Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 03.02.1998, Az.: 5 U 88/97

Kündigungsfrist bei einer Molkereigenossenschaft; Außerordentliches fristloses Kündigungsrecht für die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft; Entbindung von den Milchlieferungsverpflichtungen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
03.02.1998
Aktenzeichen
5 U 88/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28928
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0203.5U88.97.0A

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 1998, 134-136
  • RdL 1998, 123-125

Amtlicher Leitsatz

Die Kündigungsfrist von 2 Jahren bei einer Molkereigenossenschaft ist wettbewerbsrechtlich unzulässig. Keine außerordentliche Kündigung bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Genossenschaft.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist als eingetragene Genossenschaft (so genannte Molkereigenossenschaft) gem. § 2 ihrer Satzung eine Erzeugergemeinschaft i.S.d. Marktstrukturgesetzes zur Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb mit dem Unternehmensgegenstand ,Milchverwertung auf gemeinschaftliche Rechnung und Gefahr" und ,Betrieb einer Molkerei". Der Beklagte ist Milchviehhalter und als beigetretener Genosse gem. § 12 j der Satzung verpflichtet, sämtliche in seinem landwirtschaftlichen Betrieb gewonnene und nicht zum unmittelbaren Verbrauch im eigenen Haushalt oder zur Fütterung der eigenen Tiere benötigte Milch gem. den aktuellen Milchlieferungsbedingungen ausschließlich der zur Abnahme verpflichteten Klägerin zu liefern. Wegen der weiteren Einzelheiten insbesondere der Rechte und Pflichten der Genossenschaftsmitglieder und der Genossenschaft wird auf die Satzung und die Milchlieferungsbedingungen verwiesen.

2

Die Parteien streiten über den Fortbestand der satzungsgemäßen Milchanlieferungspflicht des Beklagten bis zum 31.12.1998, an dem seine Mitgliedschaft bei der Klägerin auf Grund einer 1996 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung gem. § 5 Abs. 1 der Satzung (Kündigung zum Ende des Geschäftsjahres mit einer Frist von 24 Monaten) endet.

3

Seit dem 17.4.1997 stellte der Beklagte und 38 weitere Genossen ihre Milchlieferungen ein. Durch Anwaltsschreiben vom 28.4.1997 kündigten sie ihre Mitgliedschaft in der Genossenschaft fristlos, hilfsweise fristgemäß, mit der Begründung, dass wegen der in den vergangenen Jahren infolge nicht ordnungsgemäßer Geschäftsführung angefallenen und auch künftig zu erwartenden Jahresfehlbeträge in Millionenhöhe mangels nachhaltiger Liquidität Konkursreife bestehe.

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Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte sei wie die übrigen 38 Genossen zu diesem Verhalten auf einer Veranstaltung mit etwa 140 Landwirten durch ein ehemaliges Vorstandsmitglied mit falschen Angaben angestiftet und zugleich aufgefordert worden, möglichst schnell zu anderen Molkereien zu wechseln. Sie ist unter Vorlage eines Gutachtens der Commerzial Treuhand GmbH-Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft - den Behauptungen zur Überschuldung und anhaltenden Konkursreife mit zusätzlichen Angaben zu ihrer Geschäftspolitik und der sich daraus ergebenden Erwartung positiver Geschäftsergebnisse ab 1998 spezifiziert entgegengetreten. Sie hat im Übrigen die Auffassung vertreten, dass das Vorbringen der austrittswilligen Mitglieder ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht stütze und es ein fristloses Kündigungsrecht im Genossenschaftsrecht nicht gebe.

5

Er hat die Ansicht vertreten, wegen der Überschuldung der Klägerin zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen zu sein, was ihn von der Milchanlieferungspflicht entbinde. Allein wegen der eklatanten Misswirtschaft der Klägerin sei es beim Milchgeld zu einer Differenz von 7 bis 8 Pfennig pro Liter im Verhältnis zu anderen Genossenschaften gekommen, die ihren Mitgliedern ein entsprechend höheres Entgelt hätten zahlen können. Im Übrigen sei die zweijährige Kündigungsfrist wegen Verstoßes gegen europäisches Wettbewerbsrecht unwirksam.

