Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 03.11.2016, Az.: 2 A 96/15

Baugenehmigung; Denkmalschutz; Drittschutz; erhebliche Beeinträchtigung; Treu und Glauben; Vertrauensgrundlage; Vertrauenstatbestand; Verwirkung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
03.11.2016
Aktenzeichen
2 A 96/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43480
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Verwirkung nachbarrechtlicher Abwehransprüche liegt nicht vor, wenn sich ein Nachbar unmittelbar nach Errichtung einer baulichen Anlage bei der Behörde über die Anlage beschwert, die Behörde daraufhin den Bauherrn über die Beschwerde informiert und dem Nachbarn zusichert, sich für den Rückbau der Anlage einzusetzen und dies auch tatsächlich umsetzt, und der Nachbar erst dann förmlichen Widerspruch erhebt, wenn für ihn klar wird, dass die Behörde nur einen Teilrückbau der baulichen Anlage erwirken wird.
2. § 8 Satz 1 NDSchG (juris: DSchG ND) vermittelt in verfassungskonformer Anwendung dem Eigentümer eines Denkmals Drittschutz, soweit es um eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds des Baudenkmals in seiner Umgebung geht (Nds. OVG Lüneburg, Urteil vom 23. August 2012, 12 LB 170/11, juris). An einer solchen erheblichen Beeinträchtigung fehlt es, wenn ein an einem Baudenkmal angebrachtes Abluftrohr das Denkmal weder erdrückt noch dominiert.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks „C. Straße 8“ in D.. Der Beigeladene ist Eigentümer des angrenzenden Grundstücks „C. Straße 9‘“. Beide Grundstücke sind Teil eines in der E. Altstadt gelegenen denkmalgeschützten Wohnquartiers, zu dem neben den beiden Grundstücken in der C. Straße noch zwei Grundstücke in der F. Straße (Nr. 45) sowie ein Grundstück in der G. Straße (Nr. 1) gehören.

Am 27. April 2006 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten eine Baugenehmigung für die Sanierung und den Teilumbau seines Gebäudes. Dabei sollten u.a. zwei Wohnungen ausgebaut und eine Wohnung zu Gastronomiezwecken umgenutzt werden. Am 3. April 2008 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Die Bauzeichnungen des Schnittes des Erdgeschosses, des Ober- und des Dachgeschosses sieht jeweils außerhalb des Gebäudes ein rot gekennzeichnetes Rohr als „Abzug Küche“ vor; die Zeichnung ist grün gestempelt mit „Geprüft: D., den 3. April 2008“. Die Grundrisszeichnung des Dachgeschosses umfasst zudem in der Küche ein gelb gezeichnetes Quadrat mit Öffnung nach außen.

Im Februar 2009 zeigte der Beigeladene bei der Beklagten den Beginn der Bauarbeiten an, die sich zunächst ausschließlich auf den Umbau der Innenräume beschränkten. Im Januar 2012 begann der Beigeladene mit der - von außen sichtbaren - Errichtung einer Abluftanlage. Die Abluftanlage bestand aus einem metallenen Rohr sowie einer in einem Kasten untergebrachten Ventilationsanlage; das Rohr führte aus der Küche über die Traufe sowie über das Dach. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Verwaltungsvorgängen befindlichen, überwiegend von den Klägern erstellten Fotos (u.a. Bl. 409, Beiakte B) Bezug genommen.

Am 6. Januar 2012 beschwerten sich die Kläger bei der Beklagten über die optische Wirkung der Abluftanlage. Mit Schreiben vom 7. Januar 2012 wandten sich die Kläger zudem an den Oberbürgermeister der Hansestadt und führten aus, dass die Abluftanlage aus ihrer Sicht nach dem Nds. Denkmalschutzrecht unzulässig sei. Darauf antwortete der Oberbürgermeister, dass der Eingabe nachgegangen werde und alle Möglichkeiten hinsichtlich eines Rückbaus der Abluftanlage geprüft würden. Auch die erteilte Baugenehmigung würde einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Ausführung der Abluftanlage weiche von den eingereichten Bauantragsunterlagen ab und sei in dieser Form nicht genehmigt.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2012 informierte die Beklagte den Beigeladenen darüber, dass eine nachbarliche Beschwerde gegen die Errichtung der Abluftanlage vorliege und forderte ihn mit Schreiben vom 15. Februar 2012 zum Rückbau der Abluftanlage bis zum 28. März 2012 auf. Anderenfalls werde eine kostenpflichtige bauordnungsrechtliche Verfügung ergehen.

Unter dem 12. Januar 2012 wandten sich die Kläger zudem an das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege und verwiesen darauf, dass eine von der Hansestadt Lüneburg erteilte Baugenehmigung für den Bau einer Abluftanlage im Haus ihres Nachbarn aus ihrer Sicht den Vorgaben des Denkmalschutzes nicht gerecht werde. Daraufhin teilte ein Mitarbeiter des Amtes im März mit, dass er davon ausgehe, dass die Stadt in angemessener Form auf die nicht genehmigte und auch nicht genehmigungsfähige Anlage reagiert habe, so dass er derzeit keinen weiteren Bedarf sehe, fachaufsichtlich tätig zu werden.

Per E-Mail vom 16. April 2012 bat der Kläger zu 1.) die Beklagte erneut um Sachstandsmitteilung hinsichtlich des Rückbaus der Abluftanlage des Beigeladenen.

Mit Bescheid vom 18. April 2012 ordnete die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen den Rückbau der Abluftanlage unter Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nichtbefolgung an. Daraufhin legte der Beigeladene mit Schreiben vom 14. Mai 2012 Widerspruch gegen die Rückbauanordnung ein. Er berief sich darauf, dass die Abluftanlage in der Baugenehmigung genehmigt worden sei.

