Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.07.2008, Az.: 1 ME 120/08

Beurteilung der Immissionen eines "Stadtstrandes" nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm); Prognostischer Charakter einer als Teil der Bauvorlagen eingereichten schalltechnischen Untersuchung; Reduzierung des durch TA Lärm 7.2 gesetzten Rahmens von maximal 10 "seltenen" Ereignissen pro Kalenderjahr bei saisonaler Nutzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.2008
Aktenzeichen
1 ME 120/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 20327
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2008:0711.1ME120.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 06.05.2008 - AZ: 2 B 80/08

Fundstellen

  • BauR 2008, 1668 (amtl. Leitsatz)
  • FStNds 2008, 607-609
  • NVwZ 2009, 325-327 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ-RR 2009, 325-327
  • NordÖR 2008, 493-495 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Orientierungssatz:

Nachbareinwendungen gegen einen "Stadtstrand"

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Immissionen eines "Stadtstrandes" beurteilen sich nach der TA Lärm, auch wenn diese auf Freiluftgaststätten keine Anwendung findet.

  2. 2.

    Eine als Teil der Bauvorlagen (§ 71 Abs. 2 Satz 1 NBauO) eingereichte Schalltechnische Untersuchung hat prognostischen Charakter; sie muss nicht auf Messungen an dem erst zur Genehmigung gestellten Vorhaben beruhen.

  3. 3.

    Bei nur saisonaler Nutzung reduziert sich nicht der durch TA Lärm 7.2 gesetzte Rahmen von maximal 10 "seltenen" Ereignissen pro Kalenderjahr, jedoch kann die volle Ausschöpfung dieses Rahmens ermessensfehlerhaft sein.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich als Nachbar wegen als unzumutbar empfundener Geräuscheinwirkungen gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen etwa 80 m entfernten "Stadtstrand" ("Laguna Beach", siehe www.mein-stadtstrand.de) am nördlichen Bereich des Stadtgrabens nahe der Oker in Wolfenbüttel.

2

Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Antragsgegnerin in den ersten zwei Monaten nach Aufnahme des Betriebs des Stadtstrandes vier Immissionsmessungen zu unterschiedlichen Tageszeiten (nachmittags sowie abends vor und nach 22:00 Uhr) während des Normalbetriebes bei möglichst hohen Besucherzahlen von einem unabhängigen Gutachter durchführen lässt und das abschließend zu erstellende Immissionsgutachten nach der TA Lärm unverzüglich dem Antragsteller zugänglich macht.

3

Dabei hat es eine Schalltechnische Untersuchung des Büros Bonk Maire Hoppmann (BMH) vom 19. Oktober 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 26. November 2007 sowie den Umstand zugrunde gelegt, dass die Antragsgegnerin der angegriffenen Baugenehmigung vom 6. Februar 2008 in Reaktion auf die Ergebnisse dieser Untersuchung eine Reihe von Nebenbestimmungen beigefügt hatte. Es hat die Prognose allerdings insoweit als nicht hinreichend gesichert angesehen, als durchaus denkbar sei, dass sich mehr als die angenommenen 400 Besucher einfänden. Außerdem habe der Antragsteller mit zwei Gutachten der BBS dargelegt, dass tatsächlich höhere Immissionen festgestellt worden seien. Dafür sprächen auch begleitende Messungen der Firma FLEWO. Keine Bedenken bestünden dagegen hinsichtlich der Regelung bezüglich der Sonderveranstaltungen. Dass die Wohnnutzung auch bei 10 "seltenen" Ereignissen eingeschränkt werde, sei aus Rechtsgründen hinzunehmen.

4

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde hält der Antragsteller daran fest, dass die Schalltechnische Untersuchung des Büros BMH fehlerhaft sei. Es gebe die Entfernung zu den Wohnungen B. mit 130 - 200 m an; tatsächlich betrage sie nur 80 - 100 m. Eigene Messungen seien nicht vorgenommen worden. Unzutreffend sei von nur 260 Plätzen in der Gaststätte ausgegangen worden; im Sommer befänden sich zeitweilig über 1000 Personen in der Außengaststätte. Immissionsansätze für Biergärten mit 300 Personen seien nicht vergleichbar. Die ergänzende Stellungnahme des Büros vom 26. November 2007 liege nicht vor.