6

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte habe bereits keinen wichtigen Grund zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen dargetan. Im Genossenschaftsrecht sei eine fristlose Kündigung ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung zum Jahresende 1997 lägen nicht vor. Die satzungsgemäße Kündigungsfrist sei wegen der notwendigen Planungssicherheit mit dem europäischen Wettbewerbsrecht zu vereinbaren.

7

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte in erster Linie sein Klagabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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Die Milchlieferungsverpflichtung gem. § 12 j der Satzung ist nicht durch die ausgesprochene Kündigung vorzeitig entfallen. Der Beklagte ist daher gehalten, seinen Lieferverpflichtungen bis zum Wirksamwerden der ordentlichen Kündigung gem. § 5 Abs. 1 der Satzung und dem dadurch bedingten Ausscheiden aus der Genossenschaft mit Ablauf des 31.12.1998 zu erfüllen.

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Nach dem Genossenschaftsrecht besteht ein außerordentliches fristloses Kündigungsrecht für die Mitgliedschaft nicht. § 65 Abs. 2 Satz 4 GenG gibt den Genossen lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht mit einer gegenüber der Satzung verkürzten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluss des Geschäftsjahres, wenn die Satzung eine längere als eine zweijährige Kündigungsfrist vorsieht, die Mitgliedschaft des austrittswilligen Genossen mindestens ein volles Geschäftsjahr bestanden hat und es ihm nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, bis zum Ablauf der Satzungsfrist in der Genossenschaft zu verbleiben. Diese Regelung ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Lehre abschließend (vgl. nur BGHZ 103, 219 ff, 227[BGH 08.02.1988 - II ZR 228/87]; OLG Düsseldorf MDR 1978, 319; Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, GenG, 33. Aufl., § 65 Rn. 24; Müller, Kommentar zum Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, 1980, § 65 GenG Rn. 16 jeweils m.w.N.).

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Ob davon in Härtefällen bei Vorliegen ganz besonders wichtiger Gründe unter Abwägung der berechtigten Interessen beider Parteien nach dem für das gesamte Zivilrecht mithin auch für die Beziehung zwischen Genossenschaft und den Genossen maßgeblichen Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB Ausnahmen denkbar sein können, ist bislang noch nicht entschieden worden (offengelassen ausdrücklich in BGHZ a.a.O.). Zweifelhaft erscheint dabei insbesondere, ob dies zu einer sofortigen Beendigung der mitgliedschaftlichen Verpflichtungen, vor allem - wie vom Beklagten gefordert - der Anlieferungspflichten führen kann. Selbst die Befürworter eines solchen außerordentlichen fristlosen Kündigungsrechts als letztem Mittel halten lediglich ein Ausscheiden des Genossen zum Ende des Geschäftsjahres entsprechend §§ 67 a, 68, 93 k GenG für denkbar (vgl.Uwe H. Schneider in Festschrift für Fleck, Seite 297 ff, 308, 311). Das bedarf aber insgesamt auch hier keiner abschließenden Erörterung und Beurteilung durch den erkennenden Senat. Die strengen rechtlichen Voraussetzungen unter denen allenfalls eine weitergehende außerordentliche Kündigungsmöglichkeit diskutierbar sein könnten, liegen erkennbar nicht vor. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat zudem nicht einmal die Voraussetzungen des gesetzlichen fristgebundenen außerordentlichen Kündigungsrecht des § 65 Abs. 2 Satz 4 GenG schlüssig und substantiiert darzutun vermocht.