In der Zwischen- und Folgezeit gab es weitere Korrespondenz zwischen den Klägern und der Beklagten. Dabei wurden die Kläger u.a. auch über den Erlass der Rückbauanordnung sowie den dagegen vom Beigeladenen erhobenen Widerspruch informiert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Beigeladenen zurück. Dieser erhob daraufhin am 27. August 2012 Klage vor dem Verwaltungsgericht (2 A 148/12).

Am 31. Oktober 2013 fand die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - Einzelrichter der 2. Kammer - statt; die Örtlichkeit wurde in Augenschein genommen. Mit Urteil vom selben Tage hob das Gericht die bauordnungsrechtliche Verfügung der Beklagten vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2012 auf. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Rohrverlauf vom Erdgeschoss bis zur Traufe genehmigt sei. Nicht ausdrücklich genehmigt seien allerdings der weiterführende, abknickende Rohrverlauf, die Rohrführung über das Dach und die im Innenhof in einem Kasten untergebrachte Ventilationsanlage. Es sei zudem ermessensfehlerhaft, dass sich die Beklagte nicht mit der Frage beschäftigt habe, was mit dem Abluftrohr nach Erreichen der Traufhöhe geschehen soll und wie die Entlüftung ohne Belästigungen der Nachbarn erfolgen könne.

Am 1. November 2013 berichtete die Landeszeitung für die Lüneburger Heide unter der Überschrift „Stadt hat nicht genau genug hingeschaut“ über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und die dort erörterten Sach- und Rechtsfragen. Diesen Artikel haben die Kläger mit einem Leserbrief vom 2. November 2013 kommentiert.

Mit Schreiben vom 3. November 2012 wandte sich der Beigeladene unter Bezugnahme auf die Artikel in der Landeszeitung an die Kläger. Auch ihm gefalle das Abluftrohr nicht, es solle bald vom Dach zurückgebaut werden, darüber sei auch das Bauamt informiert. Man sei bemüht, unter Einbeziehung der Kläger eine akzeptable Lösung für das genehmigte Abluftrohr zu finden.

Nach vorangegangener Anhörung des Beigeladenen ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 2014 den Teilrückbau (abknickender Rohrverlauf, Rohrführung über das Dach und die im Innenhof in einem Kasten untergebrachte Ventilationsanlage) der Abluftanlage an und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Umsetzung ein Zwangsgeld an.

Ebenfalls unter dem 9. Mai 2014 wandten sich die Kläger an das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Unter Bezugnahme auf ihre Korrespondenz mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege baten sie darin um ein fachaufsichtliches Eingreifen gegenüber der Beklagten.

In der Folgezeit gab es diverse Korrespondenz zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen hinsichtlich einer möglichst denkmalverträglichen Gestaltung der Abluftanlage. Auch zwischen den Klägern und der Beklagten gab es weitere Korrespondenz, wobei sich die Kläger stets nach dem Sachstand des Rückbaus der Abluftanlage erkundigten und die Beklagte versicherte, in dieser Angelegenheit bereits tätig zu sein. Es würden Gespräche mit dem Beigeladenen geführt und es sei in absehbarer Zeit eine Lösung zu erwarten, die den Interessen der Kläger gerecht werde.

Im Februar 2015 baute der Beigeladene das über das Dach laufende Rohr der Abluftanlage zurück. Das Abluftrohr verläuft nun aus der Küche in ein im 1. Obergeschoss gelegenes Fenster und tritt im obersten Viertel des Daches wieder aus. Auf die vorgelegten Fotos (Bl. 745 ff., Beiakte B) wird Bezug genommen.

Unter dem 6. Februar 2015 informierte die Beklagte die Kläger in einem persönlichen Gespräch darüber, dass die Bauaufsicht aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur einen Teilrückbau der Abluftanlage fordern könne. Um dennoch eine möglichst denkmalverträgliche Lösung zu erzielen, sei mit dem Grundstückseigentümer vereinbart, dass der verbleibende Teil der Abluftanlage im Fassadenfarbton gestrichen werde.

Daraufhin teilten die Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 9. Februar 2015 mit, dass sie auch die teilrückgebaute Anlage nicht akzeptierten. Mit weiterem Schreiben vom 14. Februar 2015 beantragten sie, ihrem Widerspruch stattzugeben, die Baugenehmigung zu widerrufen und den vollständigen Rückbau der Abluftanlage zu verfügen. Auch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur habe als Fachaufsichtsbehörde eine Kopie dieses Schreibens erhalten, weil man sich vorbehalte, Fachaufsichtsbeschwerde zu erheben. Im Rahmen der weiteren Korrespondenz zwischen den Klägern und der Beklagten stellten die Kläger klar, dass sie sich mit ihrem Widerspruch sowohl gegen die ursprüngliche Baugenehmigung als auch gegen die Regelungen zum Teilrückbau der Abluftanlage wenden.

Nach zwischenzeitlich durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur erfolgter Akteneinsicht teilte dieses der Beklagten mit Schreiben vom 9. April 2015 mit, dass das Ergebnis trotz des nicht optimalen Zusammenspiels aller Beteiligten insgesamt denkmalverträglich sei, da zerstörerische Eingriffe in die Denkmalsubstanz weitgehend vermieden würden und die Maßnahme reversibel sei. Mit weiterem an die Kläger gerichtetem Schreiben vom gleichen Tag führte das Ministerium aus, dass eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes ihres Baudenkmals im Sinne des  § 8 NDSchG aus Sicht des Ministeriums nicht gegeben sei.

Mit Bescheid vom 22. April 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Zugleich lehnte sie den Antrag auf Widerruf der Baugenehmigung sowie den Antrag auf Rückbau der verbleibenden Abluftanlage ab. Der Widerspruch sei bereits unzulässig, weil die Kläger aufgrund des langen Zeitablaufs seit Erteilung der Baugenehmigung ihre Rechte verwirkt hätten. Die Kläger hätten anlässlich der Errichtung der Abluftanlage im Januar 2012 von der zugrundeliegenden Baugenehmigung Kenntnis erlangt; ihr mehr als drei Jahre später erhobener Widerspruch verstoße daher gegen Treu und Glauben. Der Widerspruch sei aber auch unbegründet, weil eine Drittschutz vermittelnde, erhebliche Beeinträchtigung des Baudenkmales im Sinne von § 8 NDSchG nicht vorliege.