5

Auf Grund seiner eigenen Bedenken gegen die Schalltechnische Untersuchung hätte das Verwaltungsgericht nur den Schluss ziehen dürfen, dass die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei. Die Lärmrichtwerte könnten danach überhaupt nicht eingehalten werden.

6

Verfehlt sei auch die Behandlung der "seltenen" Ereignisse. Da diese nur im Sommer und deshalb fast an jedem Wochenende stattfänden, könnten sie in dieser Jahreszeit nicht als "selten" angesehen werden.

7

Die Beschwerde, auf deren dargelegte Gründe sich die Überprüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, hat keinen Erfolg.

8

Das Verwaltungsgericht hat bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen einen zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Der Senat hat das Erfordernis "ausgewogenen" Rechtsschutzes nicht nur in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss vom 9. September 2004 (- 1 ME 194/04 -, BauR 2005, 372 = NVwZ-RR 2005, 17 = NdsVBl. 2005, 104), sondern auch in dem Beschluss vom 19. Dezember 2006 (- 1 ME 207/06 -, Internetrechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) und ausführlich noch einmal im Beschluss vom 25. Januar 2007 (- 1 ME 177/06 -, BauR 2007, 1394) vertieft. Davon weicht das Verwaltungsgericht nicht ab.

9

Ebenso wie das Verwaltungsgericht orientiert sich der Senat hinsichtlich der Zumutbarkeit der Geräuscheinwirkungen an der TA Lärm. Soweit diese anwendbar ist, kommt ihr nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 29.8.2007 - 4 C 2.07 -, NVwZ 2008, 76) eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist danach insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze auf Grund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept nur insoweit Raum, als die TA Lärm insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume eröffnet. Dass die TA Lärm auch bei baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten zu beachten ist, auch wenn sie sich als Verwaltungsvorschrift unmittelbar nur an die Immissionsschutzbehörden richtet, ergibt sich aus dem Baurecht, das mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Immissionsschutzrecht verweist.

10

Die TA Lärm nimmt allerdings mit ihrer Nr. 1 b) sonstige nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen sowie "Freiluftgaststätten" aus ihrem Geltungsbereich aus. Für Freiluftgaststätten wird hierfür geltend gemacht, dass sie regelmäßig nicht ganzjährig betrieben werden können, für ihren Betrieb ein besonderes soziales Bedürfnis bestehen kann und dass die von ihnen ausgehenden Geräusche besondere Charakteristika aufweisen (vgl. Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 2, 3.1 TA Lärm Nr. 1 Rdnr. 12). Freiluftgaststätten sind auch nicht Gegenstand des Anhangs B der Musterverwaltungsvorschrift "Lärm" des Länderausschusses für Immissionsschutz (NVwZ 1997, 469 [BVerwG 26.02.1997 - 6 C 3/96]; sog. "Freizeitlärm-Richtlinie" oder "LAI-Hinweise") und der niedersächsischen Freizeitlärm-Richtlinie (RdErl. v. 8.1.2001, MBl. 2001, 201); auch Sonderregelungen wie die bayerischen Biergartenverordnung (vom 20.4.1999, BayGVBl. S. 142) bestehen hier nicht. Letztlich wird mangels handhabbarer Alternativen auch für Freiluftgaststätten auf die TA Lärm zurückgegriffen (vgl. Ketteler, DVBl. 2008, 220, 223; Wehser, LKV 2008, 59, 61 f.; VGH München, Urt. v. 27.7.2005 - 25 BV 03.73 -, NVwZ-RR 2006, 312). Dem schließt sich der Senat - zum Vorteil der betroffenen Nachbarn - jedenfalls für die Fälle an, dass nicht besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmissionen für eine Anhebung der Zumutbarkeitsschwelle streiten (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 27.3.2001 - 12 K 188/01 -, GewArch 2001, 299). Das ist bei neuartigen Vorhaben wie einem "Stadtstrand" jedoch nicht der Fall.

