Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.02.1998, Az.: 5 W 263/97
Beendigung einer Nachlasspflegschaft bei Erledigung nur eines wesentlichen Teils des Wirkungskreises; Abgrenzung von Beendigung der Pflegschaft und Entlassung eines Pflegers; Anfechtung der Übertragung aller Geschäfte auf andere
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 25.02.1998
- Aktenzeichen
- 5 W 263/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 29123
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:0225.5W263.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 18 FGG
- § 20 FGG
- § 60 Abs.1 Nr. 3 FGG
- § 1797 Abs. 2 BGB
- § 1915 BGB
- § 1886 BGB
Fundstellen
- FGPrax 1998, 108
- FamRZ 1999, 813-814 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1998, 194-195
Amtlicher Leitsatz
Keine Beendigung der Nachlasspflegschaft bei Erledigung nur eines wesentlichen Teils des Wirkungskreises
Gründe
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind durch Beschluss des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 13.2.1995 als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der Verstorbenen bestellt worden, der Beteiligte zu 1. mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und die Beteiligte zu 2. mit dem Wirkungskreis der Ermittlung der Erben und der Zustimmung gemäß § 1812 BGB zu Verfügungen des Beteiligten zu 1. Mit Beschluss vom 23.4.1997 hat das Amtsgericht Wilhelmshaven die Führung der Nachlasspflegschaft für beendet erklärt, "soweit sie vom Beteiligten zu 1. für den Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses geführt war" ,und gleichzeitig den bisherigen Wirkungskreis der Beteiligten zu 2. um die Bereiche Sicherung und Verwaltung des Nachlasses erweitert.
Ferner ist angeordnet worden, dass die Beteiligte zu 2. nunmehr die gesamte Nachlasspflegschaft fortführt. Diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde vom 9.5.1997 angefochten, die das Landgericht mit dem hiermit in Bezug genommenen Beschluss als unzulässig verworfen hat.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist zulässig; sie führt in der Sache zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1.
Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29, 60 Abs. 1 Nr. 3 FGG statthaft, denn dem Pfleger steht gemäß § 60 Abs.1 Nr. 3 FGG gegen eine Verfügung, durch die er gegen seinen Willen entlassen wird, das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - auch nicht eine fehlende Beschwer gemäß § 20 FGG entgegen, denn der Pfleger wird durch seine Entlassung aus seinem Amt - anders als bei der Aufhebung der Pflegschaft insgesamt (RGZ 151, 57; MK- Leipold BGB 3. Aufl. § 1960 Rdn. 73) - in seiner verfahrensrechtlichen Stellung, die er durch die Bestellung (§§ 1960, 1915, 1789 BGB) erhält, im Sinne des § 20 FGG beeinträchtigt (so auch KG OLGZ 1971, 196; MK- Schwab BGB 3. Aufl. § 1915 Rdn. 18).
a)
Der Pfleger übt ein Amt auf privatrechtlicher Grundlage aus (BGHZ 17, 115 [BGH 30.03.1955 - IV ZB 23/55]), das durch eine besondere Selbstständigkeit geprägt ist; diese selbstständige Stellung des Pflegers kommt auch in §§ 1915, 1837 BGB zum Ausdruck, wonach der Pfleger Weisungen des Vormundschaftsgerichts nicht entgegenzunehmen hat, wenn die zu treffende Maßregel sich im Rahmen der Zweckmäßigkeit hält und ihre Vornahme oder Unterlassung keine Pflichtwidrigkeit des Vormundes enthält (vgl. BGH a.a.O.).
b)
Die Entscheidung des Rechtspflegers stellt in ihren Wirkungen eine Entlassung im Sinne des § 60 Abs. 1 Nr. 3 FGG dar. Hieran ändert der Wortlaut der Entscheidung, wonach die Führung der Nachlasspflegschaft durch den Beteiligten zu 1. für den Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses für beendet erklärt worden ist, nichts. Es handelt sich nämlich nicht um eine im Gesetz nicht vorgesehene Teilbeendigung der Pflegschaft, sondern um die Aufhebung der Pflegerbestellung hinsichtlich des Beteiligten zu 1. und die Übertragung der gesamten Nachlasspflegschaft auf die Beteiligte zu 2. Dies ergibt sich nicht nur aus dem letzten Satz der Entscheidung des Rechtspflegers, sondern auch aus den Gründen dieser Entscheidung, wonach die in den Wirkungskreis des Beteiligten zu 1. fallende Verwaltung des für die noch nicht ermittelten Erben angelegten Geldes der Beteiligten zu 2. übertragen worden ist.