Daraufhin haben die Kläger am 13. Mai 2015 Klage erhoben. Die Abluftanlage verstoße auch in ihrer gegenwärtigen Form gegen denkmalschutz- und nachbarrechtliche Vorschriften. Die erteilte Baugenehmigung und die Teilrückbauanordnung vom 9. Mai 2015 beeinträchtigten die Denkmaleigenschaft des gesamten unter Denkmalschutz stehenden Wohnquartiers sowie ihr unmittelbar angrenzendes Haus. Die im Widerspruchsbescheid angenommene Verwirkung liege nicht vor. Der Bauaufsicht sei spätestens seit ihrem Anruf vom 6. Januar 2012 bekannt gewesen, dass sie sich gegen den Bau der Abluftanlage wenden. In diesem Zusammenhang habe die Bauaufsicht darauf hingewiesen, dass sie den Rückbau der Anlage verfügen werde. Insofern könnten sie - die Kläger - sich auf „Vertrauensschutz“ berufen, weil sie davon ausgehen konnten, dass ihrem Anliegen entsprochen werde.

Die Kläger beantragen,

die dem Beigeladenen am 3. April 2008 erteilte Baugenehmigung in der Fassung der Teilrückbauanordnung vom 9. April 2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage. Sie sei aber jedenfalls unbegründet. § 8 NDSchG sei nur insofern drittschützend, als es um die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes eines Baudenkmals gehe. Eine solche Beeinträchtigung des klägerischen Baudenkmals liege durch die Abluftanlage in ihrer gegenwärtigen Form nicht vor. Der noch sichtbare Teil des Rohrverlaufs der Abluftanlage nehme nur noch einen kleinen Teil der Hinterhoffassade ein, ohne diese zu dominieren. Da der Rohrverlauf oberhalb der Traufe zurückgebaut worden sei, zerschneide er nun auch nicht mehr die Gliederung des Gebäudes des Beigeladenen. Schließlich bewirke der farbliche Anstrich, dass das Rohr nicht mehr so deutlich als Fremdkörper hervorsteche.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und erstmalig in dem von seinem Vertreter in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz inhaltlich Stellung genommen. Darin führt er u.a. aus, dass ihm die Verlegung der Abluftanlage nach außen aus Gründen des Brandschutzes sehr wichtig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Zwar haben die Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten die Geltendmachung ihrer Rechte nicht verwirkt (1.), gleichwohl ist die Klage inhaltlich unbegründet (2.). Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 3. April 2008 in der Fassung der Teilrückbauanordnung vom 9. Mai 2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2015 verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht haben die Kläger ihr Recht, sich als unmittelbare Nachbarn gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zu wehren, nicht verwirkt.

a) Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Das Verhalten des Berechtigten muss beim Verpflichteten also nicht nur die Vorstellung begründet haben, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde; der Verpflichtete muss sich hierauf auch tatsächlich eingerichtet haben (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4/89 –, zit. n. Juris). Die Art und Weise, in der das materielle Recht geltend gemacht wird, ist dabei allerdings unerheblich. Insbesondere kommt es nicht auf die Einhaltung der für die Einlegung des Widerspruchs vorgeschriebenen Schriftform an. Insofern sind bei der Beantwortung der Frage, ob die zur Aktion Verpflichteten untätig geblieben sind und deshalb ihr materielles nachbarliches Abwehrrecht verwirkt haben, auch mündlichen Beschwerden zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4/89 –, a.a.O.). Damit ist allerdings nichts darüber gesagt, ob die Verpflichteten mit Protesten gegenüber den zuständigen Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen bewenden lassen dürften, oder ob von ihnen ein Tätigwerden unmittelbar gegenüber den Genehmigungsinhabern zu fordern ist, um eine Verwirkung ihres materiellen Abwehrrechts gegen die durch die Genehmigung erlaubten Einwirkungen auf das Grundstück zu vermeiden. Die Beantwortung dieser Frage hängt dabei wesentlich von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird allerdings grundsätzlich nur die Geltendmachung des Rechts unmittelbar gegenüber dem Verpflichteten dem durch Untätigkeit des Berechtigten entstehenden Eindruck, dieser werde sein Recht nicht (mehr) geltend machen, ausreichend entgegenwirken (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4/89 –, a.a.O.). Es ist nach der zitierten Rechtsprechung aber auch denkbar, dass der Berechtigte davon ausgehen darf, seine anderweit angebrachten Beschwerden würden automatisch auch dem Verpflichteten bekanntwerden. Auch kann je nach den Umständen eine Verpflichtung der beklagten Behörde in Betracht kommen, von sich aus den Bauherrn über die vom Nachbarn bei der Behörde erhobenen Einwendungen gegen das Bauvorhaben in Kenntnis zu setzen (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4/89 –, a.a.O.).