11

Zu Recht geht das Verwaltungsgericht auch von der Verwertbarkeit der Schalltechnischen Untersuchung BMH vom 19. Oktober 2007 aus. Dem steht nicht entgegen, dass diese auf ihrer Seite 4 die Entfernung zur nächstgelegenen Wohnbebauung von der Außengastronomie mit rund 130 bis 200 m angibt. Das trifft so nicht zu. Allerdings dürfte die allgemeine Beschreibung der örtlichen Verhältnisse an dieser Stelle der Untersuchung angesichts ihres geringen Präzisierungsgrades kaum Grundlage für die im Einzelnen vorgenommenen Berechnungen gewesen sein. Dagegen spricht vor allem die der Untersuchung als Anlage 1 beigefügte Karte, die sowohl die Lage des "Stadtstrandes" als auch der zur Untersuchung ausgewählten "Immissionsorte" präzise angibt. Im Einzelnen sind die Berechnungen der Untersuchung allerdings nicht beigefügt; im Hauptsacheverfahren wird infolgedessen eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters einzuholen sein.

12

Für das Eilverfahren kann diese verbleibende Unsicherheit schon deshalb hingenommen werden, weil die berechneten Beurteilungspegel für diejenigen Betriebszustände, die mit der Baugenehmigung zugelassen worden sind, so weit auf der "sicheren Seite" liegen, dass sich Abweichungen bei den zugrunde gelegten Entfernungen kaum durchgreifend auswirken können. Möglicherweise werden auch nicht die vom Antragsteller genannten 80 m bis zum Rand des "Stadtstrandes" maßgeblich sein, sondern eine Entfernung bis zum nächstgelegenen Emissionsort innerhalb des "Stadtstrandes", was die Diskrepanz zwischen den Angaben noch verringern würde.

13

Hinsichtlich der Besucherzahl ist das Gutachten zunächst von 260 "Plätzen" ausgegangen. In den Bauvorlagen ist für den Stellplatznachweis von 150 Sitzplätzen im überdachten Bereich und von 400 erwarteten Besuchern insgesamt die Rede. Dies ist im "Normalbetrieb" die maximal zulässige Besucherzahl. Denn die Baugenehmigung bezieht sich nicht nur generell auf die Bauvorlagen, sondern nimmt mit ihrer Nr. 20 speziell auf die Stellplatzberechnung Bezug. Soweit in den Nrn. 14 und 15 eine Begrenzung auf 1000 Besucher und die Folgen einer Überschreitung angesprochen sind, bezieht sich dies nur auf "Veranstaltungen", nicht auf den Normalbetrieb.

14

Auf die Angabe der Besucherzahl mit 400 hat der Gutachter mit Schreiben vom 26. November 2007, in das Einsichtsmöglichkeit bestand, reagiert und ausgeführt, dass 400 "Plätze" eine Pegelerhöhung um 1,1 dB(A) erwarten ließen. Bei nächtlichem Betrieb der Außengastronomie sei mit einer Unterschreitung der jeweils maßgeblichen Immissionsrichtwerte im Bereich der am stärksten betroffenen Wohnfenster in der Nachbarschaft um mindestens 6 dB(A) zu rechnen. Auch insoweit verändert sich die Beurteilung also nicht durchgreifend zugunsten der Nachbarn.

