Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 08.11.2016, Az.: 6 C 46/16
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.11.2016
- Aktenzeichen
- 6 C 46/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43474
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs 4 HSchulZulG ND 1998
- § 2 Abs 2 VergabeVO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Durch Verordnung auf Grundlage des § 4 Abs. 4 NHZG n.F. kann eine Hochschule für Anträge außerhalb der Kapazität eine kürzere Ausschlussfrist bestimmen als bislang durch die VergabeV ND 2005 vorgeschrieben.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragstellerin von der Antragsgegnerin ihre vorläufige Zulassung zum Studium im Studiengang 2-Fach-Bachelor Lehren und Lernen (Lehrerbildung GHR), Unterrichtsfächer Sachunterricht und Mathematik, begehrt, hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen notwendig erscheint. Voraussetzung dafür ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
I.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Zulassung innerhalb der durch Zulassungszahlenverordnung vom 23.06.2016 (Nds. GVBl. 2016, 117) festgesetzten Studienplatzkapazität. Der Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 14.09.2016, den der Antragsteller durch Klage vom 28.09.2016 angefochten hat, lässt Rechtsmängel nicht erkennen. Die Antragstellerin erhebt auch keine Einwände.
II.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität. Die Antragsgegnerin hat den Anspruch zu Recht bereits deshalb abgelehnt, weil die Antragstellerin nicht fristgerecht einen Antrag auf Zulassung außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl gestellt hat.
Gemäß § 10 der Allgemeinen Ordnung der Leuphana Universität Lüneburg für die Zulassung zu allen Bachelor-Studiengängen, mit denen die Voraussetzungen für ein Lehramt vermittelt werden (2-Fach-Bachelor) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 12.05.2016 (Leuphana-Gazette, Nr. 17/2016) sind Anträge auf Zulassung außerhalb des Studienplatzvergabeverfahrens bis zum 15. September (Ausschlussfrist für das Wintersemester) bei der Hochschule einzureichen.
Diese Frist hat die Antragstellerin versäumt. Ihr Antrag ging erst am 26.09.2016 bei der Antragsgegnerin ein.
Die Frist ist auch wirksam gesetzt worden.
a) Die Antragsgegnerin ist zur Regelung einer solchen Frist durch Ordnung ermächtigt. Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes vom 29.01.1998, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 15.12.2015 (Nds. GVBl. S. 384) (im Folgenden: NHZG), regelt die Hochschule durch Ordnung für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Zulassung zum Studium außerhalb des Verfahrens der Studienplatzvergabe Form und Inhalt der Antragstellung, insbesondere die dem Antrag beizufügenden Unterlagen, sowie Ausschlussfristen, innerhalb derer der Antrag bei der Hochschule eingegangen sein muss.
b) Die Frist steht auch nicht formal mit höherrangigem Recht in Konflikt, so dass die Ordnung mindestens teilweise unwirksam und die Frist nicht anzuwenden wäre.
(1) Allerdings endet die Frist früher als durch eine landesrechtliche Verordnung für den gleichen Fall geregelt. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen (Hochschul-Vergabeverordnung, im Folgenden: Nds. VergabeVO) vom 22.06.2005, zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.06.2014 (Nds. GVBl. S. 158) ist ein Aufnahmeantrag, falls ein Bewerber beabsichtigt, einen Studienplatz außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl zu erlangen, bei Studiengängen einer Universität für die Zulassung im Wintersemester bis zum 15. Oktober eines Jahres zu beantragen. Würde diese Frist gelten, wäre der Antrag der Antragstellerin noch rechtzeitig eingegangen.
Diese Verordnung beruht auf der unverändert geltenden Ermächtigungsgrundlage des § 9 Satz 1 Nds. VergabeVO. Es kann dabei dahin stehen, ob die landesrechtliche Verordnungsermächtigung im Lichte der Neuregelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 NHZG einschränkend ausgelegt werden muss, so dass der Landesverordnungsgeber gehindert wäre, Ausschlussfristen zu regeln. Denkbar wäre auch eine Auslegung, dass der Landesverordnungsgeber nach wie vor Ausschlussfristen regeln darf, soweit und solange die Hochschulen von der Ermächtigung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 NHZG keinen Gebrauch machen. Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die Ermächtigungsgrundlage jedenfalls jetzt die Regelung von Ausschlussfristen nicht mehr zulässt, zöge dies nicht die Unwirksamkeit der Nds. VergabeVO nach sich. Im Grundsatz gilt, dass eine Verordnung nicht allein deshalb außer Kraft tritt, weil ihre Ermächtigungsgrundlage wegfällt (BVerwG, Urt. v. 06.10.1989, 4 C 11/86, NJW 1990, 849).
Etwas Anderes würde nur gelten, wenn die Nds. VergabeVO ihrem Inhalt nach mit dem nunmehr gültigen NZHG nicht mehr im Einklang stünde. Dann träte sie mit Inkrafttreten der Änderungen des NZHG außer Kraft. Jedoch enthält das NZHG seinerseits keine zwingenden Bestimmungen über die Ausschlussfrist, mit der die Nds. VergabeVO inhaltlich nicht übereinstimmen würde.
(2) Die zeitlich später erlassene Ordnung der Antragsgegnerin geht aber der Nds. VergabeVO vor. Nach dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" (Das spätere Gesetz verdrängt das frühere) gilt im Falle einer Kollision ranggleicher Normen, die denselben Gegenstand regeln, dass die spätere Regelung die frühere Regelung verdrängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2011 – 3 C 24/10 –, Rn. 26, juris).