Diese Grundsätze, wonach ein Rechtsverlust durch Verwirkung nur dann eintritt, wenn die verzögerte Geltendmachung des Rechts ursächlich für bestimmte Dispositionen des Verpflichteten ist und gerade im Hinblick auf das durch Untätigkeit des Berechtigten geschaffene und betätigte Vertrauen des Verpflichteten die verspätete Geltendmachung des Rechts treuwidrig erscheint, gelten auch im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zwischen Bauherrn und Grundstücksnachbarn. Hier sind zwar von Treu und Glauben besondere gegenseitige Rücksichten gefordert. So ist vom Nachbarn zu verlangen, durch zumutbares aktives Handeln dazu beizutragen, dass wirtschaftlicher Schaden vom Bauherrn abgewendet oder möglichst geringgehalten wird. Dazu gehört, dass der Nachbar nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen „ungesäumt“ seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1974 - IV C 2.72 -, BVerfGE 44, 294, 299 f.). Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Nachbarn, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des materiellen Abwehrrechts die Rede sein kann, hängt entscheidend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und lässt sich nicht allgemein bestimmen. Der Mindestzeitraum für eine Verwirkung des Abwehrrechts muss sich aber deutlich abheben von der regulären Monatsfrist für die Einlegung des Widerspruchs nach §§ 70, 58 Abs. 1 VwGO, weil diese dem Nachbarn selbst bei ordnungsgemäßer Zustellung der Baugenehmigung mit Rechtsmittelbelehrung zustehen würde. Eine Verwirkung des materiellen Abwehrrechts kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Nachbar deutlich länger als einen Monat untätig geblieben ist, nachdem er die Baugenehmigung kannte oder hätte kennen können (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4/89 –, a.a.O.; vgl. auch Nds. OVG, Beschl. .v 20.11.2006 - 9 ME 225/06 -, Veröff. n. b.).

Ist der Bauherr aber nicht durch die - längere Zeit andauernde - Untätigkeit des Nachbarn und im Hinblick auf ein dadurch geschaffenes Vertrauen auf dessen Einverständnis zu seinen Baumaßnahmen veranlasst worden, sondern hat er unabhängig davon eine ihm erteilte Genehmigung von sich aus sofort in vollem Umfang ausgenutzt und weitgehende, mit erheblichem Kapitaleinsatz verbundene Schritte unternommen, so kann auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn, die solchen Dispositionen des Bauherrn nachfolgt, nicht mehr zur Verwirkung der nachbarlichen Abwehrrechte führen. Für das Merkmal der Treuwidrigkeit, das für den Rechtsverlust durch Verwirkung konstitutiv ist, fehlt es sodann an der außer dem Zeitablauf erforderlichen kausalen Verknüpfung des Verhaltens des Berechtigten mit bestimmten Maßnahmen des Verpflichteten und deren Folgen. Die verzögerte Rechtsausübung verdient die Qualifizierung als treuwidrig nur dann, wenn die zunächst gezeigte Untätigkeit den anderen Teil zu bestimmten Reaktionen veranlasst hat (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4/89 –, a.a.O.).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben kann auf der Grundlage einer Gesamtbewertung des hier vorliegenden Einzelfalls nicht festgestellt werden, dass die Kläger ihre Rechte verwirkt hätten. Dafür fehlt es sowohl an der für eine Verwirkung erforderlichen Vertrauensgrundlage als auch an einem Vertrauenstatbestand sowie an der Kausalität zwischen dem Verhalten des Beigeladenen und der von der Beklagten konstatierten „Untätigkeit“ der Kläger. Im Einzelnen:

Gegen eine Verwirkung spricht zunächst, dass es vorliegend an dem für eine Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand fehlt. Denn der Beigeladene ist nicht durch die - bezogen auf den Beginn des Innenausbaus im Jahr 2008 längere Zeit andauernde - Untätigkeit der Kläger und im Hinblick auf ein dadurch geschaffenes Vertrauen auf deren Einverständnis zur Errichtung des Abluftrohres veranlasst worden, sondern er hat unabhängig davon die ihm erteilte Genehmigung von sich aus in vollem Umfang ausgenutzt und durch die Errichtung der Abluftanlage erhebliche Kosten übernommen. In einer solchen Situation kann nach der zitierten Rechtsprechung selbst eine längere Untätigkeit des Nachbarn, die solchen Dispositionen des Bauherrn nachfolgt, mangels der erforderlichen kausalen Verknüpfung des Verhaltens des Berechtigten mit der Untätigkeit des Verpflichteten nicht zur Verwirkung der nachbarlichen Abwehrrechte führen.

Hinzu kommt, dass die Kläger unmittelbar nach Beginn der Installation des Abluftrohres im Januar 2012 - und damit „ungesäumt“ nach Erkennen der Beeinträchtigung durch die Baumaßnahmen (vgl. BVerwG, Urt. v.- 25.01.1974, a. a. O.) - tätig geworden sind und sich bei der Beklagten über die Errichtung der neuen Abluftanlage beschwert haben. Ausweislich eines in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vermerkes (Bl. 340, Beiakte B) hat sich die Klägerin zu 2) am 6. Januar 2012 telefonisch bei der Beklagten über die optische Wirkung der Abluftanlage beschwert. Mit E-Mail vom selben Tage beschwerte sich auch der Kläger zu 1.) - damals noch selbst Mitarbeiter bei der Beklagten - bei Kollegen des Bau- und Denkmaldezernates über die Abluftanlage und warf die Frage auf, wie § 8 NDSchG „zu der genehmigten (?) neuen Lüftungsanlage“ ihres Nachbarn passe. Zudem teilte er mit, dass „wir uns mit allen Mitteln gegen dieses „Raumschiff“ wehren werden!“ Mit Schreiben vom 7. Januar 2012 (Bl. 352, Beiakte B) wandten sich die Kläger zudem an den Oberbürgermeister der Hansestadt und führten aus, dass die Abluftanlage aus ihrer Sicht nach dem Nds. Denkmalschutzrecht unzulässig sei. Darauf antwortete der Oberbürgermeister, dass der Eingabe nachgegangen werde und alle Möglichkeiten hinsichtlich eines Rückbaus der Abluftanlage geprüft würden. Auch die erteilte Baugenehmigung würde einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Ausführung der Abluftanlage weiche von den eingereichten Bauantragsunterlagen ab und sei in dieser Form nicht genehmigt (Bl. 434, Beiakte B).