12

Für eine Ausweitung der gesetzlich vorgesehenen Mitgliedschaftskündigungen besteht nach dem Begehren des Beklagten im Hinblick darauf, dass es sich bei der Klägerin um eine landwirtschaftliche Erzeugergemeinschaft handelt, aus Rechtsgründen kein Bedarf. Dem Beklagten geht es in erster Linie um die Entbindung von den Milchlieferungsverpflichtungen, um bei anderen Abnehmern einen höheren Milchpreis zu erzielen und nicht, weil die Klägerin ihren Verpflichtungen zur Zahlung des Milchgeldes nur unvollkommen oder gar nicht mehr nachgekommen wäre bzw. nachkommt.

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Als Vereinigung von Betrieben zur Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte fällt der ohne horizontale Preisbindung erfolgte genossenschaftliche Zusammenschluss bei der Klägerin unter das Privileg des § 100 Abs. 1 GWB. Insbesondere sind dadurch Absatzbindungen wie die Milchanlieferungsverpflichtung bei korrespondierenden Abnahmepflichten von dem Kartellverbot des § 1 GWB freigestellt und somit zulässig (Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland a.a.O., § 1 Rn. 209, 233; vgl. ferner § 3 MStrG). Im Rahmen dieser Freistellung steht den an der Vereinbarung Beteiligten aber gem. § 105 GWB das fristlose Kündigungsrecht aus wichtigem Grund des § 13 GWB zu, wenn insbesondere die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit unbillig eingeschränkt ist oder durch nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung beeinträchtigt wird. Danach können die Mitglieder der Klägerin ohne Einhaltung einer Frist ihre Anlieferungspflichten aus wichtigem Grund - d.h., wenn das weitere Festhalten an dem Kartell zumindest eine erhebliche Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz zur Folge haben würde (vgl. Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland a.a.O., § 1 Rn. 237) - kündigen. Dem Anliegen der Mitglieder der Genossenschaft, von dem geschäftlichen Bereich (Lieferbereich) ausgenommen zu werden, wird durch diese Regelung Rechnung getragen, ohne dass die für den Bestand der Mitgliedsverhältnisse fortgeltenden genossenschaftsrechtlichen Vorschriften berührt werden müssen.

14

Abgesehen davon, dass sich die Kündigung des Beklagten hier ausdrücklich auf die Mitgliedschaft und nicht auf die Lieferverpflichtung bezieht, hat er aber auch die Voraussetzungen für dieses wettbewerbsrechtliche Kündigungsrecht nicht dargetan. Denn eine allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Klägerin, dadurch eingetretene Verluste und ein Zurückbleiben der Höhe des Milchgeldes hinter den Erwartungen, was der Beklagte der Klägerin mit seinen Vorwürfen bezüglich Misswirtschaft, Liquiditätsstörungen und Konkursreife sowie Gewinneinbußen vorhält, rechtfertigen eine fristlose Kündigung nie (so ausdrücklich Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland Rn. 237). Die alleinige Behauptung, die aus dem Milchgeld erzielbaren Gewinne mit 5 bis 6 Pfennig pro Liter unter dem Milchgeld anderer Abnehmer reichten für die Deckung des Familienunterhaltes nicht aus, genügt nicht, um die wirtschaftliche Existenzgefährdung in dem für das fristlose Kündigungsrecht erforderlichen Maß ausreichend zu untermauern.