Hier fehlt es auch nicht an dem Erfordernis der Ranggleichheit, obwohl die landesrechtliche Verordnung in der Normenhierarchie über der Ordnung der Antragsgegnerin steht. Die Voraussetzung, dass die spätere Rechtsnorm ranggleich mit der verdrängten sein muss, soll verhindern, dass sich späteres Recht auch gegenüber höherrangigem und immer noch bindendem Recht durchsetzt. Ein Normengeber soll sich seiner eigenen Bindung an höherrangiges Recht nicht unter Berufung darauf, die von ihm erlassene Norm sei jüngeren Datums, entziehen können. Etwas Anderes muss aber gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – durch Gesetz, das beiden Normen (hier: landesrechtliche Verordnung und Ordnung der Antragsgegnerin) vorgeht, die Kompetenz zur Regelung des Sachverhalts erstmals gerade dem Normengeber auf der untersten Ebene zugewiesen wurde. Dann ist es gerade der Wille des Gesetzgebers, dass der Normengeber auf der untersten Ebene den Sachverhalt nunmehr eigenständig und ohne Bindung an früher erlassenes, höherrangiges Recht regeln kann. Der Konflikt, dem durch das Erfordernis der Ranggleichheit vorgebeugt werden soll, existiert mithin in diesem Falle gar nicht mehr. Durch die Kompetenzverlagerung ist die später von der Antragsgegnerin erlassene Norm somit „ranggleich“ im Sinne des genannten Grundsatzes.
c) Die Verkürzung der Frist steht auch inhaltlich im Einklang mit höherrangigem Recht.
Allerdings darf das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht auf freien Hochschulzugang nicht unzumutbar erschwert werden. Die Wahl des für die Bewerbung um einen Studienplatz außerhalb der Kapazität maßgeblichen Stichtags liegt aber im Übrigen im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Normgebers. Die konkrete Festsetzung der Frist wäre daher allenfalls als unzumutbar zu beanstanden, wenn ihre Wahrung für die Studienbewerber mit großen Mühen verbunden wäre, ohne dass dem ein legitimer Zweck gegenüberstünde. Dies ist aber nicht der Fall.
Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Vorverlegung der Frist um einen Monat ersichtlich den legitimen Zweck, frühzeitig einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Bewerber neben der Vergabe eines Studienplatzes im normalen Vergabeverfahren darüber hinaus einen Studienplatz außerhalb des Vergabeverfahrens beanspruchen. Die Vorverlegung der Frist auf den 15. September ermöglicht, frühzeitig eine geschlossene Bewerberkonkurrenz zu bilden, so dass die Bewerbungsverfahren von der Antragsgegnerin frühzeitig beschieden werden kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.10.1987, NC 9 S 247/87, DVBl. 1988, 406). Auch wenn dadurch mutmaßlich nicht in jedem Fall erreicht werden kann, dass auch nach Durchführung etwaiger Gerichtsverfahren zu Semesterbeginn fest steht, wer studienberechtigt ist und wer nicht (dazu VGH, a.a.O.; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band I, 2011, Rn. 99), so beschleunigt die frühere Frist jedenfalls den Abschluss des Zulassungsverfahrens für das Bewerbungssemester.
Demgegenüber verlangt zumindest die konkrete Fristsetzung, zwei Monate nach Bewerbungsschluss für einen Studienplatz innerhalb der Kapazität, den Studienbewerbern nichts Unzumutbares ab. Dies gilt auch dann, wenn ausnahmsweise zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung über den Zulassungsantrag innerhalb der Kapazität noch nicht beschieden sein sollte. Sollte dies der Fall sein, müssen sich die Studienbewerber lediglich darüber im Klaren werden, ob sie im Falle einer Abweisung bereit sind, notfalls im Wege der Klage auch „versteckte“ Kapazitäten aufzuspüren. Mehr als eine Antragstellung wird ihnen sodann nicht abverlangt (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 07.08.2013, 10 B 1549/13.N, Rn. 23, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19.10.2011, 3 K 330/11). Die Studienbewerber werden auch nicht dadurch unverhältnismäßig belastet, dass sie allein zur Wahrung von Rechtsmittelfristen, d.h. ohne dass fest steht, ob eine Weiterverfolgung des Antrags auf außerhalb der Kapazität überhaupt notwendig werden würde, in kostenträchtige Prozesse getrieben werden (s. dazu OVG Saarlouis, Beschl. v. 01.06.2015, 1 NB 85/15.NC). Entweder liegt der Ablehnungsbescheid schon vor oder er wird regelmäßig jedenfalls binnen der Rechtsmittelfrist eingehen, die für den ablehnenden Bescheid auf außerkapazitäre Zulassung gilt.
Die Antragstellerin kann auch keinen Vertrauensschutz geltend machen. Die Antragstellerin, die sich, soweit ersichtlich, erstmals um einen Studienplatz an der Hochschule der Antragsgegnerin beworben hatte, hatte keinen Anlass, sich darauf einzurichten, dass die Frist für den außerkapazitären Antrag erst am 15. Oktober endete. Sie war gehalten, sich vor ihrer Bewerbung um einen Studienplatz nach den aktuellen Zulassungsbedingungen zu erkundigen. Die neue Fristenregelung ist zudem bereits im Mai 2016 veröffentlicht worden, also Monate vor Ablauf der Frist vom 15.09.2016.
Auf die übrigen Einwände der Antragstellerin gegen die Bemessung der Kapazität kommt es nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.