Da die Geltendmachung eines materiellen nachbarlichen Abwehrrechts, wie ausgeführt, keiner besonderen Form bedarf, hätten bereits diese Beschwerden - insbesondere die Email der Kläger vom 6. Januar 2012 - als Widerspruch gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gewertet werden können. Hätte die Beklagte eine entsprechende Wertung vorgenommen und ein förmliches Widerspruchsverfahren eingeleitet, hätte sich die Frage nach einer Verwirkung bereits im Ansatzpunkt nicht gestellt. Dessen ungeachtet kann den Klägern jedenfalls nicht vorgeworfen werden, nach Kenntniserlangung von dem Bau der Abluftanlage zu lange untätig gewesen zu sein.

Den Klägern kann auch nicht vorgehalten werden, in der Folgezeit untätig geblieben zu sein. Denn die Beklagte hatte den Klägern im Rahmen der erfolgten Korrespondenz zugesagt, gegen die Errichtung der Abluftanlage vorzugehen und war dem auch u.a. durch Erlass der Beseitigungsanordnung vom 18. April 2012 nachgekommen. Hinzu kommt, dass der endgültige Ausgang - auch aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens 2 A 148/12 sowie des Erlasses einer weiteren Teilrückbauanordnung - jedenfalls bis zur tatsächlichen Umsetzung der Rückbauanordnung weder für die Kläger noch für die Beklagte eindeutig vorhersehbar war. Gleichwohl haben sich die Kläger auch während des gesamten „Schwebezustands“ mehrmals mit entsprechenden Nachfragen an die Beklagte sowie an das Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur - und damit an die oberste Denkmalschutzbehörde (siehe § 19 Abs. 1 Satz 2 NDSchG) - gewandt. Eine Vertrauensgrundlage dahingehend, dass die Kläger ihre nachbarrechtlichen Abwehrrechte im Anschluss an das andauernde behördliche Tätigwerden nicht mehr ausüben würden, ist somit objektiv nicht entstanden.

Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Einzelfallsituation kann auch nicht gefordert werden, dass sich die Kläger unmittelbar an den Beigeladenen hätten wenden müssen. Denn auf der Grundlage, dass sich die Beklagte den Sorgen der Kläger hinsichtlich der optischen Wirkung des Abluftrohres angenommen und dies auch so gegenüber den Klägern kommuniziert hat, durften die Kläger den Ausgang dieses behördliche Tätigwerden, wie ausgeführt, zunächst abwarten. Zudem wurde der Beigeladene bereits durch Schreiben der Beklagten vom 13. Januar 2012 (Bl. 416, Beiakte B) darüber informiert, dass gegen die Abluftanlage eine nachbarliche Beschwerde vorliege und der Vorgang gegenwärtig im Hause geprüft werde. Spätestens mit dem Erlass der Rückbauanordnung vom 18. April 2012 war für den Beigeladenen auch eindeutig erkennbar, dass sich die Beklagte der Beschwerde angenommen und sich für einen Rückbau der Anlage - und damit jedenfalls bis zur gerichtlichen Entscheidung in dem Verfahren 2 A 148/12 im Sinne der Kläger - eingesetzt hat.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann den Klägern auch nicht vorgeworfen werden, dass sie ihren Widerspruch nicht unmittelbar nach Erlass der Teilrückbauanordnung vom 9. Mai 2014 erhoben haben. Dies folgt schon daraus, dass die Teilrückbauanordnung den Klägern nicht übersandt wurde und sie somit - bis zu einem persönlichen Gespräch mit Mitarbeitern der Beklagten 6. Februar 2015 -  keine gesicherte Erkenntnis über den Erlass dieser Anordnung hatten. Zudem haben sich die Kläger auch in dem Zeitraum zwischen Mai 2014 und Februar 2015 kontinuierlich bei der Beklagten nach dem aktuellen Sachstand erkundigt und dabei u.a. in einem Schreiben an die Beklagte vom 16. November 2014 (Bl. 607, Beiakte B) ausgeführt, dass sie erwägen, „verwaltungsrechtliche (Verpflichtungsklage) und/oder aufsichtsrechtliche (Dienstaufsichts-/Fachaufsichtsbeschwerde) Schritte zu unternehmen“, zuvor allerdings eine Stellungnahme der Hansestadt erbeten. Daraufhin führte die Baudezernentin in einem an die Kläger gerichteten Schreiben vom 18. November 2014 (Bl. 641, Beiakte B) aus, dass die Hansestadt in der Angelegenheit bereits tätig sei, man mit dem Beigeladenen Gespräche führe und in absehbarer Zeit eine Lösung zu erwarten sei, die den Interessen der Kläger gerecht werde. In der Folgezeit wandten sich die Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2015 erneut an die Beklagte und hielten ihr vor, dass sich in dieser Angelegenheit nichts weiter getan hätte und baten erneut um Stellungnahme. Nachdem der Beigeladene am 3. Februar 2015 mit dem Teilrückbau der Anlage begonnen hatte, wurden die Kläger erst in einem persönlichen Gespräch am 6. Februar 2015 durch Mitarbeiter der Beklagten über den Inhalt der Teilrückbauanordnung informiert. Dabei brachten sie zum Ausdruck, dass sie damit nicht einverstanden waren (vgl. Bl. 654, Beiakte B) und erhoben unmittelbar mit weiterem Schreiben vom 9. Februar 2015 (Bl. 663, Beiakte B) Widerspruch. Die Kläger haben ihren Widerspruch also genau zu dem Zeitpunkt erhoben, als für sie klar wurde, dass sich die Stadt - anders als zuvor angekündigt - nicht (mehr) für einen vollständigen Rückbau der Abluftanlage einsetzten würde. Der Vorwurf einer verspäteten, treuwidrigen Geltendmachung ihrer Rechte kann den Klägern daher insgesamt nicht gemacht werden.

