenden Willen des Klägers keine Kenntnis hatte und in seinem Ergänzungsgutachten die Beweisfrage ohne Verwertung dieses Materials beantwortet. In seiner Schilderung des Ortstermins, deren wahrheitsgemäße Wiedergabe er versichert hat, sind keine Anhaltspunkte für eine Parteilichkeit zugunsten des Beklagten erkennbar. Der Sachverständige hat in seinen Gutachten vielmehr auch auf Unsicherheiten der Stute hingewiesen, was für seine Objektivität spricht.

Was die physische Eignung der Stute betrifft, so hat die Beweisaufnahme die Behauptung des Klägers, dass Pferd sei durch ständigen blutigen Nasenausfluss als Springpferd ungeeignet, nicht bestätigen können. Der Sachverständige Dr. J. hat festgestellt, dass es sich bei dem Nasenausfluss lediglich um minimale Blutspuren in der linken Nüster handelt und das Symptom bei extremer Belastung lediglich minimal auftritt. An der fachgemäßen Untersuchung des Tieres und medizinisch einwandfreien Diagnose des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Es ist auch davon auszugehen, dass bei den von dem Sachverständigen durchgeführten Untersuchungen wie von ihm angegeben eine extreme und nicht nur eine allgemeine Belastung stattfand, so dass der Sachverständige auch eine Aussage darüber machen konnte, ab welchem Belastungsgrad der Nasenausfluss stattfand.

Über das Sachverständigengutachten hinaus bedurfte es keiner Auskunftseinholung von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Wahrendorf (FN) über die Behauptung, dass ein ständiger Nasenausfluss bei größerer Leistungsbeanspruchung zum Ausschluss von Leistungsprüfungen führt, da der Kläger hinsichtlich dieses Beweisangebotes ausführt, er gehe trotz des Sachverständigengutachtens von einem ständigen blutigen Nasenausfluss aus beiden Nüstern aus. Dies hat der Sachverständige gerade nicht bestätigt, sondern lediglich einen minimalen Ausfluss bei großer Belastung festgestellt. An der Schlussfolgerung des Sachverständigen, das Pferd sei daher zum Springen und für Turniere geeignet, bestehen daher keine Zweifel. Soweit die FN ein Pferd trotz medizinisch nachgewiesener Eignung an der Teilnahme des Turniers gleichwohl ausschließen sollte, geht dies nicht zu Lasten des Beklagten. Um eine Eignung nach etwaigen von der Vereinigung aufgestellten Maßstäben voraussetzen zu dürfen, hätte der Kläger dies explizit mit dem Beklagten vereinbaren müssen, etwa dahingehend, dass auch die Regelwerke der FN erfüllt sein müssen; dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Auch die Behauptung, das Pferd sei durch die vom Tierarzt S. attestierten Beeinträchtigungen zum Übergabezeitpunkt als Springpferd für den Kläger nicht geeignet gewesen, hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigen lassen. Der Sachverständige Dr. J. hat unter Würdigung der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen festgestellt, dass die Beeinträchtigungen nicht zu einer Nichteignung der Stute als Springpferd führen. Der Sachverständige hat bei seiner Analyse die vorgelegten Dokumente und insbesondere auch die Röntgenbilder berücksichtigt, wie aus der Einleitung seines Gutachtens vom 16.5.2005 hervorgeht. Darüber hinaus hat er durch eigene Untersuchungen überprüft, inwieweit die Beeinträchtigungen das Pferd als Springpferd ungeeignet erscheinen lassen. An der fachgemäßen Durchführung der Untersuchung und der Fähigkeit des Sachverständigen, auf dieser Grundlage die Beweisfrage beantworten zu können, bestehen keine Zweifel.

Was die Behauptung der Unrittigkeit betrifft, so ist auch diesbezüglich kein Mangel zum Übergabezeitpunkt festgestellt worden. Der für das Vorliegen des Mangels beweisbelastete Kläger hat nicht bewiesen, dass zum Übergabezeitpunkt dieser von ihm behauptete Mangel vorlag.

Zunächst fehlt es bereits an einem Mangel. Die Beweisaufnahme hat insofern ergeben, dass das Pferd als Springpferd geeignet ist und insbesondere die vom Kläger aufgezeigten Mängel nicht aufweist. Eine allgemeine Unrittigkeit, deren Ursache im Pferd liegt, konnte nicht festgestellt werden. Die Beweisaufnahme hat die Behauptungen des Klägers, das Pferd würde mit dem Kopf schlagen, in jeder Biegung im Kontergalopp gehen und nur am Gummichabon geritten werden können, nicht bestätigt. Der Sachverständige Dr. K. hat bei seinem Ortstermin vielmehr festgestellt, dass die Stute immer am Zügel gegangen und lediglich einige Male in den Kreuzgalopp gefallen sei. An der wahrheitsgemäßen Wiedergabe der Beobachtungen durch den Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Schließlich stellt auch die Tatsache, dass das Pferd von einer fremden Reiterin geritten wurde, das Beweisergebnis nicht in Frage, da der Sachverständige eine Reiterin ausgewählt hat, die wie der Kläger reiterfahren war, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass ihre Fähigkeiten denen des Klägers entsprachen.

Schließlich scheitert ein Gewährleistungsanspruch im Hinblick auf die behauptete Unrittigkeit – unabhängig vom Vorliegen eines Mangels zum Zeitpunkt des Ortstermins - daran, dass der Sachverständige K. nur das Verhalten des Pferdes beim Ortstermin untersuchen und keine Aussage über den Zustand des Tieres zum Zeitpunkt der Übergabe treffen konnte. Die Unmöglichkeit der Beweisführung ist im vorliegenden Fall nicht auf mangelnde Kompetenz des Sachverständigen zurückzuführen, sondern darauf, dass sich bei Pferden der Allgemeinzustand sehr schnell ändern kann und daher mit hinreichender Sicherheit keine Rückschlüsse auf ein früheres Verhalten gezogen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.