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Damit entfällt - abgesehen von dem vorstehend erörterten fehlenden rechtlichen Erweiterungsbedarf - zugleich jegliche Berechtigung zu einer außerordentlichen Mitgliedschaftskündigung. Die Behauptungen über die Liquiditätsmängel und Konkursreife sind auch hierfür jedenfalls solange nicht erheblich, wie die Klägerin ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Unzufriedenheit mit der Geschäftsführung und wirtschaftliche Schwierigkeiten - seien sie verschuldet oder unverschuldet - allein, geben kein Recht, sich von der Genossenschaft vorzeitig zu lösen. Das folgt zwar nicht - wie die Berufungserwiderung meint - aus § 17 KO, gegen dessen Anwendung auf die Rechtsbeziehung zwischen Genossenschaft und Genossen im Hinblick auf die dem Verein angenäherte körperschaftliche Verfassung Bedenken bestehen (vgl. zur Unanwendbarkeit des § 17 KO beim Verein und der Aktiengesellschaft Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 17 Rn. 29, 36 ff). Die gesetzlichen Regelungen zur Beseitigung nachhaltiger Liquiditätsstörungen und vor allem zur Abwendung von Konkursen wie die Erhöhung von Geschäftsanteilen und die Möglichkeit von gerichtlichen Vergleichsverfahren (vgl. Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland a.a.O., § 98 Rn. 19) oder die Nachschusspflichten gem. § 105 GenG sowie die Volleinzahlungspflichten gem. § 97 a GenG belegen aber bereits, dass derartige wirtschaftliche Schwierigkeiten allein noch keinen Grund für eine vorzeitige Mitgliedschaftsauflösung sind. Aus diesem Grunde lässt sich entgegen der Berufung auch nichts anderes aus der Ausschlussmöglichkeit gem. § 9 Abs. 1 d der Satzung im Falle der Überschuldung eines Mitgliedes herleiten.

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Der Beklagte hat mithin bereits keine Gründe für die Ausübung des gesetzlichen außerordentlichen Kündigungsrechts des § 65 Abs. 2 Satz 4 GenG dartun und unter Beweis stellen können. Der bloße Austrittswunsch, weil bei Konkurrenten günstigere Konditionen zu bekommen seien, bedingt grundsätzlich keine Unzumutbarkeit am Festhalten der Mitgliedschaft bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (so ausdrücklich Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland a.a.O. § 65 Rn. 20 m.w.N.). Erst recht fehlt es dann aber an Gründen, die ein weitergehendes außerordentliches Kündigungsrecht stützen könnten.

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Entgegen der Berufung ist die umstrittene Milchlieferungsverpflichtung auch nicht unter Berücksichtigung der zweijährigen Kündigungsfrist wegen Verstoßes gegen Art. 85 EGV unwirksam. Der Senat ist in der Lage, die Europarechtskonformität dieser Regelung festzustellen, ohne sich zuvor unter Aussetzung des Verfahrens an die europäische Kommission oder den europäischen Gerichtshof zu wenden, da die Vereinbarkeit mit dem europarechtlichen Wettbewerbsrecht offensichtlich ist (vgl. EuGH - Urteile vom 12.12.1995 - Rs. C - 399/93 - EuZW 1996, 282 ff, 284 und verb. Rs. C - 319/93, C - 40/94, C - 224/94 - EuZW 1996, 284 ff, 287). Dem Vorbringen der auch insoweit darlegungs- und beweispflichtigen austrittswilligen beklagten Mitglieder der Klägerin (vgl. BGHZ 53, 304, 309[BGH 26.02.1970 - KZR 5/69]; BGH NJW 1992, 2145) ist nichts dafür zu entnehmen, dass diese Vereinbarung eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt, geeignet ist, den Wettbewerb spürbar zu beschränken oder den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das trifft auch nicht lediglich eine unabhängig vom Parteivortrag zu beurteilende Rechtsfrage (BGH a.a.O.; zuletzt Urteil vom 13.3.1997 - I ZR 215/94 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

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Genossenschaftliche Zusammenschlüsse wie bei der Klägerin werden vom nationalen Gesetzgeber wie auch von den Gemeinschaftsbehörden grundsätzlich wegen ihres Beitrages zur Modernisierung und Rationalisierung des Agrarsektors und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen begrüßt. Unter das Kartellverbot fallen Vereinbarungen solcher Zusammenschlüsse daher nur, wenn die satzungsgemäße Bindung der Mitglieder an eine Genossenschaft über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Genossenschaft und insbesondere eine hinreichende wirtschaftliche Grundlage und Stabilität des Mitgliederbestandes für sie sicherzustellen (vgl. EuGH a.a.O., EuGH EuZW 1995, 244).