Da die Kläger somit ihr materielles Abwehrrecht nicht verwirkt haben, war die Beklagte auch trotz der Tatsache, dass es sich bei der Baugenehmigung vom 3. April 2008 um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung handelt, befugt, im Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2015 (hilfsweise) inhaltlich in der Sache zu entscheiden. Gleiches gilt somit auch für das Verwaltungsgericht (vgl. demgegenüber für den Fall eines verfristeten Widerspruchs bei einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung BVerwG, Beschl. v. 11.03. 2010 – 7 B 36/09 –, zit. n. Juris).

2. Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die streitgegenständliche Baugenehmigung beruht auf § 75 Abs. 1 Satz 1 NBauO (i. d. F. v. 23.07.1973 - Nds. GVBl. S. 259 -, zul. geänd. d. G. v. 23.06.2005 - Nds. GVBl. S. 208 -, jetzt § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO n. F.). Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahmen, soweit sie genehmigungsbedürftig ist und soweit eine Prüfung erforderlich ist, dem öffentlichen Baurecht entspricht. Das Denkmalschutzrecht ist dabei Teil des öffentlichen Baurechts i. S. d. § 75 NBauO (siehe § 2 Abs. 16 NBauO); die Baugenehmigung umfasst die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 NDSchG u.a. bei einer Veränderung eines Kulturdenkmals erforderliche denkmalrechtliche Genehmigung (§ 10 Abs. 4 NDSchG, siehe dazu auch den entsprechenden Hinweis in Nr. 12 der angefochtenen Baugenehmigung).

Nach der maßgeblichen, auch von den Klägern angeführten Vorschrift des § 8 NDSchG dürfen in der Umgebung eines Baudenkmals Anlagen nicht errichtet, geändert oder beseitigt werden, wenn dadurch das Erscheinungsbild des Baudenkmals beeinträchtigt wird (Satz 1). Bauliche Anlagen in der Umgebung eines Baudenkmals sind auch so zu gestalten und instand zu halten, dass eine solche Beeinträchtigung nicht eintritt (§ 8 Satz 2 NDSchG).

Allerdings kann das Gericht die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid nur dann aufheben, wenn die Kläger als Nachbarn dadurch in ihren eigenen Rechten verletzt sind. Aufgrund eines von einem Nachbarn eingelegten Rechtsbehelfs ist die dem Bauherrn erteilte Genehmigung also nicht umfassend auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob eine Verletzung von nachbarschützenden Rechten festzustellen ist. Für eine erfolgreiche Nachbarklage genügt somit nicht eine erkannte Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung, sondern es muss hinzukommen, dass die getroffene Entscheidung eine Vorschrift verletzt, die dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht verleiht (vgl. dazu Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2012, § 31 BauGB Rn. 56 m. w. N.). Das ist vorliegend nicht der Fall.

a) Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Nds. OVG, Urt. v. 23.08.2012 – 12 LB 170/11 –, zit. n. Juris), der die Einzelrichterin folgt, hat § 8 Satz 1 NDSchG für sich genommen keinen drittschützenden Charakter. Einer Norm kommt Drittschutz zu, wenn sich aus ihrem Wortlaut, ihrem Sinn und Zweck oder aus der Gesetzessystematik ergibt, dass sie nicht nur öffentlichen Interessen, sondern auch Individualinteressen Dritter oder deren Ausgleich dient und sich dabei ein zu schützender Personenkreis bestimmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.05.1996 - 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157; Urt. v. 19.09.1986 - 4 C 8.84 -, BRS 46 Nr. 173; OVG NRW, Urt. v. 08.03.2012 - 10 A 2037/11 -, zit. n. Juris). Dies ist bei § 8 Satz 1 NDSchG nicht der Fall. Weder der Wortlaut noch die Systematik der Vorschriften des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes im Allgemeinen oder der Regelungen betreffend die Errichtung von Anlagen in der Umgebung von Baudenkmalen im Besonderen bieten Anhaltspunkte dafür, dass das Beeinträchtigungsverbot des § 8 Satz 1 NDSchG Individualinteressen Dritter oder deren Ausgleich dient. Denkmalschutz und Denkmalpflege sind gemäß § 2 NDSchG öffentliche Aufgaben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NDSchG wirken die Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen bei der Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgaben zwar mit. Zuständig für die Erhaltung von Kulturdenkmalen, die im öffentlichen Interesse erfolgt (§ 3 Abs. 2 NDSchG), sind jedoch gemäß §§ 19 ff. NDSchG die Denkmalschutzbehörden. Diese treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die Anordnungen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der §§ 6 bis 17, 25, 27 und 28 NDSchG sicherzustellen (§ 23 Abs. 1 NDSchG). Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben erfolgt eine fachliche Beratung durch das Landesamt für Denkmalpflege, das als staatliche Denkmalfachbehörde bei der Ausführung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes mitwirkt und dem insbesondere die in § 21 Satz 2 NDSchG aufgeführten Aufgaben obliegen. Wortlaut und Systematik des Gesetzes bieten danach keine Anhaltspunkte dafür, dass der Eigentümer neben den fachlich zuständigen Denkmalschutzbehörden Belange des Denkmalschutzes als eigene Rechte wahrnehmen kann und daraus ein Schutzanspruch vor Beeinträchtigungen durch Dritte resultiert. Aus dem Sinn und Zweck des § 8 Satz 1 NDSchG folgt nichts anderes. Der Schutz des Erscheinungsbilds eines Denkmals liegt bei denkmalrechtlicher Betrachtungsweise - ebenso wie die Erhaltung des Denkmals selbst - im öffentlichen Interesse. Private Interessen des Eigentümers können eine Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz mit den sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen nicht rechtfertigen (vgl. auch zu den in den wesentlichen Punkten vergleichbaren Regelungen des DSchG NRW ausführlich OVG NRW, Urt. v. 08.03.2012 - 10 A 2037/11 -, zit. n. Juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die den Eigentümer eines Denkmals nach § 6 Abs. 1 NDSchG treffenden Erhaltungspflichten. Danach ist in erster Linie der Eigentümer verpflichtet, Kulturdenkmale instand zu halten, zu pflegen, vor Gefährdung zu schützen und, wenn nötig, instand zu setzen. Diese Pflichten sind Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG. Denkmalpflege ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, der nur durch die Inpflichtnahme des Eigentümers des Grundstücks Rechnung getragen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 -, BVerfGE 100, 226). Aus den angeführten Gründen ist davon auszugehen, dass das denkmalrechtliche Beeinträchtigungsverbot nicht dem individuellen Interesse des Eigentümers an der Erhaltung seines Baudenkmals, sondern dem kulturstaatlichen Allgemeininteresse dient (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 10.07.2008 - 12 ME 389/07 -; dasselbe, Urt. v. 01.06.2010 - 12 LB 31/07 -, jeweils zit. n. Juris).