2.
In der Sache hält die Entscheidung des Rechtspflegers einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, § 27 Abs. 1 S. 2 FGG, § 550 ZPO. Auf Grund der fortbestehenden Nachlasspflegschaft ist für eine Entscheidung, die Pflegschaft für beendet zu erklären, kein Raum; für eine Entlassung des Beschwerdeführers sind deren Voraussetzungen nach den bisherigen Feststellungen nicht erfüllt.
Das Amt eines vom Nachlassgericht bestellten Nachlasspflegers endet grundsätzlich erst mit der Aufhebung der Pflegschaft oder vorzeitig - bei Fortdauer der Pflegschaft - durch seinen Tod oder seine Entlassung. Die Nachlasspflegschaft endet nicht bei bloßer Zweckerreichung (Palandt- Edenhofer BGB 57. Aufl. § 1960 Rdn. 31), sondern ist durch eine entsprechende Aufhebungsentscheidung des Nachlassgerichts zu beenden.
Für eine Entscheidung, die Pflegertätigkeit des Beschwerdeführers für beendet zu erklären, ist vorliegend kein Raum. Der Fall, dass bei mehreren Nachlasspflegern (§§ 1960, 1915 in Verbindung mit §§ 1775, 1797 BGB) die Pflegschaft unter ihnen gemäß § 1797 Abs. 2 BGB nach bestimmten Wirkungskreisen aufgeteilt worden ist und die Besorgung der Angelegenheiten in einem der Wirkungskreise ihre Erledigung gefunden hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Das Gesetz sieht lediglich für den Fall der Bestellung einer Pflegschaft für die Besorgung einer einzelnen Angelegenheit die kraft Gesetzes eintretende Beendigung der Pflegschaft insgesamt mit deren Erledigung vor, § 1918 Abs. 3 BGB. Ob diese Regelung auf den Fall der Erschöpfung eines Wirkungskreises bei Erledigung der darin anfallenden Aufgaben entsprechende Anwendung findet, kann hier dahinstehen, da der Wirkungskreis der Verwaltung des Nachlasses - wenn auch in geringem Umfange - noch besteht und durch die angefochtene Entscheidung des Nachlassgerichts der Beteiligten zu 2. übertragen worden ist.
Die Entscheidung des Nachlassgerichts findet auch in § 18 FGG keine rechtliche Grundlage. Sind mehrere Nachlasspfleger bestellt (§§ 1960, 1915 in Verbindung mit §§ 1775, 1797 BGB) und ist die Pflegschaft unter ihnen gemäß § 1797 Abs. 2 BGB nach bestimmten Wirkungskreisen aufgeteilt, so soll zwar die einmal getroffene Aufteilung nach § 1797 Abs. 2 BGB jederzeit gemäß § 18 FGG abgeändert werden können (vgl. Staudinger- Engler § 1797 Rdn. 6; a.A. MK- Schwab a.a.O. § 1797 Rdn. 20). Diese Möglichkeit kann jedoch nur insoweit bestehen, als jedem Nachlasspfleger noch ein bestimmter Wirkungskreis verbleibt, da anderenfalls die zwingenden gesetzlichen Entlassungsregelungen unterlaufen würden.
Kommt damit hier nur eine Entlassung des Beteiligten zu 1. in Betracht, so unterliegt diese Entscheidung den engen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 1915, 1886 BGB. Danach ist eine Entlassung des Beteiligten zu 1. im Hinblick auf seine pflichtgemäße Tätigkeit, die zu Beanstandungen keinen Anlass gegeben hat, nur möglich, wenn durch die Fortsetzung seiner Pflegertätigkeit eine objektive Gefährdung des Erbeninteresses bestünde, die auch durch weniger einschneidende Maßnahmen nicht gebannt würde (BayObLG RPfleger 1983, 108). Allein der Umstand, dass eine weitere Tätigkeit des Beteiligten zu 1. einen Vergütungsanspruch begründen würde, rechtfertigt eine solche Annahme nicht, da in dem geringen Rahmen der Nachlassverwaltung auch der Beteiligten zu 2. ein Vergütungsanspruch für diese Tätigkeit zustünde.
Da eine Beendigung der Pflegertätigkeit des Beteiligten zu 1. nach der vorliegenden Sachlage nicht in Betracht kommt, war unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über eine Entlassung des Beschwerdeführers gemäß §§ 1915, 1886 BGB, die vom Senat in tatsächlicher Hinsicht nicht abschließend beurteilt werden kann, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.