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Die hier im Streit befindliche Austrittsregelung - Fortbestand der Anlieferungspflicht während der satzungsmäßigen Frist von zwei Jahren bei ordentlicher Kündigung bzw. drei Monaten bei einer außerordentlichen Kündigung gem. § 65 Abs. 2 Satz 4 GenG jeweils zum Ende eines Geschäftsjahres - bedeutet erkennbar keine unverhältnismäßig lange Bindung der Mitglieder an die Genossenschaft. Nach europäischem Wettbewerbsrecht muss lediglich gewährleistet sein, dass den Genossen die Möglichkeit zum Austritt in angemessenen Zeitabständen eingeräumt ist (vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes in der Rs C 319/93 Tz 33).

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Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen des europäischen Wettbewerbsrechts sind hier offensichtlich erfüllt. Selbst nach dem Vorbringen der beklagten austrittswilligen Mitglieder gibt es auf dem relevanten Markt unter Einbeziehung der Nachbarländer hinreichend Wettbewerber auf Anbieter- wie auf Abnehmerseite. Die europäische Kommission hält eine gebührenfreie Kündigung mit einer Zweijahresfrist für vereinbar mit Art. 85 EGV (s. XXI Bericht über Wettbewerbspolitik, 1991, Nr. 83 und 84). Bedenken entstehen erst bei zusätzlichen Bindungszwängen, etwa durch nicht unerhebliche Austrittsgelder und/oder auf Grund der Größe und Bedeutung einer Genossenschaft (vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes a.a.O. Tz 31 und 34). Anhaltspunkte für derartige zusätzliche Bindungen durch entsprechende Austrittsschranken bzw. Wettbewerbsbeinträchtigungen hat der Beklagte nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. Da die strittige Vereinbarung weder eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, noch eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirkt und auch den innergemeinschaftlichen Handel nicht beeinträchtigt, scheidet ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 EGV aus.

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Im Übrigen würde die Austrittsvereinbarung auch von dem so genannten Genossenschaftsprivileg des Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 26/62 des Rates vom 4.4.1992 Amtsbl. 1962 Nr. 30 Seite 993 - geändert durch VO Nr. 49/62 des Rates vom 29.6.1962 Amtsbl. 1962 Nr. 53 Seite 1571 - erfasst, wonach Art. 85 Abs. 1 EGV insbesondere nicht gilt für Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben oder von Vereinigungen von Erzeugerbetrieben aus einem Mitgliedsstaat, die - ohne Preisbindung - u.a. die Erzeugung oder den AbSatz 1andwirtschaftlicher Erzeugnisse betreffen, es sei denn, die Kommission stellt - was hier nicht der Fall ist - insoweit einen Wettbewerbsausschluss oder eine Gefährdung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik gem. Art. 39 EGV fest (vgl. dazu Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Rn. 1807; Schröter in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl., Art. 87 - 2. Teil Rn. 154 ff und Anhang II Liste zu Art. 38 des Vertrages Kap. 4, abgedruckt ebenda 5. Aufl., Art. 38). Die fraglichen Vereinbarungen betreffen eine Genossenschaft aus nur einem Mitgliedsstaat, beziehen sich nicht auf die Preise, sondern lediglich auf die Erzeugung oder den Absatz privilegierter landwirtschaftlicher Produkte auf gemeinschaftliche Rechnung und schließen - wie es sich aus den vorstehenden Erörterungen ebenfalls unzweifelhaft ableiten lässt - weder den Wettbewerb aus noch gefährden sie die Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik.

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Da dem Beklagten kein anderes als das satzungsgemäße ordentliche Kündigungsrecht zur Verfügung steht und die damit verbundene Austrittsregelung auch mit dem nationalen wie mit dem europäischen Wettbewerbsrecht zu vereinbaren ist, war die Berufung insgesamt mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO zurückzuweisen.