b) Allerdings wäre es mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, wenn dem Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals von vornherein kein Anspruch auf Schutz vor Beeinträchtigungen der Denkmalwürdigkeit seines Anwesens durch Vorhaben in der Umgebung zugestanden würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 4 C 3/08 -, BVerwGE 133, 347). Insofern ist es verfassungsrechtlich geboten, dem Eigentümer eines Denkmals ein Abwehrrecht gegen erhebliche Beeinträchtigungen seines Denkmals durch ein Bau- oder sonstiges Vorhaben in seiner Umgebung zuzubilligen. Die einem Eigentümer durch das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz auferlegte Pflicht, sein Denkmal zu erhalten und zu pflegen, ist nur verhältnismäßig, wenn ihm ein Abwehrrecht gegen derart intensive Beeinträchtigungen eingeräumt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 4 C 3.08 -; Nds. OVG, Urt. v. 01.06.2010 - 12 LB 31/07 -, jeweils a. a. O.). Die insoweit gebotene verfassungskonforme Auslegung des § 8 Satz 1 NDSchG bietet indessen keine Handhabe dafür, dem Eigentümer eines Denkmals ein Abwehrrecht gegen jede Beeinträchtigung und auch unterhalb der Schwelle einer erheblichen Beeinträchtigung seines Denkmals einzuräumen. Ginge man bei der verfassungskonformen Auslegung des § 8 NDSchG über den verfassungsrechtlich gebotenen Rahmen hinaus, würden die Grenzen der zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung gesprengt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.08.2012 – 12 LB 170/11 –, a. a. O.). Dies gilt umso mehr, als der Landesgesetzgeber bei der von ihm vorgenommenen Novellierung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes in Kenntnis der neueren Rechtsprechung davon abgesehen hat, § 8 Satz 1 NDSchG als drittschützende Norm auszugestalten.

§ 8 Satz 1 NDSchG schützt das Erscheinungsbild eines Baudenkmals, also die Wirkung des Baudenkmals in seiner Umgebung und die Bezüge zwischen dem Baudenkmal und seiner Umgebung. Wann eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds eines Baudenkmals anzunehmen ist, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von dem Denkmalwert und der Intensität des Eingriffs, ab. Je höher der Wert des Denkmals einzuschätzen ist, desto eher kann eine erhebliche Beeinträchtigung von dessen Erscheinungsbild anzunehmen sein. Je schwerwiegender das Erscheinungsbild betroffen ist, desto eher kann die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten sein. Der Begriff der "erheblichen Beeinträchtigung“ ist - wie der der "Beeinträchtigung" - ein der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegender unbestimmter Rechtsbegriff. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts liegt eine Beeinträchtigung vor, wenn die jeweilige besondere Wirkung des Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, geschmälert wird. Die genannten Merkmale der Beeinträchtigung müssen zudem in schwerwiegender Weise gegeben sein, damit von einer erheblichen Beeinträchtigung gesprochen werden kann (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 25.05.2013 – 22 B 11.701 –, zit. n. Juris). Es ist also nicht zu fordern, dass neue Bauten in der Umgebung eines Baudenkmals völlig an dieses anzupassen wären und ihre Errichtung unterbleiben müsste, wenn dies nicht möglich oder gewährleistet ist. Hinzutretende bauliche Anlagen müssen sich aber an dem Maßstab messen lassen, den das Denkmal gesetzt hat, und dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den Werten außer Acht lassen, welche dieses Denkmal verkörpert (Nds. OVG, Urt. v. 21.04.2010 - 12 LB 44/09 -, a. a. O.).

c) Hinsichtlich des zur denkmalschutzrechtlichen Beurteilung erforderlichen Fachwissens kommt es auf das Urteil eines sachverständigen Betrachters, dessen Maßstab von einem breiten Kreis von Sachverständigen getragen wird, an (Nds. OVG, Urt. v. 01.06.2010 - 12 LB 31/07 -, a. a. O). Dieses Fachwissen vermittelt in Niedersachsen grundsätzlich sachverständige Stellen, insbesondere das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege, das als staatliche Denkmalfachbehörde bei der Ausführung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes mitwirkt und dem u. a. die in § 21 Satz 2 NDSchG aufgeführten Aufgaben obliegen (vgl. etwa Nds. OVG, Urt. v. 07.02.1996 - 1 L 3301/94 -, NVwZ RR 1996, 633; dasselbe, Urt. v. 25.07.1997 - 1 L 6544/97 -, NVwZ RR 1998, 713; dasselbe, Urt. v. 03.05.2006 - 1 LB 16/05 -, BauR 2006, 1730). Dies gilt nicht nur hinsichtlich des zur Feststellung des Denkmalwerts und der Schutzwürdigkeit des Denkmals nötigen Fachwissens, sondern auch für die Kenntnisse, die zur Beantwortung der Frage erforderlich sind, ob das Erscheinungsbild des Baudenkmals (erheblich) beeinträchtigt wird. Die Fragen nach dem Denkmalwert und der Schutzwürdigkeit des Objekts sowie nach seiner Beeinträchtigung lassen sich sachverständig sinnvollerweise nicht getrennt voneinander beantworten. Eine fachgerechte Einschätzung kann mit Blick auf die historischen und baugeschichtlichen Hintergründe des zu schützenden Baudenkmals in seiner Epoche fundiert nur abgegeben werden, wenn Rang und Bedeutung des Baudenkmals im Zusammenhang mit den nachteiligen Wirkungen, die von den hinzutretenden baulichen Anlagen ausgehen, gesehen werden.