15

Keinen Fehler der Schalltechnischen Untersuchung stellt es dar, dass ihr nicht eigene Messungen zugrunde gelegt worden sind. Dies ist typisch für derartige Untersuchungen, die von den Baugenehmigungsbehörden als Teil der Bauvorlagen eingefordert werden und daher regelmäßig nur eine Prognose enthalten können. Sie entfalten ihre Überzeugungskraft auch dadurch, dass sie gelegentlich durch exemplarische Einzeluntersuchungen (z.B. die "Parkplatzlärmstudie" des Bayerischen Landesamts für Umweltschutz) "kalibriert" werden, wie dies auch hier in Bezug auf eigene Messungen bei Biergärten angeklungen ist. Im Übrigen ist es gerade nicht das Ziel solcher Untersuchungen, das zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben unverändert "durchgehen" zu lassen; sondern es soll aus der Sicht der Genehmigungsbehörde die Entscheidungsgrundlage für Auflagen und andere Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung liefern. Das Ergebnis einer Messung wäre infolgedessen sogleich wieder obsolet. Das zeigt gerade die angegriffene Baugenehmigung sehr deutlich. Sie hat mit ihren Nebenbestimmungen in den Abschnitten 5 ff. Konsequenzen aus der Schalltechnischen Untersuchung gezogen, die die zulässigen Emissionen entsprechend den dort gegebenen Empfehlungen erheblich einschränken. Grundsatz ist danach für den "Normalbetrieb", also vorbehaltlich der "seltenen" Ereignisse, dass die Betriebszeit nur an Freitagen und Samstagen zwischen dem 16. Juni und 7. Oktober über 24:00 Uhr hinaus bis 2:00 Uhr gehen darf. Musik darf nur in "moderater Lautstärke" eingespielt werden und muss um 22:00 Uhr beendet sein. Nach dem gegenwärtigen Sachstand wird durch die von anderer Seite vorgenommenen Messungen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen, dass die maßgeblichen Richtwerte damit eingehalten werden können. Deren Entstehungsumstände können ihrerseits unterschiedlich bewertet werden:

16

Der Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 21. April 2008 hält diesem Gutachten u.a. entgegen, dass die Messungen an Tagen mit Live-Musikkonzerten stattgefunden hätten, die nach der jetzt erteilten Baugenehmigung als "seltene" Ereignisse zu gelten hätten. Infolgedessen seien bis 22:00 Uhr auf 70 dB(A) erhöhte Lärmgrenzwerte zulässig gewesen. Das wird der Aussage des Gutachtens allerdings nicht ganz gerecht. Für die Messung am 15. September 2007 hat es sehr wohl vermerkt, dass ein Live-Konzert stattfand. Am 8. September 2007 scheint sich das Live-Konzert jedoch witterungsbedingt nicht voll entfaltet zu haben, so dass der Gutachter nur 50 Gäste beobachtete und ihm auch akustisch der Live-Konzert-Charakter der Veranstaltung verborgen blieb. Das spricht für sich genommen nicht gegen die Verwertbarkeit seiner Folgerungen. Allenfalls dann, wenn die Veranstalter an diesen Abenden gerade von dem Bewusstsein ausgegangen sein sollten, sie führten ein seltenes Ereignis durch und dürften deshalb mehr Lärm entfalten, könnten die in dem Gutachten auf Seite 5 beschriebenen "Zustände" irreführend sein. Insoweit bedürfte es noch der Klärung, ob die Frage der "seltenen" Ereignisse schon vor der Erteilung der jetzigen Baugenehmigung im Bewusstsein der Beteiligten eine entsprechende Rolle gespielt hat.

17

Für den "Normalbetrieb" nach der jetzigen Baugenehmigung gibt das Gutachten allerdings aus anderen Gründen wenig her. Denn abgesehen von der Tabelle 2, die keine Pegelüberschreitung ergibt, beziehen sich die Tabellen 3 und 4 auf Zustände, die für den Normalbetrieb nicht genehmigt sind. Tabelle 3 geht von Live-Musik aus, die nur bei seltenen Ereignissen zulässig ist; bis 22:00 Uhr ist ansonsten nur die "Einspielung von Musik in moderater Lautstärke" gestattet. Tabelle 4 ("Normalbetrieb nach 22:00 Uhr") legt nach der zugehörigen Zustandsbeschreibung u.a. "Musik hörbar, Lieder erkennbar" zugrunde; Musik muss im Normalbetrieb jedoch um 22:00 Uhr beendet sein.

18

Unter diesen Umständen, d.h. im Hinblick auf die verbleibenden Unsicherheiten wegen der Besucheranzahl, reicht die vom Verwaltungsgericht beschlossene Maßgabe zur Wahrung der Interessen des Antragstellers aus.