Allerdings ist das Gericht nicht an die Stellungnahmen des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege oder anderer sachverständiger Stellen gebunden. Vielmehr hat es deren Aussage- und Überzeugungskraft zu überprüfen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine eigene Überzeugung zu bilden (BVerwG, Beschl. v. 14.06.2012 - 4 B 22.12 -, zit. n. Juris).

d) Ausgehend von diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass das von dem Beigeladenen errichtete Abluftrohr in seiner gegenwärtig durch die Baugenehmigung vom 3. April 2008 in der Fassung der Teilrückbauanordnung vom 9. April 2014 genehmigten Ausführung zu einer (erheblichen) Beeinträchtigung des Baudenkmals führt. Das sachverständige Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur - zugleich die oberste Denkmalschutzbehörde des Landes (siehe § 19 Abs. 1 Satz 2 NDSchG sowie dazu Kleine-Tebbe, in: Kleine-Tebbe/Martin, Denkmalrecht Niedersachsen, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 19 Ziff. 3) - kam in einem an die Kläger gerichteten Schreiben vom 9. April 2015 zu dem Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Baudenkmals der Kläger durch die Abluftanlage nicht gegeben sei (Bl. 794, Beiakte B). In einem an die untere Denkmalschutzbehörde bei der Beklagten gerichteten Schreiben vom gleichen Tag führte das Ministerium weiter aus, dass durch den teilweisen Rückbau des Abluftrohres ein insgesamt denkmalverträgliches Ergebnis erzielt wurde, da zerstörerische Eingriffe in die Denkmalsubstanz weitgehend vermieden und die Maßnahme reversibel sei (Bl. 792, Beiakte B). Diese Annahme hält die Einzelrichterin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und nach ihrer eigenen Überzeugung für zutreffend. So ist bereits nicht zu erkennen, dass das Abluftrohr das Denkmal gleichsam erdrückt, verdrängt, übertönt oder die gebotene Achtung gegenüber den Werten außer Acht lässt, welche dieses Denkmal verkörpert. Das Rohr hat in seiner gegenwärtig genehmigten Ausgestaltung weder aufgrund seiner Größe bzw. Höhe eine erdrückende oder dominierende Wirkung gegenüber dem Gebäude der Kläger, noch wird die Wirkung des Denkmals durch das Abluftrohr verdrängt oder übertönt. Vielmehr ist das Abluftrohr in seiner aktuell genehmigten Form deutlich kleiner dimensioniert als die Gebäudefassade. Anders als in der ursprünglichen Ausführung zerschneidet die Abluftanlage auch nicht mehr die Gliederung der Fassade. Schließlich fügt es sich nunmehr auch aufgrund des kürzlich erfolgten Anstrichs besser in die Umgebung ein und sticht optisch weniger hervor. Zu berücksichtigen ist zudem, wie ausgeführt, dass sich neue Vorhaben nicht völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen müssen. Daraus ist – ohne das Denkmal herabzuwürdigen -  zumindest zu entnehmen, dass der Schutzanspruch des Denkmals nicht so weit gehen kann, dass dessen Umgebung von jeglichen Einflüssen der Gegenwart freigehalten werden muss; die den Erfordernissen der Gegenwart angepasste Umgebung stellt nicht ohne weiteres eine Beeinträchtigung des Denkmals dar, das nicht etwa fordern kann, dass die Umgebung quasi Museumscharakter erhält. Vor diesem Hintergrund lässt sich vorliegend jedenfalls keine wesentliche Herabsetzung des Baudenkmals durch die Abluftanlage feststellen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Email eines Mitarbeiters des Nds. Landesamtes für Denkmalpflege vom 6. Februar 2012 (vgl. Bl. 429, Beiakte B). Zwar führt der Mitarbeiter des Landesamtes darin aus, dass die an dem Gebäude außen angebrachte Abluftanlage eine gravierende Beeinträchtigung des Denkmalwertes darstelle. Diese Stellungnahme bezieht sich aber nicht auf die hier streitgegenständliche Abluftanlage, sondern auf die zuvor bestehende, komplett über das Dach verlaufende - zwischenzeitlich aber auf Grundlage der Teilrückbauanordnung vom 9. April teilrückgebaute - Anlage. Aufgrund dieses anderen Bezugspunktes kann ihr für die Bewertung der aktuell streitgegenständlichen Anlage kein größeres Gewicht zukommen, als der vom Nds. Ministeriums für Wissenschaft und Kultur unter dem 9. April 2015 und in Bezug auf die streitgegenständliche Abluftanlage verfassten Stellungnahmen, nach der - wie ausgeführt - eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Baudenkmals zu verneinen ist. Für diese Sichtweise spricht auch, dass das Nds. Ministeriums für Wissenschaft und Kultur als oberste Denkmalschutzbehörde des Landes auch die Fachaufsicht über das Nds. Landesamt für Denkmalpflege ausübt und sich damit auch bei eventuellen Dissensfällen zwischen der unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalpflege durch Weisung durchsetzen könnte (vgl. Kleine-Tebbe, in: Kleine-Tebbe/Martin, a. a. O., § 19 Ziff. 3.2.2.2)

Im Ergebnis teilt die Einzelrichterin daher die Einschätzung der Beklagten und des Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur, dass eine Beeinträchtigung des Denkmals des Klägers durch die Abluftanlage nicht vorliegt. Für eine erhebliche Beeinträchtigung des Baudenkmals, die allein der Klage hätte zum Erfolg verhelfen können, sieht das Gericht erst Recht keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.