19

Auch die Bedenken gegen die Zulassung von "seltenen" Ereignissen im Sinne der Nr. 7.2 der TA Lärm greifen nicht durch. Der Umstand, dass sich diese Ereignisse alle in der Sommerzeit konzentrieren werden, nimmt ihnen nicht den Charakter der Seltenheit und führt auch nicht zur Notwendigkeit einer Reduzierung der für ein volles Jahr bemessenen Höchstzahl. Der Senat hat auch für den nächtlichen Erntebetrieb, der sich typischerweise auf bestimmte Jahreszeiten konzentriert, 10 seltene Ereignisse für zumutbar gehalten (Beschl. v. 29.7.2004 - 1 MN 142/04 -, RdL 2005, 11). In seinem Beschluss vom 24. Januar 2007 (1 ME 151/06 -, n.v.) hat er die Frage offen gelassen, wie die Freizeitlärmrichtlinie in diesem Zusammenhang in Bezug auf die "kurze Sommersaison" eines Badeortes anzuwenden ist. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass Nr. 7.2 der TA Lärm grundsätzlich von einer gleichmäßigen Verteilung der "seltenen" Ereignisse über das ganze Jahr ausgeht; auch die einschlägige Literatur gibt hierfür nichts her.

20

Allerdings ist zu beachten, dass Nr. 7.2 der TA Lärm von "nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten" spricht. Wie insoweit im Einzelfall das Ermessen auszuüben ist, ergibt sich aus Satz 3 dieser Bestimmung (vgl. ferner Landmann/Rohmer, a.a.O., Nr. 7 Rdnr. 24 ff.). Ob sich unter diesem Gesichtspunkt möglicherweise Anlass zu einer Reduzierung der zugelassenen "seltenen" Ereignisse ergibt, ist im Beschwerdeverfahren im Hinblick auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkte Überprüfung jedoch nicht zu erörtern.

21

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO, §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Gegenüber dem Streitwert für das Ausgangsverfahren reduziert sich der Streitwert auf drei Viertel des dort angesetzten Betrages, weil der Antragsteller nach der dortigen Kostenentscheidung zu drei Vierteln unterlegen ist; mehr kann er in das Beschwerdeverfahren nicht einbringen.

22

In der Konsequenz der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Quotelung der Verfahrenskosten muss allerdings die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf die entsprechende Quote zurückgeführt werden. Das ist auch bei ansonsten ablehnender Beschwerdeentscheidung möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Urteil vom 23.5.1962 - V C 62.61 -, BVerwGE 14, 171, 174 [BVerwG 23.05.1962 - V C 62/61]/175 = DVBl. 1962, 683, unter anderem unter Hinweis auf RG JW 1913, 696), die der des Bundesgerichtshofs entspricht (vgl. Beschl. v. 26.6.1997 - III ZR 152/96 -, NVwZ-RR 1998, 8/9) und der sich andere Gerichte angeschlossen haben (vgl. z.B. OVG Berlin, Beschl. v. 27.6.1989 - 5 S 23.89 -, NVwZ 1990, 681), ist das Rechtsmittelgericht befugt, die Kostengrundentscheidung der Ausgangsentscheidung auch dann zu ändern, wenn es das Rechtsmittel in der Sache zurückweist. Denn über die Verfahrenskosten ist von Amts wegen zu entscheiden. Das hat zur Folge, dass das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (vgl. dazu etwa auch Bader, VwGO Komm., 3. Aufl. 2005, § 154 Rdnr. 3; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner-Olbertz, VwGO, § 154 Rdnr. 12). Eine Korrektur der Kostengrundentscheidung kommt daher unabhängig vom Anlass in Betracht, das zu tun. Ein solcher kann z.B. bestehen, wenn das Verwaltungsgericht außergerichtliche Kosten des Beigeladenen zu Unrecht nicht für erstattungsfähig erklärt hat (vgl. dazu Eyermann-Rennert, VwGO, Komm. 12. Aufl., § 161 Rdnr. 2) oder - wie hier - zu Unrecht in vollem Umfang für erstattungsfähig erklärt.